Kurs Gibraltar: Entlang der Küsten der Algarve und Andalusiens (24.09. – 16.10.)

Ponta de Piedade

Nachdem wir in den frühen Morgenstunden des 24. September das Cabo de São Vicente gerundet haben, folgen wir noch einige Stunden der felsigen Küste (der Wind bleibt dabei sehr launisch, mal frischt er auf, dann verlässt er uns wieder) und runden dabei zuletzt die Ponta de Piedade mit ihren spektakulären Felsformationen, bis wir gegen Mittag nach 80 Seemeilen die Bucht von

Lagos
Ankern vor Lagos

erreichen, unseren ersten Ankerplatz an der Algarve. Die Stadt verfügt auch über eine Marina, welche allerdings – wie alle Häfen an der Algarve – während der Saison fast 50 Euro pro Nacht abruft, weswegen wir dankend verzichten und lieber den Anker vor dem herrlichen, endlos langen Strand fallen lassen. Am Nachmittag kommt nochmal kräftiger Nordwestwind auf (wie jeden Nachmittag, wie wir in den kommenden Tagen noch feststellen werden), aber bei Wassertiefen von 5-6 Metern über kilometerlange Bereiche und einem aus festem Sand bestehenden Ankergrund kann man hier beliebige Winde abwettern, solange sie ablandig kommen. Auch der Schwell hält sich sehr in Grenzen – wir hatten da einige Bedenken, weil man schließlich nach Süden offene See bis zur Küste Afrikas hat, aber die an der Westküste stets rollende Atlantikdünung kommt scheinbar nicht um das Kap. 

Lagos, Seepromenade

Am Donnerstag nutzen wir die Vormittagsflaute, um mit dem Dinghi in die Stadt zu fahren. Lagos war im 15. Jahrhundert Ausgangspunkt zahlreicher Expeditionen entlang der Westküste Afrikas; heute hat es gut 30.000 Einwohner und ist eines der touristischen Zentren an der Algarve. Die gut erhaltene Altstadt, die lange Seepromenade, der viele Kilometer lange Sandstrand längs der Bucht gen Osten sowie die bizarren Felsen der Ponta de Piedade sind die Hauptattraktionen.

Ponta de Piedade: bizarre Felsen …

Freitag wollen wir uns diese Felsen auch aus der Nähe ansehen; nach dem Frühstück fahren wir mit dem Dinghi an der Küste entlang, es weht noch kaum Wind und die See ist recht ruhig. Unzählige Ausflugsboote weisen uns den Weg zu den größten Attraktionen: frei im Wasser stehende Felsentürme, mit dem Boot durchfahrbare Tore und tief in die Felsen eingegrabene Grotten. 

… und traumhafte Strände

Wir bestaunen diese abstrakten Kunstwerke der Natur, kurven um die Felsen und landen – zusammen mit zwei Dutzend Kajakfahrern – an einem kleinen Strand an (was sich als deutlich einfacher erweist als ihn wieder zu verlassen – die Wellen laufen sich ganz ordentlich auf in der engen Bucht). Der ganze Trubel wirkt zwar etwas abschreckend, aber die Attraktivität des Ortes können auch wir nur bestätigen!

Albufeira

Am Freitagvormittag fahren wir nochmal zum Einkaufen in den Ort – vor 14 Uhr gibt es ja eh keinen Wind … dann aber stellt er sich pünktlich ein, und wir lichten den Anker. 

Die Steilküste der Algarve zieht vorbei

Die vorbeiziehende Küste bleibt felsig und steil, Ortschaften liegen eingebettet in kleine Einschnitte in der Landschaft; ihre Häuser leuchten weiß in der Sonne, und anzunehmenderweise handelt es sich bei vielen der größeren Bauten um Hotels. Ansteuerbare Häfen gibt es nicht so viele: Portimão liegt noch zu nahe an Lagos, und der nächste Hafen, Albufeira, ist gleich über 20 Seemeilen entfernt. Da es inzwischen schon um 20 Uhr dunkel wird und der Wind uns auch nicht gerade großzügig mit seiner Anwesenheit beehrt, bricht schon die Nacht herein, als wir vorm Strand von Albufeira den Anker werfen.

Albufeira im Morgenlicht

Da am Samstag der einzige Wind in den Morgenstunden wehen soll, verlassen wir gleich nach Sonnenaufgang den Ankerplatz wieder, ohne den Ort selbst besucht zu haben – auf dem Rückweg kommt man ja auch nochmal hier vorbei; heute sollen es nämlich 25 Seemeilen bis in die Lagune von Faro werden. Die felsige Steilküste weicht dabei mehr und mehr zurück, Sandstrände setzen sich durch. Wieder ist der Wind sehr launisch (was allerdings heute mehr der Vorhersage entspricht als gestern, wo wir mit mehr gerechnet hatten), so dass es früher Nachmittag wird, bis wir nach mehrmaligem Wechsel zwischen diversen Segelkombinationen und Motorbetrieb die Einfahrt in die Lagune ansteuern können.

Ilha da Culatra

Die Lagune wird von vielen Kilometer langen, schmalen Sandinseln gegen das Meer abgegrenzt, zwischen denen sich genau im Süden eine Einfahrt auftut; wir passieren diese kaum eine Stunde vor Hochwasser und staunen nicht schlecht, was für ein Strom da noch steht: das ansonsten flautig-glatte Wasser ist auf einmal aufgewühlt, in großen Strudeln dreht sich gurgelnd die Flut, und wir werden mit fast 8 Knoten über Grund bei langsamer Motorfahrt in die Lagune gespült! Wir folgen der Rückseite der nach Osten verlaufenden Insel, der Ilha da Culatra, und bald beruhigt sich das Wasser, der Strom lässt stark nach. Drei Seemeilen hinter der Einfahrt tut sich ein riesiges Ankerfeld auf, wir zählen weit über 50 Masten – Platz ist aber immer noch, wir bringen zwei Anker aus, um auch bei wechselnder Stromrichtung sicher zu liegen.

