Heimkehr (01.07.-09.07.)

Am nächsten Tag dann geht es weiter nach Kiel, unserem letzten Hafen in der Ostsee, und damit auch zurück nach Deutschland. Wir sind doch ein wenig wehmütig und zu allem Überfluss ist die Fahrt kein Vergnügen, denn wie passen schon Kurs SW und Wind aus der vorherrschenden Windrichtung SW zusammen? Na, zumindest zeitweise reicht es für einen Kurs am am Wind und wir machen später am Tag sicher am kleinen Hafen an der Schleuse zum NOK fest. In den Nord-Ostsee-Kanal kommen wir mit nächsten Morgen mit Glück wieder ohne Wartezeit hinein: während die anderen Boote geraume Zeit Runden gedreht haben, wurde die Schleuse für alle dann gerade dann geöffnet, als wir abgelegt haben. Tja, die Fahrt durch den NOK selbst war dann beim zweiten Mal schon sehr wenig spannend, man motort eben so vor sich hin. Es schadet übrigens nicht, auch ordentlich Ausschau zu halten, ob sich nicht gerade ein Containerschiff von hinten nähert und man in seinem Tran vielleicht nicht nah genug am Rand fährt. Viel Platz ist ja nicht im Kanal und man kann sich da schon nahe kommen. In Brunsbüttel (auf der Innenseite des Kanals) angekommen sind wir froh, ein Abendessen vom Kiosk gleich nebenan zu bekommen und ordentliche Duschen nutzen zu können.

Mit solchen Schleusennachbarn hat man es im NOK zu tun ...
Mit solchen Schleusennachbarn hat man es im NOK zu tun …

Dann geht es früh am Morgen (tidenbedingt) auch schon weiter; wir haben auch beim Ausschleusen Glück und müssen kaum warten und dann geht es bloß bis Cuxhaven, da Tide und Wind eine Weiterfahrt bis Helgoland kaum zulassen. So sind wir aber immerhin schnell am Ziel und können den Rest des Tages noch nutzen, um ein wenig durch die Stadt zu ziehen, der Alten Liebe einen Besuch abzustatten und außerdem der Orion etwas Gutes zu tun und sich der Beseitigung der Spuren an Rumpf und Fendern zu widmen, die die Reifen in Herrvik im Nordsturm hinterlassen haben. Tags drauf segeln wir bei schönsten Bedingungen und geschoben von der Tide bei (für die Dicke) sensationellen 8 Knoten Fahrt nach Helgoland und sind schon gegen Mittag da. Selbst jetzt ist der Hafen schon ganz gut gefüllt … und wenn man den Geschichten glauben darf, sind 4er- bis 6er-Päckchen, wie wir sie vorfinden noch vollkommen harmlos. Am Nachmittag fahren wir noch Bunkern und machen den Dieseltank wieder voll. 450 Liter … ja, das war ein sehr ergiebiger “Segel”-Urlaub. Ach ja. Trotzdem begehen wir unsere Rückkehr mit einem Festmahl! Wir bleiben einen Tag auf Helgoland, denn am nächsten Tag hat sich das gute Wetter schon wieder verzogen, und nutzen die Gelegenheit, auch andere Vorräte aufzustocken und uns ansonsten auszuruhen.

Das Festmahl - es gibt Japanisch, das ist ja wohl Ehrensache!
Das Festmahl – es gibt Japanisch, das ist ja wohl Ehrensache!

Und dann geht es weiter nach Norderney und damit immer näher Richtung Heimat. Laue bis flautige Winde sind versprochen, bis zu 20 Knoten bekommen wir. Aus dem südlichen Sektor, versteht sich. Teilweise können wir segeln, doch 6 Stunden Motor müssen mal wieder sein. Immerhin kommen wir in Norderney an, bevor eine Schauerfront uns durchnässen kann und finden ein gutes Plätzchen im recht vollen Hafen. Und da wir jetzt auf der letzten Etappe sind, halten wir uns auch nicht allzu lange auf und brechen am nächsten Tag auch Richtung Ems auf. Und es kommt natürlich wie es kommen muss: kräftiger Wind von vorne, so dass wir die benötigte Höhe unter Segeln einfach nicht schaffen. Also, mal wieder Motoren und wir sind genervt. Unser einziger Trost ist, dass wir sobald wir um Borkumriff herum sind und nach SO abdrehen können, der Westwind uns zumindest dann Segeln ermöglichen wird. Tja, schön wär’s gewesen: es ist wie verhext, aber buchstäblich in dem Moment, in dem wir bei Borkumriff die Fahrtrichtung ändern, knipst jemand den Wind aus… na wie schön, der Motor darf anbleiben.

Borkum lassen wir diesmal dennoch links liegen, da der alte Militärhafen mit dem zugenommenen Windparkbetrieb offenbar nur wenig Interesse hat, auch Segler aufzunehmen. Statt dessen ist Delfzijl unser Ziel, der von den Papenburger Seglern wohl meistfrequentierte Hafen. Als wir ankommen, ist unser Eindruck sehr durchwachsen: die Umgebung recht industriell, dafür ist der Hafen sehr gut ausgestattet, WLAN ist inklusive (da kann man in Borkum und Norderney nur von träumen) und auch der Hafenmeister ist nett. Die Stadt selbst wirkt, als gäbe es Strukturprobleme – viele Ladenlokale in der Innenstadt stehen leer, und insgesamt wirkt es ein wenig ausgestorben.
Fazit: kann man durchaus mal gut wiederkommen in Anbetracht der Alternativen Emden (Außenhafen) und Borkum, aber ein Traumziel ist Delfzijl nicht. Trotzdem legen wir einen Hafentag ein, denn bei Dauerregen müssen wir auch nicht unbedingt zurückmotoren, erst recht wenn die Tide uns dazu zwingt, sehr früh aufzubrechen. Am nächsten Tag gewinnt man ja zumindest eine halbe Stunde … Das ist immerhin die Gelegenheit, sich mit holländischen Spezialitäten einzudecken (Saté-Soße, Vla, gute Erdnussbutter etc.)!

Flaggenparade bei der Rückkehr in den Heimathafen
Flaggenparade bei der Rückkehr in den Heimathafen

Am Tag drauf dann stehen wir also schon um 3 Uhr auf und brechen auch zügig auf, denn in Papenburg ist Schleusung um 11:00 und es ist doch ein Stückchen Weg. Da der Strom aber kräftig hilft und wir auch an beiden Brücken kaum warten müssen, passt es alles und wir können pünktlich einschleusen. Bis wir in der Box sind, ist es noch ein wenig abenteuerlich, denn offenbar hat die Tiefe im Hafen in unserer Abwesenheit noch abgenommen; mehr als einmal fürchten wir, so richtig festzustecken im guten alten Modder, doch zu guter Letzt schaffen wir auch das. Wäre ja auch gelacht! So, da sind wir also, so ganz wirklich und zurück. Ein wenig unwirklich kommt uns das nach der langen Zeit unterwegs ja doch vor …

Mit wehmütigem Blick schauen wir zurück auf die schönen Tage, die unvergessliche Natur, das entspannte Segeln. Natürlich gab es auch Unerfreuliches: vernünftig Segeln konnten wir nicht allzu oft, denn der Wind hat es nicht gut mit uns gemeint. Auch die diversen Schäden sind ein gehöriger Wermutstropfen, der jedoch nur dem recht unfertigen Zustand der Orion zuzuschreiben ist. Und doch bleibt uns dieser Urlaub in der Hauptsache in schöner Erinnerung, denn noch nie haben wir eine so lange Reise unternommen. Nachtfahrten haben wir erfolgreich bewältigt, ebenso wie kräftigen Wind. Ein ganz sensationelles Revier haben wir kennen gelernt (als Chartersegler konnte man sich ja nur einen Vorgeschmack holen), ebenso wie die Menschen, die dort leben. Wir kommen sicher wieder – wenn wir können, mit noch mehr Zeit im Gepäck. Wir waren jetzt 10 Wochen unterwegs und haben dabei knapp 2000 nm zurückgelegt – und müssen feststellen, dass das fast zu wenig Zeit für so eine Runde war. Nicht selten konnten wir uns nicht leisten, noch zu bleiben, und das hat dieses Fleckchen Erde ganz eindeutig verdient!

Zurück nach Dänemark (22.06.-30.06.)

Bevor wir Schweden ganz verlassen, führt unsere Reise uns noch einmal auf das 33 nm entfernte Utklippan. Auch wenn der Wind natürlich genau von vorne (also SW) kommt, können wir zumindest zu Beginn noch segeln, doch es wird zunehmend ungemütlicher, der Himmel droht mit Gewitter und die Windrichtung wird immer ungünstiger, so dass für die letzten 10 Meilen der Motor ran muss. Wir sind froh, noch vor dem Unwetter da zu sein und sind offenbar auch nicht die einzigen. Das winzige Hafenbecken füllt sich schnell. Wir drehen noch eine kleine Runde über diese Felsengruppe, die zugleich einen wichtigen Schutzhafen einschließt und kommen dann auch in den Genuss der Gewitterfront, die uns zum Glück auf dem Wasser erspart geblieben ist. Die Windzunahme und -drehung sind schon sehr beeindruckend, ebenso wie der fantastische Regenbogen, der sich im Anschluss kurz blicken lässt.

