Vlieland und Groningen (10.09.-17.09.)

Den nächsten Tag verbringen wir ganz gemütlich an Bord, weil das Wetter nicht zu Aktivitäten einlädt, aber am Tag drauf können die Fahrräder endlich wieder zum Einsatz kommen und wir erkunden die Insel. Viel Neues gibt es nicht zu entdecken denn dafür waren wir schon zu oft hier, aber immer wieder schön ist es definitiv. Da Vlieland recht klein ist, kann man auch zu Fuß ganz gut losziehen und natürlich nutzen wir auch diese Gelegenheit, streifen durch die Dünen, lassen uns am Strand den Wind um die Nase wehen und stärken uns im kleinen und immer wieder reizenden Ort mit Kibbeling von der Fischbude. Bei unseren Touren über die Insel fallen uns auch immer wieder Schilder in der Landschaft auf, die die Erntesaison für die Cranberries in wenigen Tagen ankündigen. Ja, ganz recht: Cranberries. Eigentlich sind diese Beeren ja auf der anderen Seite des Atlantiks heimisch, haben sich aber auf Vlieland und Terschelling irgendwann angesiedelt und wachsen nun in nicht kleiner Zahl überall auf den Inseln und gedeihen wohl recht prächtig. So ist es tatsächlich authentisch und nicht etwa nur einem Trend zuzuschreiben, dass man auf beiden Inseln immer wieder Cranberryspezialitäten aller Sorten (Marmeladen, Liköre, Cremes, Tees
etc.) angeboten bekommt und selbst der typisch holländische Apfelkuchen mit Cranberrysoße serviert wird.

Reiche Beute

Wir sind von der Vorstellung recht angetan, selbst Cranberries ernten zu können und so steht der Plan sehr schnell, dass wir mindestens bis zum Beginn der offiziellen Erntefreigabe bleiben werden. Bis dahin verbringen wir schöne und schön unspektakuläre Tage auf der Insel und lassen es uns einfach gut gehen. Und am 13. September ist es dann soweit: die Jagd ist eröffnet. Wir ziehen bei herrlichstem Wetter los und und suchen uns ein schönes Eckchen zum Pflücken … und dann geht es los: die Beeren wachsen im offenen, sandigen Land zwischen den alten Dünen ganz flach am Boden und sitzen in großer Zahl an den Sträuchern. Und so ist es fast wie im Schlaraffenland und wir können die reiche Beute ganz entspannt sammeln, während uns ein lauer Wind um die Nase weht und die Sonne für perfekte Temperaturen sorgt – und das ganz ohne gebücktes Kriechen, Zecken oder Mücken. In kurzer Zeit haben wir mehrere Kilo zusammen und zwingen uns zum Aufhören, denn verbrauchen müssen wir die Schätzchen ja schließlich auch noch!

Der Abend bringt ein weiteres Highlight in Form eines kleinen Konzertes (Klavier und Geige) in der örtlichen Kirche, das ein junges japanisch-chinesisches Ehepaar wohl in regelmäßigen Abständen gibt. Sie haben sich – wen überrascht’s – in Vlieland verliebt und kommen immer wieder zurück. Die Stimmung in der Kirche ist wunderschön und wir freuen uns über den rundum gelungenen Tag.

Nun muss es aber so langsam wieder weitergehen mit uns, denn zurückkommen müssen wir ja schließlich auch noch. Und so brechen wir am 15. September wieder auf und machen uns auf den Weg nach Westen. Diesmal wollen wir für den Rückweg etwas Neues ausprobieren und werden in Lauwersoog einschleusen, um den Rest des Rückweges binnen zurückzulegen. Wir sind uns noch nicht so sicher, wie das mit unserem Tiefgang von 2 m so passen wird, aber laut Infos und Karten müsste dieser Teil der Stehenden-Mast-Route für uns passierbar sein. Nun, wir sind gespannt!

Bis Lauwersoog ist es mit über 60 NM recht weit, so dass die Planung durchaus knapp ist. Da wir allerdings kaum Gegenwind haben, kommen wir unter Motor schon am Nachmittag in Lauwersoog an, können gleich einschleusen und uns noch im Lauwersmeer ein Plätzchen zum Übernachten suchen. Dabei machen wir eine sehr lehrreiche Erfahrung: der Schlamm hier ist völlig anders als wir es aus der Ems gewohnt sind, sehr viel dichter und fester. Und so stecken wir auch bei der vorsichtigen Annäherung an einen der Liegeplätze im Wasser auch prompt fest (außerhalb des Fahrwassers wird es schnell flach und die Karte verrät nicht immer präzise, wo die Tiefenlinien verlaufen) – und kommen auch ohne Hilfe nicht mehr los, während wir es von “zu Hause” ganz gewohnt sind, uns mit Motorhilfe durch Emsschlamm zu pflügen. Das geht ja gut los … Zum Glück fährt hinter uns ein gut motorisiertes Boot, das mit uns geschleust hatte und hilft uns aus unserer misslichen Lage. Ab jetzt sind wir noch vorsichtiger und weitere Zwischenfälle bleiben aus. Am nächsten Anleger können wir dann bei komfortablen 2,50 m Wassertiefe festmachen und den langen Tag bei einem wunderschönen Abendhimmel ausklingen lassen.

Am 16. geht es durch das Reitdiep weiter nach Groningen. Wir wissen dank ausgiebigem Kartenstudium sehr wohl, dass das in Sachen Wassertiefe wohl die haarigste Etappe wird und in der Tat wird das eine ganz schöne Zitterpartie, denn nach unserer Erfahrung vom Abend zuvor wissen wir nun auch, dass wir uns durch diesen Schlamm am Boden nicht mit Motoreinsatz durchpflügen können, falls die Wassertiefe nicht ausreichen sollte. Und umkehren zu müssen, weil die Route für uns unpassierbar ist, ist auch keine schöne Vorstellung. Aber … trotz teilweise nicht so erfreulichen Anzeigen vom Tiefenmesser kommen wir (gerade so?) durch und bis Groningen, wo wir auf dem Weg zu unserem designierten Hafen im Osten der Stadt (Oosterhaven) noch einige Brücken passieren müssen. Das Öffnen funktioniert selbst bei den Hauptverkehrsadern insgesamt ausgesprochen gut, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass um diese Jahreszeit nicht mehr viele Boote unterwegs sind, so dass wir eigentlich nie lange warten müssen. Ausnahme sind nur die Pausenzeiten der Brücken (wir vermuten, dass der Berufsverkehr nicht aufgehalten werden soll) und so warten wir am Nachmittag eine ganze Weile, bis es weitergehen kann. Macht nichts, dann verproviantieren wir uns so lange im Jumbo um die Ecke!

Um 18:30 dann liegen wir im Oosterhaven, mit dem wir gut zufrieden sind und erkunden die Stadt noch ein wenig zu Fuß, denn am nächsten Tag geht es gleich weiter und wir wissen nicht, ob wir Groningen so schnell wiedersehen werden.

Und so ist am 17. September Endspurt angesagt! Die Wassertiefe ist ab jetzt überhaupt kein Thema mehr und so legen wir den Rest der Strecke bis Delfzijl ohne Zwischenfälle zurück, machen dort auch diesmal nicht Halt, sondern fahren gleich bis Papenburg durch. Und da sind wir dann wieder nach unserem kleinen Herbsttörn und sind froh, dass das Wetter es so gut mit uns gemeint hat. Ganz viel Sonne, (leider) nicht viel Wind. Aber immerhin konnten wir die Aries erfolgreich testen und noch einmal Sonne für die dunkle Jahreszeit tanken, die noch viele weitere Arbeiten am Boot mit sich bringen wird.

Hinfahrt und Terschelling (04.09.-09.09.)

Wir machen uns dieses Jahr noch einmal auf den Weg, um auch noch etwas vom Spätsommer zu haben. Ziel ist diesmal Holland und eine Wettervorhersage, die eine ganze Weile stabiles Ostwindwetter verspricht, motiviert uns zum Aufbruch. Seit der Rückkehr von unserem Ostseetörn haben wir unsere Aries eingebaut, denn die Möglichkeiten einer Windsteueranlage haben wir doch sehr vermisst und freuen uns darauf, sie jetzt auch einmal testen zu können.

Die Windvorhersage ist günstig mit stetigem und nicht allzu starkem Ostwind, also planen wir den Hinweg zu den westfriesischen Inseln als Nachtfahrt – das hätten wir uns ohne die Erfahrungen der wiederholten Nachtfahrten auf der Ostsee sicher nicht getraut! Und so finden wir uns in der Nacht vom 4. auf den 5. September auf der Nordsee bei perfekten Bedingungen wieder und die Aries funktioniert spontan schon ziemlich gut … so unkompliziert hatten wir uns das gar nicht vorgestellt. Nur die Fischer, die in Küstennähe wilde Zick-Zack-Kurse fahren und nicht selten auch ihr AIS nicht aktiviert haben, machen uns das Leben ein wenig schwer und verlangen ständige Aufmerksamkeit.

