Im Paradies (18.-24.05.)

Am 18. Mai haben wir es endlich geschafft, der erste Hafen in den schwedischen Schären ist erreicht! Die Nachtfahrt auf dem Weg dorthin hatte es aber in sich: am Vortag brachen wir in Visby auf, zunächst zwar bei bestem Wetter aber dafür natürlich mit nur äußerst dürftigem Wind, mit dem selbst unser Regenbogen nicht viel anfangen konnte. Also wieder Dieselsegel. Später am Tag jedoch haben wir noch anständigen Segelwind bekommen und gut Strecke gemacht – so gut, dass wir zum Abend hin sogar die Segel verkleinert haben, um nicht zu schnell zu sein und mitten in der Nacht in die felsigen Schären zu fahren. Nun, diese Sorge erwies sich als vollkommen unbegründet, denn mit der Sonne verließ uns auch der Wind, und zwar so gründlich, dass wir praktisch nicht von der Stelle gekommen sind.

Abendstimmung unterwegs
Abendstimmung unterwegs – nach wenigen Stunden gefolgt vom Sonnenaufgang

Zu allem Überfluss stellen wir mitten in der Nacht, pünktlich zur Wachablösung fest, dass unser Plotter kein GPS-Signal mehr empfängt und unsere Position nicht auf der elektronischen Seekarte erfassen kann. Ja, früher sind alle Segler ohne solche Hilfsmittel ausgekommen, aber wenn wir auf dem Weg in ein unbekanntes Revier sind, in dem man sehr leicht die Orientierung verliert und das von Untiefen und Unterwasserfelsen nur so wimmelt, möchten wir auf keinen Fall auf diese Unterstützung verzichten. So machen wir uns mitten in der Nacht an die Arbeit und versuchen das Problem zu lösen – natürlich keine schöne Art, sich eine Nacht um die Ohren zu schlagen, die eigentlich das Potential gehabt hätte, wunderschön zu sein: durch die kaum unterm Horizont versinkende Sonne wird es selbst nach Sonnenuntergang nicht vollkommen dunkel und das Licht und der Himmel sind die ganze Nacht über betörend schön, so dass die Nachtwache eigentlich überhaupt nicht schwer fällt (man muss sich nur warm einpacken, denn es ist doch noch recht kühl). Nach ein paar Stunden sendet  das GPS wieder Daten, und am Vormittag laufen wir in Nynäshamn ein, das wir als Versorgungs- und Absprunghafen für unseren Törn durch die Schären auserkoren haben.

In Nynäshamn decken wir uns ein mit allem, was wir brauchen; sowohl Hafen als auch Stadt sind recht groß und lebhaft, das ist aus logistischen Gründen ganz fein so, aber ansonsten eher nichts für uns. Außerdem sind wir ja hier, um Natur zu sehen. Sobald wir also startklar sind, brechen wir unter Motor auf und sind schon bald in unserer allerersten Ankerbucht angekommen: Kolnäsviken auf der Insel Ornö. Die Bucht ist ringsum geschützt und ganz grün und ruhig. Da wir mit der Orion zum ersten Mal vorhaben, auf die skandinavische Art zu ankern – also vor Heckanker und mit Landleine vom Bug – ist es uns ganz recht ein stilles, sicheres Fleckchen für das erste Ankermanöver gefunden zu haben. Nicht beim ersten Anlauf aber auch nicht nach allzu langer Zeit gelingt es dann auch; durch die Rumpfform ist die Orion gut für dieses Manöver geeignet, denn auf den ersten Metern ist sie ganz flach, der Bug hängt deutlich über, so dass man dem Land ohne Gefahr nahe kommen kann. Außerdem ist das Wasser klar genug, dass man gut erkennen kann, wo der Grund ansteigt und flacher wird – wenn man sich erst mal an die andere Tiefenwahrnehmung durch die Lichtbrechung gewöhnt hat.

Wir sind überglücklich, endlich in der Natur zu liegen und auch endlich angekommen zu sein. Wie lange haben wir uns mit dieser Vorstellung während der langen, kalten Monate des Refits getröstet. Und nun sind wir da und können es kaum fassen.

Wenn wir schon von Bord direkt an Land gehen können, muss ein Landgang natürlich sein. Die Insel ist dunkelgrün und wunderhübsch (wie wir später feststellen, alles andere als ein Einzelfall), der Kaufmann im winzigen Ort hat, wie es scheint, den Betrieb eingestellt und wir verbringen einen entspannten Abend an Bord mit einem herrlichen Ausblick auf Bäume, Felsen und Heidelbeerbüsche.

Am nächsten Tag dann geht es ins Paradies, unserem ersten Hauptziel auf dieser Reise. Das Paradies heißt eigentlich Paradiset (oder je nachdem, wo man liest, auch Paradisviken) und ist eine weitläufige, von mehreren Inseln gebildete Bucht mit zahlreichen Liegemöglichkeiten für alle Windverhältnisse; bei einem Chartertörn einige Jahre zuvor haben wir dieses wunderschöne Fleckchen kennen- und liebengelernt. Auf dem Weg dorthin bleibt wieder einmal der versprochene Wind aus, so dass wir, nachdem alle denkbaren Segelkonstellationen vergeblich getestet worden sind, doch motoren müssen. Nun ja, zumindest am Nachmittag kommt Wind auf, so dass wir den Regenbogen setzen können und uns zügig dem Ziel nähern. Unterwegs gehen uns fast die Augen über bei all den wunderschönen Anblicken ringsum.

Das ist unser Flecken im Paradies - kann man sich dran gewöhnen!
Das ist unser Flecken im Paradies – kann man sich dran gewöhnen!