Abendstimmung über der Lagune

Während des Nachmittags bringen noch unzählige Ausflugsboote Tagesgäste von Olhão auf die Insel, aber am Abend breitet sich eine Stille geradezu greifbar über der Lagune aus; wir genießen einen magischen Abendhimmel über dem Ankerfeld und verstehen, warum dieser Ort bei den Fahrtenseglern so beliebt ist.

Am nächsten Morgen setzen wir mit dem Dinghi über und erkunden die Insel. Der kleine Ort besteht aus alten Fischerhäusern, in denen heute natürlich etliche Cafés und Restaurants untergebracht sind, aber Fischerei im traditionellen Stil gibt es noch immer; am Hafen sitzen wettergegerbte alte Männer und flicken ihre Netze. Trotz des Zustroms an Tagestouristen gibt es keinerlei große Hotel- und Gastronomiebauten, hier kann man noch einen Rest der vortouristischen Algarve erleben; am sieben Kilometer langen Strand mit sauberem, feinem Sand und türkisblauem Wasser verlaufen sich die paar hundert Badegäste auch schon nach kaum fünf Minuten Laufentfernung vom Ort – hier kann man seinen persönlichen Kilometer Bilderbuchstrand für sich allein haben.

Farol do Cabo de Santa Maria, Ilha da Culatra

Auch am Montag bleiben wir noch am Ankerplatz – es gefällt uns wirklich gut hier, durch die vielen Boote in der Lagune kommt man auch mal mit anderen Seglern ins Gespräch. Wir setzen auch nochmal auf die Insel über, laufen diesmal bis zum Leuchtturm am anderen Ende; den Abend – unseren letzten in Portugal – lassen wir mit einem köstlichen Abendessen in einer kleinen Taverne ausklingen. Wenn wir das nächste Mal vorbeikommen, möchten wir auch gerne mehr Zeit hier verbringen!

Isla Cristina
Unter Gennaker mit Delfinbegleitung nach Osten

Am Dienstag den 1. Oktober verlassen wir die Lagune vor der Ilha da Culatra; wie immer scheint die Sonne, und wenn auch zunächst der Wind etwas zu wünschen übrig lässt, so stellt er sich gegen Mittag doch ein und erlaubt herrliches Segeln unter Gennaker auf einer nach tagelanger Flaute fast glatten See. Auch die Delfine – ziemlich große diesmal, Tümmler vielleicht? – wissen das bunte Segel zu schätzen und springen durch dessen Spiegelbild im Wasser.

Einige Stunden später verlassen wir mit dem Passieren der Mündung des Río Guadiana auch Portugal, wo wir somit den größten Teil des Septembers verbracht haben. Als Segelrevier bot Portugal eher weniger Möglichkeiten als zuvor Galicien – es gibt einfach wenige Häfen (die an der Algarve auch noch sehr teuer sind, weswegen wir dort keinen einzigen angelaufen haben) und kaum geschützte Ankerplätze, aber Land und Leute haben uns außerordentlich gut gefallen, und Porto und Lissabon sind jede Reise wert.

Palmenallee in Isla Cristina

Nun stellen wir aber die Uhr wieder eine Stunde vor, wechseln die Gastlandflagge, und laufen nach gut 35 Seemeilen den kleinen Hafen von Isla Cristina (Stadt und Insel heißen gleich) an. Es ist schon kurz nach Sonnenuntergang, als wir einen Spaziergang durch den Ort machen, aber es ist sommerlich warm, und die Straßen sind voll von Menschen und spielenden Kindern – nach der Nachmittagshitze erwacht man erst jetzt wieder zum Leben. Die Architektur ist deutlich maurisch inspiriert, und die Hauptstraße flankieren zwei Reihen gewaltiger Dattelpalmen, die auch noch voller Früchte hängen – wir fühlen uns nun wirklich wie in Afrika 🙂

Mazagón

Am Mittwoch gibt es sogar durchgängig Wind – wir nutzten die gute Gelegenheit und verlassen Isla Cristina gleich wieder, um 35 Seemeilen gen Osten zu segeln. Tatsächlich können wir die gesamte Strecke unter Gennaker zurücklegen; zum Teil frischt der Wind sogar bis 18 Knoten auf, so dass die ‘Orion’ mit 7,3 Knoten ihrem Ziel entgegeneilt. So macht Segeln Spaß!

Der Leuchtturm von Mazagón

Entsprechend ist es erst Nachmittag, als wir den Hafen von Mazagón an der Mündung der Ría de Huelva erreichen; dieser wird – genau wie Isla Cristina zuvor – von der andalusischen Hafenverwaltung betrieben, was zu einem Einheitspreis von € 17,33 in der Nebensaison für fast alle Häfen der Region führt. Dafür gibt’s eine tadellose Dusche – die erste seit Sines …

Ansonsten hat der Ort nicht viel zu bieten; es gibt nur ca. 4000 echte Einwohner, aber Häuser für dreimal so viele Menschen, alles Ferienvillen für Sommergäste aus Huelva. Da der Sommer (für südspanische Verhältnisse) vorbei ist, wirkt alles recht ausgestorben; lediglich den kleinen Leuchtturm finden wir recht hübsch.

Chipiona

Selbst für den Donnerstag ist noch etwas Wind übrig, so können wir weitestgehend unter Gennaker Chipiona erreichen – dafür ist es aber auch schon so spät, dass es nicht mehr für einen Rundgang durch die Stadt reicht. Wie sich später herausstellen wird, macht das aber nichts …

Wir schlafen also ein paar Stunden und machen uns dann gleich wieder auf den Weg zum Zwischenziel dieser Woche:

Cádiz

Der Wind hat sich nach drei brauchbaren Tagen aber völlig verausgabt, und so erreichen wir den Hafen der Stadt am späten Mittag nach einigen Stunden Motorfahrt. Da der Tagesablauf in Spanien ja deutlich nach hinten verschoben ist, gelingt es uns am frühen Freitagabend noch einen ganz wichtigen Dienstleister aufzutreiben, der ein seit geraumer Zeit nervendes Problem ganz endgültig löst: einen Zahnarzt.