Morgenstimmung vor den westfriesischen Inseln

Am 2. Tag verlässt der Wind uns schon am Morgen sehr gründlich, doch unter Motor kommen wir am Nachmittag gut in Terschelling an. Der Hafen ist um diese Zeit nicht übermäßig voll und so kommen wir gut unter. Wir haben beschlossen, auch einige Tage zu bleiben, so dass wir keinen Zeitdruck haben und an diesem Abend erst einmal recht früh erschöpft in die Koje fallen.

Am Morgen werden dann die Fahrräder ausgepackt und eine Inselerkundung steht auf dem Plan: immer nach Osten, bis die Insel zu Ende ist und zur Belohnung Koffie met Appelgebak an der frischen Luft. Terschelling hat eine gute Größe, um mit dem Fahrrad erfahren zu werden und davon machen wir während unserer Zeit dort auch ausgiebig Gebrauch.

Gute Stimmung beim Festival

Unterwegs fallen uns die vielen Menschen in Petticoats und Lederjacken auf, die nach Midsland unterwegs sind und tatsächlich findet dort gerade ein Rock’n’Roll-Festival statt mit allem was dazugehört: gepunktete Röcke, enge Blusen, sorgfältig frisierte Schmalztollen, alte amerikanische Autos und sehr charmante Livemusik, die viele der Besucher zu einem Rock’n’Roll direkt vor der Bühne animiert. Wir lassen uns von der guten Stimmung anstecken und schauen uns ausgiebig um … und schon ist ein weiterer Tag wie im Flug vergangen. Doch auch zu Fuß sind wir unterwegs, erkunden die Dünen und den Strand und stöbern auch ein wenig durch den Wald, denn um diese Jahreszeit sprießen die Pilze wie im Sprichwort dem Boden und machen neugierig – schließlich wachsen in diesen sandigen Nadelwäldern durchaus andere Arten als bei uns.

Dann aber zieht es uns weiter und so brechen wir am Nachmittag des 9. Septembers für die kurze Überfahrt nach Vlieland auf. Der Weg ist nicht gerade weit (13 NM) und dank optimaler Gezeitenplanung kommen wir sehr entspannt und nur unter Einsatz des Klüvers hinüber auf die andere Insel und richten uns dort gemütlich ein – gerade rechtzeitig, um den Abend entspannt mit Rotwein ausklingen zu lassen.

Heimkehr (01.07.-09.07.)

Am nächsten Tag dann geht es weiter nach Kiel, unserem letzten Hafen in der Ostsee, und damit auch zurück nach Deutschland. Wir sind doch ein wenig wehmütig und zu allem Überfluss ist die Fahrt kein Vergnügen, denn wie passen schon Kurs SW und Wind aus der vorherrschenden Windrichtung SW zusammen? Na, zumindest zeitweise reicht es für einen Kurs am am Wind und wir machen später am Tag sicher am kleinen Hafen an der Schleuse zum NOK fest. In den Nord-Ostsee-Kanal kommen wir mit nächsten Morgen mit Glück wieder ohne Wartezeit hinein: während die anderen Boote geraume Zeit Runden gedreht haben, wurde die Schleuse für alle dann gerade dann geöffnet, als wir abgelegt haben. Tja, die Fahrt durch den NOK selbst war dann beim zweiten Mal schon sehr wenig spannend, man motort eben so vor sich hin. Es schadet übrigens nicht, auch ordentlich Ausschau zu halten, ob sich nicht gerade ein Containerschiff von hinten nähert und man in seinem Tran vielleicht nicht nah genug am Rand fährt. Viel Platz ist ja nicht im Kanal und man kann sich da schon nahe kommen. In Brunsbüttel (auf der Innenseite des Kanals) angekommen sind wir froh, ein Abendessen vom Kiosk gleich nebenan zu bekommen und ordentliche Duschen nutzen zu können.

Mit solchen Schleusennachbarn hat man es im NOK zu tun ...
Mit solchen Schleusennachbarn hat man es im NOK zu tun …

Dann geht es früh am Morgen (tidenbedingt) auch schon weiter; wir haben auch beim Ausschleusen Glück und müssen kaum warten und dann geht es bloß bis Cuxhaven, da Tide und Wind eine Weiterfahrt bis Helgoland kaum zulassen. So sind wir aber immerhin schnell am Ziel und können den Rest des Tages noch nutzen, um ein wenig durch die Stadt zu ziehen, der Alten Liebe einen Besuch abzustatten und außerdem der Orion etwas Gutes zu tun und sich der Beseitigung der Spuren an Rumpf und Fendern zu widmen, die die Reifen in Herrvik im Nordsturm hinterlassen haben. Tags drauf segeln wir bei schönsten Bedingungen und geschoben von der Tide bei (für die Dicke) sensationellen 8 Knoten Fahrt nach Helgoland und sind schon gegen Mittag da. Selbst jetzt ist der Hafen schon ganz gut gefüllt … und wenn man den Geschichten glauben darf, sind 4er- bis 6er-Päckchen, wie wir sie vorfinden noch vollkommen harmlos. Am Nachmittag fahren wir noch Bunkern und machen den Dieseltank wieder voll. 450 Liter … ja, das war ein sehr ergiebiger “Segel”-Urlaub. Ach ja. Trotzdem begehen wir unsere Rückkehr mit einem Festmahl! Wir bleiben einen Tag auf Helgoland, denn am nächsten Tag hat sich das gute Wetter schon wieder verzogen, und nutzen die Gelegenheit, auch andere Vorräte aufzustocken und uns ansonsten auszuruhen.

Das Festmahl - es gibt Japanisch, das ist ja wohl Ehrensache!
Das Festmahl – es gibt Japanisch, das ist ja wohl Ehrensache!

Und dann geht es weiter nach Norderney und damit immer näher Richtung Heimat. Laue bis flautige Winde sind versprochen, bis zu 20 Knoten bekommen wir. Aus dem südlichen Sektor, versteht sich. Teilweise können wir segeln, doch 6 Stunden Motor müssen mal wieder sein. Immerhin kommen wir in Norderney an, bevor eine Schauerfront uns durchnässen kann und finden ein gutes Plätzchen im recht vollen Hafen. Und da wir jetzt auf der letzten Etappe sind, halten wir uns auch nicht allzu lange auf und brechen am nächsten Tag auch Richtung Ems auf. Und es kommt natürlich wie es kommen muss: kräftiger Wind von vorne, so dass wir die benötigte Höhe unter Segeln einfach nicht schaffen. Also, mal wieder Motoren und wir sind genervt. Unser einziger Trost ist, dass wir sobald wir um Borkumriff herum sind und nach SO abdrehen können, der Westwind uns zumindest dann Segeln ermöglichen wird. Tja, schön wär’s gewesen: es ist wie verhext, aber buchstäblich in dem Moment, in dem wir bei Borkumriff die Fahrtrichtung ändern, knipst jemand den Wind aus… na wie schön, der Motor darf anbleiben.

Borkum lassen wir diesmal dennoch links liegen, da der alte Militärhafen mit dem zugenommenen Windparkbetrieb offenbar nur wenig Interesse hat, auch Segler aufzunehmen. Statt dessen ist Delfzijl unser Ziel, der von den Papenburger Seglern wohl meistfrequentierte Hafen. Als wir ankommen, ist unser Eindruck sehr durchwachsen: die Umgebung recht industriell, dafür ist der Hafen sehr gut ausgestattet, WLAN ist inklusive (da kann man in Borkum und Norderney nur von träumen) und auch der Hafenmeister ist nett. Die Stadt selbst wirkt, als gäbe es Strukturprobleme – viele Ladenlokale in der Innenstadt stehen leer, und insgesamt wirkt es ein wenig ausgestorben.
Fazit: kann man durchaus mal gut wiederkommen in Anbetracht der Alternativen Emden (Außenhafen) und Borkum, aber ein Traumziel ist Delfzijl nicht. Trotzdem legen wir einen Hafentag ein, denn bei Dauerregen müssen wir auch nicht unbedingt zurückmotoren, erst recht wenn die Tide uns dazu zwingt, sehr früh aufzubrechen. Am nächsten Tag gewinnt man ja zumindest eine halbe Stunde … Das ist immerhin die Gelegenheit, sich mit holländischen Spezialitäten einzudecken (Saté-Soße, Vla, gute Erdnussbutter etc.)!

