An der Costa del Sol (17.10. – 29.10.)

Nach dem langen, ausgefüllten Tag in Gibraltar hätten wir gerne noch einen Ruhetag in La Línea eingelegt, aber die Windvorhersagen wollen es anders: während am Donnerstag den 17. wenigstens noch ein wenig Wind in Mittelmeer hineinwehen soll, ist für den folgenden Freitag völlige Flaute angesagt, also raffen wir uns auf um den Wind zu nutzen und den Ruhetag noch etwas herauszuschieben. Erst mal aber steuern wir nochmal mit der ‘Orion’ den Hafen von Gibraltar an, genauer gesagt die steuerfreie Tankstelle: gut 300 Liter Diesel fließen in unseren Tank zum Traumpreis von 64 Pence pro Liter, umgerechnet 74 Cent. Die Menge entspricht unserem Verbrauch seit Alderney: ganz akzeptabel für bald 2000 Seemeilen, jedenfalls erheblich besser als im vergangenen Jahr auf dem Weg in den hohen Norden – der viele Rückenwind vor Spanien und Portugal macht doch eine Menge aus.

Europa Point, Gibraltars Südspitze

Es ist schon Mittag durch als wir Europa Point runden und Kurs ins Mittelmeer setzen – und das empfängt uns in Bestform: die Sonne strahlt, das Wasser blau leuchtend, und 15 Knoten Wind lassen uns unter Gennaker gute Fahrt machen. So ist es noch eine Stunde vor Sonnenuntergang, als wir unser Tagesziel

Estepona
Pico de los Reales, Estepona

erreichen und direkt vorm Strand neben dem Hafen den Anker fallen lassen. Direkt vor uns erhebt sich der beeindruckende Pico de los Reales mit seinen 1452 Metern Höhe und leuchtet im Abendlicht in einem besonders intensiven Rotbraun –  so bergig hatten wir uns die Küste der Costa del Sol gar nicht vorgestellt! Die Nacht vor Anker ist mal wieder recht rollig, spart aber einmal das Liegegeld für den Hafen von Estepona, den wir dann gleich am nächsten Morgen aufsuchen, um hier etwas auszuruhen und Einkäufe zu erledigen.

In der Altstadt von Estepona

Die Marina ist sehr freundlich – es gibt sogar eine Flasche Wein zur Begrüßung – und mit gut 24 € auch noch bezahlbar, wir haben also das Gefühl nichts falsch gemacht zu haben; unmittelbar am Hafen erstrecken sich viele einladende Restaurants, es hat aber eher etwas von entspannter Urlaubsstimmung als von Partymeile. Wir laufen auch in die Stadt und finden hinter den obligatorischen Hotelbauten tatsächlich einen charmanten alten Stadtkern mit hübschen Straßen und Plätzen. Trotz des Massentourismus, für den die Region ja berühmt-berüchtigt ist, finden wir es durchaus nett hier!

Marbella

Daher hätten wir auch nichts gegen einen weiteren Tag Aufenthalt gehabt, aber mal wieder gibt es Wind, den wir nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen – und sogar eine ganze Menge davon: nachdem wir bei den angekündigten 15 Knoten Wind den Gennaker gesetzt haben, frischt es bald auf 20, dann auf 25 Knoten auf. Die ‘Orion’ schießt mit 8 Knoten Fahrt rauschend durchs glitzernde Wasser – ganz toll, aber eigentlich etwas viel für den Gennaker. Also beschließen wir ihn zu bergen – mit einiger Mühe gelingt es noch, den Bergeschlauch übers Segel zu ziehen, aber herunterkommen mag er dann nicht, obwohl das Fall lose ist. Tja, nun ist guter Rat teuer … wir sichern den Schlauch so gut es geht ums Klüverstag, setzen dahinter das Kuttersegel um etwas Windabdeckung zu erzeugen und laufen so die Marina La Bajadilla in Marbella an. Dort offenbart der Aufstieg in den Mast (wie praktisch sind Maststufen!) die Ursache: das Fall hat es irgendwie geschafft, sich zwischen Rolle und Seitenteil des Blocks zu ziehen – wie immer das möglich ist bei einer 12mm-Leine und einem Spaltmaß von ein paar Zehntel Millimetern (jedenfalls vor der Kaltverformung des Blocks durch das Fall)! Nach diesen Abenteuern verschieben wir die Besichtigung von Marbella auf den nächsten Tag – obwohl da wieder guter Wind angesagt ist …

Sonntagvormittag machen wir uns entlang der Seepromenade auf den Weg in die Innenstadt. Von der Marina La Bajadilla ist diese eine Viertelstunde entfernt; es gibt auch einen zentraler gelegenen Hafen, aber der ist teurer (unser Hafen gehört wieder zu den öffentlichen Einrichtungen Andalusiens) und mitten im dicksten Rummel – wir sind ganz froh über unsere Wahl.

