Astypalaia – Milos (01.05. – …)

Windzerzaust verabschiedet uns Astypalaia

Am 1. Mai kann uns nichts mehr halten – auch nicht die Windvorhersage, die frische 6 bis 7 Beaufort verspricht, denn wir wollen endlich wieder segeln! Wir werden an der Pier von Maltezana herzlich verabschiedet, und mit zwei Reffs im Groß legen wir unter Segeln ab. Die kleine Segelfläche erweist sich als begründet, in der großen Bucht von Astypalaia weht es ganz knackig, wir lesen Spitzenwerte von 35 Knoten ab und sind nur mit unserem reduzierten Groß schon mit 7 Knoten unterwegs – das langt erst mal, schließlich fühlt sich das alles noch neu an!

Rauschefahrt zum Auftakt der Reise

Erst als wir die Südwestspitze der Insel runden (und eigentlich mit einer Windzunahme rechnen, die aber ausbleibt), nehmen wir die Vorsegel dazu; ein schöner Halbwindkurs stellt sich ein, der Seegang hält sich noch in Grenzen, die Windstärke überschreitet die 6 Beaufort nicht mehr, und so fliegen wir schnell und dennoch nicht unkomfortabel Anafi entgegen!

Wie immer sind die ersten Seemeilen nach einer langen Pause von einer gewissen Spannung gezeichnet: ist auch alles richtig aufgeriggt, befestigt und eingestellt? Wissen Boot und Crew noch, wie man segelt? Aber als böse Überraschungen ausbleiben, legt sich langsam auch die Anspannung, und wir können die Reise genießen.

Anafi voraus!

Zügig wie wir unterwegs sind, dauert es auch nicht lange, bis sich Kalamos, das markante Ostkap der Insel Anafi, immer deutlicher am Horizont abzeichnet. Gegen 15 Uhr erreichen wir die 460 Meter hoch aus dem Meer ragenden Marmorfelsen, und auf einmal ist es mit dem Wind vorbei – kein Wunder hinter solch einer Wand. Zum ersten Mal springt der Motor an, und obwohl der Wind nach der Passage des gewaltigen Felsens wieder einsetzt, laufen wir ob der abwechslungsreichen Windstärken und -richtungen die letzte Stunde mit Motorunterstützung bis in den Hafen von

Anafi
Blick auf die Chora …

Wir finden einen Liegeplatz längsseits im neu angelegten Hafen – außer einer offenbar schon länger verlassenen Yacht und lokalen Fischern sind keine Boote da. Es gibt neue Strom- und Wassersäulen, sogar eine Absauganlage für die Bordabwässer samt Kläranlage; der Verfall setzt aber schon ein, und man darf in Zweifel ziehen, ob hier je ein richtiger Yachthafen seinen Betrieb aufnehmen wird …

… und über die Insel auf Kalamos

Uns ist das egal, wir ruhen uns von der windigen Passage aus und machen uns am nächsten Vormittag auf den Weg in die Chora, den Hauptort der Insel. Der Aufstieg ist steil und anstrengend (in der Sonne ist es knackig heiß!), bietet aber mit zunehmender Höhe immer schönere Ausblicke über die Insel auf den Kalamos-Felsen mit der Kirche Panagia Kalamiotissa auf seiner Spitze und die weißen Häuser der Chora.

Im Dorf angekommen, belohnen wir uns mit einem Kaltgetränk in einem liebreizenden Café – hier waren wir vor zwei Jahren schon einmal, aber es ist einfach zu nett hier, und außerdem haben auch bei weitem noch nicht alle Geschäfte geöffnet, es ist Vorsaison. Das ganze Dorf besteht aus verwinkelten Pfaden zwischen weißgetünchten Mauern, und man verliert schnell die Orientierung – was Sinn der Sache war, wenn früher die Besucher in feindlicher Absicht kamen. Aber äußerst pittoresk und liebreizend ist es, und in sehr gutem Zustand; wieder befinden wir, dass Anafi ein echter Geheimtipp auch für den Landurlauber ist – man muss sich eben nur die Mühe machen, hier hinzukommen, es gibt nur alle paar Tage eine Fährverbindung …

Am Abend beschließen wir, eines der Restaurants in der Chora aufzusuchen – und nehmen dazu bergauf ein Taxi (besser gesagt, das Taxi – es gibt genau eines), die 8 € sind gut investiert, man ist doch eine gute Stunde unterwegs. Wie immer werden wir vom Essen nicht enttäuscht, und kugeln glücklich und zufrieden den Berg wieder herunter und in die Koje.