Flaggenparade bei der Rückkehr in den Heimathafen
Flaggenparade bei der Rückkehr in den Heimathafen

Am Tag drauf dann stehen wir also schon um 3 Uhr auf und brechen auch zügig auf, denn in Papenburg ist Schleusung um 11:00 und es ist doch ein Stückchen Weg. Da der Strom aber kräftig hilft und wir auch an beiden Brücken kaum warten müssen, passt es alles und wir können pünktlich einschleusen. Bis wir in der Box sind, ist es noch ein wenig abenteuerlich, denn offenbar hat die Tiefe im Hafen in unserer Abwesenheit noch abgenommen; mehr als einmal fürchten wir, so richtig festzustecken im guten alten Modder, doch zu guter Letzt schaffen wir auch das. Wäre ja auch gelacht! So, da sind wir also, so ganz wirklich und zurück. Ein wenig unwirklich kommt uns das nach der langen Zeit unterwegs ja doch vor …

Mit wehmütigem Blick schauen wir zurück auf die schönen Tage, die unvergessliche Natur, das entspannte Segeln. Natürlich gab es auch Unerfreuliches: vernünftig Segeln konnten wir nicht allzu oft, denn der Wind hat es nicht gut mit uns gemeint. Auch die diversen Schäden sind ein gehöriger Wermutstropfen, der jedoch nur dem recht unfertigen Zustand der Orion zuzuschreiben ist. Und doch bleibt uns dieser Urlaub in der Hauptsache in schöner Erinnerung, denn noch nie haben wir eine so lange Reise unternommen. Nachtfahrten haben wir erfolgreich bewältigt, ebenso wie kräftigen Wind. Ein ganz sensationelles Revier haben wir kennen gelernt (als Chartersegler konnte man sich ja nur einen Vorgeschmack holen), ebenso wie die Menschen, die dort leben. Wir kommen sicher wieder – wenn wir können, mit noch mehr Zeit im Gepäck. Wir waren jetzt 10 Wochen unterwegs und haben dabei knapp 2000 nm zurückgelegt – und müssen feststellen, dass das fast zu wenig Zeit für so eine Runde war. Nicht selten konnten wir uns nicht leisten, noch zu bleiben, und das hat dieses Fleckchen Erde ganz eindeutig verdient!

Zurück nach Dänemark (22.06.-30.06.)

Bevor wir Schweden ganz verlassen, führt unsere Reise uns noch einmal auf das 33 nm entfernte Utklippan. Auch wenn der Wind natürlich genau von vorne (also SW) kommt, können wir zumindest zu Beginn noch segeln, doch es wird zunehmend ungemütlicher, der Himmel droht mit Gewitter und die Windrichtung wird immer ungünstiger, so dass für die letzten 10 Meilen der Motor ran muss. Wir sind froh, noch vor dem Unwetter da zu sein und sind offenbar auch nicht die einzigen. Das winzige Hafenbecken füllt sich schnell. Wir drehen noch eine kleine Runde über diese Felsengruppe, die zugleich einen wichtigen Schutzhafen einschließt und kommen dann auch in den Genuss der Gewitterfront, die uns zum Glück auf dem Wasser erspart geblieben ist. Die Windzunahme und -drehung sind schon sehr beeindruckend, ebenso wie der fantastische Regenbogen, der sich im Anschluss kurz blicken lässt.

Am nächsten Tag aber müssen wir uns endgültig von Schweden verabschieden, es geht nach Svaneke auf Bornholm. Das Wetter ist für die Überfahrt leider eher ungemütlich, ganz ohne Sonne in Sicht und vor allem mit deutlich mehr Wind als vorhergesagt. Immerhin kommt er westlich genug, dass wir nicht aufkreuzen müssen und wir sind außerdem beeindruckt, wie viel Tuch die Orion auch bei 6 Windstärken noch ohne weiteres verträgt und dabei noch stabil segelt. Auch wenn wir gute Fahrt machen sind wir doch froh, am Nachmittag auch anzukommen. Svaneke ist hübsch und gepflegt und lebt ganz offenbar vom Tourismus – da kostet alles vielleicht auch mal etwas mehr. Insgesamt liegen wir hier aber ganz nett im Außenhafen, der allerdings ziemlich klein ist und in der Saison sicher auch schnell vollkommen überfüllt. Außerdem liegt man hier ausgesprochen geschützt – so sehr, dass wir kaum nachvollziehen können, dass es sich draußen auf dem Wasser eben noch ziemlich bedrohlich angefühlt hat.

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Die Paradiesbakkerne, eine wirklich wunderschöne Waldlandschaft, mit versteckten kleinen Seen überall und …

Am nächsten Tag gibt es herrlichstes Wetter mit Sonnenschein und wenig Wind, also genau richtig für einen Ausflug. Eigentlich sind wir auch ziemlich erledigt, aber die Gelegenheit kommt ja nicht wieder. Wir packen also die Räder aus. Ziel: Paradiesbakkerne (Paradieshügel), eine Waldlandschaft, die mit besonders schönen Wanderwegen wirbt. Und in der Tat ist es sehr schön dort: ein richtiger Zauberwald, wo Hügel von tiefen Rinnen durchzogen werden und alles saftig und grün ist. Und dann steht man wieder urplötzlich in einer Heidelandschaft, die von zwei sehr reizenden lockigen Landschaftspflegern in Schuss gehalten wird und die offenbar großes Interesse an unseren Käsebroten haben.

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… immer wieder Klüften zwischen den Felsen

Außerdem amüsieren wir uns später damit, einen 35 t schweren Stein zum Wackeln zu bringen  – es handelt sich um den sog. “Rockestenen”, der zufälligerweise so in der auf dem felsigen Untergrund liegt, dass es selbst ganz normalen Menschen möglich ist, ihn zum Wackeln zu bringen, wenn man den richtigen Rhythmus findet. Wir brauchen ein Weilchen, doch dann spüren wir eindeutig ein Zittern unter den Fingern. Das ist schon ziemlich kultig!

Die weitere Reiseplanung gestaltet sich als nicht ganz einfach, weil die Wetterlage offenbar recht unberechenbar ist, denn die Vorhersagen ändern sich quasi stündlich. Letztlich entschließen wir uns dazu, am nächsten Morgen direkt Richtung Gedser aufzubrechen und damit auch die wohl letzte Nachtfahrt für diesen Urlaub in Angriff zu nehmen. Gesagt – getan: am nächsten Morgen brechen wir auf und sind erst mal positiv überrascht, denn obwohl Flaute angekündigt war haben wir segelbaren Wind! Der bleibt uns auch den ganzen Tag erhalten, doch zum Abend hin ist der Zauber dann vorbei. Wind weg, alte Welle noch da und damit recht heftiges Schaukeln und Rollen, während der Motor so vor sich hin röhrt.

Ob das wohl eine Ambosswolke ist, die bald ein Gewitter ausspuckt?
Ob das wohl eine Ambosswolke ist, die bald ein Gewitter ausspuckt?

Am Ende muss er 20 Stunden am Stück laufen, denn es bleibt auch am nächsten Morgen bei der Flaute, während zugleich dunkle Wolken sich am Himmel auftürmen und man immer mit einem einsetzenden Gewitter rechnet. So sind wir mehr als froh, anzukommen und die himmlische Stille genießen zu können.

Der Hafen von Gedser ist offenbar fest in deutscher Hand und kurz nach uns läuft eine ganze Flotte deutscher Charterboote ein, die offenbar zusammen gehören und offenbar noch üben. Dumm nur, dass die vor langer Zeit aufgestellten Dalben in diesem Hafen für viele Boxen gesorgt haben, die für moderne Bootsrümpfe viel zu schmal sind. Dumm auch, wenn das Augenmaß einem dieses Detail nicht aufzeigt und man mit viel Schwung in die Box einzulaufen versucht, bis man mit einem Knirschen feststeckt. Da wird der Vercharterer sich aber freuen … Die Chartercrews haben lautstarken Stress, wir haben bestes Hafenkino.

Wir bleiben erst mal in Gedser, bis brauchbarer Wind aufkommt und unternehmen am nächsten Tag eine ganz ausführliche Erkundungstour der Gegend zu Fuß. Der Ort selbst gibt neben dem Fährhafen nicht viel her, dafür ist aber der südlichste Punkt Dänemarks nicht weit, wo man auch einen offenbar von öffentlicher Hand finanzierten, da aufwändig errichteten, Informationsstand zu allerlei Themen vorfindet wie Windparks oder auch den Gesteinsarten und Fossilien der Ostsee. So lernen wir beispielsweise, dass durch Gletscherbewegungen die unterschiedlichsten Gesteinsarten von überall her aus der Ostsee an diese Küste gelangt sind und man also so z.B. Fossilien aus Gotland auch in Gedser finden kann.

Auch am Tag drauf lockt das Wetter nicht zur Weiterfahrt und wir machen uns in der Hauptsache einen faulen Tag, nachdem wir klar Schiff gemacht haben. Ein extrem schnell aufziehendes Gewitter bestätigt uns dann auch, dass zu Bleiben die richtige Entscheidung war; unglaublich, wie buchstäblich innerhalb von Sekunden der Wind auf 8 Bft. zunehmen kann!

Der Hafen von Bagenkop mit seiner unverkennbaren Reihe roter Häuschen
Der Hafen von Bagenkop mit seiner unverkennbaren Reihe roter Häuschen

Am nächsten Tag aber geht es weiter nach Bagenkop, denn uns wird zumindest zeitweise vorhergesagt, keinen Gegenwind zu haben. Man wird ja so bescheiden. De facto sehen wir an diesem Tag so ziemlich alles an Wind: von NO bis SW, von 14 kn bis absoluter Windstille. So richtig etwas anfangen kann man damit nicht, also läuft wie so oft der Motor und wir sorgen uns, denn unsere Welle ist noch von der ganz traditionellen fettgeschmierten Sorte, das Fett geht uns aus und erste Wassertröpfchen dringen ein. Es geht aber noch alles gut und wir laufen am Nachmittag in Bagenkop ein, das gut gefüllt ist und einen sympathischen Eindruck macht.