Am Samstag schlafen wir erst mal aus und bringen dann das Boot etwas in Ordnung, denn die ‘Orion’ bekommt für eine gute Woche Crewverstärkung; mit deren Anreise klappt auch alles nach Plan, und so können wir am Abend bei herrlichem Sommerwetter im Cockpit unser Wiedersehen feiern!

Cala del Aceite
Nebel über der Cala del Aceite

Leider kommt in der neuen Woche eine Weiterfahrt Richtung Gibraltar nicht in Frage: zunächst hält die gegenwärtige Flaute noch weiter an, und dann setzt zum Teil sehr kräftiger Ostwind ein: gerade in der Straße von Gibraltar verstärkt sich diese Levante genannte Wetterlage gerne mal auf 8 Windstärken – sinnlos, dagegen anzuwollen. Wir beschließen also etwas Urlaubssegeln rund um Cádiz: am Sonntag segeln wir – das letzte Lüftchen nutzend – gut 20 Seemeilen nach Süden und ankern vorm Strand von Cala del Aceite. Der Ankerplatz ist zwar durch den Schwell etwas unruhig (Weingläser leben gefährlich!), aber die Aussicht entschädigt dafür: eine farbenprächtige Steilküste und ein herrlicher Strand davor laden zum Verweilen ein. Am folgenden Tag tun wir das auch, baden im Meer und in der Sonne – Entspannung pur! Etwas erstaunt sind wir, als plötzlich dichter Nebel aufzieht und die kaum 200 m vorm Strand ankernde ‘Orion’ nicht mehr zu sehen ist – der Spuk verzieht sich aber so schnell wie er gekommen ist, und wir finden glücklicherweise den Rückweg im Dinghi.

Rota
Unser Restaurant in Rota – Lage und Essen hervorragend

Dienstag setzt denn der angekündigte Levante ein: mit frischem Wind im Rücken geht es zurück Richtung Cádiz. Direkt gegenüber in der Bucht liegt Rota, wo wir für die Nacht einkehren und ein hervorragendes Abendessen genießen dürfen.

Der Ort hat eine hübsche Altstadt mit einem maurischen Kastell – und neuere, weniger attraktive Stadtteile, in denen sich die Pubs und Fast-Food-Restaurants für die unzähligen Bediensteten der großen US-Marinebasis direkt nebenan befinden. 

Am nächsten Morgen bleibt noch Zeit für einen Stadtrundgang bei Tageslicht, denn wir haben und keine große Entfernung vorgenommen: gerade 7 Seemeilen geht es über die Bucht von Cádiz bis

Puerto de Santa Maria
Abend in Puerto de Santa Maria

Auch dort machen wir noch einen abendlichen Stadtspaziergang und testen die örtliche Gastronomie – oder sie uns, denn ungewohnte Meeresfrüchte wie frittierte Seeanemonen erweisen sich als ein nicht unumstrittener Genuss. Ansonsten essen wir aber wieder hervorragend und lernen viele neue, leckere Speisen kennen; auch der Ort gefällt, und wie immer können wir die klimatischen Gegebenheiten kaum fassen: auch wenn es auf dem Rückweg zum Boot auf 23 Uhr zugeht, sind kurze Ärmel und Hosenbeine noch absolut angemessen …

Chipiona
Nach Sonnenuntergang in Chipiona

Donnerstag verlassen wir die Bucht von Cádiz und fahren ein Stück zurück nach Norden bis Chipiona, wobei sich endlich auch mal wieder ein paar Delfine blicken lassen. Diesmal sind wir auch früh genug da, um die Stadt noch kennenzulernen – was sich auch durchaus lohnt: die endlose Strandpromenade führt auf den recht dekorativen Leuchtturm zu (der höchste in Spanien übrigens), und in vielen Gärten blühen die prächtigsten Büsche und Bäume – schön, dass wir nochmal hier waren!

Cádiz

Freitag schließlich beenden wir unsere Rundfahrt um Cádiz mit einem letzten Schlag zurück in den Stadthafen; dabei rechnen wir mit kräftigem Gegenwind, der aber eher schwächer ausfällt, so dass wir zuletzt doch noch motoren müssen. Kurz vorm Hafen geht ein Boot des spanischen Zolls längsseits und drei schwarz gekleidete Uniformierte springen an Bord – Routinekontrolle. Man füllt einen Stapel der im Lande heißgeliebten Formulare aus und ist ansonsten sehr freundlich, so dass wir den Besuch als interessante Abwechslung betrachten können.

Am Samstag laufen wir stundenlang durch Cádiz, staunen über prächtige, weit ausladende Bäume in den Parks, hübsche Plätze und enge Straßenzüge – da der Platz für die Jahrtausende alte Stadt durch die Insellage sehr begrenzt ist, musste man halt schon früh in die Höhe bauen. Den anstrengenden aber schönen Tag beschließen wir mit abendlichem Grillen im Cockpit – und leider auch den Besuch unserer Freunde, denn die müssen am folgenden Sonntag wieder ins kalte Deutschland zurückfliegen.