Am nächsten Tag aber müssen wir uns endgültig von Schweden verabschieden, es geht nach Svaneke auf Bornholm. Das Wetter ist für die Überfahrt leider eher ungemütlich, ganz ohne Sonne in Sicht und vor allem mit deutlich mehr Wind als vorhergesagt. Immerhin kommt er westlich genug, dass wir nicht aufkreuzen müssen und wir sind außerdem beeindruckt, wie viel Tuch die Orion auch bei 6 Windstärken noch ohne weiteres verträgt und dabei noch stabil segelt. Auch wenn wir gute Fahrt machen sind wir doch froh, am Nachmittag auch anzukommen. Svaneke ist hübsch und gepflegt und lebt ganz offenbar vom Tourismus – da kostet alles vielleicht auch mal etwas mehr. Insgesamt liegen wir hier aber ganz nett im Außenhafen, der allerdings ziemlich klein ist und in der Saison sicher auch schnell vollkommen überfüllt. Außerdem liegt man hier ausgesprochen geschützt – so sehr, dass wir kaum nachvollziehen können, dass es sich draußen auf dem Wasser eben noch ziemlich bedrohlich angefühlt hat.

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Die Paradiesbakkerne, eine wirklich wunderschöne Waldlandschaft, mit versteckten kleinen Seen überall und …

Am nächsten Tag gibt es herrlichstes Wetter mit Sonnenschein und wenig Wind, also genau richtig für einen Ausflug. Eigentlich sind wir auch ziemlich erledigt, aber die Gelegenheit kommt ja nicht wieder. Wir packen also die Räder aus. Ziel: Paradiesbakkerne (Paradieshügel), eine Waldlandschaft, die mit besonders schönen Wanderwegen wirbt. Und in der Tat ist es sehr schön dort: ein richtiger Zauberwald, wo Hügel von tiefen Rinnen durchzogen werden und alles saftig und grün ist. Und dann steht man wieder urplötzlich in einer Heidelandschaft, die von zwei sehr reizenden lockigen Landschaftspflegern in Schuss gehalten wird und die offenbar großes Interesse an unseren Käsebroten haben.

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… immer wieder Klüften zwischen den Felsen

Außerdem amüsieren wir uns später damit, einen 35 t schweren Stein zum Wackeln zu bringen  – es handelt sich um den sog. “Rockestenen”, der zufälligerweise so in der auf dem felsigen Untergrund liegt, dass es selbst ganz normalen Menschen möglich ist, ihn zum Wackeln zu bringen, wenn man den richtigen Rhythmus findet. Wir brauchen ein Weilchen, doch dann spüren wir eindeutig ein Zittern unter den Fingern. Das ist schon ziemlich kultig!

Die weitere Reiseplanung gestaltet sich als nicht ganz einfach, weil die Wetterlage offenbar recht unberechenbar ist, denn die Vorhersagen ändern sich quasi stündlich. Letztlich entschließen wir uns dazu, am nächsten Morgen direkt Richtung Gedser aufzubrechen und damit auch die wohl letzte Nachtfahrt für diesen Urlaub in Angriff zu nehmen. Gesagt – getan: am nächsten Morgen brechen wir auf und sind erst mal positiv überrascht, denn obwohl Flaute angekündigt war haben wir segelbaren Wind! Der bleibt uns auch den ganzen Tag erhalten, doch zum Abend hin ist der Zauber dann vorbei. Wind weg, alte Welle noch da und damit recht heftiges Schaukeln und Rollen, während der Motor so vor sich hin röhrt.

Ob das wohl eine Ambosswolke ist, die bald ein Gewitter ausspuckt?
Ob das wohl eine Ambosswolke ist, die bald ein Gewitter ausspuckt?

Am Ende muss er 20 Stunden am Stück laufen, denn es bleibt auch am nächsten Morgen bei der Flaute, während zugleich dunkle Wolken sich am Himmel auftürmen und man immer mit einem einsetzenden Gewitter rechnet. So sind wir mehr als froh, anzukommen und die himmlische Stille genießen zu können.

Der Hafen von Gedser ist offenbar fest in deutscher Hand und kurz nach uns läuft eine ganze Flotte deutscher Charterboote ein, die offenbar zusammen gehören und offenbar noch üben. Dumm nur, dass die vor langer Zeit aufgestellten Dalben in diesem Hafen für viele Boxen gesorgt haben, die für moderne Bootsrümpfe viel zu schmal sind. Dumm auch, wenn das Augenmaß einem dieses Detail nicht aufzeigt und man mit viel Schwung in die Box einzulaufen versucht, bis man mit einem Knirschen feststeckt. Da wird der Vercharterer sich aber freuen … Die Chartercrews haben lautstarken Stress, wir haben bestes Hafenkino.

Wir bleiben erst mal in Gedser, bis brauchbarer Wind aufkommt und unternehmen am nächsten Tag eine ganz ausführliche Erkundungstour der Gegend zu Fuß. Der Ort selbst gibt neben dem Fährhafen nicht viel her, dafür ist aber der südlichste Punkt Dänemarks nicht weit, wo man auch einen offenbar von öffentlicher Hand finanzierten, da aufwändig errichteten, Informationsstand zu allerlei Themen vorfindet wie Windparks oder auch den Gesteinsarten und Fossilien der Ostsee. So lernen wir beispielsweise, dass durch Gletscherbewegungen die unterschiedlichsten Gesteinsarten von überall her aus der Ostsee an diese Küste gelangt sind und man also so z.B. Fossilien aus Gotland auch in Gedser finden kann.

Auch am Tag drauf lockt das Wetter nicht zur Weiterfahrt und wir machen uns in der Hauptsache einen faulen Tag, nachdem wir klar Schiff gemacht haben. Ein extrem schnell aufziehendes Gewitter bestätigt uns dann auch, dass zu Bleiben die richtige Entscheidung war; unglaublich, wie buchstäblich innerhalb von Sekunden der Wind auf 8 Bft. zunehmen kann!

Der Hafen von Bagenkop mit seiner unverkennbaren Reihe roter Häuschen
Der Hafen von Bagenkop mit seiner unverkennbaren Reihe roter Häuschen

Am nächsten Tag aber geht es weiter nach Bagenkop, denn uns wird zumindest zeitweise vorhergesagt, keinen Gegenwind zu haben. Man wird ja so bescheiden. De facto sehen wir an diesem Tag so ziemlich alles an Wind: von NO bis SW, von 14 kn bis absoluter Windstille. So richtig etwas anfangen kann man damit nicht, also läuft wie so oft der Motor und wir sorgen uns, denn unsere Welle ist noch von der ganz traditionellen fettgeschmierten Sorte, das Fett geht uns aus und erste Wassertröpfchen dringen ein. Es geht aber noch alles gut und wir laufen am Nachmittag in Bagenkop ein, das gut gefüllt ist und einen sympathischen Eindruck macht.

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Die Dünenlandschaft, die zum Erkunden einlädt

Weil es nett ist, bleiben wir zumindest einen Tag, denn das ist unser letzter Stopp in Skandinavien, bevor wir wieder in Deutschland sind. Zum Glück gibt es auch Fischer in Bagenkop, so können wir ohne große Probleme eine neue Fettkartusche erstehen und an den Verkaufsbuden der Fischereigenossenschaft kommt man selbst im teuren Dänemark an frischen Fisch zu sehr fairen Preisen. Da wir unsere letzten Kronen loszuwerden haben, gönnen wir uns da auch etwas und verbringen den Tag ansonsten mit Strandspaziergang und Faulenzen.

Öland (18.06.-21.06.)

Nachdem wir uns erst einmal ausgeschlafen haben, springen wir am nächsten Tag hochmotiviert aus den Federn. Wir freuen uns darauf, nun auch ein paar Tage auf Öland verbringen zu können und haben uns gleich eine ausgiebige Fahrradtour vorgenommen, die das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden soll. Zunächst soll es die Westküste ein ganzes Stück entlang nach Norden gehen bis zur nächsten größeren Stadt Mörbylånga, denn dort ist der nächste Geldautomat zu finden und wir müssen ja auch unsere Liegegelder bezahlen können. Dann wollen wir die Insel queren und dabei das Stora Alvaret anschauen und dann an der Ostküste zurück nach Grönhögen, das ja praktischerweise so ziemlich am südlichsten Zipfel der Insel gelegen ist.

Das Stora Alvaret ist die wohl größte Alvar-Landschaft, die es gibt. Es handelt sich bei Alvars um karge Kalksteinebenen mit nur einer ganz dünnen Erdschicht, die für die Kultivation nicht geeignet ist aber dafür eine ganz eigene Flora (mit einer Vielzahl von Orchideenarten) und Fauna entwickelt hat und auch als Weideland genutzt wird, was zu einer ganz einzigartigen Symbiose von Mensch und Natur geführt hat.
Und Öland ist die Insel, um sich Alvarlandschaften anzuschauen – insbesondere auf der südlichen Hälfte, wo quasi das gesamte Inland eine einzige große Alvar-Hochebene ist: das Stora Alvaret eben.

