Über Helgoland zurück nach Papenburg (07.09.-11.09.)

Bis wir endlich loskönnen, vergehen noch einige Tage. Da wir die Limfjordzufahrt vom Hafen aus gut beobachten können, motiviert es uns nicht gerade zu sehen, wie die großen Frachter und Hochseetrawler in den sich seit Tagen auflaufenden Wellen kämpfen und in den Wellentälern verschwinden. Und da sollen wir raus? Aber es hilft ja alles nichts, irgendwann brechen wir auf als da Wetter sich beruhigt. Wir wollen gleich bis Helgoland durch mit einer Nachtfahrt. Unsere Hoffnung ist, dass wir bei Nordwind gut vor dem Wind oder bei raumen Kursen segeln können und so die immer noch beeindruckend hohe Dünung kein Problem ist. Aber der Plan geht nicht auf, und wir rollen elendigst in diesen Wellen. Jeder einzelne Gegenstand an Bord (uns inbegriffen) fliegt von einer Seite zur anderen in einem entnervenden Rhythmus, während der Wind nicht so recht reicht, um uns anzutreiben. Wir sind innerhalb weniger Stunden vollkommen zermürbt und wollen nicht mehr. Für die Nacht holen wir zur Sicherheit das Großsegel ein, doch ohne seine stabilisierende Wirkung wird das Gerolle noch schlimmer, außerdem nimmt der Wind ordentlich zu. So rauschen und rollen wir uns durch die Nacht und wollen nur noch ankommen. Mit Tagesanbruch verlässt uns dann leider auch der Wind, so dass wir zu allem Überfluss  den ganzen Rest des Tages motoren dürfen. Unter Motor ist das Boot noch instabiler in den Wellen, der Lärm ist auch nicht gerade erfreulich – tja, das Röhren des Motors übertönt zumindest zum Teil die Geräuschkulisse, wenn alles in den Schränken herumfliegt und man sich die ganze Zeit fragt, was sich gerade wohl alles kaputtschlägt.

Helgoland in Sicht

Am Abend sind wir endlich in Helgoland, diesmal von der anderen Seite der See kommend. Puh. Wir erholen uns von dieser Nachtfahrt und machen das, was man auf Helgoland halt so macht: bunkern und Lange Anna gucken. Bei der Planung der letzten Etappe sind die Bedingungen mit Tide etc. so ungünstig, dass wir uns entscheiden von Helgoland in einem Stück über Nacht nach Papenburg zu fahren. Emsansteuerung bei Nacht, das wird richtig spannend!

Der Wind dreht auf Ost, wieder Rollkurs vom Feinsten – das hätten wir echt nicht gebraucht. Außerdem wollten wir ja ganz schlau sein und zwischen den beiden VTGs hindurchfahren, um so nicht den Fischern in der Küstenverkehrszone in die Quere zu kommen, doch daraus wird nichts, die Lücke wird nämlich gerade mit Windparks vollkommen zugebaut, die teilweise auch in den neuesten Seekarten noch nicht verzeichnet sind. Wir haben so unserer liebe Not damit, denen allen aus dem Weg zu fahren und gurken ganz schön herum, während die Wächterboote uns ermahnen, dass wir der Baustelle zu nahe kommen. Nicht empfehlenswert!

Sonnenuntergang am letzten Abend

Im letzten Tageslicht dann queren wir das letzte VTG (mit fantastischem Sonnenuntergang) und dann geht es in die Ems, die bei Nacht vollkommen anders aussieht. Das Lichtermeer ist nicht in Worte zu fassen, überall blinkt und blitzt es an Land und im Wasser und wir sind fragen uns, wie es ohne AIS möglich ist, den Überblick zu wahren. Besonders die Lotsenboote rasen so schnell durch das Wasser, dass man sie kaum kommen sieht. Wagemutig wie wir sind, segeln wir auch noch und müssen daher das Fahrwasser immer wieder kreuzen. Das entgeht auch Emstraffic nicht und uns wird empfohlen, uns auch als auf dem Radar sichtbares Sportboot anzumelden, wenn wir nachts auf der Ems unterwegs sind. Das ist alles ziemlich spannend aber letztlich klappt es doch ganz gut, wir sind immer orientiert und sehr froh um unsere technischen Hilfsmittel. Wiederholen müssen wir das aber trotzdem nicht ohne Not, denn sehr anstrengend ist es schon und wir sind erleichtert, am frühen Nachmittag in unserer Box im Yachtclub Papenburg festzumachen.

