Zurück in den Kykladen (03.06. – 16.06.)

Kavos Papas, Ikaria

Wir verbringen eine relativ ruhige Nacht an unserem Ankerplatz am Ende der Welt – ab und an erreicht etwas Schwell das Boot, aber Wind haben wir praktisch keinen. Das verleitet uns, am nächsten Morgen das Großsegel gleich ohne Reff zu setzen, schließlich sind nur etwa 12 Knoten Wind für die Überfahrt nach Westen angesagt. Kaum runden wir aber die Inselspitze mit dem Leuchtturm Kavos Papas, bläst es mit 6 Beaufort in die Segel, und die ‘Orion’ nimmt fast 7 Knoten Fahrt auf – wir hätten es wirklich wissen müssen. Nach wenigen Minuten beruhigt es sich aber auf 12 bis 15 Knoten Wind – der berüchtigte Kap-Effekt …

Mit vollem Tuch gen Mykonos

So rollen wir also auch noch beide Vorsegel aus, und mit halbem Wind und gerade mal einem guten halben Meter Welle machen wir gleichmäßig schnelle Fahrt bei sehr moderater Lage. Die Aries steuert, und uns bleibt nicht zu tun als die Reise zu genießen, vor uns 30 Seemeilen tiefstes Blau bis Mykonos, und überall am Horizont zeichnen sich die Umrisse von Inseln ab. Die Sonne strahlt wie immer, aber es ist dennoch nicht zu heiß, denn der Nordwind bringt kühlere Luft mit. So herrlich sind wir schon sehr lange nicht gesegelt – wie schön es doch ist, wenn der Wind mal weder zu schwach noch zu stark ist und nicht vor vorne kommt 🙂

Einige Zeilen aus dem wohl griechischsten aller griechischen Romane kommen einem in den Sinn:

Glücklich der Mensch, der vor seinem Tode für würdig befunden wird, das Ägäische Meer zu befahren. […] Es gibt keine Freude, die das menschliche Herz so bewegt, so tief in das Paradies versenken kann, als wenn man den Namen jeder einzelnen Insel flüsternd, auf einem Schiff die Wogen dieses Meeres durchfurcht. Nirgends woanders wird man so friedlich und behaglich aus der Wirklichkeit in den Traum versetzt. Die Grenzen verschwimmen, und die Masten selbst des altersschwächsten Schiffes treiben Knospen und Weintrauben. Hier in Griechenland ist das Wunder die sichere Blüte der Notwendigkeit.

Nikos Kazantzakis, Alexis Sorbas

Mykonos / Agia Anna

So erreichen wir schon am frühen Nachmittag Mykonos; die für ihren Party-Tourismus und ihre völlig überzogenen Preise bekannte Insel ist für uns weniger Ziel um ihrer selbst willen, als vielmehr ein guter Ort, um den für die nächsten Tage angekündigten Starkwind abzuwettern.

Agia Anna – anlern, wo andere Austern schlürfen

Wir haben uns dazu diejenige Bucht ausgesucht, die nach den Google-Informationen die geringste Dichte an Party-Clubs direkt am Strand aufweist, Agia Anna. Als wir gerade ankern wollen, schießt ein RIB auf uns zu und fragt, ob die Eigner schon mal in die Bar übersetzen wollen, während die Crew sich um das Boot kümmert – wir lehnen dankend ab und stellen fest, in einer anderen Welt angekommen zu sein (deren dienstbaren Geistern aber seltsamerweise die Fähigkeit zu fehlen scheint, aus dem Anblick des Bootes Rückschlüsse auf den erzielbaren Umsatz zu ziehen). Die Motoryachten der siebenstelligen Preisklasse mit den Bikinischönheiten auf dem Vordeck, die sich hier außer uns noch so tummeln, nehmen das Angebot aber gerne an …

Wir verbringen zwei Tage bei bis zu 30 Knoten Nordwind in dieser Bucht vor Anker; am zweiten Tag lässt der Wind wenigstens soweit nach, dass wir uns trauen, mit dem Dinghi an Land überzusetzen. Viel zu sehen gibt es dort aber nicht, der Minimarkt ist geschlossen, und der Weg bis in den Hauptort der Insel viel zu weit (10 Kilometer). Macht nichts, bei herrlichem Wetter kann man es auch an Bord gut aushalten und zuschauen, wie der Windgenerator die Batterien lädt 🙂