Die Überreste der Festung bei Bårby; Allzu viel kann man nicht mehr sehen
Die Überreste der Festung bei Bårby; allzu viel ist man nicht mehr davon zu sehen

So radeln wir also gut gelaunt los, Rückenwind schiebt sanft, das Wetter ist herrlich, alles wunderbar. In Mörbylånga fangen wir Geld und ein Eis und schauen uns auch den Hafen mal an. Ach ja, wohl ganz nett, aber wenn wir wiederkommen, dann doch eher nach Grönhögen … zudem der Hafen deutlich tiefer liegt als die Stadt selbst und man so also für jede Besorgung erst mal den den Berg hinauf müsste. Unterwegs machen wir Halt in Bårby, den Überresten einer alten Befestigungsanlage und erkunden die schöne, saftig grüne Ecke ein wenig zu Fuß. Hinter Mörbylånga dann überqueren wir die Stora Alvaret, die an dieser Stelle 10 km breit ist – die Insel ist ja doch sehr viel länger als breit – und beschauen uns auch die Landschaft ganz genau. Der Reiz der Blumenteppiche offenbart sich erst, wenn man genauer hinschaut – auf den ersten Blick ist die Landschaft in erster Linie trocken und karg aber damit auch außergewöhnlich. Bei einem Päuschen halten wir auch an einer der allgegenwärtigen kleinen Holzmühlen, die offenbar gepflegt werden, denn was wir vorfinden, sieht ziemlich funktionstüchtig aus.

Auf der Ostseite angelangt merken wir erst einmal, was uns noch blüht. Der schöne Rückenwind aus SW hat sich soeben in Gegenwind verwandelt, der noch zu allem Überfluss aufgefrischt hat. Wir haben schon viele Kilometer zurückgelegt, viel mehr als wir eigentlich überschlagen hatten, weil wir wohl nicht allzu präzise kalkuliert hatten. Dazu kommt, dass wir auch schon einiges bergauf gefahren sind (um aufs Alvar zu kommen, das ja eine Hochebene ist) und eigentlich jetzt schon geschafft sind. Tja, und nun ist schon Nachmittag und wir haben noch über 40 km bei Gegenwind vor uns. Prost Mahlzeit! Es wird ein ziemlicher Kampf, der wirklich keinen Spaß mehr macht und zu recht fortgeschrittener Stunde fallen wir dann im Hafen von Grönhögen von den Rädern und geloben, niemals mehr wieder aufzustehen …

Am nächsten Tag also lassen wir es ganz ruhig angehen, holen erst mal schön Brötchen und haben für den Vormittag nur eines vor: Loppis! Überall verstreut findet man so eine Art fest installierten Garagenverkauf/Privatflohmarkt, wo man per Schild eingeladen wird, mal im Hinterhof oder der Scheune zu stöbern und zumeist dann per SB-Prinzip das Geld für die gefundenen Schätze in eine Büchse zu werfen. Und es gibt da einen Loppis-Laden, den wir schon beim letzten Urlaub entdeckt hatten – da muss man ja mindestens schon aus Nostalgie stöbern, aber auch so macht es einfach Spaß.

Für den Nachmittag haben wir dann doch was vor, so ganz gar nix tun fällt uns ja auch nicht so leicht. Wir radeln ganz zum Südende der Insel, der Södra Udde, denn dort steht zum einen der Långe Jan (der höchste Leuchtturm Skandinaviens, siehe auch Ende des letzten Eintrags) und zum anderen ist die Ecke besonders unter Ornithologen beliebt und es gibt auch eine Vogelbeobachtungsstation mit angeschlossenem Museum. Natürlich gibt es auf dem Weg nach Süden den gleichen Wind wie gestern: von Vorne. Bevor wir uns fragen, wieso wir uns das schon wieder antun, sind wir aber schon da, es ist ja nicht weit. Wir kämpfen uns noch an wilden Stieren vorbei (die dort so vor sich hin grasen) und verbringen dann einige Zeit vor Ort. Es gibt viel zu sehen, denn nicht nur ein kostenloses und sehr informatives und interessantes Vogelmuseum gibt es, auch das Leben der einstigen Leuchtturmwärter ist in einem anderen Museum dokumentiert. Auch das ist kostenlos, was wir sehr zu schätzen wissen. Möchte man auf den Leuchtturm, kostet das allerdings, doch die spektakuläre Aussicht und das Farbenspiel der Küste von Oben sind mehr als Entschädigung genug.

Wir haben keine Eile, hier wegzukommen und bleiben auch noch ein wenig. Am Tag drauf geht das historische Programm weiter, es gibt einfach eine Menge hier zu sehen. Ganz in der Nähe von Grönhögen findet sich die Festung Eketorp, die voll wieder aufgebaut worden ist und nun ein Museum beheimatet. Wir fahren hin und stellen fest, dass der Museumsbetrieb noch nicht aufgenommen ist, obwohl Midsommar doch schon vor der Tür steht. Das ist in diesem Fall aber ganz praktisch, denn das Museumslädchen ist zwar geschlossen und man bekommt auch keine Führung, aber die Festung ist grundsätzlich geöffnet und zugänglich, so dass wir uns in Ruhe umschauen können und auch geraume Zeit bleiben, weil es doch sehr interessant ist, wie diese Festung zu ganz unterschiedlichen Epochen genutzt wurde, um dann wieder über Generationen leer zu stehen. Auf dem Rückweg halten wir an einem Kalksteinbruch und stellen fest, dass die Kalksteine und die in ihnen eingeschlossenen Fossilien ganz anders als auf Gotland sind: während in Gotland alle Steine aus versteinerten Korallen zu bestehen schienen, finden wir hier hauptsächlich versteinerte Tintenfische (oder ihre Vorgänger). Da fragt man sich ja schon, wie die Ostsee damals wohl so gewesen sein mag …

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Überwucherndes Blumenmeer bei Albrunna

Unseren letzten Tag auf Öland verbringen wir wie die anderen: ein kleiner Radausflug nach Södra Möckleby, mit einer letzten Runde über das Alvar. Unterwegs machen wir noch einen kleinen Spaziergang im ganz reizenden Wäldchen bei Albrunna, welches mit seinem saftigen Grün ein völliges Kontrastprogramm zum Alvar ist. Außerdem schauen wir uns bei der Gelegenheit den Hafen von Degerhamn an, sind aber auch da eher nicht angetan und bleiben dabei, dass wir uns wieder für Grönhögen entscheiden würden. Übrigens, hatten wir erwähnt, dass man die 5. Nacht in Folge dort kostenlos liegen darf, wenn man denn so lange bleibt? Und nein, wir werden nicht für die Werbung bezahlt, wir haben uns dort nur wohlgefühlt … 😉

Es ist Midsommar!
Es ist Midsommar!

Wir genießen jedenfalls unseren letzten Tag, machen ein ganzes Weilchen Pause auf dem Stora Alvaret und erkunden ganz genau die Blumenteppiche und Fossilien im Kalkgestein. Auf dem Rückweg dann aber wieder Déja Vu von der schlimmsten Sorte: zunehmender Gegenwind und zudem noch drohender Regen. Und in der Tat bleiben wir nicht verschont, kurz vor dem Hafen fängt es an zu gießen … nun ja, später wird es auch wieder trocken, so dass die Räder sicher weggestaut werden können, denn morgen soll es weitergehen – sonst schaffen wir es gar nicht, uns loszureißen. Aber, wir kommen wieder, ganz bestimmt!

Fårö und Gotland (12.06.-17.06.)

Immerhin liegen wir nett in Lauterhorn und nach einem gemütlichen Frühstück am nächsten Morgen schwingen wir uns aufs Rad und schauen uns mal die Insel an. Erstes Ziel ist der Gamle Hamn, der schon längst von Kies eingeschlossen ist; dazu gibt es Wikingergräber und Raukas zu bestaunen. Unser Hauptziel heute ist allerdings das Naturreservat Ullahau, das aus einer riesigen bewachsenen Düne besteht. Das ist hier etwas vollkommen exotisches aber wir können die  großen Parallelen zu Nordseeinseln wie z.B. Texel nicht übersehen. Schön ist es in jedem Fall! Auf dem Rückweg verproviantieren wir uns im ICA-Supermarkt, der sich als sehr gut sortierte Einkaufsmöglichkeit erweist.

Am Abend dann steigen wir noch einmal aufs Rad und schauen uns die Raukas nördlich des Hafens an, von denen es hier auf Fårö viel, viel mehr zu geben scheint, als auf Gotland. Der Anblick ist gerade bei tiefstehender Sonne einfach wunderschön und faszinierend. Als Abschluss statten wir der hafeneigenen, sehr liebevoll in einem Hüttchen eingerichteten Tauschbibliothek (tauschen oder kaufen) einen Besuch ab und kaufen als Andenken an diesen schlichten und sympathischen Hafen ein Buch.