Barbate

Am Montag gibt es endlich wieder Westwind in brauchbarer Stärke – diese Gelegenheit dürfen wir uns nicht entgehen lassen und laufen gleich um 9 Uhr aus dem Puerto América in Cadiz aus – gut 40 Seemeilen sind zu schaffen bis zum nächsten Hafen Barbate. Dabei segeln wir nochmal aus der Ferne an Cala del Aceite vorbei und erinnern uns gerne an unseren Badekurzurlaub dort 🙂

Cabo Trafalgar

Am Nachmittag passieren wir das berühmte Cabo Trafalgar: hier besiegte am 21. Oktober 1805 die britische Flotte unter Admiral Nelson die französisch-spanische Armada vernichtend und legte damit den Grundstein für ein gutes Jahrhundert britischer Vorherrschaft auf den Weltmeeren; Nelson selbst allerdings überlebte den Tag nicht, er erlag einer Schussverletzung.

Als wir Barbate erreichen steht die Sonne schon sehr tief; da wir auch am kommenden Dienstag früh losfahren wollen, beschließen wir die Hafengebühr zu sparen und verbringen die Nacht ankernd vorm Strand – mal wieder recht unruhig, es weht kaum Wind, aber der Schwell lässt die ‘Orion’ schaukeln.

La Línea
Afrika an Steuerbord in Sicht!

Am Dienstag den 15. Oktober gehen wir dann endlich den letzten Schlag durch die Straße von Gibraltar an. Ein leichter Westwind unterstützt unsere Fahrt, und da wir bei Niedrigwasser aufbrechen schiebt auch die Tide über den größeren Teil der Strecke mit – was bei dem zum Teil sehr starken Tidenstrom in der Straße auch dringend nötig ist.

Marina mit Aussicht: Blick von La Línea auf ‘The Rock’

Erstes Erlebnis ist, dass auf einmal an Steuerbord Land in Sicht kommt: wir können die Küste Afrikas sehen! Zunächst schemenhaft, dann immer deutlicher, und ab etwa der Höhe von Tarifa zum Greifen nahe; gleichzeitig legen Wind und Strom immer mehr zu, so dass wir am frühen Nachmittag mit 25 Knoten Wind im Rücken geradezu auf Gibraltar zufliegen. Bald kommt der charakteristische Felsen in Sicht, wir queren noch die Bucht von Gibraltar und laufen schließlich den Hafen von La Línea an, der auf der spanischen Seite direkt an der Grenze zu Gibraltar liegt.

Gibraltar

Mittwoch überqueren wir zu Fuß die direkt hinter der Marina verlaufende Grenze – und laufen nach der Passkontrolle erst mal über die Start- und Landebahn des Flughafens! Ein etwas absurdes Erlebnis, aber Platz ist in Gibraltar eben Mangelware – wenn ein Flugzeug starten oder landen will, wird eben die Rollbahn so lange abgesperrt.

Die gerade mal gut 6 Quadratkilometer große Halbinsel wurde 1704 durch einen englischen Überfall britisches Territorium; seitdem schlugen alle militärischen und diplomatischen Versuche fehl, dies wieder zu ändern. Heutzutage kann man unter europäischen Ländern zwar kaum noch mit strategischen Notwendigkeiten argumentieren, aber als Steueroase ist Gibraltar so bedeutend, dass es beim gegenwärtigen Status wohl bleiben wird.

Der Felsen von Gibraltar und einer seiner Bewohner

Der größte Teil der Fläche wird von einem gut 400 Meter aufragenden Kalksteinfelsen eingenommen, der weithin sichtbar ist und in antiker Zeit als eine der Säulen des Herakles (neben dem Dschebel Musa in Marokko) galt, die das Ende der Welt markieren. Neben dem Felsen selbst und den zahlreichen Verteidigungsbauwerken darauf und darin sind die bekannteste Attraktion die auf dem Berg lebenden Affen, die einzigen auf dem europäischen Kontinent.

Da die gesamte Bergregion zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, muss man zur Besteigung des Felsens Eintrittsgeld bezahlen; diese Klassifizierung steht in merkwürdigem Kontrast zu der nicht enden wollenden Karawane von Mini-Vans, mit denen Touristen auf den Berg gefahren werden – wer außer uns kommt schon auf die verrückte Idee, bei der Hitze die 400 Höhenmeter zu Fuß zu ersteigen? Entsprechend erschöpft sind wir nach einigen Stunden auf dem Felsen, aber die alles andere als scheuen Affen und die spektakuläre Aussicht entlohnen uns für die Mühe!

Aussicht über Gibraltar und La Línea

 

Teil der alten Stadtmauer von Gibraltar

Am Fuße des Felsens drängen sich das alte Zentrum von Gibraltar, der umfangreiche Hafen sowie die zahlreichen Hochhäuser mit all ihren Banken und Finanzdienstleistern. Die Straßenkultur ist eine merkwürdige Mixtur aus spanischen und britischen Elementen: Tapas-Bars und Fish&Chips-Lokale wechseln sich ab. Umgangssprache ist Englisch, bezahlt wird in Pfund Sterling, gefahren aber (soweit das in Gibraltar überhaupt möglich ist) auf der rechten Straßenseite. Wir nutzen noch einen sehr positiven Aspekt des britischen Kulturraums und genießen ein tolles Abendessen in einem kleinen indischen Take-away, bevor wir uns mit letzter Kraft – wieder übers Rollfeld und durch die Passkontrollen natürlich – zurück zur ‘Orion’ schleppen.

 

 

An Portugals Westküste (04.09. – 23.09.)

Am Mittwoch den 4. September lichten wir vor Baiona den Anker und setzen Kurs auf Portugal. Zunächst ist es flautig, das wird sich später am Tag aber gründlich ändern – die Ruhe vor dem Sturm, am Nachmittag soll der Wind auf 30 bis 40 Knoten zulegen. Um da wenigstens nicht mehr voll hineinzugeraten, müssen wir also zunächst erst mal drei Stunden motoren, bis gegen Mittag der Wind einsetzt. Einige Stunden läuft es dann ganz gut, wir überschreiten die vom Rio Miño gebildete Grenze zu Portugal, während der Wind immer weiter zulegt und wir die Segelfläche mehr und mehr verkleinern müssen. Dabei ziehen aber nicht, wie man es als Nordseesegler erwartet, dohende Wolken auf, ganz im Gegenteil: der Himmel ist wolkenlos blau und die Sonne strahlt auf den funkelnden Atlantik, beeindruckende Wellenberge schieben sich von achtern heran, während einem der Nordwind um die Ohren pfeift.