Sonntagmorgen beschließen wir weiterzuziehen; beim Aufholen des Ankers erleben wir aber erst mal eine Überraschung: während der letzten zwei Tage waren zwei junge Männer im Schlauchboot und mit Taucherausrüstung damit beschäftigt, neue Muringleinen- und bojen an die Betonklötze auf dem Grund zu knoten; nun dürfen wir feststellen, dass die beiden Helden eine schöne, dicke Trosse mit Boje an den Bügel unseres Ankers geknotet haben – im sonnendurchfluteten, kristallklaren Wasser auf weißem Sandgrund ist offenbar ein Betonklotz kaum von einem Bügelanker mit Kette und daranhängendem Boot zu unterscheiden …

Rineia / Ormos Parianos

Unser Ziel ist eine Ankerbucht an der Südseite der westlich von Mykonos gelegenen Insel Rineia; diese soll uns als Ausgangspunkt für unseren Besuch für unseren geplanten Besuch auf Delos dienen. Auf dem Weg dorthin passieren wir viele schöne Strände, aber mit zunehmender Annäherung an den Hauptort von Mykonos steigt auch die Bebauungsdichte und die Zahl der vor Anker liegenden Superyachten.

Mykonos: hier ankern die Reichen und Schönen

Auch unsere Zielbucht ist brechend voll, wir können nur noch einen Platz in viel zu flachem Wasser finden; beim Schnorcheln stellen wir fest, dass ein Durchtauchen zwischen Kiel und Grund nicht mehr möglich ist, da sind kaum noch 20 Zentimeter. Aber wie immer leert sich die Bucht gegen Abend, und wir können noch umankern; nur eine Yacht der 60-Meter-Klasse bleibt – und veranstaltet nach Einbruch der Dunkelheit noch ein Privatfeuerwerk für uns 🙂

Delos

Am Montagmorgen motoren wir zwei Seemeilen bis zur Insel Delos; es herrscht ziemliche Flaute, und das ist auch gut so, denn die wenigen Ankerplätze taugen nicht viel, man liegt ziemlich ungeschützt in der Durchfahrt zwischen Delos und Rineia auf sehr durchwachsenem Grund.

Dem Mythos nach schwamm die Insel einst im Meer, bis Poseidon sie an vier diamantenen Säulen befestigte. Artemis und Apollon wurden hier geboren, und so wurde Delos das Zentrum der Verehrung dieser Gottheiten. All die konkurrierenden griechischen Stadtstaaten errichteten Vertretungen und Tempel auf der Insel, und natürlich wollte jeder größer und prächtiger bauen als die Konkurrenz. So wurde Delos eines der Zentren der antiken Welt – bis zu 30.000 Menschen lebten hier, vor zweieinhalbtausend Jahren eine gewaltige Zahl. Auch der Handel blühte, Kaufleute aus der ganzen damals bekannten Welt kamen hierher – und durften auch alle ihre Heiligtümer errichten, religiöse Toleranz war in vorchristlicher Zeit noch gar kein Problem. So blühte Delos über Jahrhunderte, bis es 87 v.Chr. im Mithridatischen Krieg zerstört wurde.

 

Heute ist die Insel ein gewaltiges Trümmerfeld; es gibt keine spektakulären, wiedererrichteten Großbauten, aber die Ausdehnung und die Detail beeindrucken sehr, wie überhaupt schon das Gefühl, auf so geschichtsträchtigem Boden zu wandeln. Die Grundmauern der Tempel- und Wohnbezirke sind umfassend erhalten, so dass man richtiggehend das Gefühl hat, durch die alten Gassen zu gehen; überall sieht man reich verzierte Marmorarbeiten, Säulenteile, Statuenreste, Tonscherben. Man watet quasi knietief durch die Geschichte – ein wirklich toller Ort, wenn man sich für die Antike interessiert! Wir sind froh, dass uns die Flaute einen Besuch ermöglicht hat – außer mit dem eigenen Boot kann man die Insel nur mit dem Ausflugsboot ab Mykonos erreichen.

