Werftzeit (14.02. – 26.04.)

Hochmotiviert kommen wir am Morgen des 14. Februar aufs Werftgelände und freuen uns, die Orion unversehrt so vorzufinden, wie wir sie verlassen haben. Für den ersten Arbeitstag sind nur ein paar kleine Dinge geplant, bei denen eigentlich nichts schiefgehen kann – sollte man denken … die kurz vor der Abreise im Dezember ausgefallene Batterieüberwachung hat zu Hause einen neuen DC/DC-Wandler bekommen und muss ‘nur’ wieder eingesetzt werden. Dabei fällt aber eine Mutter unter die Batterieblöcke und ist weder mit Spiegeln noch mit Endoskopkamera wiederzufinden, also werden erst mal 240 kg Batterien ausgebaut; als mehrere Stunden später alles wieder an seinem Platz und die reparierte Elektronik eingebaut ist, gibt es eine böse Überraschung: die Sttrommessung funktioniert nicht! Das ließ sich zu Hause mangels Batterien nicht mal so eben ausprobieren, und wer rechnet schon damit, dass an einer Schaltung zwei verschiedenen Dinge gleichzeitig ausfallen! Am Ende eines unerwartet langen Arbeitstages funktioniert also genau so viel oder wenig wie vorher: Frustration statt Motivation ist die Folge – wie es so oft bei Bootsprojekten passiert, es kann halt eine Menge schiefgehen, und oft ist das dringend benötigte Ersatzteil in weiter Ferne …

Auf dem Weg zum Boatyard

Der Rest der ersten Woche läuft aber besser, und das Wetter ist auch angenehm mild und sonnig, so dass wir den Rumpf auf das anstehende Sandstrahlen vorbereiten können, indem wir alle möglichen Anbauteile abmontieren – tatsächlich sind das mehrere Tage Arbeit. Wir fahren täglich mit den Fahrrädern über den kleinen Hügel von Maltezana nach Schinontas und können dabei immer wieder den herrlichen Panoramablick über die Südbucht von Astypalaia mit ihren Inseln und die weißen Häuser der Chora genießen – arbeiten, wo andere Urlaub machen!

In der letzen Februarwoche verschlechtert sich das Wetter aber drastisch: es wird kalt und regnerisch. Wir können unmöglich mit dem Sandstrahlen anfangen, und auch die sonstigen noch anstehenden Arbeiten sind bald erledigt, so dass wir tagelang bei einstelligen Temperaturen und Dauerregen auf unserem winzigen Zimmer ohne Heizung hocken, welches sich alsbald in eine Tropfsteinhöhle verwandelt – der letzte Winter mit seinen paar Regentagen war wohl nicht repräsentativ (dieser ist es aber auch nicht, wie uns die Einheimischen versichern – so viel geregnet hat es seit Jahrzehnten nicht mehr!).

Erst in der zweiten Märzwoche kann es endlich losgehen – wir haben erst mal ein paar hundert Kilo Strahlgut zum Ausprobieren der Gerätschaften und Abschätzen des Gesamtbedarfs, Nachschub soll aus Athen ja jederzeit  innerhalb von zwei bis drei Tagen eintreffen können. Am ersten Tag schaffen wir aber fast nichts, da uns dauernd der Luftschlauch verstopft; erst nach Stunden kommen wir dahinter, dass das Strahlgut wohl gebraucht, d.h. vom Boden aufgefegter Dreck ist. Erst nachdem wir es mühsam durch ein Sieb reinigen, ist es brauchbar – und wir können uns auf die Probleme mit dem Kompressor konzentrieren, dieser ist nämlich uralt, braucht zum Starten grundsätzlich ein Überbrückungskabel vom Traktor und manchmal auch eine Propanfackel an den Dieselleitungen. Aus der Lichtmaschine kracht es bedenklich, Stücke der Permanentmagnete poltern darin herum, und der Keilriemen hat nur noch einen Bruchteil seines vorgesehenen Materialquerschnitts – alles sehr griechisch, aber es läuft dann doch.