Und plötzlich sind wir schon da, die immer noch vertraute Öffnung in die Bucht liegt vor uns und wir fahren hinein. Was für ein langersehnter Moment! Wir schauen uns einige der Liegeplätze an und entscheiden uns für eine andere Stelle, als die, an der wir das letzte Mal gelegen haben – die Orion hat doch deutlich mehr Tiefgang als so eine gängige Charteryacht, das schränkt zuweilen die Möglichkeiten ein. Aber, wo wir liegen liegen wir gut: geschützt hinter einem großen Felsen und mit sehr bequemem Überstieg an Land. Es ist der 20. Mai und das heißt, wir bleiben ein paar Tage. Nachdem wir nun seit Wochen hierhergeeilt sind, wird es dafür aber auch Zeit.

Am nächsten Tag holt uns strahlender Sonnenschein aus dem Bett, nee, wie schön! 🙂 Noch vor dem Frühstück wird das Wasser getestet – nun ja, für ein Vollbad reicht es nicht, es ist wirklich elendigst kalt … wir haben leider kein funktionierendes Wasserthermometer, aber viel mehr als 15° können es kaum sein, vielleicht auch weniger. Schade, dabei hätten wir gerne ab und an mal morgens eine Runde gedreht, wenn es sich anbietet. Aber wenn es dermaßen eisig ist, dämpft das die Motivation doch gehörig. Wir trösten uns mit Frühstück in der Sonne und weihen dann Schlauchboot und Außenborder ein, indem wir die erste Inseleinkaufstour erledigen.

Blick auf Ingmarsö vom Wasser aus - man sieht nicht viel vom Ort, denn die Häuser sind locker im Gelände verteilt
Blick auf Ingmarsö vom Wasser aus – man sieht nicht viel vom Ort, denn die Häuser sind locker im Gelände verteilt

Supermärkte sind in den Schären eher rar gesät, erst recht in der Vorsaison, so dass man die Versorgung mit Frischware schon ein wenig planen muss. In Ingmarsö – 45 Minuten per Außenborder entfernt – sieht es noch genau so aus wie vor einigen Jahren und wir sind erstaunt, wie lebendig die Erinnerungen an den letzten Besuch geblieben sind.

Am Nachmittag erkunden wir “unsere” Insel Idholmen. Der Ausflug findet jedoch ein jähes Ende, weil es in Strömen anfängt zu regnen und wir eiligst an Bord zurückhasten, um diverse offenstehende Luken zu schließen – wie war das mit dem vorhergesagten Traumwetter?  Bald aber scheint wieder die Sonne und wir beschließen den Abend mit einem Ausflug auf die Insel auf der anderen Seite der Bucht, dort wo wir beim letzen Mal gelegen haben. Mitten auf den großen, runden steinernen Walbuckeln schlagen wir auf einem Tisch aus Flechten unser Abendbrotpicknick auf und genießen: Luft, Anblick, Duft und nicht zuletzt das Essen.

Der nächste Tag ist der Tag der Tage und zünftig wird er mit Kaffee ans Bett und dann einem Bad im kühlen Nass begonnen, man will ja nicht schmuddelig ins neue Lebensjahr gehen, nicht wahr? Erfrischt (durchgefroren) lassen wir uns das Frühstück in der Sonne schmecken im Schutz unseres Moskitonetzes. Dass wir schon im Mai so viele Mücken haben würden (und die stechen auch schon ganz ordentlich) haben wir nicht erwartet und  sind froh, wenigstens im Cockpit unsere Ruhe vor den Viechern zu haben. Auch den Rest des Tages lassen wir es uns gut gehen mit einem weiteren Erkundungsausflug über Stock und Stein, Kuchen, leckerem Abendessen und Abendstimmung bei Rotwein.

Am nächsten Tag haben wir uns eigentlich ausdrücklich vorgenommen, so richtig faul zu sein – aber das eine oder andere gibt es ja doch immer zu tun. So verbringen wir einen halben Tag mit Kriegsrat und Pläneschmieden, denn für die nächsten Tage ist nicht allzu günstiges Wetter mit kräftigem Wind aus N-NO gemeldet. Also wälzen wir unsere Handbücher auf der Suche nach geeigneten windgeschützten Ecken. Außerdem sind wir im Laufe des Tages auf einmal nicht mehr allein an unserem Ankerplatz – Skandal! Ganz ungeniert quetschen sich noch drei weitere Boote in die kleine Bucht zu uns, so dass man sich fast so nahe kommt wie im Hafen. Tja, es ist Freitag und das sind dann wohl die Wochenend-Segler aus Stockholm, die in großer Zahl ausschwärmen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet.

Naja, dann fällt es uns ein wenig leichter, die Weiterreise zu planen, auch wenn es hier einfach wunderschön ist und wir gerne wiederkommen wollen. Unsere Batterien müssten auch dringend mal wieder geladen werden und so lichten wir am Samstag den Anker und fahren eben in den ziemlich netten Hafen von Ingmarsö-Ort. Dort liegt man für wenig Geld gut, Strom und Wasser sind inklusive, Duschen sind gut und eine Sauna gibt es auch (und wird auch rege genutzt) … der einzige Wermutstropfen ist der in die offene Bucht immer hineinstehende Schwell von den vorüberfahrenden Booten. So ist es doch ein wenig unruhig.

Auf Stora Ravsön
Auf Stora Ravsön

Nach den letzten Erledigungen ziehen wir noch mit dem Schlauchboot los und erkunden die Bucht von Stora Ravsön, ausgiebiger Landgang inklusive. Meine Güte, auch da wieder ein wunderschöner Flecken Erde – die haben einfach echt viele davon, die Schweden.