Rineia / Ormos Kasari

Da das Ankern im Umfeld von Delos nur während der Öffnungszeiten der Ausgrabungsstätten erlaubt ist, ziehen wir nach unserer Rückkehr vom Landgang noch weiter; Ziel für die kommende Nacht ist wieder die Nachbarinsel Rineia, diesmal eine Ankerbucht weiter nördlich. Diese ist wie schon gewohnt von Ausflüglern ab Mykonos gut besucht – verständlich, all diese Buchten sind hervorragend zum Baden geeignet, und das Wasser hat inzwischen schon 24 Grad erreicht.

Nur echt mit Hubschrauber: die Superyacht ‘Ulysses’

Einer unserer Nachbarn schafft es, unseren Maßstab von ‘groß’ wieder ein Stück weiterzuschieben: die 2018 gebaute, 116 Meter lange und 250 Millionen Dollar teure ‘Ulysses’, gerüchteweise im Besitz von Mark Zuckerberg, mit einem 24 Meter langen ‘Beiboot’ und eigenem Hubschrauberlandeplatz. Man gönnt sich ja sonst nichts …

Syros / Ermoupoli

Wir verlassen am nächsten Morgen den Einzugsbereich von Mykonos mit seinen Superyachten; nicht dass diese nicht in einer halben Stunde das 17 Seemeilen entfernte Ermoupoli auf Syros erreichen könnten, doch in der etwas industriell angehauchten Kykladenhauptstadt gibt es wenig, was diese Klientel anlocken könnte – wir werden sie nicht vermissen!

Die Kykladenhauptstadt Ermoupoli

Für uns schließt sich hier ein Kreis: Mitte Oktober waren wir schon mal in Ermoupoli, und nachdem wir erfreulicherweise trotz angekündigter Flaute Syros doch unter Segeln erreichen konnten (wenn auch mit einiger Geduld), machen wir wieder in der nie fertiggestellten Marina fest. Von hier läuft man nur gut eine Viertelstunde zur einzigen Lidl-Filiale weit und breit – der perfekte Ort, um haltbare Vorräte für die nächsten Wochen einzukaufen: für Discounter-Waren sind die deutschen Supermarktketten europaweit einfach unschlagbar, während man frisches Obst und Gemüse in jedem winzigen griechischen Laden in einer Qualität bekommt, von der man auch auf dem deutschen Wochenmarkt nur träumen kann.

Möchte man hier nicht einkehren?

Gerne verbringen wir auch den folgenden Tag noch in Ermoupoli; schon bei unserem ersten Besuch hat uns der Ort gut gefallen, nun wirkt aber – wohl jahreszeitlich bedingt – alles noch viel lebendiger: viele Geschäfte, die im Oktober schon Winterpause hatten, sind nun geöffnet, und die Straßen quellen über vor gutgelaunter Lebendigkeit. So viele kleine Läden aller Art, Boutiquen mit geschmackvollen Sommersachen,  Obst- und Gemüsehändler mit herrlichen Auslagen (viel aus lokalem Anbau), und vor allem unzählige Restaurants und Cafés: in kleinen Seitengassen zwischen alten Natursteinhäusern nehmen die Tische die gesamte Breite der Straße ein, welche komplett von schattenspendenden Bougainvilleen überrankt wird – besser geht’s doch kaum noch!

Tinos / Ormos Stavros
Windige Überfahrt nach Tinos

Am Donnerstag muss es dann aber doch weitergehen, schließlich droht der Gegenwind immer stärker zu werden; wir steuern die Insel Tinos an, die nordwestlich von Syros liegt. Der Wind kommt recht nördlich mit etwa 5 bis 6 Windstärken, in Böen sehen wir auch gerne mal eine 7; durch die Abdeckung der Insel baut sich keine allzu hohe See auf, so dass wir mit einem Reff im Groß und Kuttersegel gute Höhe laufen können und am frühen Nachmittag in einer kleinen Bucht nördlich des Hafens von Tinos ankern, Ormos Stavros.

Das traurige Ende der ‘Trilye’

Tinos ist in der altgriechischen Mythologie der Geburtsort des Windgottes Aiolos, und wir verstehen auch bald, wie man auf diese Idee gekommen ist: während der Wind schon auf der ganzen Überfahrt deutlich stärker war als vorhergesagt, legt es zum Abend, wo sich eigentlich Flaute einstellen sollte, immer mehr zu, und wir verbringen eine nicht so ruhige Nacht bei 25 bis 35 Knoten Wind; eine entmastete und auf die Felsen gespülte Segelyacht am Rande der Bucht bietet die passende Kulisse dazu.