Ios / Paralia Papa

Am Freitagmorgen verlassen wir Anafi, etwas ausgeruhter als zwei Tage zuvor – was auch gut so ist, denn wieder steht uns viel Wind bevor, und die Chancen stehen schlechter als am Mittwoch, dass wir ihn nicht sogar auf die Nase bekommen. Angesagt sind zunächst nur etwa 4 Windstärken aus West, aber im Tagesverlauf soll sich das verdoppeln – da wollen wir möglichst schon angekommen sein, also brechen wir um 8 Uhr auf.

Thira / Santorini bleibt an Backbord in Luv …

Der Anfang gestaltet sich problemlos, der Wind kommt südlicher als West, und wir können sogar mehr Höhe laufen als es für unser Tagesziel, die Insel Ios, nötig wäre; allein die für den gegebenen Wind untypisch hohe Welle lässt vermuten, dass sich da mehr zusammenbraut. Aber der scharf geschnittene Bug der Orion durchschneidet sie mühe- und geräuschlos – nur nicht unbedingt trocken 🙂 Auf dem Westkurs kommen wir der Santorini-Gruppe näher, deren Hauptinsel Thira ist auch unser Plan B, falls der Starkwind uns zu früh ereilt. Zunächst aber fällt der Wind sogar ab – die Abdeckung von Thira hat uns im Griff. Das ist aber nicht von langer Dauer, neuer Wind kommt auf, um die Nordseite von Thira herum und somit viel vorlicher für uns. Wir können unseren Zielkurs nicht mehr halten, und es frischt kräftig auf; bald sind wir im 2. Reff und mit Kutter hoch am Wind bei mittleren 25 Knoten unterwegs – alles kein Problem, nur dass es noch mehr wird, müssen wir nicht haben.

… und bald liegt Ios vor uns

Aber die Vorhersagen passen, stärker wird es nicht, und je mehr wir uns Ios näher, wird auch die Richtung wieder besser, so dass wir gegen 15 Uhr nach etwa 30 Seemeilen praktisch auf direkter Linie in die Ankerbucht Paralia Papa hereinfallen. Hier gibt es herrlich klares, türkisblaues Wasser, an Land eine noch völlig unbelebt wirkende Hotelanlage (kein großer Klotz, sondern sich halbwegs in die Landschaft einpassend) – und hervorragenden Schutz vor dem aufziehenden Starkwind.

Perfekter erster Ankerplatz vor Paralia Papa

Auch der ersten Nacht bei viel Wind vor Anker haben wir mit etwas Nervosität entgegen gesehen, aber nach kurzer Zeit haben wir wieder verinnerlicht, dass wir hier viel besser aufgehoben sind als in jedem Hafen, und verbringen eine erholsame Nacht ohne jede Störung. Und Frühstück im Cockpit mit Blick auf die See und der aufgehenden Sonne im Osten – unbeschreiblich!

Ios / Gialos

Der Wind will auch im Laufe des Vormittags nicht nachlassen, aber dennoch machen wir uns auf den Weg um die Südspitze der Insel, um den Hafen von Gialos anzusteuern – ohnehin wollen wir diesen sowie die darüber gelegene Chora kennenlernen, und überdies ist heute auch noch Ostersamstag nach dem orthodoxen Kalender, und wir versprechen uns ein Osterfeuerwerk zu sehen zu bekommen!

Erst mal müssen wir aber hinkommen, und während wir auf der Ostseite der Insel noch ordentliche Wellenabdeckung erwarten dürfen, wird sich dies beim Umrunden der Südspitze drastisch ändern, denn es bläst mit 6 bis 7 Windstärken durch die Passage zwischen Ios und Thira – also uns genau auf die Nase. Mit gut zwei Metern signifikanter Wellenhöhe ermutigt uns die Vorhersage auch nicht sonderlich, aber die Orion wird’s schon machen, denken wir uns, und lichten den Anker …

Tatsächlich wird es nach Verlassen der Abdeckung sportlich; wir fahren nur unter Klüver so hoch am Wind, wie es angesichts der Wellen noch möglich ist – etwa 60° sind drin; damit machen wir nicht gerade schnell Höhe gut, aber der Weg ist ja auch nicht allzu weit. Wie erwartet steckt das Boot die Schläge tapfer weg, und wir kommen mit 5 Knoten Fahrt bei bis zu 30 Knoten Gegenwind gut voran – nur reichlich feucht wird es, wenn der Bug die meterhohen Wellen zerteilt! Aber gerade das verhindert, dass wir aufgestoppt werden, also Kopf einziehen und durch!