Da wir beim Überschreiten der Grenze die Uhren eine Stunde zurückgestellt haben (Portugal befindet sich in der gleichen Zeitzone wie Großbritannien), ist es erst gegen 16 Uhr als wir die Mündung des Rio Lima anlaufen; der Wind hat inzwischen 25 bis 30 Knoten erreicht und macht durchaus den Eindruck, im gleichen Tempo weiter zulegen zu wollen. So sind wir also ganz froh, nach 36 Seemeilen sicher den Hafen von

Viana do Castelo
Ponte Eiffel, Viana do Castelo

zu erreichen. Bei der Einfahrt in den Rio Lima fällt zunächst die den Fluss überspannende Brücke ins Auge; sie wurde von Gustave Eiffel konstruiert und 1878 fertiggestellt. Die Marina liegt kurz vor der Brücke und ist klein und recht eng, aber man bemüht sich, alle Gäste unterzubringen und schreckt dabei auch vor unkonventionellen Lösungen nicht zurück: wir werden aufgrund der geringen Breite der ‘Orion’ auf einen Platz tief im Hafen gelotst, wo wir zwischen fünf bis sechs Meter langen Sportfischerbooten etwas deplaciert wirken, aber wir sind glücklich gut untergekommen zu sein – von dem Starkwind draußen ist im Schutz des Hafens nichts mehr zu spüren. Der Charakter der Küste hat sich gegenüber Galicien vollkommen verändert: es gibt keine tief eingeschnittenen Rías mehr, die Küste verläuft sehr gleichförmig von Nord nach Süd, und die in großen Abständen an den Flussmündungen gelegenen Häfen sind die einzigen Zufluchtsmöglichkeiten – weist man ein Boot ab, verurteilt man es dazu, die Nacht durchzufahren.

Praça da Repúblical, Viana do Castelo

Es bleibt noch Zeit, einen Rundgang durch Viana do Castelo zu machen, und das lohnt sich durchaus: die im 13. Jahrhundert gegründete Stadt zeigt sich sowohl modern und weltoffen, hat sich aber auch viel von ihrem ursprünglichen Charakter bewahrt. Hier stoßen wir erstmals auf mit zum Teil sehr kunstvoll ausgeführten Keramikfliesen – den Azulejos – verkleidete Häuser, eine Hinterlassenschaft der maurischen Herrschaft über die iberische Halbinsel.

Da der Wind am folgenden Donnerstag weiter günstig (und nicht mehr so stark wie zuvor) weht, machen wir uns gleich am Morgen wieder auf den Weg, um die nächste, ebenfalls 36 Seemeilen lange Etappe bis

Leixões

zurückzulegen. Der kurz vor der Mündung des Rio Douro künstlich angelegte Hafen ist praktisch zu einem Vorort von Porto geworden; hier wird ein Viertel des internationalen Güterhandels Portugals umgeschlagen. Die kleine Marina ist zwischen gigantischen Containerbrücken kaum zu finden, und auch recht voll; wir finden zunächst nur Platz am Wartesteiger direkt in der Einfahrt, wo wir die ganze Nacht den Schwell der mit Vollgas ab- und anlegenden Lotsenboote genießen dürfen.

Igreja Paroquial de Leça da Palmeira, Leixões

Erst am nächsten Tag bekommen wir einen richtigen Platz zugewiesen – und da die vergangene Nacht nicht sehr ergiebig war, beschließen wir gleich noch einen Tag länger zu bleiben und den geplanten Ausflug nach Porto um einen Tag zu verschieben. Dafür haben wir Zeit, auch Leixões selbst anzuschauen – allzuviel gibt der im Vergleich zum Hafen winzige Ort zwar nicht her, aber das wird durch die Freundlichkeit der Mitarbeiter der Marina Porto Atlântico mehr als ausgeglichen.

Porto
Paços de Concelho

Am Samstagmorgen nehmen wir dann den Bus nach Porto – 2 € für eine Dreiviertelstunde Fahrt, auch hier ist der öffentliche Verkehr günstig. Die mit einer knappen Viertelmillion Einwohnern zweitgrößte Stadt Portugals ist ans Ufer und die steilen Hänge über dem Rio Douro gebaut. Flussaufwärts befinden sich ausgedehnte Weinanbaugebiete, und seit alten Zeiten werden die Weinfässer auf dem Fluss nach Porto verschifft, wo die berühmten Kellereien wie Graham’s, Taylor’s, Offley, Sandeman usw. ihn zu Portwein veredeln und in die ganze Welt exportieren. Dabei half ein schon sehr altes Handelsabkommen mit England: 1373 vereinbarte man Weinlieferungen im Gegenzug für Fischereirechte, und seit 1703 gibt es eine weitreichende Zollbefreiung. Die historische Verbindung der beiden Länder zeigt sich sowohl in den Namen einiger Portweinhäuser wie auch in der großen Beliebtheit des Getränks in Großbritannien.

Fliesenkunstwerke zieren viele Gebäude von außen ….