Læsø und Limfjord (28.08.-06.09.)

Nach einem Hafentag, an dem wir eine Störung mit bis zu neun Windstärken durchziehen lassen, brechen wir jedoch auf, die Zeit drängt. Unser neues erstes Ziel in Dänemark ist Læsø, eine der beiden dänischen Inseln im Kattegat. Doch wie befürchtet geht es den ganzen Weg nach Læsø gegen Wind und Welle und entsprechend langsam; zum Glück ist es aber nicht so weit, nur 25 nm. Die letzten Meilen können wir abfallen und endlich angenehmer segeln, und so machen wir schließlich in Østerby fest, dem Hafen auf der Ostseite von Læsø. Es gibt noch einen zweiten Hafen auf der Westseite der Insel, der (Überraschung) Vesterø heißt. So einfach geht das.

Hier liegen wir gut, der Hafen ist Ende August ziemlich leer. Da die Wetteraussichten alles andere als berauschend sind, entschließen wir uns hier auch, den Plan zu ändern und nicht über den Nord-Ostsee-Kanal, sondern über den Limfjord auf die Nordseeseite zurückzukommen. Zum einen befürchten wir, dass es einfach zu lange dauern wird, sich das ganze dänische Inselmeer nach Süden zu hangeln, wenn man immer nur Gegenwind und -strom hat (im Kattegat setzt meist ein Strom nach Norden), zum anderen ist das Risiko nicht so klein, später in der Elbmündung festzusitzen … wie so mancher aus eigener leidvoller Erfahrung wissen wird, kommt man da bei auslaufendem Wasser nicht mehr raus, sobald etwas stärkerer westlicher Wind weht und gegen den Strom steht. Und im einsetzenden Herbst sind Westwindlagen alles andere als unwahrscheinlich. Und so denken wir uns, dass wir uns lieber beeilen, nach Thyborøn, auf der Nordseeseite des Limfjords zu kommen, um dort dann in Ruhe auf einen günstigen Zeitpunkt für den Absprung zu warten.

Zunächst aber legen wir einen Hafentag ein und holen die Fahrräder raus. Damit kann man im flachen Læsø, das große Ähnlichkeit mit den Nordseeinseln hat, viel mehr anfangen als in Norwegen. Die Insel gefällt uns gut, ist für eine Radtour genau richtig von der Größe und ziemlich abwechlungsreich mit ganz unterschiedlichen Landschaftstypen. Wir fahren bis auf die andere Seite der Insel und schauen uns auch den anderen Hafen an, finden aber “unseren” irgendwie netter, auch wenn sie sich ziemlich stark ähneln. Das Besondere ist, dass am Straßenrand unzählige kleine Holzbüdchen stehen, in denen die Einheimische alles mögliche per SB-Prinzip verkaufen: Schmuck, Kartoffeln, selbst gesammelte Pfifferlinge. Nun, bei letzeren können wir natürlich nicht widerstehen: ganz frisch und sehr, sehr lecker – und der Preis ist auch absolut konkurrenzfähig. So werfen wir also unsere Münzen in die Geldkasette und suchen uns das schönste Schälchen mit Pilzen aus.

Am nächsten Tag dann steht ein ganz ordentlicher Schlag nach Hals, dem östlichen Zugang zum Limfjord, an. Aber, wie wir es ja schon nicht anders erwarten: Gegenwind. Zusammen mit dem Gegenstrom aus der Ostsee heraus kommen wir trotz vollem Motoreinsatz teilweise kaum über drei Knoten Fahrt hinaus und fürchten schon, bis tief in die Nacht unterwegs zu sein. In unserer Verzweiflung versuchen wir, dem Strom zu entgehen, indem wir näher an der Küste entlangfahren und uns dafür in den Bereich der zahlreichen Stellnetze wagen; und tatsächlich, so geht es ein wenig schneller voran und wir sind zumindest noch rechtzeitig in Hals, einem recht geschäftigen Städtchen, um im Supermarkt ein Abendessen zu erstehen.