Erst als wir die große, gut geschützte Hafenbucht anlaufen, beruhigt sich die See endlich; durch den Kreuzkurs sind aus 12 Seemeilen 20 geworden, und wir waren über 4 Stunden unterwegs – für so einen begrenzten Zeitraum kann das durchaus Spaß machen, mehrere Tage am Stück müssten wir aber unter solchen Bedingungen nicht unterwegs sein, jede Bewegung an Bord wird zum Abenteuer!

Im Hafen von Ios

Wir finden einen Liegeplatz längsseits, können am Hafen noch etwas Gebäck zum Nachmittagskaffee erwerben und erholen uns von der feuchten Fahrt. Am Abend allerdings zieht sich der Himmel schlagartig zu, der Wind lässt ebenso schnell nach, um dann aus Nord neu einzusetzen; und dann regnet es doch am späten Abend tatsächlich, ausgerechnet um Mitternacht, wo wir das Osterfeuerwerk erwartet haben – so bleibt der Himmel weitestgehend dunkel, nur ein paar Böller werden gezündet; schade, vor allem für die Einheimischen – wir wissen ja von Astypalaia, wie sich die Insel(-jugend) ein ganzes Jahr auf dieses pyrotechnische Großereignis freut!

Ios / Chora

Am nächsten Vormittag schiebt der kräftige Nordwind die Wolken weg, und wir erkunden den Hauptort der Insel, zu dem uns ein knapp halbstündiger Aufstieg führt. Ios hat einen gewissen Ruf als Ziel für Partytouristen, und so sind wir gespannt, was uns erwartet. Tatsächlich finden wir einen etwas gespaltenen Ort vor: der neuere, tiefer gelegene Teil der Chora weist eine ganze Anzahl von Nachtclubs und der dazugehörigen Gastronomie (Burger-Grills, Lounge-Cafés) auf, allerdings wirkt alles deutlich gepflegter und weniger abschreckend als z.B. auf Ibiza; und der alte Teil des Dorfes mit seinen steilen, engen Pfaden zwischen schneeweißen Häusern ist äußerst hübsch!

Viel los ist natürlich noch nicht, aber das schadet ja nicht, umso besser können wir die Stimmung auffangen: wir steigen auf den höchsten Punkt des Hügels, der von mehreren Kapellen gekrönt ist, und lassen uns dort den ziemlich scharfen Wind um die Nase wehen; und belohnen uns unten im Dorf mit Köstlichkeiten von der lokalen Bäckerei.

Blick über die Chora

Am Abend planen wir, anlässlich des Osterfestes schön auszugehen; das geht allerdings gründlich schief: die Taverna, die wir uns dazu unten am Hafen ausgesucht haben, hat am Ostersonntag nicht geöffnet. Also steigen wir nochmal den Berg hoch, in der Hoffnung, in der Chora fündig zu werden. Hier bietet sich aber das gleiche Bild: alle richtigen Restaurants haben geschlossen, nur am Imbiss ist was zu bekommen – Ostersonntag isst man im Familienkreis, das wissen wir wohl, aber für die Touristen … nun, offenbar gibt es davon noch nicht genug, also kehren wir hungrig an Bord zurück.

Sikinos / Alopronia
Der Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Leuchtturm von Ios verabschiedet uns

Ostermontag verlassen wir also Ios, um eine Insel weiterzuziehen: nach Sikinos soll es gehen; die Insel gilt in touristischer Hinsicht als Kontrastprogramm zu Ios, hat nur wenige 100 Einwohner und ist seit der Antike für ihren Wein berühmt – wenn das keine guten Gründe sind!

Wir müssen noch bis zum Mittag warten, bevor wir unseren Liegeplatz auf Legerwall verlassen können; dann aber haben wir mit 4 Windstärken raumschots zum ersten Mal auf dieser Reise wirklich angenehme Bedingungen – schade, dass die Strecke nur so kurz ist!

Der Hafen von Sikinos liegt vor uns

Umso spannender ist die Situation im Hafen: dieser ist klein, hat im Inneren zwar durchaus hinreichende Wassertiefen, aber die Einfahrt liegt gleich neben einem hinreißenden Sandstrand – und dieser versucht beständig, sich in den Hafen zu ergießen! Man kann auch davor ankern, aber das tut schon ein einfamilienhausgroßer Katamaran, als wir um die Ecke kommen; also erkunden wir vorsichtig die Wassertiefen voraus auf der Sandfläche, um die Breite der Lücke zwischen Molenhaupt und Sandbank abschätzen zu können, und stoßen dann gaaanz langsam rückwärts Richtung Hafen vor …

Wohlverdienter Premium-Liegeplatz!