Porto hat viel zu bieten: obwohl Dank der markanten Lage seit Jahrtausenden bewohnt, hat sich zwar nicht viel aus der Antike erhalten, aber die zahlreichen Kirchen und Paläste einerseits, sowie die kleinen, schmalen Häuser in der Altstadt andererseits bieten viel zu sehen. Bedingt durch die Lage am Hand legt man dabei allerdings zahlreiche Höhenmeter zurück …

… wie von innen

Sehr beeindruckend sind die zahlreichen Azulejos – gewaltig große Gebäudefassaden oder auch Innenräume sind mit diesen aus unzähligen bemalten Keramikfliesen zusammengesetzten Kunstwerken verziert. Hoch über dem Rio Douro kann man auf der stählernen Ponte Luís I nach Vila Nova de Gaia am gegenüberliegenden Ufer gelangen und die Kellereien besichtigen, oder auch einfach den tollen Blick auf Porto genießen. Unzählige Cafés und Restaurants laden zum Verweilen ein – wirklich eine attraktive Stadt!

Am Cais da Ribeira

Das finden allerdings nicht nur wir – die Menge der Touristen, die sich großflächig durch die ganze Stadt schiebt, ist beeindruckend; die Einheimischen sind deutlich in der Unterzahl. Ungeachtet dessen strahlt die Stadt aber eine gewisse Gelassenheit aus; die weiche Sprache und die entspannte Musik zahlreicher Straßenmusikanten trägt viel dazu bei. So verbringen wir einen schönen Tag in Porto mit vielen Eindrücken, die wir nicht missen möchten.

Blick über Porto
Peniche
Es wird nie langweilig, ihnen zuzuschauen ….

Am Sonntag machen wir uns wieder auf den Weg gen Süden; wir legen eine Nachtfahrt ein und segeln 130 Seemeilen bis zum Fischereihafen Peniche, den wir am Montagnachmittag erreichen. Die Nacht auf See vergeht ohne besondere Ereignisse, der Wind ist nicht besonders kräftig, und wir erreichen gerade 4 Knoten Geschwindigkeit; nur die regelmäßigen Delfinbesuche unterbrechen die Routine, in der Nacht meist durch das prustende Geräusch beim Luftausstoß direkt neben dem Boot zu hören.

Wir queren dabei den Nazaré Canyon, eine Unterwasserschlucht, die sich mit bis zu 5000 Meter tiefem Wasser direkt bis vor die portugiesische Küste erstreckt; dort brechen sich dann die über 20 Meter (!) hohen Wellen im offenen Atlantik. Der Ort Nazaré hält den Rekord für die weltweit höchste surfbare Welle – wir sind froh, der nicht begegnet zu sein.

Noch am Abend legt der Wind zu, und am nächsten Tag weht es mit 7 Beaufort und mehr über die Halbinsel, auf der der Ort liegt – eine gute Gelegenheit, wieder einen Ruhetag einzulegen und sich Peniche anzuschauen. Seit vorgeschichtlicher Zeit siedeln hier Menschen, wie Funde belegen, und leben von der Fischerei; schon die Römer bauten eine exportorientierte Großfischerei auf. Gegenwärtig erkennt man hier aber auch die Probleme der Fischerei: der Fischereihafen ist für zehnmal mehr Boote gebaut, als ihn heute noch benutzen. Inzwischen lebt man wohl eher vom Tourismus – endlos lange Sandstrände schließen die Halbinsel ans Festland an, und zahlreiche Boote bringen Ausflügler auf die vorgelagerte Inselgruppe der Berlengas.

Wir ziehen durch die kleinen Straßen des Ortes, wandern hinaus bis zur Landspitze Cabo Carvoeiro, wo es – neben dem hübschen Leuchtturm – eine zerklüftete Steilküste und bizarre Felsformationen zu bewundern gibt, die von der See und dem beständigen Wind geschaffen wurden. Wunderschön! Am Abend kehren wir in eines der kleinen Lokale ein, welches uns vom sehr netten Hafenmeister empfohlen wurde, und genießen fangfrische Köstlichkeiten – hier gefällt es uns!

Cascais

Nichtsdestotrotz müssen wir am Mittwoch weiterziehen – des letzte brauchbare Wind für einige Zeit ist angekündigt. Wir wollen knapp 40 Seemeilen bis direkt vor die Mündung des Tejo segeln, um dort die richtige Tide zur Fahrt flussaufwärts abzuwarten.

Cabo da Roca, der westlichste Punkt Europas

Der Wind zeigt sich dabei ganz schön launig – erst geht es ganz gut los, gegen Mittag ereilt uns aber für eine Stunde Flaute; die segeln wir noch aus, und über den Nachmittag schieben uns dann auch beständige 15-18 Knoten dem Ziel entgegen, was etwa der Vorhersage entspricht. Es geht schon auf 18 Uhr, als der Wind wieder völlig einschläft – da wir nicht im Dunkeln ankommen wollen, starten wir den Motor. Nach kaum einer Stunde aber kommt der Wind noch einmal zurück; zunächst freuen wir uns und stoppen die Maschine wieder, aber dann legt es innerhalb von 5 Minuten von 15 bis auf 30 Knoten zu – und wir haben natürlich immer noch die vollen Segel oben! Da ein Reffmanöver bei sieben Beaufort und drei bis fünf Meter Welle auch kein Vergnügen zu werden verspricht, beschließen wir das auszuhalten bis wir in die Wellenabdeckung durch das Capo da Roca kommen – und so schießt die ‘Orion’ mit vollem Groß und ausgebaumtem Klüver mit 7 bis 8 Knoten vor dem stürmischen Wind die Wellen hinunter …

Bald passieren wir das  Capo da Roca und damit den westlichsten Punkt des europäischen Kontinents, und in dessen Schutz gelingt es uns dann tatsächlich die Segel zu bergen und den Ankergrund vor Cascais anzulaufen; dort gibt es auch eine Marina, die aber für ihre völlig überzogenen Preisvorstellungen bekannt ist, und so ankern wir lieber die Nacht direkt vorm Hafen.

Seixal

Nach einer eher unruhigen Nacht lichten wir den Anker – unter erheblichen Schwierigkeiten, er hatte sich wohl in irgendwelchem Schrott auf dem Meeresgrund verhakt. Mit auflaufendem Wasser fahren wir den Tejo hinauf, zwei bis drei Knoten Strom schieben uns dabei an.