Am nächsten Tag geht es in den Limfjord, den wir zum ersten Mal sehen. Wir sind gespannt, müssen aber erst mal den langweiligen, schnurgeraden Teil passieren, bevor das Gewässer sich auf große Wasserflächen öffnet mit Inseln und Natur. Am ersten Tag aber ist Kanalfahrt angesagt, mitten durch Aalborg hindurch (die Stadt mit dem Aquavit). Das läuft alles recht flott, und auch das Öffnen der beiden Brücken ist kein Problem, obwohl eine davon eine Hauptverkehrsachse durch die Stadt ist.

Auf Livø

Wir kommen bei achterlichem Wind und Strom so gut voran, dass wir spontan weiter fahren als ursprünglich geplant und auch noch die dritte Brücke passieren und in Livø festmachen, einer ganz kleinen Insel, die in unsererm Törnführer in überschwenglichsten Tönen gelobt wird. Und schon das Hafenbecken ist ein echtes Erlebnis: es ist nicht viel größer als die ‘Orion’ und wir können uns kaum vorstellen, wie sich hier im Sommer dutzende von Booten hineinquetschen. Die müssen alle deutlich kleiner sein! Auch die Insel gefällt uns, früher war hier eine “Nervenheilanstalt”, heute ist in den Gebäuden eine Jugendherberge untergebracht, sonst gibt es bloß viel Wald und Landwirtschaft, von der die Insel sich früher selbst versorgt hat. Da wir in Eile sind, können wir nicht lange bleiben, aber am nächsten Vormittag drehen wir eine kurze Runde und sind besonders vom grünen, üppigen Hexenwald angetan. Hier würden wir sicher noch einmal wiederkommen wollen.

Die Oddesundbrücke

Dann aber geht es weiter, denn wir müssen unbedingt so weit wie möglich nach Südwest kommen, bevor der Wind dreht und zu Gegenwind wird (und das ist natürlich schon vorhergesagt). So kommen wir bei Flaute am nächsten Tag bis Oddesund, wo das Fahrwasser des Limfjords einen deutlichen Knick macht und von da an Richtung Nordwest führt. Um uns herum typische dänische Kulturlandschaft, viel Grün, wenige Menschen. Leider können wir mit unserem Tiefgang das Hauptfahrwasser kaum verlassen, aber für kleinere Boote ist das sicher ein tolles Revier. Ähnlich wie im Ijsselmeer sind die Wege nicht weit, egal wohin man will, aber es ist hier wohl auch in der Hochsaison nicht ganz so überfüllt.

In Oddesund selbst ist nicht viel, einen Ort finden wir nicht, dafür ist das Vereinsheim ganz schön. Am nächsten Tag dann steht das letzte Stück Limfjord an und da der Wind wie versprochen auf Südwest gedreht hat, können wir segeln. Das ist so schön, mal dem Motor nicht beim Dröhnen zuhören zu müssen … wir kommen so schnell voran, dass wir schon mittags in Thyborøn ankommen. Beim Näherkommen sieht der große Industrie- und Fischerhafen ja nicht gerade einladend aus doch das täuscht, das nördlichste Hafenbecken, welches für die Sportboote reserviert ist, ist ganz gemütlich und man bekommt nicht allzu viel vom restlichen Hafenbetrieb mit (bis auf den Fischgeruch, der des öfteren über allem liegt). Der Clou ist das große, neue und gemütliche Vereinsheim mit vollverglastem Aufenthaltsraum mit Meerblick und voll ausgestatteter Küche. Außerdem gibt es eine kostenlose Waschmaschine und Trockner. Hier kann man es sich bei Schietwetter schön gemütlich machen, was sicher besonders schön ist, wenn man mit einem ganz kleinen Boot unterwegs ist.