Am Tag drauf steht ein kurzer Schlag nach Herrvik auf Gotland auf dem Plan – nicht allzuweit diesmal. Wir haben sogar segelbaren Wind (raum) und kommen gut voran – nur die Sorge vor der blitzenden und donnernden Gewitterwand genau vor uns auf Zielkurs lässt uns reichlich unentspannt sein. Die Wolkenwand holen wir jedoch zum Glück nie ein und kommen gut in Herrvik an. Als positive Überraschung finden wir sogar einen neuen Gästeanleger vor und machen auch gleich vor Heckboje fest, denn der alte Gästehafen wäre mit 2 m Wassertiefe eigentlich zu flach für uns. Dann jedoch kommt Wind aus N auf, und zwar ordentlicher – und der Gästeanleger liegt unmittelbar hinter dem äußersten Wellenbrecher. Heftiger Schwell, der um den Wellenbrecher in den Hafen drückt, lässt uns innerhalb kürzester Zeit wie einen Korken tanzen und nach wiederholter Kollision unseres Bugankers mit dem Steg beschließen wir, in den geschützen Fischerhafen zu verholen. Leider finden wir nur noch auf Legerwall ein freies Plätzchen und haben so unsere liebe Not, die Fender so zu plazieren, dass sie nicht zwischen die Autoreifen an der Kaimauer rutschen. Alles nicht ganz optimal… als wir jedoch sehen, wie mittlerweile auch die Wellen über den Wellenbrecher steigen und wie das Wasser am Gästeanleger brodelt, ist klar, dass es richtig war, sich noch rechtzeitig umzulegen, bevor der Sturm so richtig loslegt.

Wir sind jetzt erst mal in Herrvik eingeweht, und zwar gründlich. Der Wind erreicht in Böen 8 Bft und wir sind froh, nicht auf dem Wasser zu sein. Den Vormittag verbringen wir mit einem Spaziergang nach Katthammarsvik (Supermarkt und Bargeldquelle), immer an der Küste entlang, wie der junge und sehr nette Hafenmeister uns empfohlen hat. Und in der Tat hat es einiges für sich, sich an dieser wilden und zerklüfteten Küste vom Wind durchwehen zu lassen. Am Nachmittag klönen wir noch ein wenig mit dem einzigen anderen Segler im Hafen (ein deutscher Einhandsegler) und schauen uns am Abend noch die Küste südlich des Hafens an. Von einem Felsensockel können wir sehr gut sehen, wie heftig das Meer brodelt und über den Wellenbrecher steigt und haben so immerhin das gute Gefühl gut daran getan zu haben, uns umzulegen… auch wenn die die Lage auf Legerwall sehr unruhig ist und die Autoreifen natürlich alles schwarz einfärben – Fender und Schiff.

Am nächsten Tag jedoch hat der Sturm sich ausgeweht und wir brechen wieder auf – es geht nach Vändburg im Süden Gotlands. Leider hat der Wind sich so etwas von gründlich ausgeweht, das trotz aller Bemühungen, zu Segeln es letztlich doch wieder der Motor richten muss. Dafür finden wir zum Glück den winzigen Hafen von Vändburg ziemlich leer vor und parken so halbwegs entspannt auf dem Quersteg im Hafenbecken ein, das ziemlich genau so breit ist wie unser Boot lang. Der Hafen ist nett und unspektakulär – mitten im Grünen gelegen mit Nichts außer Raukas in der Nähe. Genau nach unserem Geschmack! Wir machen uns einen ruhigen Abend, denn morgen steht der Schlag nach Öland an, wieder über Nacht.

Es sind über 90 nm bis Grönhögen, unserem Ziel auf Öland, und eine Nachtfahrt ist kaum zu vermeiden. Erst recht, da wir uns vorgenommen haben, den Motor so wenig wie möglich zu nutzen, denn wir haben undefinierbares Öl darunter gefunden und wissen noch nicht, ob es ein Problem gibt. Am Vormittag weht guter Segelwind (gerade nicht zuviel) und wir machen ordentlich Strecke unter Vollzeug – und das ist auch gut so, denn zum Nachmittag flaut der Wind ab und dreht auf Raum, so dass wir kaum noch Fahrt machen. Die Dicke braucht bei achterlichen Winden einfach ein wenig mehr, um sich in Bewegung zu setzen. In der Nacht wird es noch doller, und wir fahren zu guter Letzt nach Norden – so war das auch nicht geplant. Immerhin kommt der Autopilot auch ohne Hilfe zurecht und wir sind froh, die Wache auch von drinnen halten zu können. Was uns unbeschreiblich entnervt, ist das Schaukeln des Bootes in der alten Dünung und das Schlagen der Segel und der Großschot. Wie schön wäre ein wenig Wind …

Öland in Sicht!
Öland in Sicht!

Am nächsten Morgen kommt der Wind immerhin wieder und wir kommen wieder voran. Und dann ist das Spiel am Nachmittag wieder vorüber … dabei würden wir soooo gerne ankommen. Zu guter Letzt klappt es dann doch und wir kommen in Grönhögen im Süden Ölands an. Immerhin sind wir ein wenig stolz, den Motor nur zum Ab- und Anlegen in Betrieb gehabt zu haben.

Abschied von den Ålands (07.06.-11.06.)

Es steht erst einmal ein Hafentag auf Jungfruskär, der Perle der finnischen Schären (wie sie auf Schildern angepriesen wird), auf dem Plan. Und in der Tat ist hier ein wunderschönes Naturreservat: die ganze Insel ist von einem üppigen Blumenteppich bedeckt, dort wo alte Kulturlandschaft mit Obstbäumen in Blumenwiese übergeht. Nur die Mücken, die schon am Vormittag in Höchstform sind, machen uns das Leben ordentlich schwer und wir staunen über die finnischen Touristen, die mit T-Shirts und kurzen Hosen keinerlei Probleme mit dem Ungeziefer zu haben scheinen. Sind die so abgehärtet?

Da es hier nicht nur eine Insel, sonder eine kleine Inselgruppe gibt, statten wir am Nachmittag einer der anderen Inseln mit dem Schlauchboot einen Besuch ab. Sie ist vollkommen anders: ganz karg und felsig, viel kleiner und vollkommen verlassen. Nur einen Blumengarten in einem Heringsfass finden wir einfach so mitten in der Landschaft. Kunst!?

Am Tag drauf geht es zurück zu den Ålands nach Hellsö, einem Hafen auf Kökar. Wir kennen auch Kökar von einem früheren Besuch, waren damals jedoch in einem anderen Hafen. Der Hafen von Hellsö scheint noch nicht so wirklich geöffnet zu sein, denn das Hafenbüro ist nicht besetzt und einer der beiden Stege ist nicht mit dem Land verbunden. Einzig einen SB-Flohmarkt gleich am Stegende gibt es, sonst wirkt alles ziemlich ausgestorben – na gut, dann können wir ja vielleicht zumindest kostenlos liegen. Wir beobachten, wie einige junge Kerle per Schlauchboot herankommen und den Flohmarkt unsicher machen und den Eindruck machen, Langeweile zu haben und Unfug im Sinn – und während wir noch scherzen, dass ja einer von ihnen auch versuchen könnte, sich als Hafenmeister auszugeben um uns abzukassieren kommt doch tatsächlich einer von den Jungs ziemlich verstohlen und verdruckst zu uns und möchte Geld von uns. Soso… nun ja, aber es scheint alles seine Ordnung zu haben: auch wenn der Kerl so gar nicht wie ein Hafenmeister auftritt, gibt er uns auch eine Quittung und verrät uns, dass es im gleich daneben gelegenen Ferienhausdorf auch Sanitärgebäude gibt. Das hören wir nur zu gerne und gönnen uns erst einmal eine schöne heiße Dusche.

Die Silhouette von Karlby mit den unverkennbaren roten Gebäuden
Die Silhouette von Karlby mit den unverkennbaren roten Gebäuden

Wir bleiben auch einen Tag und packen erst einmal die Fahrräder aus, denn die Insel ist zu groß, um sich zu Fuß zu bewegen. Unser erstes Ziel ist Karlby, der Hafen, den wir schon kennen – denn dort gibt es einen Supermarkt, der später am Tag öffnen wird. Wir vertreiben uns die Zeit mit einer Wanderung auf einem markierten Wanderweg, den wir zufällig entdecken (davon gibt es hier nicht allzu viele) und der uns durch eine mal wieder wunderschöne Landschaft schickt, die sich wie üblich in subtiler Weise von allen anderen Inseln unterscheidet. Außerdem führt der Pfad zu Überresten bronzezeitlicher Siedlungsreste und wir sind beeindruckt, welche Distanzen die Menschen schon damals für die Jagd zurückgelegt haben – so kamen die Menschen, deren Spuren wir sehen aus dem Baltikum, und das auch immer wieder über viele Jahre.

Es folgen die üblichen Besorgungen und dann sind wir froh nach einem Tag üppiger Sonne auf den Kopf zurück an Bord zu sein – man kann es ja schon schwer haben, nicht wahr? Es wird noch der SB-Flohmarkt unsicher gemacht und dann ruft die Koje, denn morgen steht der Schlag nach Gotland auf dem Plan.

Abendstimmung auf der Überfahrt nach Fårö, mal wieder ein traumhafter Sonnenuntergang!
Abendstimmung auf der Überfahrt nach Fårö, mal wieder ein traumhafter Sonnenuntergang!