Andros / Batsi

Freitagmorgen checken wir alle erdenklichen Quellen für Wettervorhersagen: Nordost, da ist man sich einig, und zwischen 8 und 12 Knoten, je nachdem, welchem Modell man vertrauen mag. Aber warum pfeift es unterdessen weiter mit 25 Knoten um den Mast? Eine absurde Situation, wenn alle Wetterprognosen so wenig mit der Realität zu tun haben, man beginnt an seinem Verstand zu zweifeln – und daran, ob wir nicht einfach nur einen völlig obskuren lokalen Effekt erleben, Wind der durch die Form der Berge vor uns fokussiert wird?

Mit zweitem Reff und Kuttersegel im Lee von Tinos und Andros gegenan

Wir entschließen uns, alles auf die letztere Möglichkeit zu setzen, anstatt einen Tag zu warten (da ist nämlich gar kein Wind mehr angesagt) – und liegen natürlich falsch. Auch eine halbe Seemeile vom Ankerplatz entfernt nimmt der Wind nicht ab, im Gegenteil, wir lesen auch häufig Werte in den 30ern ab. Wenigstens erlaubt die Windrichtung in Verbindung mit der Abwesenheit von Schwell (wir sind schließlich im Lee von Tinos), so eben den Zielkurs anzulegen, und so richten wir uns also darauf ein, die nächsten 30 Seemeilen hoch am Wind gegen eine 6 bis 7 anzukämpfen.

Doch selbst das kommt anders: vor der schmalen Passage zwischen Tinos und der nordwestlichen Nachbarinsel Andros nimmt der Wind plötzlich ab – gerade hier, wo wir eigentlich nochmal mit einer Zunahme gerechnet hätten. Auf einmal können wir sämtliche Reffs wieder ausschütten, und weitere zwei Stunden später müssen wir sogar für die letzten 6 Seemeilen die Maschine starten, da rein gar kein Wind mehr weht. Nun, vielleicht war die vorhergesagte 3 bis 4 als Mittelwert von 0 und 7 zu verstehen …

Batsi auf Andros

Wir erreichen jedenfalls nach einem langen, anstrengenden Tag den Hafen von Batsi auf Andros und bekommen noch einen der wenigen Längsseitsplätze; es gibt sogar einen jungen Hafenmeister, der uns einweist und die Leinen annimmt, außerdem freundlich auf die Wasser- und Stromanschlüsse hinweist. Wohin wir denn zum Bezahlen müssen? Oh, no, the harbour is free of charge … Also, kostenloses Liegen mit Wasser und Strom ist uns ja schon mehrmals in Griechenland begegnet, aber sogar mit Personal?!? Manch ein Deutscher wirft den Griechen mangelnde Geschäftstüchtigkeit vor, wir aber empfinden das anders: Häfen sind für ein Volk von Seefahren von extremer Bedeutung, und Fremde bei sich aufzunehmen eine uralte Form der Gastfreundschaft, so wie man selbst ja auch darauf angewiesen ist, woanders aufgenommen zu werden. Der Chartersegler, der schon mal 200 Euro pro Nacht für eine Muringboje vor Ibiza gezahlt hat, ist so begeistert, dass er mit der vielköpfigen Crew die nächste Taverna stürmt und mindestens den gleichen Betrag dort auf den Kopf haut – ein Geschäftsmodell für die Gemeinde als Ganzes, welches eher auf Langfristigkeit als kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet ist und allen Beteiligten mehr Freude bereitet. Wir finden, von den Griechen kann man etwas lernen …

Auch bei uns schlägt das an: wir bleiben mehrere Tage (wobei natürlich auch die zur Weiterreise unbrauchbaren Wetteraussichten eine Rolle spielen), kaufen fleißig in den örtlichen Geschäften ein und mieten uns für einen Tag ein Auto, um die Insel zu erkunden.