Und nun ist Warten angesagt. Erst mal sind die Wetteraussichten auf absehbare Zeit nicht gut, ein echter Sturm zieht auf, viel Wind, viel Regen. Wir schlagen die Zeit tot, waschen Wäsche, freunden uns mit zwei weiteren deutschen Seglern an, die wie wir auf den Absprung warten, klönen, trinken Tee, schnacken, schauen uns die Stadt an. Eine Radtour machen wir auch, die jedoch dank ordentlichem Gegenwind deutlich kürzer ausfällt als geplant. Als die Sturmfront durchzieht (Böen bis 10 Bft!) haben wir auch noch einen Verlust zu beklagen: die Windfahne von unserer Selbststeueranlage hat es doch glatt abgerissen, und das im Schutz der Hafenmauer, Ersatz haben wir keinen dabei, aber bei einem Holzbootbaubetrieb im Ort versuchen wir unser Glück und obwohl es Samstag ist und wir die Herren beim Frühstück stören, ist man sehr nett und sägt uns ein passendes Stückchen Sperrholz zu. Überhaupt gibt es in Thyborøn vermutlich so ziemlich jeden Bootsfachmann, den man sich vorstellen kann, wenn mal etwas kaputt gehen sollte.

Westschwedische Schären (21.08.-27.08.)

Am folgenden Morgen dreht der Wind auf Südost und so wir können uns am 21. August endlich auf den Weg Richtung Schweden machen, das wir über Nacht erreichen. Während wir tagsüber noch wunderbar segeln können, verlässt der Wind uns in der Nacht so gründlich, dass wir dank konstantem Gegenstrom aus dem Skagerak heraus sogar eine Zeitlang rückwärts fahren. So bleibt uns am nächsten Vormittag nichts anderes übrig als den Motor zur Hilfe zu nehmen und Kurs auf die Koster-Inselgruppe zu setzen. In Küstennähe aktualisieren wir nochmal den Wetterbericht und entscheiden uns die Nacht in der Ursholmene-Bucht zu verbringen. Dabei handelt es sich offenbar nicht gerade um einen Geheimtipp, denn als wir eintrudeln sind wir doch beeindruckt von der Menge Boote, die sich hier tummeln. Ist ja auch nicht überraschend, am vermutlich letzten schönen Sommerwochenende wollen viele noch mal ihr Boot nutzen, und die Gegend ist dichter besiedelt als Norwegen. Wir finden aber auch noch ein Plätzchen an der Inre Ursholmen und lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. Wenn doch nur die mitten in der Bucht ankernden Boote nicht beschlossen hätten, die Umgebung im Umkreis von einer Seemeile mit (schlechter) Musik zu beschallen… naja, wir lassen uns nicht schockieren, nehmen ein Bad und ruhen uns von der Überfahrt aus. Am Abend wird es auch deutlich leerer und wir genießen den Sonnenuntergang.

Und nun heißt es, sich ganz langsam Richtung Deutschland vorarbeiten, erst die schwedische Küste entlang nach Süden und dann bei passender Gelegenheit rüber nach Dänemark. Eigentlich würden wir auch gerne Skagen besuchen, aber müssen natürlich schauen, was der Wind uns so bringt. Zuallererst einmal bringt er uns Flaute … da als nächstes aber der vor einiger Zeit noch sehnlich erhoffte, jetzt aber völlig unpassende Südwest angekündigt wird, sehen wir am folgenden Tag zu, dass wir Strecke Richtung Süden gutmachen, zunächst wieder unter Motor, später kommt aber auch noch Wind auf. Wir legen einen Einkaufsstop in Grebbestad ein, wo wir auch am Sonntag geöffnete Supermärkte vorfinden, und bleiben am Abend in Strömsund, einem sehr, sehr schmalen Sund zwischen drei Inseln (zu schmal, um die ‘Orion’ darin auch nur zu wenden) und genießen den vermutlich letzten Abend in einer Naturbucht mit der liebsten Sommerbeschäftigung der Schweden: wir grillen! Die Felsen auf unserer Insel geben mit ihren gletschergeformten Kuhlen außerdem wunderbare Sessel ab, von denen aus wir den Sonnenuntergang mit Blick auf das Meer genießen – unbeschreiblich schön!