Vorbei ziehen der Torre de Belém und das Entdeckerdenkmal Padrão dos Descobrimentos, während wir uns auf dem größten Fluss der iberischen Halbinsel langsam der beeindruckenden Ponte 25 de Abril nähern, die Lissabon mit dem südlichen Tejoufer verbindet.

Die ‘Ponte 25 de Abril’; links Lissabon, rechts die 113m hohe Statue ‘Cristo Rei’

Eigentlich hätten wir gerne direkt Lissabon angelaufen, aber obwohl es dort sechs große Marinas gibt, ist kein einziger Liegeplatz mehr zu bekommen; so suchen wir nach Alternativen und finden noch eine freie Muringboje in Seixal, einem kleinen Ort in einem Seitenarm des Tejo auf der Lissabon gegenüberliegenden Seite. Der Weg dorthin erinnert schon an die heimische Wattensee: ein betonntes Fahrwasser windet sich zwischen trockenfallenden Sandbänken hindurch.

Seixal von der Muring aus gesehen

Seixal erweist sich als Glücksgriff: der von der Gemeinde verwaltete kleine Anleger und etliche Muringbojen liegen beschaulich in einem ruhigen Gezeitenarm; der Hafenmeister erweist sich als extrem freundlich und hilfbereit und bietet an, jederzeit mit seinem Motorboot den Zubringerdienst an Land zu übernehmen; der Ort ist hübsch und unverbaut, bietet einen großen Supermarkt in Laufweite und sogar Dusche und Waschmaschine in der Touristeninformation – und das für € 7,60  am Tag! Nach Lissabon verkehrt eine Schnellfähre in 15 Minuten für landesüblich kleines Geld, und man landet direkt im Zentrum – was will man mehr? Da auch für eine ganze Weile kein Wind angesagt ist, erkennen wir schnell, dass wir hier länger als nur zwei Nächte bleiben werden …

Lisboa
Historisch: der Torre de Beleḿ von 1521

Den Samstag sowie den folgenden Montag verbringen wir in Lissabon – die Stadt ist viel zu groß um an einem Tag erkundet zu werden. Mit einer guten halben Million Einwohnern größte Stadt Portugals, erstreckt sich Lissabon über zahlreiche Hügel längs des Tejo-Ufers; man legt also sowohl viele Kilometer wie auch Höhenmeter zurück, wenn man zu Fuß unterwegs ist.

Prächtig: der Praça do Comércio

Die Mühe lohnt sich aber: es gibt nicht nur ein sehenswertes Zentrum wie in vielen anderen Städten, sondern jedes Stadtviertel ist eine Attraktion für sich mit ganz eigenem Charakter. Der Ort ist seit 3000 Jahren besiedelt und wurde durch die vielen unterschiedlichen Einflüsse – von Phöniziern über Griechen, Römer, Goten und Mauren – stark geprägt; durch ein katastrophales Erdbeben im Jahre 1755 – gefolgt von einem Tsunami und Großbränden – wurde die Stadt allerdings fast vollständig zerstört, und ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung kam ums Leben. Im Unglück lag aber auch eine Chance zum Neuaufbau: Lissabon wurde mit ungewöhnlich großzügig angelegten Boulevards und Plätzen neu angelegt, welche heute einen lebendigen Kontrast zu den engen Gassen der erhaltenen alten Stadtteile bilden.

Blick über Alfama, zu maurischer Zeit der Stadtkern Lissabons

 

Eine der Standseilbahnen

Bemerkenswert sind auch die Maßnahmen zur Überbrückung der großen Höhenunterschiede: in der Innenstadt gibt es einen 45 Meter hohen freistehenden Personenaufzug sowie drei Standseilbahnen, um die tiefer mit den höher gelegenen Stadtteilen zu verbinden. Ferner prägen die historischen Straßenbahnen das Stadtbild, deren kleine Wagen sich durch schmale Gassen, enge Kurven und über erstaunliche Steigungen bewegen.

​​​Das Entdeckerdenkmal ‘Padrão dos Descobrimentos’

Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich die große Geschichte der portugiesischen Entdecker: angefangen von den Expeditionen entlang der Küsten Afrikas im frühen 15. Jahrhundert unter Heinrich dem Seefahrer, welche die Grundlage für die europäische Expansion darstellten, über die Entdeckung des Seeweges um das Kap der guten Hoffnung bis nach Indien durch Vasco da Gama 1498, die Entdeckung Brasiliens im Jahre 1500 durch Pedro Álvares Cabral bis zur Etablierung der ersten Beziehungen zu Japan ab 1549; auch Fernão de Magalhães (den wir besser als Ferdinand Magellan kennen), der als erster (in spanischem Auftrag) die Welt umsegelte, war Portugiese. Zur Erinnerung an all diese Entdecker steht in Belém am Ufer des Tejo ein monumentales Denkmal, das den Weg in die Ferne weist.

Das Kloster ‘Mosteiro dos Jerónimos’ aus dem 16. Jahrhundert

Natürlich hat Lissabon auch kulturell einiges zu bieten: etliche Museen laden zum Besuch ein, und in zahlreichen Lokalen kann man den Fado hören, die sehnsuchtsvoll-traurige Musik Portugals. Schließlich sind die unzähligen gastronomischen Angebote zu nennen: in jedem zweiten Haus ist entweder ein Café mit den verlockendsten Gebäckkreationen oder ein Restaurant, aus dem es verführerisch nach frisch gegrilltem Fisch duftet.