Wir wollen diesmal nach Fårö, der kleinen Insel gleich bei Gotland und das geht nur mit einer Nachtfahrt. Während wir am ersten Tag noch halbwegs segeln können, doch zu Nacht hin verlässt der Wind uns und kehrt auch trotz stundenlangen Ausharrens nicht zurück. Also müssen wir den Rest der Strecke motoren, was etliche Stunden dröhnenden Motor bedeutet. Wir können es nicht mehr hören. Am Nachmittag des zweiten Tages kommen wir dann in Lauterhorn an und sind ziemlich durch – aber immerhin bekommen wir heraus, dass im nächsten Ort in 5 km Entfernung schon einmal kein Kaufmann ist und wir noch einige Kilometer weiter nach Südersand müssen. Dann wissen wir ja, was morgen auf dem Plan steht…

Åland-Inseln (31.05.- 06.06.)

Es ist wenig Wind vorhergesagt und das ist ja wesentlich besser als Gegenwind, also nutzen wir die Chance, zu den Åland-Inseln zu motoren. Unser erstes Ziel muss natürlich ein Hafen sein, denn wir brauchen ja Landstrom, um die Batterien zu laden: die Spannung reicht schon wieder nicht mehr, um den Kühlschrank zu betreiben. Nach einer gefühlten Ewigkeit unter dröhnendem Motor kommen wir endlich im Osthafen von Mariehamn an, im gleichen Hafen wie auch schon das letzte Mal im Charterurlaub. Und wieder sind wir außerhalb der Saison da und der Hafen ist offiziell eigentlich noch geschlossen, was sich in jeder Hinsicht als vorteilhaft erweist: wir liegen kostenlos, der Hafenmeister schaut nur sehr sporadisch mal rein, gibt uns aber per Handy den Zugangscode zum Sanitärgebäude, so dass wir freien Zugang zu Duschen und Waschmaschinen haben. Was will man mehr?

Am nächsten Tag, einem Sonntag, finden wir zunächst heraus, dass der Supermarkt erst um 11 Uhr öffnet (aber immerhin) und vertreiben die Zeit bis dahin mit Wäschewaschen. Das kommt uns gerade schon sehr gelegen. Später steht eine Runde durch die Stadt auf dem Plan (die ganz charmant ist und eher schwedisch als finnisch) mit den üblichen Besorgungen und auch einem Besuch im anderen Hafen (dem Westhafen), inklusive einer Stippvisite auf der “Pommern”, die dort als Museumsschiff über die P-Liner und ihre Geschichte informiert, und einer leckeren Pizza auf der Hafenpromenade. Viel mehr Zeit wird uns auch nicht bleiben, Mariehamn zu erkunden, denn die Wetteraussichten sind schön und wir ziehen am nächsten Tag weiter.

Auf dem Weg nach Degerby - eine Begegnung mit einem etwas traditionelleren Segler und einer der allgegenwärtigen Fähren
Auf dem Weg nach Degerby – eine Begegnung mit einem etwas traditionelleren Segler und einer der allgegenwärtigen Fähren

Der Törn zu unserem nächsten Ziel Degerby, welches wir erstmalig besuchen, ist zur Abwechslung mal wieder sehr schön. Erst achterlicher Wind, dann aufkreuzen bei guten Bedingungen – und all das inmitten einer wunderschönen Insellandschaft, die immer in Sichtweite bleibt und durch ein in der Sonne leuchtendes rötliches Gestein geprägt ist. Degerby dann ist einfach nur kultig finnisch: die beiden anderen Boote im Hafen haben mehr oder minder alkoholisierte Herrencrews an Bord, die dennoch nicht durch übles Benehmen glänzen und der Hafenmeister sieht nicht nur unvergleichlich finnisch aus, sondern hupt uns dann auch noch ganz entspannt zu seinem schwimmenden Büro (einem Boot im Hafen) heran und erkundigt, sich, ob er denn die Damendusche in Betrieb nehmen solle. Es kommen wohl nicht so viele Crews mit weiblichen Mitgliedern hierher so früh in der Saison!? Wir fühlen uns bei so viel finnischem knorrigem Charme jedenfalls pudelwohl!

Zweifellos, wir sind in Degerby
Zweifellos, wir sind in Degerby

Am nächsten Tag dann Besorgungen und Inselerkundung. Der Teil mit den Besorgungen gestaltet sich gut: das Insellädchen (wie es heißt, eines der besten in den gesamten Åländer Schären) ist in der Tat ungewöhnlich gut sortiert. Der Teil mit der Erkundung verläuft dann leider eher im Sande, denn Wanderwege scheint man nicht so recht zu kennen und wir finden überhaupt keinen Zugang zur Natur. Schade, denn die Insel ist nicht klein und wäre sicher reizvoll.

Dieses nicht zu übersehende Schild markiert ganz deutlich die Einfahrt zum "Glada Laxen"
Dieses nicht zu übersehende Schild markiert ganz deutlich die Einfahrt zum “Glada Laxen”

Da der Hafen recht teuer ist und die Insel dann doch nicht viel hergibt, brechen wir am nächsten Tag zum anderen unbedingten Wunschziel in diesem Urlaub auf, das wir ebenfalls bei einer früheren Gelegenheit entdeckt hatten: der Gasthafen auf der Insel Bärö. Dort betreibt Herr Henrik Glada Laxen (nein, er heißt nicht wirklich so) in einer aufgegebenen Küstenwachstation einen kleinen Gästehafen mit kleiner Pension und kleinem Restaurant, namens (Überraschung!) “Glada Laxen”. Henrik ist außerordentlich nett und zuvorkommend, hilft uns auch beim Anlegen und ist auch ansonsten in jeder Hinsicht ein sehr sympathischer und zuvorkommender Gastgeber. Die Liegegebühren sind mit 15€ sehr moderat, die Duschen sind ein Traum und funktionierendes WLAN gibt es auch noch! Ach ja, und man mag es kaum glauben, aber wir haben wieder einen ganz wunderbaren Segeltag auf dem Weg dorthin – inklusive Ablegen unter Segeln! Diesen Tag krönen wir mit einem leckeren Abendessen im Restaurant, wo sich heute Abend alle Gäste im Hafen und der Pension einfinden. Fein!

Es ist so nett auf Bärö, dass wir natürlich noch bleiben, denn auch die Insel ist sehr reizvoll. Am nächsten Morgen brechen wir noch vor dem Frühstück auf Erkundungstour auf, denn wir haben gehört, dass auf der Insel 9 Elche leben und man morgens die besten Chancen habe, einen zu Gesicht zu bekommen. Also erkunden wir den südlichen Teil der Insel (teilweise auch mit markiertem Wanderweg) – Elche bekommen wir leider nicht zu sehen, nur ihre Hinterlassenschaften und Spuren, aber das ist auch nicht schlimm, denn die Insel ist auch so wunderschön. Zurück an Bord haben wir uns ein üppiges Pfannkuchenfrühstück aber auch verdient! Auch den Rest des Tages lassen wir es uns gut gehen, erkunden am Nachmittag den Nordteil der Insel (recht unzugänglich) und machen es uns ansonsten an Bord gemütlich. Ein rundum gelungener Tag!

Eigentlich wollen wir gar nicht weg, aber man kann ja nicht ewig bleiben, also geht es am nächsten Tag weiter. Zunächst kurz nach Enklinge, der Insel gegenüber, wo es einen kleinen Supermarkt für die Handvoll Bewohner und Feriengäste gibt. Der Markt wäre eigentlich heute geschlossen, aber da Henrik der beste Kunde ist, ruft er kurzerhand den Besitzer Markku an, der sagt dann zu, für uns aufzumachen. Das ist vielleicht ein Ding! Wir machen also die 1,3 nm nach Enklinge rüber und finden gleich am Hafen einige Fahrräder zur freien Verwendung. Da schwingen wir uns gleich drauf und finden auch bald den Laden – leider noch geschlossen. Macht nichts, wir erkunden einfach weiter die Insel und stoßen auf eine Art Heimatmuseum, wo wir eine sehr nette und interessante persönliche Führung zum Leben der Menschen auf der Insel früher erhalten – es gibt dort einen noch vollständig im Originalzustand befindlichen Bauernhof und man kann sich gut vorstellen, wie karg und entbehrungsreich das Leben einmal war. Im Museum findet Markku uns auch (“Ihr seid doch die aus Papenburg, oder?”) und so verlassen wir Enklinge nach nur kurzer Zeit aber um einige schöne Erinnerungen an echte menschliche Momente reicher. Nun aber weiter nach Jungfruskär, unserem eigentlichen Ziel für heute. Die Insel gehört schon “so richtig” zu Finnland und liegt ganz im Westen eines Naturreservats. Der erste Eindruck ist sehr hübsch, nur die zunehmende Mückenzahl treibt uns unter das Moskitonetz – heute setzen wir keinen Fuß mehr auf die Insel! Aber immerhin, wir haben es hiermit bis nach Finnland geschafft!

Nördliche Stockholmer Schären (25.05. – 30.05.)

Als nächstes haben wir uns eine Bucht in den Außenschären vorgenommen, wo die Natur viel karger und rauher aussieht, aber kein Bisschen weniger reizvoll ist. Unser Ziel nennt sich Inre Hamnskär und bietet guten Schutz vor Winden aus S und W. Wir erwarten eine Winddrehung nach W und suchen uns einen entsprechenden Ankerplatz bei beeindruckenden 6 m Wasser unter dem Kiel, während der Bug an Land stößt. Dumm nur, dass die erwartete Winddrehung ausbleibt und statt dessen vollkommen anderer Wind kommt. Da hilft auch Umlegen nichts, was wir wohl oder übel versuchen, denn der Wind dreht immer weiter bis auf NE und nun sind wir vollkommen ungeschützt. Hoffen wir also mal, dass er nicht stärker wird und Heckanker und Bugleine uns halten können. Und wieso muss jetzt eigentlich noch dichter Nebel aufziehen, damit man erst recht nicht mehr aus diesem Labyrinth rauskommt?