Klädesholmen

In den nächsten Tagen hoffen wir eigentlich auf eine gute Gelegenheit, nach Dänemark rüberzumachen, aber irgendwie will es einfach nicht mit dem Wind passen und so segeln wir bei sechs bis sieben Beaufort die schwedische Küste nach Süden entlang. Wir machen Station in Klädesholmen, einem unbedingt sehenswerten Ort, der über drei Inseln verteilt ist und dessen Hafen durch die Bucht zwischen diesen Inseln gebildet wird. Früher hat man hier in Hering gemacht (Fang und Verarbeitung), heute haben Künstler ihre Ateliers in den alten Konservenfabriken. Immerhin, eine davon legt immer noch Hering (Sill) ein, und zwar auf die kreative Art, mit ungewöhnlichen Saucen etc. Im Supermarkt gibt es auch einen Werksverkauf und die Preise sind trotz des gourmetmäßigen Auftritts wirklich in Ordnung und noch dazu schmeckt es richtig gut!

Das Wetter zeigt sich am nächsten Tag von seiner schlechtesten Seite, so bleiben wir einen Tag – hauptsächlich unter Deck. Auch der folgende Versuch Kurs Skagen anzulegen, fällt leider buchstäblich ins Wasser. Bei kräftigem Wind gegenan und unschöner Kreuzsee beim Übergang ins flache Wasser bleibt uns nichts anderes, als abzudrehen und uns im Schutz der Schären weiter nach Süden durchzuschlagen. Tja, das war es also leider mit Skagen. Wir landen letztlich in Vrångö, das eigentlich ganz nett ist und viele Wanderwege sowie einen Supermarkt direkt am Hafen bietet; wenn wir uns nur nicht immerzu sorgen würden, wie wir eigentlich nach Dänemark kommen sollen, denn natürlich ist bis auf weiteres Westwind angesagt, also wie immer gegenan …

Norwegische Südküste (11.08.-20.08.)

Weglose, wilde Natur

Nach der anstrengenden Überfahrt schlafen wir uns erst mal aus und erkunden dann den Ort, um unsere Vorräte mit lokalen Spezialitäten zu ergänzen. Am Nachmittag wollen wir auch noch die weitere Umgebung erkunden und unternehmen eine Wanderung in ein nahegelegenes Naturschutzgebiet, welches allerdings – anders als man es in Deutschland erwarten würde – nicht wirklich auf Besucher eingerichtet ist und keinerlei ausgezeichnete Wege aufweist. So kämpfen wir uns durchs Unterholz, um am Ende doch umdrehen zu müssen; die Zecken fühlen sich dort allerdings sehr wohl …

Mandal ist nett, aber eigentlich zieht es uns ja in die Natur, also brechen wir am nächsten Tag wieder auf. Wir haben uns eine Bucht zum Ankern ausgeschaut, die nur wenige Seemeilen entfernt ist und das Wetter hat sich prächtig entwickelt, so dass wir bei strahlend blauem Himmel und perfektem Wind rübersegeln können, immer mit Blick auf die sattgrünen Wälder der Küste. Und dann in der Bucht erleben wir zum ersten Mal etwas, das einem – besonders als Wattenmeersegler, der sich immer zwischen Untiefen hindurchschlängelt – kaum in den Kopf gehen mag: wir können in der Bucht längsseits am Land festmachen! Die Felsen sind so steil, dass man immer noch sechs Meter Wasser unterm Kiel und außerdem keine Probleme beim Abfendern an Land hat. Bemerkenswert, in der Natur fast noch besser und sicherer zu liegen als im besten Hafen, denn die hohen Felsen schützen auch optimal vor Wind.

Skolhusbukten / Sandøya

Auch am nächsten Tag haben wir besten Segelwind aus Nordwest bei strahlendem Sonnenschein. Wir folgen der Küste Richtung Osten, lassen Kristiansand links liegen und steuern einen in der Seekarte vielversprechend aussehenden Liegeplatz an. Dieser erweist sich jedoch als schlecht geschützt und mit viel Durchgangsverkehr, so dass wir weiterziehen und schließlich am Abend im klaren Wasser der Skolhusbukten bei Sandøya ankern.