Dass die Stadt unter massiven strukturellen Problemen und umfassenden Schäden in der Bausubstanz leidet, vermindert merkwürdigerweise den positiven Eindruck nicht; man scheint den Umstand, dass die großen Zeiten längst Vergangenheit sind, mit einer Würde hinzunehmen, die ihren Ursprung in einer großen, vielfältigen, menschlichen und weltoffenen Kultur zu haben scheint, frei nach dem Motto: was braucht man schon Geld, wenn man Stil hat! Wir können uns dem nur anschließen und einen Besuch in Lissabon – auch mit herkömmlicher Anreise – uneingeschränkt empfehlen.

Sesimbra

So gut es uns auch in Seixal gefällt, irgendwann müssen wir ja doch weiter; erstmal erlaubt eine ausgedehnte Flaute uns noch, die in Lissabon arg strapazierten Füße auszuruhen, aber am Donnerstag ist es dann soweit, wir verlassen mit ablaufendem Wasser den Tejo und können noch einmal Lissabon, die den Fluss überspannende Brücke,  das Entdeckerdenkmal und den Torre de Belém vorüberziehen lassen, bevor wir links abbiegen und entlang der Küste der Setúbal-Halbinsel nach Süden fahren.

Cabo Espichel

Dabei passieren wir das Cabo Espichel, dessen steil und hoch aufragende Felsformationen sehr interessant anzuschauen sind; da das Wasser davor keine Untiefen aufweist, kann man auch relativ dicht unter Land daran vorbeisegeln und sich die gewaltigen Höhlen anschauen, die der Atlantik in die Südküste gefressen hat.

Sesimbra bei Nacht

Allzuviel Wind weht nicht, und so ist es schon früher Abend, als wir nach knapp 40 Seemeilen Sesimbra erreichen und vor dem Ort ankern; für einen kleinen Ausflug mit dem Dinghi in den Ort und eine Einkehr in einem der gemütlichen Straßencafés reicht es aber noch. Nach Einbruch der Dunkelheit funkeln nicht nur die Lichter des Ortes, hoch darüber wird auch die ausgedehnte maurische Burganlage angestrahlt – ein toller Anblick!

Sines

Gleich am nächsten Morgen geht es weiter, denn es zeichnet sich der Durchzug eines Tiefausläufers ab, der Südwestwind und Regen bringen soll, und da wollen wir vorher einen geschützten Hafen erreichen; leider geht dem aber eine Flaute voraus, so dass wir 9 Stunden motoren müssen, um Sines zu erreichen – den nächsten und einzigen Hafen auf der gesamten verbleibenden Westküste. So lange lief der Motor seit der Überfahrt Boulogne-sur-Mer – Dieppe nicht mehr …

Standbild Vasco da Gamas in Sines

Die Vorhersage erweist sich aber als zutreffend: am Abend frischt der Wind auf, und in der Nacht beginnt es ausgiebig zu regnen – wir müssen im Logbuch nachschauen, es ist unser erstes Schietwetter seit dem letzten Tiefausläufer am 8. August; na ja, einmal alle sechs Wochen kann man das ja noch durchgehen lassen 🙂

Den Samstag verbringen wir dann auch in der Marina von Sines; für ein paar Stunden ist es auch mal trocken, so dass wir den Ort anschauen können. Hier wurde Vasco da Gama geboren, vor der Kirche schaut sein Standbild übers Meer hinaus; ansonsten bietet Sines die üblichen verwinkelten Altstadtgassen und einladenden Cafés und Restaurants, und die absolut fair bepreiste Marina hervorragende heiße Duschen.

Am Sonntag könnte es dann eigentlich weiter gehen – nur dass absolut kein Wind weht, und nach dem Motormarathon vom Freitag haben wir erst mal genug von diesem Geräusch; also bleiben wir lieber noch einen Tag länger in Sines und nutzen die Zeit für ein paar anstehende Arbeiten am Boot.

Ums Cabo de São Vicente

Dienstag sieht es mit der Windvorhersage besser aus, wenigstens gut 10 Knoten soll es durchgehend geben, und gen Süden auch etwas mehr; wir brechen erst am frühen Nachmittag auf, denn die 80 Seemeilen um die südwestlichste Ecke Europas, das Cabo de São Vicente, sind ohnehin nicht im Verlauf der Tageslichtstunden zu schaffen, und so kommen wir wenigstens nicht mitten in der Nacht an – es ist der 23. September, heute ist Äquinoktium, es stehen also genau 12 Stunden Tageslicht zur Verfügung.

Beginnende Nacht auf dem Atlantik

Zunächst sieht es auch ganz vielversprechend aus mit dem Wind, es weht mit 12 Knoten aus Nordwest – endlich mal kein Vorwindkurs, und mit halbem Wind machen wir gute Fahrt. Gegen 20 Uhr verlässt uns der Wind aber – entgegen der Vorhersage – praktisch vollständig; die zwei bis drei Meter hohen Atlantikwellen, die von den Stürmen nördlich des Azorenhochs über hunderte Seemeilen heranrollen, stört das aber gar nicht, sie lassen die ‘Orion’ mit herunterhängenden Segeln wie einen Korken tanzen. Die Alternativen sind also dies hilflos treibend zu ertragen oder zu versuchen, sich unter Maschine aus der Flaute freizufahren; wir entscheiden uns für letzteres, und so röhrt wieder stundenlang der Motor. Den einzigen Trost bieten ein hinreißender Sonnenuntergang mit geradezu unwirklichen Orange- und Violetttönen und eine äußerst sternenklare Nacht: in Fahrtrichtung erstreckt sich hell leuchtend die Milchstraße über das Firmament, als würde sich unser Kielwasser im Himmel spiegeln …

Cabo de São Vicente vor Sonnenaufgang

Erst nach vier Uhr in der Frühe kommt wieder genug Wind auf, um wenigstens einen definierten Kurs steuern zu können; kurz vor Sonnenaufgang passieren wir dann endlich das Kap, von dem der lichtstärkste Leuchtturm Europas seinen Schein über den Atlantik wirft, und erreichen die Südküste Portugals, die Algarve.