Plaza de los Naranjos, Marbella

Marbella ist viel größer als Estepona – viele Kilometer erstrecken sich Strände und Hotels entlang der Küste. In der Hauptsaison müssen sich hier Zehntausende Menschen tummeln; nun sind es deutlich weniger, und es ist immer noch voll genug. Sicher, die Betonburgen sind keine Zierde, aber auch hier finden wir wieder eine Altstadt hinter den Hochhäusern, die durchaus sehenswert ist: an der Plaza de los Naranjos, wo Orangenbäume Schatten spenden, kann man noch etwas vom mittelalterlichen Marbella erahnen, und die verwinkelten, engen Gassen verraten ihren maurischen Ursprung. Im August möchte man hier nicht sein – allein schon wegen der Temperaturen – aber jetzt in der Nachsaison finden wir die Sonnenküste besser als ihren Ruf!

Benalmádena

Am Montag ist es leider mit dem Wind wieder vorbei, es wehen kaum 5 Knoten; Welle gibt es aber auch nicht, das Meer liegt fast glatt vor uns, und so versuchen wir uns im Minimalwindsegeln: tatsächlich steht der Gennaker ab etwa 3 Knoten, und bei 5 Knoten Wind erreichen wir sensationelle 2,5 Knoten Fahrt! Es mag aber sein, dass da ein knapper Knoten Strom, wie er immer ins Mittelmeer hinein setzt, mitgeholfen hat …

Abendhimmel über Benalmádena

Wie auch immer, da wir uns mit etwa 20 Seemeilen keine allzugroße Distanz vorgenommen haben, bewältigen wir den größten Teil der Strecke geduldig unter Segeln und erreichen kurz vor Sonnenuntergang Benalmádena, was quasi ein Vorort von Málaga ist – die vielstöckigen Hotelbauten zeigen jedenfalls von See aus betrachtet keine Unterbrechung. Dort gibt es auch eine Marina, aber da wir nur übernachten wollen, der Ort nicht viel herzugeben scheint und das Meer so ruhig ist, sparen wir und das Liegegeld und ankern hinter der Hafenmole vorm Strand. Belohnt werden wir mit einem tollen Abendhimmel über dem Hafen!

Caleta de Vélez

Am Dienstag gibt es mehr Wind – aber leider auch drohende, dunkle Wolken. Für Mittwoch ist Starkwind angesagt, und der wirft schon seine Schatten voraus: die Wellen werden höher, der Wind erreicht in Böen bereits 6 Beaufort, und über Land sieht man Gewitter. Auch keine idealen Bedingungen, aber wir nutzen den Wind um etwas Strecke zu machen; knapp 25 Seemeilen sind es bis zum Fischerhafen Caleta de Vélez, den wir in kaum 5 Stunden erreichen.

Stürmische See vor Caleta de Vélez

Der Hafen ist wieder öffentlich und somit preiswert, ein guter Platz um den kleinen Sturm am Mittwoch abzuwettern; viel los ist hier nicht, die Fischerei bestimmt noch das Geschehen, aber das gefällt uns gut – Hotelhochhäuser haben wir langsam genug gesehen. Wir nutzen die Zeit, um mal wieder die Vorräte aufzustocken und eine Dusche zu nehmen, während der Wind über den Hafen pfeift und immer mal wieder ein paar Tropfen Regen (!) fallen. Es ist deutlich kühler, gerade noch 20 Grad – zwar immer noch kein Grund von T-Shirt und kurzen Hosen Abstand zu nehmen, aber irgendwie fühlt es sich doch herbstlich an; den Wettervorhersagen nach soll es aber so nicht bleiben, für die kommende Woche sind wieder 26 Grad und blauer Himmel angesagt.