Oleander am Straßenrand

Da gibt es eine Menge zu sehen: die fast 40 Kilometer lange Insel ist überwiegend gebirgig, mehrere Höhenzüge ragen bis knapp 1000 Meter in die Höhe. Dadurch – und ihre Lage näher am Festland – bekommt Andros mehr Regen ab als viele andere Kykladeninseln. Endlose Serpentinenstraßen schneiden sich durch das spärlich besiedelte Inland; es herrscht kaum Verkehr, man kann beliebig langsam fahren und die Aussicht genießen. Die aufs Meer – sei es nach Osten oder Westen – ist eh spektakulär, aber uns begeistert es auch sehr, mal wieder Berge und Täler mit grünem Buschwerk zu sehen. Vielerorts wächst in den feuchteren Einschnitten wilder Oleander und blüht prächtiger als in so manchem Park in nördlicheren Gefilden.

Klein aber sehr hübsch: der ‘Wasserfall’

Wir machen eine kleine Wanderung in eine Schlucht und besichtigen eine besondere Attraktion: ein echtes Fließgewässer, sogar mit Wasserfall! Weiter geht es nach Chora, dem Hauptort der Insel; hier gibt es einen mittelalterlichen Stadtkern auf einer Landzunge, an deren Ende die nur über eine steile, etwas fragil wirkende Brücke ohne jegliches Geländer zu erreichende Ruine der venezianischen Festung liegt.

Noch weiter draußen, auf einem Felsen in der See, steht der kleine Leuchtturm von Tourlitis, eines der bekanntesten Motive der Insel; er wurde 1897 erbaut, 1943 bei einem deutschen Luftangriff zerstört und in dern 90er Jahren originalgetreu wiederaufgebaut.

 

Die Ruine der Höhenburg von Andros

Weiter führt uns der Weg, immer wieder hoch auf die Bergrücken und hinab ins nächste Tal; wir nehmen eine kleine – etwas abenteuerliche – Stichstraße und erreichen nach einer kleinen Wanderung eine weitere Burgruine, die der Höhenburg von Andros. Hier sind noch umfassende Grundmauern erhalten, vor allem aber lohnt sich der Ausblick von der auf einem schroff aufragenden Felsplateau errichteten Anlage – herrlich!

Panoramablick von der Höhenburg gen Osten

Wir stoßen auch überall auf markierte Wanderwege – eine ziemliche Ausnahme auf den Kykladen. Gerade in der nicht so heißen Jahreszeit ist die Insel sicher ein lohnendes Ziel für Wanderer, und selbst jetzt – Mitte Juni – ist es einige hundert Meter über dem Meeresspiegel doch merklich kühler als unten im Hafen, man kann tatsächlich noch wandern, ohne sofort zu zerfließen.

Am Montag und Dienstag zieht ein Tiefdruckgebiet durch, welches Wolken, unberechenbare Winde und sogar etwas Regen mit sich bringt – da bleiben wir doch lieber im freundlichen und kostenlosen Hafen von Batsi. Das Wetter für die Weiterfahrt will auch mit Bedacht gewählt sein, liegt vor uns doch die Straße von Kaphireas, die Meerenge zwischen Andros und Evvia (Euböa): hier kommt einem normalerweise der Wind kräftig entgegen, und dazu noch das halbe ägäische Meer – 6 bis 7 Knoten Gegenstrom sollen sich unter ungünstigen Bedingungen aufbauen können. Ganz klar, für kleine Boote ist die Meerenge dann unpassierbar, also warten wir auf bessere Bedingungen.

Unter Gennaker durch die Kaphireas-Straße

Am Mittwoch den 16. ist es dann soweit: zwar ist hauptsächlich Flaute angesagt, aber die wenigstens aus Südwest – eine sehr ungewöhnliche Windrichtung, die wir nutzen müssen, auch wenn es auf viele Motorstunden hinausläuft. Wir verlassen am Mittag den Hafen und können auch einige Stunden bei 2 bis 3 Windstärken segeln – langsam, aber wir arbeiten uns stetig durch die gefürchtete Passage, ständig dem sehr dichten Verkehr an Containerschiffen und Tankern ausweichend, die etwas schneller als wir unterwegs sind.

Cavo Doro zum Sonnenuntergang

Am Abend frischt der Wind sogar etwas auf, und wir freuen uns schon auf eine Nachtfahrt unter Gennaker, aber gerade als wir das Cavo Doro passieren, das nördliche Ende der Kaphireas-Straße, ist es schlagartig vorbei damit: mit ein bis zwei Knoten Wind kann auch das Leichtwindsegel nichts mehr anfangen, und so muss der Motor ran und schiebt uns gen Norden heraus aus den Kykladen