Am folgenden Morgen weht kaum ein Lüftchen, aber das macht uns nicht viel aus, da wir ohnehin unter Motor durch die Blindleia fahren wollen, eine Art natürlicher Kanal zwischen der norwegischen Küste und den vorgelagerten Schären, die nur ein teilweise weniger Meter breites Fahrwasser lassen, um dann wieder geräumige Buchten zu umschließen. Dort haben die Schönen und Reichen Norwegens ihre Sommerhäuschen stehen, in den besten Baulagen (auf Felsenklippen, mit Holztreppe zum eigenen Bootsanleger) natürlich. In der Hochsaison ist hier sicher auch irre viel los, aber im August ist ja in Skandinavien der Sommer eigentlich schon vorbei, so dass wir ziemlich ungestört durch die Blindleia fahren können. So können wir ganz in Ruhe mit großen Augen staunen und besonders langsam durch die Engstellen fahren, bei denen die Felsen rechts und links fast in Reichweite sind und man dem Echolot kaum glauben mag, wenn es noch mehrere Meter Wasser unterm Kiel anzeigt.

Sonnenuntergang bei Mortensholmen

Am Nachmittag suchen wir Schutz längsseits am Felsen von Justøya in der Bucht von Mortensholmen, da für die kommenden Tage schlechteres und windigeres Wetter angesagt ist. Erst mal aber erkunden wir die Insel, finden den Dorfladen schon für dieses Jahr geschlossen vor und trauen uns – verschwitzt von der kleinen Wanderung – zu einem Bad ins fast 20 Grad warme (?) Wasser. Der Abend schenkt uns einen traumhaften, völlig wolkenlosen Sonnenuntergang.

Am folgenden Tag zeigt sich der Himmel in der Tat bedeckt, was uns aber nicht davon abhält, die Insel zu erkunden. Wir finden unglaubliche Mengen Heidelbeeren (die sofort zu Muffins verarbeitet werden) und einen beeindruckenden Süßwassersee, umgeben von zig Meter hohen Steilwänden mitten auf der Insel. Überhaupt macht es Spaß, auf eigene Faust über die Insel zu streifen, oft auf nur ganz schmalen Fußpfaden.

Man könnte es hier länger aushalten, doch da nach einigen Tagen in der Natur die Batterien langsam eine neue Ladung brauchen und der Generator noch nicht einsatzbereit ist müssen wir am folgenden Tag einen Hafen aufsuchen und fahren so im strömenden Regen die kurze Strecke nach Lillesand. Am Nachmittag erledigen wir dort Einkäufe, länger als nötig wollen wir aber nicht bleiben, denn wir liegen durch den ständig durch den Hafen rollenden Schwell sehr unruhig. So fahren wir am nächsten Tag weiter nach Homborsund, einen viel kleineren Hafen mit Gästeanleger, der – jahreszeitlich bedingt – schon kostenlos zu nutzen war.

Hier warten auf eine günstige Gelegenheit zum Absprung nach Schweden – und die lässt auf sich warten! Kaum verlässt man sich darauf, dass der Wind aus der vorherrschenden Richtung (also West) weht, bekommen wir wochenlang Ostwind. Es tröstet uns auch nicht so wirklich, dass die Einheimischen uns erzählen, dass sie so etwas noch nie erlebt hätten, erst recht nicht im August; so warten wir letzten Endes mehrere Tage bis der ziemlich kräftige Ostwind nachlässt. Immerhin bringt die Wetterlage mit sich, dass der Himmel von einem unfassbaren Blau ist und wir Sonne ohne Ende bekommen. Wir erkunden die Halbinsel, die unsere Bucht von der offenen See trennt; dort finden wir zur Abwechslung mal ein ausgezeichnetes Wegenetz durch die Heide- und Felslandschaft vor. Um uns die Zeit zu vertreiben, machen wir auch eine Radtour nach Grimstad, um unser letztes norwegisches Geld gegen lokale Spezialitäten zu tauschen – ein mühsames Unterfangen, ist doch selbst der Süden Norwegens recht bergig. Aber da das Wasser um diese Jahreszeit für norwegische Verhältnisse ziemlich warm (um die 20°C) ist, können wir uns danach mit einem Bad im Fjord erfrischen.