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Die Dünenlandschaft, die zum Erkunden einlädt

Weil es nett ist, bleiben wir zumindest einen Tag, denn das ist unser letzter Stopp in Skandinavien, bevor wir wieder in Deutschland sind. Zum Glück gibt es auch Fischer in Bagenkop, so können wir ohne große Probleme eine neue Fettkartusche erstehen und an den Verkaufsbuden der Fischereigenossenschaft kommt man selbst im teuren Dänemark an frischen Fisch zu sehr fairen Preisen. Da wir unsere letzten Kronen loszuwerden haben, gönnen wir uns da auch etwas und verbringen den Tag ansonsten mit Strandspaziergang und Faulenzen.

Öland (18.06.-21.06.)

Nachdem wir uns erst einmal ausgeschlafen haben, springen wir am nächsten Tag hochmotiviert aus den Federn. Wir freuen uns darauf, nun auch ein paar Tage auf Öland verbringen zu können und haben uns gleich eine ausgiebige Fahrradtour vorgenommen, die das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden soll. Zunächst soll es die Westküste ein ganzes Stück entlang nach Norden gehen bis zur nächsten größeren Stadt Mörbylånga, denn dort ist der nächste Geldautomat zu finden und wir müssen ja auch unsere Liegegelder bezahlen können. Dann wollen wir die Insel queren und dabei das Stora Alvaret anschauen und dann an der Ostküste zurück nach Grönhögen, das ja praktischerweise so ziemlich am südlichsten Zipfel der Insel gelegen ist.

Das Stora Alvaret ist die wohl größte Alvar-Landschaft, die es gibt. Es handelt sich bei Alvars um karge Kalksteinebenen mit nur einer ganz dünnen Erdschicht, die für die Kultivation nicht geeignet ist aber dafür eine ganz eigene Flora (mit einer Vielzahl von Orchideenarten) und Fauna entwickelt hat und auch als Weideland genutzt wird, was zu einer ganz einzigartigen Symbiose von Mensch und Natur geführt hat.
Und Öland ist die Insel, um sich Alvarlandschaften anzuschauen – insbesondere auf der südlichen Hälfte, wo quasi das gesamte Inland eine einzige große Alvar-Hochebene ist: das Stora Alvaret eben.

Die Überreste der Festung bei Bårby; Allzu viel kann man nicht mehr sehen
Die Überreste der Festung bei Bårby; allzu viel ist man nicht mehr davon zu sehen

So radeln wir also gut gelaunt los, Rückenwind schiebt sanft, das Wetter ist herrlich, alles wunderbar. In Mörbylånga fangen wir Geld und ein Eis und schauen uns auch den Hafen mal an. Ach ja, wohl ganz nett, aber wenn wir wiederkommen, dann doch eher nach Grönhögen … zudem der Hafen deutlich tiefer liegt als die Stadt selbst und man so also für jede Besorgung erst mal den den Berg hinauf müsste. Unterwegs machen wir Halt in Bårby, den Überresten einer alten Befestigungsanlage und erkunden die schöne, saftig grüne Ecke ein wenig zu Fuß. Hinter Mörbylånga dann überqueren wir die Stora Alvaret, die an dieser Stelle 10 km breit ist – die Insel ist ja doch sehr viel länger als breit – und beschauen uns auch die Landschaft ganz genau. Der Reiz der Blumenteppiche offenbart sich erst, wenn man genauer hinschaut – auf den ersten Blick ist die Landschaft in erster Linie trocken und karg aber damit auch außergewöhnlich. Bei einem Päuschen halten wir auch an einer der allgegenwärtigen kleinen Holzmühlen, die offenbar gepflegt werden, denn was wir vorfinden, sieht ziemlich funktionstüchtig aus.

Auf der Ostseite angelangt merken wir erst einmal, was uns noch blüht. Der schöne Rückenwind aus SW hat sich soeben in Gegenwind verwandelt, der noch zu allem Überfluss aufgefrischt hat. Wir haben schon viele Kilometer zurückgelegt, viel mehr als wir eigentlich überschlagen hatten, weil wir wohl nicht allzu präzise kalkuliert hatten. Dazu kommt, dass wir auch schon einiges bergauf gefahren sind (um aufs Alvar zu kommen, das ja eine Hochebene ist) und eigentlich jetzt schon geschafft sind. Tja, und nun ist schon Nachmittag und wir haben noch über 40 km bei Gegenwind vor uns. Prost Mahlzeit! Es wird ein ziemlicher Kampf, der wirklich keinen Spaß mehr macht und zu recht fortgeschrittener Stunde fallen wir dann im Hafen von Grönhögen von den Rädern und geloben, niemals mehr wieder aufzustehen …

Am nächsten Tag also lassen wir es ganz ruhig angehen, holen erst mal schön Brötchen und haben für den Vormittag nur eines vor: Loppis! Überall verstreut findet man so eine Art fest installierten Garagenverkauf/Privatflohmarkt, wo man per Schild eingeladen wird, mal im Hinterhof oder der Scheune zu stöbern und zumeist dann per SB-Prinzip das Geld für die gefundenen Schätze in eine Büchse zu werfen. Und es gibt da einen Loppis-Laden, den wir schon beim letzten Urlaub entdeckt hatten – da muss man ja mindestens schon aus Nostalgie stöbern, aber auch so macht es einfach Spaß.

Für den Nachmittag haben wir dann doch was vor, so ganz gar nix tun fällt uns ja auch nicht so leicht. Wir radeln ganz zum Südende der Insel, der Södra Udde, denn dort steht zum einen der Långe Jan (der höchste Leuchtturm Skandinaviens, siehe auch Ende des letzten Eintrags) und zum anderen ist die Ecke besonders unter Ornithologen beliebt und es gibt auch eine Vogelbeobachtungsstation mit angeschlossenem Museum. Natürlich gibt es auf dem Weg nach Süden den gleichen Wind wie gestern: von Vorne. Bevor wir uns fragen, wieso wir uns das schon wieder antun, sind wir aber schon da, es ist ja nicht weit. Wir kämpfen uns noch an wilden Stieren vorbei (die dort so vor sich hin grasen) und verbringen dann einige Zeit vor Ort. Es gibt viel zu sehen, denn nicht nur ein kostenloses und sehr informatives und interessantes Vogelmuseum gibt es, auch das Leben der einstigen Leuchtturmwärter ist in einem anderen Museum dokumentiert. Auch das ist kostenlos, was wir sehr zu schätzen wissen. Möchte man auf den Leuchtturm, kostet das allerdings, doch die spektakuläre Aussicht und das Farbenspiel der Küste von Oben sind mehr als Entschädigung genug.

Wir haben keine Eile, hier wegzukommen und bleiben auch noch ein wenig. Am Tag drauf geht das historische Programm weiter, es gibt einfach eine Menge hier zu sehen. Ganz in der Nähe von Grönhögen findet sich die Festung Eketorp, die voll wieder aufgebaut worden ist und nun ein Museum beheimatet. Wir fahren hin und stellen fest, dass der Museumsbetrieb noch nicht aufgenommen ist, obwohl Midsommar doch schon vor der Tür steht. Das ist in diesem Fall aber ganz praktisch, denn das Museumslädchen ist zwar geschlossen und man bekommt auch keine Führung, aber die Festung ist grundsätzlich geöffnet und zugänglich, so dass wir uns in Ruhe umschauen können und auch geraume Zeit bleiben, weil es doch sehr interessant ist, wie diese Festung zu ganz unterschiedlichen Epochen genutzt wurde, um dann wieder über Generationen leer zu stehen. Auf dem Rückweg halten wir an einem Kalksteinbruch und stellen fest, dass die Kalksteine und die in ihnen eingeschlossenen Fossilien ganz anders als auf Gotland sind: während in Gotland alle Steine aus versteinerten Korallen zu bestehen schienen, finden wir hier hauptsächlich versteinerte Tintenfische (oder ihre Vorgänger). Da fragt man sich ja schon, wie die Ostsee damals wohl so gewesen sein mag …

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Überwucherndes Blumenmeer bei Albrunna

Unseren letzten Tag auf Öland verbringen wir wie die anderen: ein kleiner Radausflug nach Södra Möckleby, mit einer letzten Runde über das Alvar. Unterwegs machen wir noch einen kleinen Spaziergang im ganz reizenden Wäldchen bei Albrunna, welches mit seinem saftigen Grün ein völliges Kontrastprogramm zum Alvar ist. Außerdem schauen wir uns bei der Gelegenheit den Hafen von Degerhamn an, sind aber auch da eher nicht angetan und bleiben dabei, dass wir uns wieder für Grönhögen entscheiden würden. Übrigens, hatten wir erwähnt, dass man die 5. Nacht in Folge dort kostenlos liegen darf, wenn man denn so lange bleibt? Und nein, wir werden nicht für die Werbung bezahlt, wir haben uns dort nur wohlgefühlt … 😉

Es ist Midsommar!
Es ist Midsommar!

Wir genießen jedenfalls unseren letzten Tag, machen ein ganzes Weilchen Pause auf dem Stora Alvaret und erkunden ganz genau die Blumenteppiche und Fossilien im Kalkgestein. Auf dem Rückweg dann aber wieder Déja Vu von der schlimmsten Sorte: zunehmender Gegenwind und zudem noch drohender Regen. Und in der Tat bleiben wir nicht verschont, kurz vor dem Hafen fängt es an zu gießen … nun ja, später wird es auch wieder trocken, so dass die Räder sicher weggestaut werden können, denn morgen soll es weitergehen – sonst schaffen wir es gar nicht, uns loszureißen. Aber, wir kommen wieder, ganz bestimmt!