Wir finden nicht viel Schlaf und am nächsten Morgen zieht neuer Nebel auf, kaum dass wir uns freuen wollten, dass er sich in der Nacht verzogen hatte. Wir versuchen, etwas Zeit mit einer Inselerkundung herumzubringen und stiefeln über Stock und Stein – als Deutsche sind wir ja gewohnt, dass es überall dort, wo noch ein Flecken Natur zu finden ist, auch Wanderwege angelegt sind, um all jenen, die ins Grüne wollen, zu zeigen wo es lang geht. Tja, da es hier aber Natur im Überfluss gibt und zugleich nur (relativ) wenig Menschenandrang, ist es jedem selbst überlassen, einen Weg zu finden – und das ist manchmal gar nicht so einfach.

Dann geht es aber weiter nach Furusund, Nebel hin oder her. Beeindruckend nur, wenn man ziemlich blind unterwegs ist und auf einmal von hinten eine der großen Fähren mit lautem Motorendröhnen aufkommt, um sich dann ziemlich plötzlich nur wenige Meter neben einem als hohe Wand aus dem Dunst zu schieben. Außerdem kommt Wind aus NW auf und wir kommen noch gerade rechtzeitig im dafür günstigen Furusund an, bevor es ganz ungemütlich wird. Der Hafen ist noch geschlossen, dafür liegen wir kostenlos und im Ort (falls man davon überhaupt sprechen kann) befindet sich eine der wenigen Einkaufsmöglichkeiten in den Schären (bei der Tankstelle).

Den nächsten Tag verbringen wir bei Sauwetter in Furusund – bei reichlich Wind vermeintlich eine gute Gelegenheit, die vor der Abreise nur notdürftig fertiggestellte Regelelektronik des Windgenerators zu überarbeiten. Eine ungünstige Verkettung von Umständen führt jedoch leider dazu, dass zuerst die Platine vom Windgeneratorregler in Brand gerät und dann auch noch unser großes Batterieladegerät einen Überspannungsschaden erleidet – und wir damit unsere Hauptmöglichkeit, die Batterien zu laden, verlieren!

Am Tag drauf ziehen wir weiter durch den Blidö-Sund in die Bucht von Träskö-Storö und die nächste Unglücksmeldung verhagelt uns das eigentlich schöne Segeln dorthin: mit der 24V-Lichtmaschine am Motor stimmt etwas nicht und damit ist auch unser Plan B zum Batterieladen sehr in Frage gestellt. So ein Mist! Dafür ist die Insel sehr schön: früher war sie besiedelt, nun sind Blumenwiesen an Stelle der alten Felder und dazu gibt es noch eine für jeden frei benutzbare Sauna. Holz zum Anfeuern liegt bereit, wer mag kann auch welches nachhacken. Und in der Bucht kann man sich dann zwischendurch abkühlen mit absolut unschlagbarer Aussicht über den abendlichen Schärengarten. Da sind wir doch glatt ein wenig versöhnt. Weil es hier so schön ist, bleiben wir noch einen Tag und gehen auf große (und ziemlich sportliche) Erkundungstour im felsigeren Teil der Insel. Wir fangen ganz viel wilden Bärlauch und können außerdem beobachten, dass die Bucht sich mit einem Dutzend Boote füllt – nun ja, es ist Christi Himmelfahrt und das heißt wohl auch in Schweden langes Wochenende. Noch dazu ist diese Bucht eine der wenigen, die Schutz vor dem Nordwind bietet und richtig schön ist es außerdem; kein Wunder also, dass nicht wenige hier Schutz suchen.

Eigentlich wollten wir noch einen Tag bleiben, bis Wind aus W uns zu den Ålands schiebt doch erstes kommt es ja anders und zweitens als man denkt. Die Wettervorhersage hat es sich anders überlegt, also suchen wir uns eine neue Bucht, die ein günstigerer Absprungort für die Überfahrt ist.

Rödlöga
Rödlöga / Megelskär

Es geht wieder in die Außenschären, diesmal zur Rödloga-Gruppe; wir machen an Megelskär fest, was eine Insel von der Sorte ‘klein aber fein’ ist und außerdem über eine neue Steganlage verfügt. Wir sind hier schön geschützt vor dem nördlichen Wind (kalt!) und erfreuen uns an der Kargheit der Außenschären. Weniger erfreulich ist, dass sich der Verdacht bestätigt: der Lichtmaschinenregler ist hinüber und damit fast alle unsere Möglichkeiten, die Batterien zu laden. Bleibt nur noch ein kleines Netzteil, das eigentlich nur zur Erhaltngsladung gedacht ist. Und wenn das nun auch noch kaputt geht…?

Im Paradies (18.-24.05.)

Am 18. Mai haben wir es endlich geschafft, der erste Hafen in den schwedischen Schären ist erreicht! Die Nachtfahrt auf dem Weg dorthin hatte es aber in sich: am Vortag brachen wir in Visby auf, zunächst zwar bei bestem Wetter aber dafür natürlich mit nur äußerst dürftigem Wind, mit dem selbst unser Regenbogen nicht viel anfangen konnte. Also wieder Dieselsegel. Später am Tag jedoch haben wir noch anständigen Segelwind bekommen und gut Strecke gemacht – so gut, dass wir zum Abend hin sogar die Segel verkleinert haben, um nicht zu schnell zu sein und mitten in der Nacht in die felsigen Schären zu fahren. Nun, diese Sorge erwies sich als vollkommen unbegründet, denn mit der Sonne verließ uns auch der Wind, und zwar so gründlich, dass wir praktisch nicht von der Stelle gekommen sind.

Abendstimmung unterwegs
Abendstimmung unterwegs – nach wenigen Stunden gefolgt vom Sonnenaufgang

Zu allem Überfluss stellen wir mitten in der Nacht, pünktlich zur Wachablösung fest, dass unser Plotter kein GPS-Signal mehr empfängt und unsere Position nicht auf der elektronischen Seekarte erfassen kann. Ja, früher sind alle Segler ohne solche Hilfsmittel ausgekommen, aber wenn wir auf dem Weg in ein unbekanntes Revier sind, in dem man sehr leicht die Orientierung verliert und das von Untiefen und Unterwasserfelsen nur so wimmelt, möchten wir auf keinen Fall auf diese Unterstützung verzichten. So machen wir uns mitten in der Nacht an die Arbeit und versuchen das Problem zu lösen – natürlich keine schöne Art, sich eine Nacht um die Ohren zu schlagen, die eigentlich das Potential gehabt hätte, wunderschön zu sein: durch die kaum unterm Horizont versinkende Sonne wird es selbst nach Sonnenuntergang nicht vollkommen dunkel und das Licht und der Himmel sind die ganze Nacht über betörend schön, so dass die Nachtwache eigentlich überhaupt nicht schwer fällt (man muss sich nur warm einpacken, denn es ist doch noch recht kühl). Nach ein paar Stunden sendet  das GPS wieder Daten, und am Vormittag laufen wir in Nynäshamn ein, das wir als Versorgungs- und Absprunghafen für unseren Törn durch die Schären auserkoren haben.

In Nynäshamn decken wir uns ein mit allem, was wir brauchen; sowohl Hafen als auch Stadt sind recht groß und lebhaft, das ist aus logistischen Gründen ganz fein so, aber ansonsten eher nichts für uns. Außerdem sind wir ja hier, um Natur zu sehen. Sobald wir also startklar sind, brechen wir unter Motor auf und sind schon bald in unserer allerersten Ankerbucht angekommen: Kolnäsviken auf der Insel Ornö. Die Bucht ist ringsum geschützt und ganz grün und ruhig. Da wir mit der Orion zum ersten Mal vorhaben, auf die skandinavische Art zu ankern – also vor Heckanker und mit Landleine vom Bug – ist es uns ganz recht ein stilles, sicheres Fleckchen für das erste Ankermanöver gefunden zu haben. Nicht beim ersten Anlauf aber auch nicht nach allzu langer Zeit gelingt es dann auch; durch die Rumpfform ist die Orion gut für dieses Manöver geeignet, denn auf den ersten Metern ist sie ganz flach, der Bug hängt deutlich über, so dass man dem Land ohne Gefahr nahe kommen kann. Außerdem ist das Wasser klar genug, dass man gut erkennen kann, wo der Grund ansteigt und flacher wird – wenn man sich erst mal an die andere Tiefenwahrnehmung durch die Lichtbrechung gewöhnt hat.

Wir sind überglücklich, endlich in der Natur zu liegen und auch endlich angekommen zu sein. Wie lange haben wir uns mit dieser Vorstellung während der langen, kalten Monate des Refits getröstet. Und nun sind wir da und können es kaum fassen.