Puerto de Motril

Donnerstag hat sich der Wind etwas gelegt, aber mit um 20 Knoten weht es immerhin noch – doch wir wollen ja auch weiterkommen, also legen wir nach dem Frühstück ab. Die Wettervorhersage stellt ab Mittag deutlich nachlassende Winde in Aussicht, und damit auch weniger Welle, so dass wir uns vornehmen, die folgende Nacht ankernd vor der Küste zu verbringen.

Die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada überragen die Küstenlandschaft

Der Küstenstreifen, an dem wir entlangsegeln, heißt Costa Tropical – direkt im Hinterland liegen die bis zu knapp 3500 Meter hohen Gipfel der Sierra Nevada, welche die Region vor kontinentalen Winden schützen, während sie der Südwind aus Afrika ungehindert erreichen kann, daher lassen sich hier ganzjährig Datteln, Ananas und Bananen ernten. Tatsächlich kann man von See aus die schneebedeckten Höhenzüge sehen – ein skurriler Kontrast zu den herrschenden Temperaturen in der direkten Umgebung!

Als wir am Nachmittag die in Frage kommenden Ankerplätze erreichen – ‘Buchten’ wäre ein zu großes Wort, eigentlich ist hier alles zum Meer hin komplett ungeschützt – hat der Wind eher zu- als abgenommen, und zu 25 Knoten auflandigem Wind rollen anderthalb Meter hohe Seen auf den Strand … Ankern kommt beim besten Willen nicht in Frage. Wir müssen also noch etliche Meilen weiter bis zum nächsten Hafen segeln; soweit nicht schlimm, aber leider haben wir schon im Vorfeld herausgefunden, dass die dortige Marina recht teuer ist und wir diese daher eigentlich vermeiden wollten.

Zufallsbegegnung im Hafen von Motril: die ‘Royal Clipper’, ein Luxuskreuzfahrtschiff und längster Rahsegler der Welt

So bleibt uns aber nichts anderes, wir steuern den großen Fähr- und Industriehafen Puerto de Motril an und dürfen dort für 36 Euro eine Nacht lang unsere Leinen belegen. Die Marina ist eher ein Winterabstellplatz für kleinere Motorboote in Hochregallagern, die Umgebung industriell geprägt – zum reinen Übernachten vollkommen akzeptabel, aber dazu passt einfach der Preis nicht (jedenfalls nicht in der Nebensaison). Wenigstens lässt sich sagen, dass die Mitarbeiter außerordentlich freundlich und hilfsbereit waren – allzuhäufig werden sich auch keine Gastlieger dorthin verirren, wir haben jedenfalls am Abend kein Leben auf der kleinen Steganlage wahrnehmen können.

Ursprünglich hatten wir Motril als Ausgangspunkt für einen Landausflug per Bus nach Granada ausersehen; nachdem wir aber im Internet herausgefunden hatten, dass die Eintrittskarten zur Besichtigung der Alhambra, einer der großartigsten Sehenswürdigkeiten ganz Spaniens, auf Monate im Voraus ausverkauft sind, mussten wir davon Abstand nehmen – schade, wie kann man als Segler schon so lange vorher festlegen, wann man wo sein wird …

La Rábita
Ankern vor La Rábita

Nach einer vom Lärm irgendwelcher Aggregate versüßten Nacht verlassen wir die Marina gleich am Freitagmorgen und machen uns wieder auf den Weg gen Osten. Eigentlich sollte sich schwacher Ostwind eingestellt haben, und wir waren darauf vorbereitet aufzukreuzen; es weht jedoch schlicht gar kein Wind, und so motoren wir gemächlich knapp 20 Seemeilen über das inzwischen spiegelglatte Mittelmeer, bis wir am frühen Nachmittag vorm Strand von La Rábita den Anker fallen lassen. Der Ort ist recht klein, das Fehlen der zwölfstöckigen Hotels finden wir aber sehr sympathisch, und da die totale Flaute noch länger anhalten soll, beschließen wir hier auch den folgenden Samstag vor Anker zu verbringen und bei bestem Grillwetter die Ruhe zu genießen!