Fårö und Gotland (12.06.-17.06.)

Immerhin liegen wir nett in Lauterhorn und nach einem gemütlichen Frühstück am nächsten Morgen schwingen wir uns aufs Rad und schauen uns mal die Insel an. Erstes Ziel ist der Gamle Hamn, der schon längst von Kies eingeschlossen ist; dazu gibt es Wikingergräber und Raukas zu bestaunen. Unser Hauptziel heute ist allerdings das Naturreservat Ullahau, das aus einer riesigen bewachsenen Düne besteht. Das ist hier etwas vollkommen exotisches aber wir können die  großen Parallelen zu Nordseeinseln wie z.B. Texel nicht übersehen. Schön ist es in jedem Fall! Auf dem Rückweg verproviantieren wir uns im ICA-Supermarkt, der sich als sehr gut sortierte Einkaufsmöglichkeit erweist.

Am Abend dann steigen wir noch einmal aufs Rad und schauen uns die Raukas nördlich des Hafens an, von denen es hier auf Fårö viel, viel mehr zu geben scheint, als auf Gotland. Der Anblick ist gerade bei tiefstehender Sonne einfach wunderschön und faszinierend. Als Abschluss statten wir der hafeneigenen, sehr liebevoll in einem Hüttchen eingerichteten Tauschbibliothek (tauschen oder kaufen) einen Besuch ab und kaufen als Andenken an diesen schlichten und sympathischen Hafen ein Buch.

Am Tag drauf steht ein kurzer Schlag nach Herrvik auf Gotland auf dem Plan – nicht allzuweit diesmal. Wir haben sogar segelbaren Wind (raum) und kommen gut voran – nur die Sorge vor der blitzenden und donnernden Gewitterwand genau vor uns auf Zielkurs lässt uns reichlich unentspannt sein. Die Wolkenwand holen wir jedoch zum Glück nie ein und kommen gut in Herrvik an. Als positive Überraschung finden wir sogar einen neuen Gästeanleger vor und machen auch gleich vor Heckboje fest, denn der alte Gästehafen wäre mit 2 m Wassertiefe eigentlich zu flach für uns. Dann jedoch kommt Wind aus N auf, und zwar ordentlicher – und der Gästeanleger liegt unmittelbar hinter dem äußersten Wellenbrecher. Heftiger Schwell, der um den Wellenbrecher in den Hafen drückt, lässt uns innerhalb kürzester Zeit wie einen Korken tanzen und nach wiederholter Kollision unseres Bugankers mit dem Steg beschließen wir, in den geschützen Fischerhafen zu verholen. Leider finden wir nur noch auf Legerwall ein freies Plätzchen und haben so unsere liebe Not, die Fender so zu plazieren, dass sie nicht zwischen die Autoreifen an der Kaimauer rutschen. Alles nicht ganz optimal… als wir jedoch sehen, wie mittlerweile auch die Wellen über den Wellenbrecher steigen und wie das Wasser am Gästeanleger brodelt, ist klar, dass es richtig war, sich noch rechtzeitig umzulegen, bevor der Sturm so richtig loslegt.

Wir sind jetzt erst mal in Herrvik eingeweht, und zwar gründlich. Der Wind erreicht in Böen 8 Bft und wir sind froh, nicht auf dem Wasser zu sein. Den Vormittag verbringen wir mit einem Spaziergang nach Katthammarsvik (Supermarkt und Bargeldquelle), immer an der Küste entlang, wie der junge und sehr nette Hafenmeister uns empfohlen hat. Und in der Tat hat es einiges für sich, sich an dieser wilden und zerklüfteten Küste vom Wind durchwehen zu lassen. Am Nachmittag klönen wir noch ein wenig mit dem einzigen anderen Segler im Hafen (ein deutscher Einhandsegler) und schauen uns am Abend noch die Küste südlich des Hafens an. Von einem Felsensockel können wir sehr gut sehen, wie heftig das Meer brodelt und über den Wellenbrecher steigt und haben so immerhin das gute Gefühl gut daran getan zu haben, uns umzulegen… auch wenn die die Lage auf Legerwall sehr unruhig ist und die Autoreifen natürlich alles schwarz einfärben – Fender und Schiff.

Am nächsten Tag jedoch hat der Sturm sich ausgeweht und wir brechen wieder auf – es geht nach Vändburg im Süden Gotlands. Leider hat der Wind sich so etwas von gründlich ausgeweht, das trotz aller Bemühungen, zu Segeln es letztlich doch wieder der Motor richten muss. Dafür finden wir zum Glück den winzigen Hafen von Vändburg ziemlich leer vor und parken so halbwegs entspannt auf dem Quersteg im Hafenbecken ein, das ziemlich genau so breit ist wie unser Boot lang. Der Hafen ist nett und unspektakulär – mitten im Grünen gelegen mit Nichts außer Raukas in der Nähe. Genau nach unserem Geschmack! Wir machen uns einen ruhigen Abend, denn morgen steht der Schlag nach Öland an, wieder über Nacht.

Es sind über 90 nm bis Grönhögen, unserem Ziel auf Öland, und eine Nachtfahrt ist kaum zu vermeiden. Erst recht, da wir uns vorgenommen haben, den Motor so wenig wie möglich zu nutzen, denn wir haben undefinierbares Öl darunter gefunden und wissen noch nicht, ob es ein Problem gibt. Am Vormittag weht guter Segelwind (gerade nicht zuviel) und wir machen ordentlich Strecke unter Vollzeug – und das ist auch gut so, denn zum Nachmittag flaut der Wind ab und dreht auf Raum, so dass wir kaum noch Fahrt machen. Die Dicke braucht bei achterlichen Winden einfach ein wenig mehr, um sich in Bewegung zu setzen. In der Nacht wird es noch doller, und wir fahren zu guter Letzt nach Norden – so war das auch nicht geplant. Immerhin kommt der Autopilot auch ohne Hilfe zurecht und wir sind froh, die Wache auch von drinnen halten zu können. Was uns unbeschreiblich entnervt, ist das Schaukeln des Bootes in der alten Dünung und das Schlagen der Segel und der Großschot. Wie schön wäre ein wenig Wind …

Öland in Sicht!
Öland in Sicht!

Am nächsten Morgen kommt der Wind immerhin wieder und wir kommen wieder voran. Und dann ist das Spiel am Nachmittag wieder vorüber … dabei würden wir soooo gerne ankommen. Zu guter Letzt klappt es dann doch und wir kommen in Grönhögen im Süden Ölands an. Immerhin sind wir ein wenig stolz, den Motor nur zum Ab- und Anlegen in Betrieb gehabt zu haben.

Abschied von den Ålands (07.06.-11.06.)

Es steht erst einmal ein Hafentag auf Jungfruskär, der Perle der finnischen Schären (wie sie auf Schildern angepriesen wird), auf dem Plan. Und in der Tat ist hier ein wunderschönes Naturreservat: die ganze Insel ist von einem üppigen Blumenteppich bedeckt, dort wo alte Kulturlandschaft mit Obstbäumen in Blumenwiese übergeht. Nur die Mücken, die schon am Vormittag in Höchstform sind, machen uns das Leben ordentlich schwer und wir staunen über die finnischen Touristen, die mit T-Shirts und kurzen Hosen keinerlei Probleme mit dem Ungeziefer zu haben scheinen. Sind die so abgehärtet?

Da es hier nicht nur eine Insel, sonder eine kleine Inselgruppe gibt, statten wir am Nachmittag einer der anderen Inseln mit dem Schlauchboot einen Besuch ab. Sie ist vollkommen anders: ganz karg und felsig, viel kleiner und vollkommen verlassen. Nur einen Blumengarten in einem Heringsfass finden wir einfach so mitten in der Landschaft. Kunst!?

Am Tag drauf geht es zurück zu den Ålands nach Hellsö, einem Hafen auf Kökar. Wir kennen auch Kökar von einem früheren Besuch, waren damals jedoch in einem anderen Hafen. Der Hafen von Hellsö scheint noch nicht so wirklich geöffnet zu sein, denn das Hafenbüro ist nicht besetzt und einer der beiden Stege ist nicht mit dem Land verbunden. Einzig einen SB-Flohmarkt gleich am Stegende gibt es, sonst wirkt alles ziemlich ausgestorben – na gut, dann können wir ja vielleicht zumindest kostenlos liegen. Wir beobachten, wie einige junge Kerle per Schlauchboot herankommen und den Flohmarkt unsicher machen und den Eindruck machen, Langeweile zu haben und Unfug im Sinn – und während wir noch scherzen, dass ja einer von ihnen auch versuchen könnte, sich als Hafenmeister auszugeben um uns abzukassieren kommt doch tatsächlich einer von den Jungs ziemlich verstohlen und verdruckst zu uns und möchte Geld von uns. Soso… nun ja, aber es scheint alles seine Ordnung zu haben: auch wenn der Kerl so gar nicht wie ein Hafenmeister auftritt, gibt er uns auch eine Quittung und verrät uns, dass es im gleich daneben gelegenen Ferienhausdorf auch Sanitärgebäude gibt. Das hören wir nur zu gerne und gönnen uns erst einmal eine schöne heiße Dusche.