Wenn wir schon von Bord direkt an Land gehen können, muss ein Landgang natürlich sein. Die Insel ist dunkelgrün und wunderhübsch (wie wir später feststellen, alles andere als ein Einzelfall), der Kaufmann im winzigen Ort hat, wie es scheint, den Betrieb eingestellt und wir verbringen einen entspannten Abend an Bord mit einem herrlichen Ausblick auf Bäume, Felsen und Heidelbeerbüsche.

Am nächsten Tag dann geht es ins Paradies, unserem ersten Hauptziel auf dieser Reise. Das Paradies heißt eigentlich Paradiset (oder je nachdem, wo man liest, auch Paradisviken) und ist eine weitläufige, von mehreren Inseln gebildete Bucht mit zahlreichen Liegemöglichkeiten für alle Windverhältnisse; bei einem Chartertörn einige Jahre zuvor haben wir dieses wunderschöne Fleckchen kennen- und liebengelernt. Auf dem Weg dorthin bleibt wieder einmal der versprochene Wind aus, so dass wir, nachdem alle denkbaren Segelkonstellationen vergeblich getestet worden sind, doch motoren müssen. Nun ja, zumindest am Nachmittag kommt Wind auf, so dass wir den Regenbogen setzen können und uns zügig dem Ziel nähern. Unterwegs gehen uns fast die Augen über bei all den wunderschönen Anblicken ringsum.

Das ist unser Flecken im Paradies - kann man sich dran gewöhnen!
Das ist unser Flecken im Paradies – kann man sich dran gewöhnen!

Und plötzlich sind wir schon da, die immer noch vertraute Öffnung in die Bucht liegt vor uns und wir fahren hinein. Was für ein langersehnter Moment! Wir schauen uns einige der Liegeplätze an und entscheiden uns für eine andere Stelle, als die, an der wir das letzte Mal gelegen haben – die Orion hat doch deutlich mehr Tiefgang als so eine gängige Charteryacht, das schränkt zuweilen die Möglichkeiten ein. Aber, wo wir liegen liegen wir gut: geschützt hinter einem großen Felsen und mit sehr bequemem Überstieg an Land. Es ist der 20. Mai und das heißt, wir bleiben ein paar Tage. Nachdem wir nun seit Wochen hierhergeeilt sind, wird es dafür aber auch Zeit.

Am nächsten Tag holt uns strahlender Sonnenschein aus dem Bett, nee, wie schön! 🙂 Noch vor dem Frühstück wird das Wasser getestet – nun ja, für ein Vollbad reicht es nicht, es ist wirklich elendigst kalt … wir haben leider kein funktionierendes Wasserthermometer, aber viel mehr als 15° können es kaum sein, vielleicht auch weniger. Schade, dabei hätten wir gerne ab und an mal morgens eine Runde gedreht, wenn es sich anbietet. Aber wenn es dermaßen eisig ist, dämpft das die Motivation doch gehörig. Wir trösten uns mit Frühstück in der Sonne und weihen dann Schlauchboot und Außenborder ein, indem wir die erste Inseleinkaufstour erledigen.

Blick auf Ingmarsö vom Wasser aus - man sieht nicht viel vom Ort, denn die Häuser sind locker im Gelände verteilt
Blick auf Ingmarsö vom Wasser aus – man sieht nicht viel vom Ort, denn die Häuser sind locker im Gelände verteilt

Supermärkte sind in den Schären eher rar gesät, erst recht in der Vorsaison, so dass man die Versorgung mit Frischware schon ein wenig planen muss. In Ingmarsö – 45 Minuten per Außenborder entfernt – sieht es noch genau so aus wie vor einigen Jahren und wir sind erstaunt, wie lebendig die Erinnerungen an den letzten Besuch geblieben sind.

Am Nachmittag erkunden wir “unsere” Insel Idholmen. Der Ausflug findet jedoch ein jähes Ende, weil es in Strömen anfängt zu regnen und wir eiligst an Bord zurückhasten, um diverse offenstehende Luken zu schließen – wie war das mit dem vorhergesagten Traumwetter?  Bald aber scheint wieder die Sonne und wir beschließen den Abend mit einem Ausflug auf die Insel auf der anderen Seite der Bucht, dort wo wir beim letzen Mal gelegen haben. Mitten auf den großen, runden steinernen Walbuckeln schlagen wir auf einem Tisch aus Flechten unser Abendbrotpicknick auf und genießen: Luft, Anblick, Duft und nicht zuletzt das Essen.

Der nächste Tag ist der Tag der Tage und zünftig wird er mit Kaffee ans Bett und dann einem Bad im kühlen Nass begonnen, man will ja nicht schmuddelig ins neue Lebensjahr gehen, nicht wahr? Erfrischt (durchgefroren) lassen wir uns das Frühstück in der Sonne schmecken im Schutz unseres Moskitonetzes. Dass wir schon im Mai so viele Mücken haben würden (und die stechen auch schon ganz ordentlich) haben wir nicht erwartet und  sind froh, wenigstens im Cockpit unsere Ruhe vor den Viechern zu haben. Auch den Rest des Tages lassen wir es uns gut gehen mit einem weiteren Erkundungsausflug über Stock und Stein, Kuchen, leckerem Abendessen und Abendstimmung bei Rotwein.

Am nächsten Tag haben wir uns eigentlich ausdrücklich vorgenommen, so richtig faul zu sein – aber das eine oder andere gibt es ja doch immer zu tun. So verbringen wir einen halben Tag mit Kriegsrat und Pläneschmieden, denn für die nächsten Tage ist nicht allzu günstiges Wetter mit kräftigem Wind aus N-NO gemeldet. Also wälzen wir unsere Handbücher auf der Suche nach geeigneten windgeschützten Ecken. Außerdem sind wir im Laufe des Tages auf einmal nicht mehr allein an unserem Ankerplatz – Skandal! Ganz ungeniert quetschen sich noch drei weitere Boote in die kleine Bucht zu uns, so dass man sich fast so nahe kommt wie im Hafen. Tja, es ist Freitag und das sind dann wohl die Wochenend-Segler aus Stockholm, die in großer Zahl ausschwärmen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet.

Naja, dann fällt es uns ein wenig leichter, die Weiterreise zu planen, auch wenn es hier einfach wunderschön ist und wir gerne wiederkommen wollen. Unsere Batterien müssten auch dringend mal wieder geladen werden und so lichten wir am Samstag den Anker und fahren eben in den ziemlich netten Hafen von Ingmarsö-Ort. Dort liegt man für wenig Geld gut, Strom und Wasser sind inklusive, Duschen sind gut und eine Sauna gibt es auch (und wird auch rege genutzt) … der einzige Wermutstropfen ist der in die offene Bucht immer hineinstehende Schwell von den vorüberfahrenden Booten. So ist es doch ein wenig unruhig.

Auf Stora Ravsön
Auf Stora Ravsön

Nach den letzten Erledigungen ziehen wir noch mit dem Schlauchboot los und erkunden die Bucht von Stora Ravsön, ausgiebiger Landgang inklusive. Meine Güte, auch da wieder ein wunderschöner Flecken Erde – die haben einfach echt viele davon, die Schweden.

Auf dem Weg in die schwedischen Schären (12.-17.05.)

So, genug ausgeruht, jetzt geht es weiter Richtung Norden – schließlich wollen wir in zehn Tagen in den Schären sein. So machen wir uns auf den Weg mit Ziel Grönhögen auf Öland. Zunächst scheint die Überfahrt unter keinem guten Stern zu stehen, denn Wind haben wir keinen und der Motor röhrt und röhrt … das passt nicht so wirklich zu den vorhergesagten 4-5 Bft. und wir ärgern uns. Gegen Mittag jedoch kommt doch noch eine Brise auf, die wir erst unter “Passatbesegelung” (beide Vorsegel im Schmetterling gesetzt – so ein Kutterrigg ist schon etwas praktisches), später bei wieder nachlassendem Wind unter Gennaker fahren. Endlich Stille!

Der Regenbogen ist wieder da, und die schwedische Gastlandflagge ist auch schon gesetzt
Der Regenbogen ist wieder da, und die schwedische Gastlandflagge ist auch schon gesetzt

Und tatsächlich schaffen wir es, per Gennaker bis Grönhögen zu kommen – und nach 14 Stunden unterwegs wollen wir auch nur noch ankommen. Doch natürlich gibt es zum Schluss noch einmal Ärger: beim Bergen des Gennakers verheddert sich das Segel irgendwie mit dem Bergesack und lässt sich beim besten Willen nicht einholen, so dass uns letztlich nichts anderes bleibt, als es langsam über das Fieren des Falls herunterzulassen und aus dem Wasser zu bergen. Sehr ärgerlich das Ganze. Irgendwann haben wir es aber geschafft und können endlich in Grönhögen festmachen.

Dieser Hafen war als Station fest eingeplant, weil wir hier schon einmal in einem früheren Urlaub waren und schöne Erinnerungen an einige eingeregnete Tage haben. An sich sind sowohl Hafen als auch Ort recht unspektakulär, aber alles ist klein, verschlafen und einfach sympathisch. Und ganz wichtig: der lokale ICA-Supermarkt führt das beste Müsli, das es gibt! Wir decken uns am nächsten Morgen mit den wichtigsten schwedischen Spezialitäten ein und brechen gleich wieder auf – hoffen jedoch, auf dem Rückweg hier noch einmal vorbei zu kommen und zwar mit etwas mehr Zeit im Gepäck.