Almerimar
‘Marina Village’ Almerimar

Sonntag geht es dann weiter, bei genauso schönem Wetter wie am Tage zuvor – und genauso wenig Wind … das 20 Seemeilen entferne Almerimar an der Costa de Almería ist das Tagesziel, welches wir nach 5 Motorstunden erreichen. Der Ort ist ein reines Produkt der Tourismusindustrie: mitten im Nichts hat man Luxusappartements rund um eine Marina mit 1100 Liegeplätzen hochgezogen, das Umland besteht aus von mit endlosen Plastikgewächshäusern bedeckter Halbwüste. Sehr stimmungsvoll ist das natürlich nicht – aber halbwegs hübsch gemacht, unterm Strich sind die Liegeplätze direkt zwischen den Wohn- und Gastronomieanlagen eher hübscher gelegen als an so mancher Seefront mit ihren Hotelhochhäusern.

Das Liegegeld ist auch sehr günstig – offenbar hat man bei der Planung vor 20 Jahren noch nicht mit der Wirtsschaftskrise gerechnet und ist unterausgelastet. Viele Boote überwintern auch hier, wofür wirklich (für Mittelmeerverhältnisse) sensationelle Tarife angeboten werden – nicht der schlechteste Ort, aber wir wollen ja noch weiter.

Cabo de Gata / Puerto Genovés

Die Weiterreise am Montag beginnt mal wieder unter Motor; ab Mittag ist zwar etwas Wind angesagt, aber da wir mit einem Schlag die Bucht von Almería überqueren und das Cabo de Gata umrunden wollen, können wir darauf nicht warten.

Am Cabo de Gata

Nach 5 Stunden Motorlärm stellt sich auch wirklich vorsichtig der erste Lufthauch ein; bald können wir den Gennaker setzen und mit zunehmender Fahrt auf das Cabo de Gata zuhalten, welches das Ende der in Ost-West-Richtung verlaufenden Südküste Spaniens markiert. Dieses ist landseitig von einem Naturpark umgeben, daher unbebaut und von wilder Schönheit, spektakuläre Felsformationen wohin man schaut; besonders ins Auge fallen die schneeweißen Einschlüsse unter den rotbraunen Felsen an der Abbruchkante. Beim letzten Abendlicht runden wir das Kap und lassen nach 36 Seemeilen in der Bucht Puerto Genovés den Anker fallen.

Morgenstimmung am Ankerplatz

Diese Ankerbucht hat ausnahmsweise mal ihren Namen zu Recht, sie ist wirklich nur nach Osten zum Meer hin offen und auch ansonsten toll: groß genug für 50 Boote (mit uns sind 4 anwesend), perfekter Ankergrund, kristallklares Wasser – selbst im Dämmerlicht kann man noch in 6 Metern Tiefe die Kette auf dem Sand liegen sehen. Hier würden wir gerne einen Tag bleiben – aber gerade für den Dienstag ist günstiger Wind angesagt, und das müssen wir einfach nutzen.

Garrucha

So können wir auch am Dienstagmorgen bereits unter Segeln den Ankerplatz verlassen und tatsächlich den gesamten Tag schönstes Gennakersegeln genießen; die dabei vorüberziehende Südostküste Andalusiens ist viel interessanter als die Südküste, die eigentliche Costa del Sol – und Sonne gibt es auch hier genug!

Tatsächlich kommen wir bei einer Tagesdistanz von 32 Seemeilen auf 15 Minuten Motorlaufzeit, als wir unseren Liegeplatz im Hafen von Garrucha eingenommen haben – nur für das Anlegemanöver haben wir die Maschine gestartet. Was für eine Wohltat nach den vielen Motorstunden in der vergangenen Woche!

Am Hafen von Garrucha

Garrucha ist ein betriebsamer Fischerei- und Industriehafen, der auch eine neue, ausgedehnte Marina unter öffentlicher Verwaltung umfasst; hier funktioniert es aber wohl nicht so richtig, die Anlagen wirken unfertig, und eine einzige Dusche in einer Sperrholzbude ist auch etwas wenig für etliche 100 Liegeplätze. Der Ort selbst gibt auch nicht viel her – es soll eine Burg aus dem 18. Jahrhundert geben, aber die sind wir nicht in der Lage zu finden … wie immer so etwas möglich ist. Aber einen großen Supermarkt gibt es, und das Wasser in der Bruchbude ist heiß – Segler können sich ja in Bescheidenheit üben!