Die Silhouette von Karlby mit den unverkennbaren roten Gebäuden
Die Silhouette von Karlby mit den unverkennbaren roten Gebäuden

Wir bleiben auch einen Tag und packen erst einmal die Fahrräder aus, denn die Insel ist zu groß, um sich zu Fuß zu bewegen. Unser erstes Ziel ist Karlby, der Hafen, den wir schon kennen – denn dort gibt es einen Supermarkt, der später am Tag öffnen wird. Wir vertreiben uns die Zeit mit einer Wanderung auf einem markierten Wanderweg, den wir zufällig entdecken (davon gibt es hier nicht allzu viele) und der uns durch eine mal wieder wunderschöne Landschaft schickt, die sich wie üblich in subtiler Weise von allen anderen Inseln unterscheidet. Außerdem führt der Pfad zu Überresten bronzezeitlicher Siedlungsreste und wir sind beeindruckt, welche Distanzen die Menschen schon damals für die Jagd zurückgelegt haben – so kamen die Menschen, deren Spuren wir sehen aus dem Baltikum, und das auch immer wieder über viele Jahre.

Es folgen die üblichen Besorgungen und dann sind wir froh nach einem Tag üppiger Sonne auf den Kopf zurück an Bord zu sein – man kann es ja schon schwer haben, nicht wahr? Es wird noch der SB-Flohmarkt unsicher gemacht und dann ruft die Koje, denn morgen steht der Schlag nach Gotland auf dem Plan.

Abendstimmung auf der Überfahrt nach Fårö, mal wieder ein traumhafter Sonnenuntergang!
Abendstimmung auf der Überfahrt nach Fårö, mal wieder ein traumhafter Sonnenuntergang!

Wir wollen diesmal nach Fårö, der kleinen Insel gleich bei Gotland und das geht nur mit einer Nachtfahrt. Während wir am ersten Tag noch halbwegs segeln können, doch zu Nacht hin verlässt der Wind uns und kehrt auch trotz stundenlangen Ausharrens nicht zurück. Also müssen wir den Rest der Strecke motoren, was etliche Stunden dröhnenden Motor bedeutet. Wir können es nicht mehr hören. Am Nachmittag des zweiten Tages kommen wir dann in Lauterhorn an und sind ziemlich durch – aber immerhin bekommen wir heraus, dass im nächsten Ort in 5 km Entfernung schon einmal kein Kaufmann ist und wir noch einige Kilometer weiter nach Südersand müssen. Dann wissen wir ja, was morgen auf dem Plan steht…

Åland-Inseln (31.05.- 06.06.)

Es ist wenig Wind vorhergesagt und das ist ja wesentlich besser als Gegenwind, also nutzen wir die Chance, zu den Åland-Inseln zu motoren. Unser erstes Ziel muss natürlich ein Hafen sein, denn wir brauchen ja Landstrom, um die Batterien zu laden: die Spannung reicht schon wieder nicht mehr, um den Kühlschrank zu betreiben. Nach einer gefühlten Ewigkeit unter dröhnendem Motor kommen wir endlich im Osthafen von Mariehamn an, im gleichen Hafen wie auch schon das letzte Mal im Charterurlaub. Und wieder sind wir außerhalb der Saison da und der Hafen ist offiziell eigentlich noch geschlossen, was sich in jeder Hinsicht als vorteilhaft erweist: wir liegen kostenlos, der Hafenmeister schaut nur sehr sporadisch mal rein, gibt uns aber per Handy den Zugangscode zum Sanitärgebäude, so dass wir freien Zugang zu Duschen und Waschmaschinen haben. Was will man mehr?

Am nächsten Tag, einem Sonntag, finden wir zunächst heraus, dass der Supermarkt erst um 11 Uhr öffnet (aber immerhin) und vertreiben die Zeit bis dahin mit Wäschewaschen. Das kommt uns gerade schon sehr gelegen. Später steht eine Runde durch die Stadt auf dem Plan (die ganz charmant ist und eher schwedisch als finnisch) mit den üblichen Besorgungen und auch einem Besuch im anderen Hafen (dem Westhafen), inklusive einer Stippvisite auf der “Pommern”, die dort als Museumsschiff über die P-Liner und ihre Geschichte informiert, und einer leckeren Pizza auf der Hafenpromenade. Viel mehr Zeit wird uns auch nicht bleiben, Mariehamn zu erkunden, denn die Wetteraussichten sind schön und wir ziehen am nächsten Tag weiter.

Auf dem Weg nach Degerby - eine Begegnung mit einem etwas traditionelleren Segler und einer der allgegenwärtigen Fähren
Auf dem Weg nach Degerby – eine Begegnung mit einem etwas traditionelleren Segler und einer der allgegenwärtigen Fähren

Der Törn zu unserem nächsten Ziel Degerby, welches wir erstmalig besuchen, ist zur Abwechslung mal wieder sehr schön. Erst achterlicher Wind, dann aufkreuzen bei guten Bedingungen – und all das inmitten einer wunderschönen Insellandschaft, die immer in Sichtweite bleibt und durch ein in der Sonne leuchtendes rötliches Gestein geprägt ist. Degerby dann ist einfach nur kultig finnisch: die beiden anderen Boote im Hafen haben mehr oder minder alkoholisierte Herrencrews an Bord, die dennoch nicht durch übles Benehmen glänzen und der Hafenmeister sieht nicht nur unvergleichlich finnisch aus, sondern hupt uns dann auch noch ganz entspannt zu seinem schwimmenden Büro (einem Boot im Hafen) heran und erkundigt, sich, ob er denn die Damendusche in Betrieb nehmen solle. Es kommen wohl nicht so viele Crews mit weiblichen Mitgliedern hierher so früh in der Saison!? Wir fühlen uns bei so viel finnischem knorrigem Charme jedenfalls pudelwohl!

Zweifellos, wir sind in Degerby
Zweifellos, wir sind in Degerby

Am nächsten Tag dann Besorgungen und Inselerkundung. Der Teil mit den Besorgungen gestaltet sich gut: das Insellädchen (wie es heißt, eines der besten in den gesamten Åländer Schären) ist in der Tat ungewöhnlich gut sortiert. Der Teil mit der Erkundung verläuft dann leider eher im Sande, denn Wanderwege scheint man nicht so recht zu kennen und wir finden überhaupt keinen Zugang zur Natur. Schade, denn die Insel ist nicht klein und wäre sicher reizvoll.

Dieses nicht zu übersehende Schild markiert ganz deutlich die Einfahrt zum "Glada Laxen"
Dieses nicht zu übersehende Schild markiert ganz deutlich die Einfahrt zum “Glada Laxen”

Da der Hafen recht teuer ist und die Insel dann doch nicht viel hergibt, brechen wir am nächsten Tag zum anderen unbedingten Wunschziel in diesem Urlaub auf, das wir ebenfalls bei einer früheren Gelegenheit entdeckt hatten: der Gasthafen auf der Insel Bärö. Dort betreibt Herr Henrik Glada Laxen (nein, er heißt nicht wirklich so) in einer aufgegebenen Küstenwachstation einen kleinen Gästehafen mit kleiner Pension und kleinem Restaurant, namens (Überraschung!) “Glada Laxen”. Henrik ist außerordentlich nett und zuvorkommend, hilft uns auch beim Anlegen und ist auch ansonsten in jeder Hinsicht ein sehr sympathischer und zuvorkommender Gastgeber. Die Liegegebühren sind mit 15€ sehr moderat, die Duschen sind ein Traum und funktionierendes WLAN gibt es auch noch! Ach ja, und man mag es kaum glauben, aber wir haben wieder einen ganz wunderbaren Segeltag auf dem Weg dorthin – inklusive Ablegen unter Segeln! Diesen Tag krönen wir mit einem leckeren Abendessen im Restaurant, wo sich heute Abend alle Gäste im Hafen und der Pension einfinden. Fein!

Es ist so nett auf Bärö, dass wir natürlich noch bleiben, denn auch die Insel ist sehr reizvoll. Am nächsten Morgen brechen wir noch vor dem Frühstück auf Erkundungstour auf, denn wir haben gehört, dass auf der Insel 9 Elche leben und man morgens die besten Chancen habe, einen zu Gesicht zu bekommen. Also erkunden wir den südlichen Teil der Insel (teilweise auch mit markiertem Wanderweg) – Elche bekommen wir leider nicht zu sehen, nur ihre Hinterlassenschaften und Spuren, aber das ist auch nicht schlimm, denn die Insel ist auch so wunderschön. Zurück an Bord haben wir uns ein üppiges Pfannkuchenfrühstück aber auch verdient! Auch den Rest des Tages lassen wir es uns gut gehen, erkunden am Nachmittag den Nordteil der Insel (recht unzugänglich) und machen es uns ansonsten an Bord gemütlich. Ein rundum gelungener Tag!