So ordern wir also zwei Kubikmetersäcke Strahlgut und erwarten deren Eintreffen am Donnerstag – da kommt aber nichts, mit der Begründung, dass es in Athen geregnet hat; offenbar hat sich die Erfindung der Plastikplane dort noch nicht herumgesprochen. Gut, dann halt Freitag – dummerweise wird wegen Starkwind aber die Fähre abgesagt … bleibt Sonntag als nächster Abfahrttermin; wer aber soll an einem Sonntag den LKW auf die Fähre fahren? Montag, denken wir, kann dann ja wirklich nichts mehr schiefgehen – weit gefehlt! Wie sich herausstellt, wartet der Spediteur nämlich darauf, dass sein für die Insel bestimmter LKW voll wird, bevor er ihn losschickt – das Fährticket kostet ja schließlich immer gleich. Dienstag geht keine Fähre, und Mttwoch geschieht das Wunder: der LKW wird auf die Fähre gebracht, Donnerstagmorgen ist der Sand auf der Insel! Auf der Insel bedeutet aber nicht etwa bei uns: da der LKW von hinten nach vorne vollgeladen wurde, muss er nun von vorne nach hinten entladen werden, und das dauert noch den gesamten Donnerstag, so dass erst am Freitagvormittag der Sand auf dem Boatyard eintrifft. 8 Tage lang sind wir also täglich mit der Erwartung zur Arbeit gefahren, heute endlich anfangen zu können – um immer wieder enttäuscht zu werden. 8 Tage herrlichen Wetters – und pünktlich mit dem Eintreffen des Sandes fallen die Temperaturen wieder um 10 Grad. Da der einsetzende Nordwind knochentrocken ist, kann man dabei zwar arbeiten, aber welches Vergnügen das bei 30 Knoten Wind und 6 Grad Mittagstemperatur bereitet, kann man sich wohl vorstellen … und das alles in dem Bewusstsein, vorher 8 Tage bei perfekten Bedingungen Löcher in die Luft gestarrt zu haben. Wenigstens löst der Starkwind alle Fragen der Arbeitssicherheit: immer schön in Luv stehen, und eine Corona-Maske genügt …

Die ‘Orion’ nach dem Sandstrahlen

Nach einer Woche echter Quälerei ist es dann soweit: die ‘Orion’ erstrahlt in einem neuen Kleid aus Intershield 300! Nun geht es aber erst mal richtig los: Schicht um Schicht muss von diesem extrem harten und belastbaren Korrosionsschutzanstrich aufgebracht und dann im Überwasserbereich entlang der Schweißnähte etwas gespachtelt und geschliffen werden (erstaunlich wenig, die Fertigungsqualität der Feltz-Werft ist bemerkenswert!). Darauf kommen zwei Schichten Primer (Intergard 263), und schließlich im Überwasserbereich drei Lagen 2K-Polyurethanlack sowie die blauen Streifen und unter Wasser mehrere Schichten Antifouling. Die Höhe des Wasserpasses legen wir dabei mit dem Lasernivelliergerät fest – zum nicht geringen Erstaunen der Fischer, die so etwas noch nicht erlebt haben. Vielleicht schüttelt der eine oder andere alte Kapitän sein weises Haupt ob der sehr deutschen Herangehensweise, aber das Ergebnis überzeugt: wir werden mit Komplimenten für die gelungene Arbeit geradezu überschüttet.

Darüber vergehen Wochen, und wegen der massiven Zeitverluste zuerst durch das schlechte Wetter und dann durch die Lieferverzögerung beim Strahlgut arbeiten wir 7 Tage die Woche von 9 bis 19 Uhr durch, um irgendwie unser Ziel, bis zum orthodoxen Osterfest wieder im Wasser zu sein, noch erreichen zu können. Bei der Lieferung der weißen Farbe wiederholt sich fast das Drama der Sandlieferung: wieder verlässt unser Eimer tagelang das Speditionsgelände in Athen nicht. Schließlich teilt Nikitas, der Besitzer des Boatyards, der Spedition mit, wohin sie sich ihre Farbe stecken können, und bittet einen Freund in Athen, einen zweiten Eimer Farbe vom Händler zu holen und ihn persönlich auf der Fähre abzustellen; von dort holt ihn Nikitas dann um 5 Uhr morgens für uns ab …