Nach vier Tagen verlassen wir endlich Homborsund, um herauszufinden, ob wir uns endlich auf den Weg nach Schweden machen können; vor der Küste erwartet uns aber kräftiger Gegenwind und -strom, so dass wir uns entschließen, noch eine Nacht im Schutz der Valøyene, einer Außenschärengruppe vor Grimstad, zu verbringen.

Überfahrt nach Norwegen (05.08.-10.08.)

Sonnenaufgang vor Emden

Am 5. August geht es los: weil Hochwasser erst am Nachmittag ist, kommen wir am ersten Tag nur bis Emden, um am nächsten Tag beim allerersten Licht morgens um 5 mit dem nächsten Hochwasser wieder auszulaufen zu unserer ersten mehrtägigen Überfahrt. Wir sind durchaus angespannt und haben gegenüber der Autoverladeanlage keine ruhige Nacht verbracht, werden für das frühe Aufstehen aber mit einem wunderschönen Sonnenaufgang belohnt. Mit ablaufendem Wasser wollen wir uns weit genug von der Emsmündung entfernen um nicht in den Gegenstrom zu geraten, wozu der Wind zunächst nicht ausreicht, so dass wir motoren müssen. Da alle Wettervorhersagen uns aber Südwestwind versprochen haben, trösten wir uns damit, dass wir nur ein wenig Geduld haben müssen. Als wir endlich per Motor die Verkehrstrennungsgebiete hinter uns gelassen haben folgt aber die Ernüchterung: erst Nordwind, dann Flaute … nicht dass wir noch bis Norwegen motoren müssen?!

Zum Glück kommt aber dann doch noch segelbarer Wind auf, der uns auch für weite Teile der restlichen Strecke erhalten bleibt. Wir versuchen derweil einen Wachrhythmus zu finden und sind recht bald auch ganz gut eingespielt: tagsüber passen wir gemeinsam auf, nachts wechseln wir alle paar Stunden, aber nicht nach ganz strengen Uhrzeiten. Eine große Hilfe bei einer solchen mehrtägigen Fahrt ist uns die Windfahnensteuerung, die das Boot auf Kurs hält, ohne dass ständig jemand am Steuer stehen muss.

Land in Sicht!

Nach Queren der ‘Schiffsautobahnen’ vor der deutschen Küste nimmt der Verkehr auf der Nordsee stark ab, und das ist auch gut für uns, denn gerade auf Nachtfahrt sind wir froh, wenn nicht allzu viel los ist – dann ist es auch nicht schlimm, wenn die Konzentration nachlässt. Da der Wind bald auch auf Nordwest dreht und wir damit einen ganz knackigen Am-Wind-Kurs fahren, ist es so laut und unruhig an Bord, dass an Schlaf ohnehin kaum zu denken ist. Und so träumen wir schon davon, anzukommen und uns so richtig auszuschlafen. Und am Morgen des vierten Tages, ganz früh schon können wir “Land in Sicht!” rufen, das ist schon ein besonderes Gefühl!

Unser Zielhafen ist Mandal, eine hübsche kleine Stadt, in die norwegischen Hügel gebettet und mit eigenem Sandstrand (was im felsigen Norwegen eher selten ist), und während wir uns der Küste nähern können wir schon die würzige Waldluft schnuppern, die nach mehreren Tagen auf See ganz deutlich zu riechen ist. Wir sind allerdings so erschöpft, dass wir eigentlich nur duschen und schlafen wollen. Dumm nur, dass wir am Sonntag ankommen und nicht wissen, wie wir an norwegisches Münzgeld kommen sollen, welches man für die Duschen braucht! Zum Glück findet sich aber ein geöffneter Bäcker, wo wir Brot und Münzen erstehen können; dabei machen wir auch unsere ersten Erfahrungen mit dem norwegischen Preisniveau …