Eigentlich wollen wir gar nicht weg, aber man kann ja nicht ewig bleiben, also geht es am nächsten Tag weiter. Zunächst kurz nach Enklinge, der Insel gegenüber, wo es einen kleinen Supermarkt für die Handvoll Bewohner und Feriengäste gibt. Der Markt wäre eigentlich heute geschlossen, aber da Henrik der beste Kunde ist, ruft er kurzerhand den Besitzer Markku an, der sagt dann zu, für uns aufzumachen. Das ist vielleicht ein Ding! Wir machen also die 1,3 nm nach Enklinge rüber und finden gleich am Hafen einige Fahrräder zur freien Verwendung. Da schwingen wir uns gleich drauf und finden auch bald den Laden – leider noch geschlossen. Macht nichts, wir erkunden einfach weiter die Insel und stoßen auf eine Art Heimatmuseum, wo wir eine sehr nette und interessante persönliche Führung zum Leben der Menschen auf der Insel früher erhalten – es gibt dort einen noch vollständig im Originalzustand befindlichen Bauernhof und man kann sich gut vorstellen, wie karg und entbehrungsreich das Leben einmal war. Im Museum findet Markku uns auch (“Ihr seid doch die aus Papenburg, oder?”) und so verlassen wir Enklinge nach nur kurzer Zeit aber um einige schöne Erinnerungen an echte menschliche Momente reicher. Nun aber weiter nach Jungfruskär, unserem eigentlichen Ziel für heute. Die Insel gehört schon “so richtig” zu Finnland und liegt ganz im Westen eines Naturreservats. Der erste Eindruck ist sehr hübsch, nur die zunehmende Mückenzahl treibt uns unter das Moskitonetz – heute setzen wir keinen Fuß mehr auf die Insel! Aber immerhin, wir haben es hiermit bis nach Finnland geschafft!

Nördliche Stockholmer Schären (25.05. – 30.05.)

Als nächstes haben wir uns eine Bucht in den Außenschären vorgenommen, wo die Natur viel karger und rauher aussieht, aber kein Bisschen weniger reizvoll ist. Unser Ziel nennt sich Inre Hamnskär und bietet guten Schutz vor Winden aus S und W. Wir erwarten eine Winddrehung nach W und suchen uns einen entsprechenden Ankerplatz bei beeindruckenden 6 m Wasser unter dem Kiel, während der Bug an Land stößt. Dumm nur, dass die erwartete Winddrehung ausbleibt und statt dessen vollkommen anderer Wind kommt. Da hilft auch Umlegen nichts, was wir wohl oder übel versuchen, denn der Wind dreht immer weiter bis auf NE und nun sind wir vollkommen ungeschützt. Hoffen wir also mal, dass er nicht stärker wird und Heckanker und Bugleine uns halten können. Und wieso muss jetzt eigentlich noch dichter Nebel aufziehen, damit man erst recht nicht mehr aus diesem Labyrinth rauskommt?

Wir finden nicht viel Schlaf und am nächsten Morgen zieht neuer Nebel auf, kaum dass wir uns freuen wollten, dass er sich in der Nacht verzogen hatte. Wir versuchen, etwas Zeit mit einer Inselerkundung herumzubringen und stiefeln über Stock und Stein – als Deutsche sind wir ja gewohnt, dass es überall dort, wo noch ein Flecken Natur zu finden ist, auch Wanderwege angelegt sind, um all jenen, die ins Grüne wollen, zu zeigen wo es lang geht. Tja, da es hier aber Natur im Überfluss gibt und zugleich nur (relativ) wenig Menschenandrang, ist es jedem selbst überlassen, einen Weg zu finden – und das ist manchmal gar nicht so einfach.

Dann geht es aber weiter nach Furusund, Nebel hin oder her. Beeindruckend nur, wenn man ziemlich blind unterwegs ist und auf einmal von hinten eine der großen Fähren mit lautem Motorendröhnen aufkommt, um sich dann ziemlich plötzlich nur wenige Meter neben einem als hohe Wand aus dem Dunst zu schieben. Außerdem kommt Wind aus NW auf und wir kommen noch gerade rechtzeitig im dafür günstigen Furusund an, bevor es ganz ungemütlich wird. Der Hafen ist noch geschlossen, dafür liegen wir kostenlos und im Ort (falls man davon überhaupt sprechen kann) befindet sich eine der wenigen Einkaufsmöglichkeiten in den Schären (bei der Tankstelle).

Den nächsten Tag verbringen wir bei Sauwetter in Furusund – bei reichlich Wind vermeintlich eine gute Gelegenheit, die vor der Abreise nur notdürftig fertiggestellte Regelelektronik des Windgenerators zu überarbeiten. Eine ungünstige Verkettung von Umständen führt jedoch leider dazu, dass zuerst die Platine vom Windgeneratorregler in Brand gerät und dann auch noch unser großes Batterieladegerät einen Überspannungsschaden erleidet – und wir damit unsere Hauptmöglichkeit, die Batterien zu laden, verlieren!

Am Tag drauf ziehen wir weiter durch den Blidö-Sund in die Bucht von Träskö-Storö und die nächste Unglücksmeldung verhagelt uns das eigentlich schöne Segeln dorthin: mit der 24V-Lichtmaschine am Motor stimmt etwas nicht und damit ist auch unser Plan B zum Batterieladen sehr in Frage gestellt. So ein Mist! Dafür ist die Insel sehr schön: früher war sie besiedelt, nun sind Blumenwiesen an Stelle der alten Felder und dazu gibt es noch eine für jeden frei benutzbare Sauna. Holz zum Anfeuern liegt bereit, wer mag kann auch welches nachhacken. Und in der Bucht kann man sich dann zwischendurch abkühlen mit absolut unschlagbarer Aussicht über den abendlichen Schärengarten. Da sind wir doch glatt ein wenig versöhnt. Weil es hier so schön ist, bleiben wir noch einen Tag und gehen auf große (und ziemlich sportliche) Erkundungstour im felsigeren Teil der Insel. Wir fangen ganz viel wilden Bärlauch und können außerdem beobachten, dass die Bucht sich mit einem Dutzend Boote füllt – nun ja, es ist Christi Himmelfahrt und das heißt wohl auch in Schweden langes Wochenende. Noch dazu ist diese Bucht eine der wenigen, die Schutz vor dem Nordwind bietet und richtig schön ist es außerdem; kein Wunder also, dass nicht wenige hier Schutz suchen.

Eigentlich wollten wir noch einen Tag bleiben, bis Wind aus W uns zu den Ålands schiebt doch erstes kommt es ja anders und zweitens als man denkt. Die Wettervorhersage hat es sich anders überlegt, also suchen wir uns eine neue Bucht, die ein günstigerer Absprungort für die Überfahrt ist.

Rödlöga
Rödlöga / Megelskär

Es geht wieder in die Außenschären, diesmal zur Rödloga-Gruppe; wir machen an Megelskär fest, was eine Insel von der Sorte ‘klein aber fein’ ist und außerdem über eine neue Steganlage verfügt. Wir sind hier schön geschützt vor dem nördlichen Wind (kalt!) und erfreuen uns an der Kargheit der Außenschären. Weniger erfreulich ist, dass sich der Verdacht bestätigt: der Lichtmaschinenregler ist hinüber und damit fast alle unsere Möglichkeiten, die Batterien zu laden. Bleibt nur noch ein kleines Netzteil, das eigentlich nur zur Erhaltngsladung gedacht ist. Und wenn das nun auch noch kaputt geht…?

Im Paradies (18.-24.05.)

Am 18. Mai haben wir es endlich geschafft, der erste Hafen in den schwedischen Schären ist erreicht! Die Nachtfahrt auf dem Weg dorthin hatte es aber in sich: am Vortag brachen wir in Visby auf, zunächst zwar bei bestem Wetter aber dafür natürlich mit nur äußerst dürftigem Wind, mit dem selbst unser Regenbogen nicht viel anfangen konnte. Also wieder Dieselsegel. Später am Tag jedoch haben wir noch anständigen Segelwind bekommen und gut Strecke gemacht – so gut, dass wir zum Abend hin sogar die Segel verkleinert haben, um nicht zu schnell zu sein und mitten in der Nacht in die felsigen Schären zu fahren. Nun, diese Sorge erwies sich als vollkommen unbegründet, denn mit der Sonne verließ uns auch der Wind, und zwar so gründlich, dass wir praktisch nicht von der Stelle gekommen sind.

Abendstimmung unterwegs
Abendstimmung unterwegs – nach wenigen Stunden gefolgt vom Sonnenaufgang

Zu allem Überfluss stellen wir mitten in der Nacht, pünktlich zur Wachablösung fest, dass unser Plotter kein GPS-Signal mehr empfängt und unsere Position nicht auf der elektronischen Seekarte erfassen kann. Ja, früher sind alle Segler ohne solche Hilfsmittel ausgekommen, aber wenn wir auf dem Weg in ein unbekanntes Revier sind, in dem man sehr leicht die Orientierung verliert und das von Untiefen und Unterwasserfelsen nur so wimmelt, möchten wir auf keinen Fall auf diese Unterstützung verzichten. So machen wir uns mitten in der Nacht an die Arbeit und versuchen das Problem zu lösen – natürlich keine schöne Art, sich eine Nacht um die Ohren zu schlagen, die eigentlich das Potential gehabt hätte, wunderschön zu sein: durch die kaum unterm Horizont versinkende Sonne wird es selbst nach Sonnenuntergang nicht vollkommen dunkel und das Licht und der Himmel sind die ganze Nacht über betörend schön, so dass die Nachtwache eigentlich überhaupt nicht schwer fällt (man muss sich nur warm einpacken, denn es ist doch noch recht kühl). Nach ein paar Stunden sendet  das GPS wieder Daten, und am Vormittag laufen wir in Nynäshamn ein, das wir als Versorgungs- und Absprunghafen für unseren Törn durch die Schären auserkoren haben.