Frühling auf dem Boatyard

Unterdessen ist auf Astypalaia der Frühling angekommen: statt wie beim Sandstrahlen zu frieren, kann man nun im T-Shirt arbeiten und muss aufpassen, dass einem der Schweiß nicht in die frische Farbe tropft. Rundherum verwandelt sich die Insel in ein Blütenmeer, besonders auf dem Boatyard bedecken wahre Teppiche aus vielfarbigen Blumen den überall herumliegenden Schrott – eine wirkliche Pracht! Wenigstens dafür war der viele Regen gut …

Endlich: der Anstrich ist vollständig!

Trotz all unserer Bemühungen verfehlen wir knapp unser Ziel: am orthodoxen Gründonnerstag ist zwar der Überwasseranstrich vollständig, und das Boot kann auf den Sliptrailer gesetzt werden, aber es fehlt noch eine Lage Antifouling, und auch Reling und Anbauteile müssen noch montiert werden, so dass wir auch das Osterwochenende noch durcharbeiten müssen.

Osterfeuerwerk über dem Kastro

Lediglich den Samstagabend und den Sonntagnachmittag nehmen wir uns frei, um das große Osterfeuerwerk in der Chora zu erleben und unserer Einladung zum Osteressen nachzukommen; Montag müssen wir dafür bis in die Dunkelheit arbeiten, um Dienstagmorgen fertig zu sein.

Dienstagmittag sind wir dann auf dem Sliptrailer am Strand angekommen; damit sollte ja eigentlich nichts mehr schiefgehen können … aber wie so oft kommt es anders: da die ‘Orion’ wegen ihres Tiefgangs nicht genug Wasser zum Aufschwimmen hat, muss wie schon im Dezember eine Verlängerung an die Deichsel des Sliptrailers angebracht werden, um den Trailer weiter ins Wasser schieben zu können. Dazu muss logischerweise die Verbindung zwischen Traktor und Trailer kurzzeitig getrennt werden; ganz griechisch wird dazu eine Abrollsicherung in Form eines mittelgroßen Steins unter eines (!) der Räder des Trailers gelegt, der Kupplungsbolzen gezogen – und schon springt der Stein zur Seite, und 24 Tonnen Trailer machen sich zusammen mit 12 Tonnen Boot auf den ungebremsten Weg in die Fluten! Wir werden arg durchgeschüttelt, als der Trailer das Ende der ausgelegten Betonplatten erreicht und mit zunehmender Geschwindigkeit über den Meeresboden rumpelt; schließlich schwimmt die ‘Orion’ auf und schießt mit schäumender Heckwelle rückwärts in die See! Der Trailer kommt offenbar irgendwann zum Stillstand – in etlichen Metern Tiefe und viele Dutzend Meter vom Strand entfernt. So haben wir uns das nicht vorgestellt – unter Deck herrscht ziemliches Chaos, und eine Überprüfung der neu eingesetzten Borddurchlässe musste ja nun auch entfallen; glücklicherweise ist aber alles dicht, der Motor startet auch, und wir können uns auf den kurzen Weg an die Pier von Maltezana machen, wo wir noch am gleichen Abend mit dem Kranaufsatz des Traktors den Mast stellen. Der Trailer wird erst drei Tage später geborgen – unter Einsatz von viel Stahlseil und des uns schon aus dem letzten Jahr bekannten Radladers.

Fertig aufgeriggt erstrahlt die ‘Orion’ im neuen Gewand

Wir blicken zurück auf eine sehr arbeitsreiche Zeit; mit viel Eigenleistung konnten wir den Rumpf perfekt konservieren und haben dazu kaum mehr als die Materialkosten investieren müssen. Die unzuverlässigen Lieferungen (na ja, eigentlich kann man von zuverlässigen Nichtlieferungen sprechen) haben uns viel Nerven gekostet, aber der Pragmatismus und die Hilfsbereitschaft von Nikitas, dem Besitzer des Boatyards, haben immer irgendwie zu einer Lösung geführt; und pünktlich fertig geworden ist hier schließlich seit dem Parthenon vor zweieinhalbtausend Jahren nichts mehr …