Eigentlich haben wir vor, für den nächsten Schlag so weit wie möglich an Öland hoch oder sogar über Nacht bis Visby auf Gotland zu kommen, doch die Dinge laufen überhaupt nicht nach Plan: zunächst schiebt uns ein anständiger halber Wind ganz ordentlich durch den
Kalmarsund und wir können unser nasses Gennaker setzen und trocknen.

Die Brücke über den Kalmarsund; darüber ein unheilvoller Himmel, der uns bald schon zur Umkehr zwingen wird
Die Brücke über den Kalmarsund; darüber ein unheilvoller Himmel, der uns bald schon zur Umkehr zwingen wird

Leider verschlechtert sich das aber Wetter zusehends; Regen setzt ein, der Wind schläft ein und so muss der Diesel wieder ran. Das ist zwar kein Vergnügen, doch immerhin kommen wir voran. Dann jedoch kommt der Wind wieder, und zwar nicht etwa aus SW, wie vorhergesagt, sondern aus NO – schön von vorne. Mittlerweile sind wir an der engsten Stelle im Kalmarsund, die zu allem Überfluss auch noch von unzähligen Unterwasserfelsen übersät ist und hier entsteht durch den Gegenwind auch ein nicht unerheblicher Gegenstrom. Nachdem wir stundenlang gegenangebolzt haben, ohne nennenswert von der Stelle zu kommen, muss auch ich einsehen, dass das keinen Sinn hat. Widerwillig drehen wir ab und laufen nach Kalmar zurück. Da wir spät dran sind, ist kein Hafenmeister mehr aufzutreiben (es ist ja noch Vorsaison), also liegen wir wenigstens für lau, dafür aber ohne Zugang zu Sanitäreinrichtungen und WLAN. Nun ja, wir wollen ohnehin nicht bleiben.

Am nächsten Tag ist das Wetter wie ausgewechselt, statt grauer Regenwolken und Gegenwind erwartet uns heute ein strahlend blauer Himmel mit Flaute. Wie gut, dass wir einen großen Dieseltank haben. Segelspaß sieht anders aus aber wenigstens kommen wir so voran.

Nach 10 Stunden ununterbrochenem Geröhre haben wir aber genug vom Krach und machen in Byxelkrok im Norden Ölands fest anstatt nach Visby durchzufahren. Dort liegt man gerade jetzt in der Vorsaison sehr nett und günstig (im Sommer ist es sicher ein sehr belebter Hafen) und durch die vielen Sonnenstunden am Tag kommt regelrechte Sommerstimmung auf. Wir geben uns Mühe, einen gemütlichen Abend zu verbringen und das Beste aus der Situation zu machen.

Am Tag drauf dann sind wir endlich in Visby, Gotland angekommen. Leider wieder durch viele Stunden Motoreinsatz, denn von Wind kann nach wie vor keine Rede sein. Wir können es kaum abwarten, endlich in den Schären zu sein, wo wir ohne lange Schläge auskommen – wenn schon kein Wind weht, muss man sich dann wenigstens nicht 10 Stunden und mehr das Gedröhne anhören. Nun ja, erst einmal aber schauen wir uns Visby an und planen auch einen Hafentag mit Radtour ein.

Gotland gefällt uns sehr gut, auch wenn der Flieder nicht wie erhofft schon blüht (das war einer Hauptgründe, Gotland auf dem Weg in die Schären einzuplanen). Die Raukas, Kalksteinsäulen, sind dafür wirklich beeindruckend und wir würden auch gerne noch einmal mit mehr Zeit wiederkommen.

Auch Visby gefällt uns, besonders der wirklich in beeindruckendem Umfang erhaltene alte Stadtkern, vom Hafen mitten in der Stadt sind wir aber nicht so angetan: überall wird man auf Schildern als Gast ermahnt, ja nicht zu spät nach der Ankunft einzuchecken und am Abreisetag auch ja nicht zu lange zu bleiben – doch bei unserer Ankunft ist es unmöglich, einen Hafenmeister aufzutreiben, auf dem Steg funktioniert der Strom nicht, die meisten Sanitäreinrichtungen sind in der Vorsaison nicht nutzbar und die vorhandenen Duschen sind eine ziemliche Enttäuschung (bestenfalls lauwarm, kaum Wasser). Für uns steht fest, dass wir bei einem weiteren Besuch auf Gotland einen anderen Hafen anlaufen werden.

Angekommen in der Ostsee – Dänemark (07.-11.05.)

Da uns für die nächsten Tage westliche Winde versprochen sind, halten wir uns gar nicht lange in Kiel auf – Skandinavien ruft. Der erste Schlag soll uns so weit in den Osten Dänemarks bringen, wie es möglich ist. Für Dänemark selbst nehmen wir uns diesmal keine Zeit, hauptsächlich sind wir mit Schweden verabredet und wollen deshalb so schnell wie möglich dort sein.

Der erste Schlag bringt uns bis Rødby, bei Wetter, das ausnahmsweise besser als vorhergesagt ist und Wind von hinten. So können wir auch zum ersten Mal in dieser Saison den Gennaker setzen, dessen Regenbogen immer wieder schön anzuschauen ist.

In Rødbyhavn liegen wir zwar ziemlich trostlos, aber dafür wenigstens mit Strom, und da wir nicht bleiben wollen, stört uns das schmucklos-industrielle Hafenbecken auch nicht sonderlich.

Am Tag drauf brechen wir eigentlich mit Ziel Hesnæs auf, doch wir kommen in Christiansø an – nach unserer ersten Nachtfahrt. Die Bedingungen waren günstig, so dass wir gleich durchgefahren sind. Und erfreulicherweise verläuft unsere Nachtfahrt recht ruhig und ereignislos. Das AIS ist uns eine große Hilfe dabei, in den Verkehrstrennungsgebieten auch nachts den Überblick zu behalten, nur ziemlich kühl ist es draußen im Cockpit und der Autopilot steuert nicht zuverlässig genug, dass man ihn alleine lassen könnte (zu dumm, dass der eingebaute Kompass auf einem Stahlschiff nur äußerst mäßig seinen Dienst tut).

Unterwegs bekommen wir nicht viel zu sehen, hier Møns Klint im Vorbeifahren
Unterwegs bekommen wir nicht viel zu sehen, hier Møns Klint im Vorbeifahren

Wir wechseln uns regelmäßig mit den Wachen ab, so ist die Nacht schnell vorbei – aber Schlaf bekommen wir beide nicht wirklich. Der nächste Tag ist nicht ganz so erfreulich, denn der Wind verlässt uns ziemlich gründlich und so läuft den ganzen Tag der Motor. Und das Geröhre wenn man ohnehin todmüde ist macht so gar keinen Spaß. Entsprechend froh sind wir, endlich auf Christiansø anzukommen. So früh in der Saison (falls man überhaupt schon von Saison sprechen kann) ist der sonst gerne überfüllte kleine Hafen fast leer und wir freuen uns darauf, hier erst mal eine kleine Pause einzulegen. Die haben wir nach den letzten langen und anstrengenden Tagen unterwegs auch nötig und die kleine Inselgruppe, die man eigentlich nur als lebendiges Museum bezeichnen kann, ist sowas von charmant, dass man auch gerne einen Tag länger bleibt.

Nachdem wir uns ordentlich ausgeschlafen haben, beginnen wir den nächsten Tag mit einem ganz ausgiebigen Bordfrühstück – selbstgebackene Brötchen inklusive. Eine so gut ausgestattete Pantry macht einfach Spaß!

Straßen gibt es keine, dafür eine Menge urwüchsiger Häuschen
Straßen gibt es keine, dafür eine Menge urwüchsiger Häuschen

Den Rest des Tages verbringen wir mit kleineren Arbeiten am Boot und Inselerkundung. Da keine Hunde und Katzen auf der Insel erlaubt sind, sind die im Mai überall brütenden Vögel (hauptsächlich Eiderenten, aber auch einen Schwan sehen wir) so etwas von tiefenentspannt, dass sie einfach überall ihre Nester gebaut haben – in Hecken, am Wegesrand, selbst mitten auf den Fußwegen. Und das eine oder andere Mal passiert es uns beinahe, dass wir über eine brütende Ente stolpern. So hautnah bekommt man so etwas nur selten zu Gesicht und es überrascht nicht, dass die Inseln auch eine beliebte Anlaufstation für Vogelbeobachter und Ornithologen sind.

Der Hafen-Basstölpel
Der Hafen-Basstölpel

Besonders kurios ist außerdem der einsame Basstölpel, der offenbar besonders enge Freundschaft mit einer Stromsäule am Hafen geschlossen hat und diese bei Annäherung auch energisch verteidigt.

Da die Wettervorhersage nicht so einladend ist (Starkwind, Regenschauer, Windböen), beschließen wir auch einen zweiten Tag zu bleiben, um dann ganz ausgeruht Richtung Öland aufzubrechen.

Übrigens: einen Geldautomaten gibt es auf der Insel nicht, also sollte man nicht ohne dänische Kronen kommen. Hafengebühren und eine Duschkarte kann man aber immerhin an einem Automaten auch mit Plastikgeld bezahlen.