In Nynäshamn decken wir uns ein mit allem, was wir brauchen; sowohl Hafen als auch Stadt sind recht groß und lebhaft, das ist aus logistischen Gründen ganz fein so, aber ansonsten eher nichts für uns. Außerdem sind wir ja hier, um Natur zu sehen. Sobald wir also startklar sind, brechen wir unter Motor auf und sind schon bald in unserer allerersten Ankerbucht angekommen: Kolnäsviken auf der Insel Ornö. Die Bucht ist ringsum geschützt und ganz grün und ruhig. Da wir mit der Orion zum ersten Mal vorhaben, auf die skandinavische Art zu ankern – also vor Heckanker und mit Landleine vom Bug – ist es uns ganz recht ein stilles, sicheres Fleckchen für das erste Ankermanöver gefunden zu haben. Nicht beim ersten Anlauf aber auch nicht nach allzu langer Zeit gelingt es dann auch; durch die Rumpfform ist die Orion gut für dieses Manöver geeignet, denn auf den ersten Metern ist sie ganz flach, der Bug hängt deutlich über, so dass man dem Land ohne Gefahr nahe kommen kann. Außerdem ist das Wasser klar genug, dass man gut erkennen kann, wo der Grund ansteigt und flacher wird – wenn man sich erst mal an die andere Tiefenwahrnehmung durch die Lichtbrechung gewöhnt hat.

Wir sind überglücklich, endlich in der Natur zu liegen und auch endlich angekommen zu sein. Wie lange haben wir uns mit dieser Vorstellung während der langen, kalten Monate des Refits getröstet. Und nun sind wir da und können es kaum fassen.

Wenn wir schon von Bord direkt an Land gehen können, muss ein Landgang natürlich sein. Die Insel ist dunkelgrün und wunderhübsch (wie wir später feststellen, alles andere als ein Einzelfall), der Kaufmann im winzigen Ort hat, wie es scheint, den Betrieb eingestellt und wir verbringen einen entspannten Abend an Bord mit einem herrlichen Ausblick auf Bäume, Felsen und Heidelbeerbüsche.

Am nächsten Tag dann geht es ins Paradies, unserem ersten Hauptziel auf dieser Reise. Das Paradies heißt eigentlich Paradiset (oder je nachdem, wo man liest, auch Paradisviken) und ist eine weitläufige, von mehreren Inseln gebildete Bucht mit zahlreichen Liegemöglichkeiten für alle Windverhältnisse; bei einem Chartertörn einige Jahre zuvor haben wir dieses wunderschöne Fleckchen kennen- und liebengelernt. Auf dem Weg dorthin bleibt wieder einmal der versprochene Wind aus, so dass wir, nachdem alle denkbaren Segelkonstellationen vergeblich getestet worden sind, doch motoren müssen. Nun ja, zumindest am Nachmittag kommt Wind auf, so dass wir den Regenbogen setzen können und uns zügig dem Ziel nähern. Unterwegs gehen uns fast die Augen über bei all den wunderschönen Anblicken ringsum.

Das ist unser Flecken im Paradies - kann man sich dran gewöhnen!
Das ist unser Flecken im Paradies – kann man sich dran gewöhnen!

Und plötzlich sind wir schon da, die immer noch vertraute Öffnung in die Bucht liegt vor uns und wir fahren hinein. Was für ein langersehnter Moment! Wir schauen uns einige der Liegeplätze an und entscheiden uns für eine andere Stelle, als die, an der wir das letzte Mal gelegen haben – die Orion hat doch deutlich mehr Tiefgang als so eine gängige Charteryacht, das schränkt zuweilen die Möglichkeiten ein. Aber, wo wir liegen liegen wir gut: geschützt hinter einem großen Felsen und mit sehr bequemem Überstieg an Land. Es ist der 20. Mai und das heißt, wir bleiben ein paar Tage. Nachdem wir nun seit Wochen hierhergeeilt sind, wird es dafür aber auch Zeit.

Am nächsten Tag holt uns strahlender Sonnenschein aus dem Bett, nee, wie schön! 🙂 Noch vor dem Frühstück wird das Wasser getestet – nun ja, für ein Vollbad reicht es nicht, es ist wirklich elendigst kalt … wir haben leider kein funktionierendes Wasserthermometer, aber viel mehr als 15° können es kaum sein, vielleicht auch weniger. Schade, dabei hätten wir gerne ab und an mal morgens eine Runde gedreht, wenn es sich anbietet. Aber wenn es dermaßen eisig ist, dämpft das die Motivation doch gehörig. Wir trösten uns mit Frühstück in der Sonne und weihen dann Schlauchboot und Außenborder ein, indem wir die erste Inseleinkaufstour erledigen.

Blick auf Ingmarsö vom Wasser aus - man sieht nicht viel vom Ort, denn die Häuser sind locker im Gelände verteilt
Blick auf Ingmarsö vom Wasser aus – man sieht nicht viel vom Ort, denn die Häuser sind locker im Gelände verteilt

Supermärkte sind in den Schären eher rar gesät, erst recht in der Vorsaison, so dass man die Versorgung mit Frischware schon ein wenig planen muss. In Ingmarsö – 45 Minuten per Außenborder entfernt – sieht es noch genau so aus wie vor einigen Jahren und wir sind erstaunt, wie lebendig die Erinnerungen an den letzten Besuch geblieben sind.

Am Nachmittag erkunden wir “unsere” Insel Idholmen. Der Ausflug findet jedoch ein jähes Ende, weil es in Strömen anfängt zu regnen und wir eiligst an Bord zurückhasten, um diverse offenstehende Luken zu schließen – wie war das mit dem vorhergesagten Traumwetter?  Bald aber scheint wieder die Sonne und wir beschließen den Abend mit einem Ausflug auf die Insel auf der anderen Seite der Bucht, dort wo wir beim letzen Mal gelegen haben. Mitten auf den großen, runden steinernen Walbuckeln schlagen wir auf einem Tisch aus Flechten unser Abendbrotpicknick auf und genießen: Luft, Anblick, Duft und nicht zuletzt das Essen.

Der nächste Tag ist der Tag der Tage und zünftig wird er mit Kaffee ans Bett und dann einem Bad im kühlen Nass begonnen, man will ja nicht schmuddelig ins neue Lebensjahr gehen, nicht wahr? Erfrischt (durchgefroren) lassen wir uns das Frühstück in der Sonne schmecken im Schutz unseres Moskitonetzes. Dass wir schon im Mai so viele Mücken haben würden (und die stechen auch schon ganz ordentlich) haben wir nicht erwartet und  sind froh, wenigstens im Cockpit unsere Ruhe vor den Viechern zu haben. Auch den Rest des Tages lassen wir es uns gut gehen mit einem weiteren Erkundungsausflug über Stock und Stein, Kuchen, leckerem Abendessen und Abendstimmung bei Rotwein.

Am nächsten Tag haben wir uns eigentlich ausdrücklich vorgenommen, so richtig faul zu sein – aber das eine oder andere gibt es ja doch immer zu tun. So verbringen wir einen halben Tag mit Kriegsrat und Pläneschmieden, denn für die nächsten Tage ist nicht allzu günstiges Wetter mit kräftigem Wind aus N-NO gemeldet. Also wälzen wir unsere Handbücher auf der Suche nach geeigneten windgeschützten Ecken. Außerdem sind wir im Laufe des Tages auf einmal nicht mehr allein an unserem Ankerplatz – Skandal! Ganz ungeniert quetschen sich noch drei weitere Boote in die kleine Bucht zu uns, so dass man sich fast so nahe kommt wie im Hafen. Tja, es ist Freitag und das sind dann wohl die Wochenend-Segler aus Stockholm, die in großer Zahl ausschwärmen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet.

Naja, dann fällt es uns ein wenig leichter, die Weiterreise zu planen, auch wenn es hier einfach wunderschön ist und wir gerne wiederkommen wollen. Unsere Batterien müssten auch dringend mal wieder geladen werden und so lichten wir am Samstag den Anker und fahren eben in den ziemlich netten Hafen von Ingmarsö-Ort. Dort liegt man für wenig Geld gut, Strom und Wasser sind inklusive, Duschen sind gut und eine Sauna gibt es auch (und wird auch rege genutzt) … der einzige Wermutstropfen ist der in die offene Bucht immer hineinstehende Schwell von den vorüberfahrenden Booten. So ist es doch ein wenig unruhig.

Auf Stora Ravsön
Auf Stora Ravsön

Nach den letzten Erledigungen ziehen wir noch mit dem Schlauchboot los und erkunden die Bucht von Stora Ravsön, ausgiebiger Landgang inklusive. Meine Güte, auch da wieder ein wunderschöner Flecken Erde – die haben einfach echt viele davon, die Schweden.