Kurz vorm Ziel zieht das Skeg eine kleine Furche durch den Sand, aber dann sind wir drin, und direkt an der Kaimauer haben wir sogar wieder drei Handbreit Wasser unterm Kiel – es scheint, dass es eine Kreisströmung im Hafen gibt, die gerade ausreicht, um eine Rinne vor der Mauer freizuhalten. Jedenfalls freuen wir uns, den einzigen Liegeplatz für Kielboote auf Sikinos bekommen zu haben (die zahlreichen Fischer fahren natürlich an uns vorbei über das Flach), finden aber auch, ihn uns mit unserem Präzisionsmanöver redlich verdient zu haben 🙂

Traumstrand inklusive – nicht, dass der Hafen etwas kosten würde …

Der kleine Ort ist sehr ruhig und sympathisch, der Sandstrand ein Traum – steigt man vom Boot ins Wasser, kann man zwei Meter neben der Bordwand bereits stehen, und es erstrecken sich hunderte Meter reiner, feiner Sand bis zum Strand, mit gleichbleibenden Tiefen um einen Meter. Das Wasser hat gut 20 Grad auf diesem Flach, am Strand ist sehr wenig los, und kein nochsokleines Kieselsteinchen piekst in die Fußsohlen – besser geht es nicht! Es gibt auch zwei gut bewertete Tavernas im Ort, aber die sind noch geschlossen, wer hätte das gedacht – das Osterfestessen ist also endgültig ausgefallen 🙁

Sikinos / Chora

Am nächsten Vormittag verbringen wir erst mal ein paar Stunden mit bootstypischen Problemen: uns plagen einige technische Probleme, und es gilt, Ersatzteile zu beschaffen; schon seit der Wasserung mag das Bord-WC kein Wasser mehr ansaugen – der Effekt ist nach langer Trockenheit der Ventile bekannt, statt sich wie in der Vergangenheit mit der Zeit von selbst zu reparieren, pumpt es nun aber noch nicht mal ab – unpraktisch 😉 Und seit dem Vorabend geht der externe Monitor im Cockpit nicht mehr an, da ist wohl der Controller defekt. Die Bereitschaft des bayerischen Systemhauses, welches das Set ursprünglich geliefert hat, schnell ein (!) Ersatzteil für ein 6 (!) Jahre altes Display zu liefern, geht stark gegen Null – mal wieder bereut man es, nicht für’s gleiche Geld 5 Displays in China gekauft zu haben, da lägen jetzt genug Ersatzteile im Schrank … aber nein, deutsche Industriequalität, da hat man wenigstens Service und einen Ansprechpartner, für 400 statt 80 € muss man doch mehr bekommen, denkt man … tja, teuer bezahlte Lektionen, das gehört wohl auch zum Segeln.

Mit dem Mittagsbus (nun ja … ein Kleintransporter, der sicher auch schon mal eine Ziege mitnimmt) fahren wir dann hoch in die Chora; diese ist sehr klein, sehr wenig touristisch – und sehr hübsch! Wir spazieren durch die engen Straßen und genießen den prachtvollen Kontrast der blühenden Pflanzen und der schneeweißen Mauern, alles immer eingerahmt von der dunkelblauen See. Von der Terrasse eines Hauses sprechen uns zwei alte Leute an und fragen, wie es uns gefällt; nach drei Worten auf Griechisch können wir es nur mit größter Mühe noch vermeiden, an ihrem Mittagstisch Platz zu nehmen, bekommen aber wenigstens noch einige Backwaren zugesteckt, die die Dame des Hauses am Vormittag zubereitet hat – man weiß ja nie, ob diese Ausländer auch genug essen 😉

Hinter uns bleibt die Chora zurück …

Selbst hier im Hauptort gibt es nur wenige Restaurants, und auch davon ist ein Großteil noch geschlossen; wir finden aber ein sehr nettes Café, welches uns leckere Freddos serviert, und machen uns so gestärkt auf den Rückweg zu Fuß – und zwar nicht entlang der Straße, die der Bus genommen hat, sondern auf einem gut bezeichneten Wanderweg durch die Berge.

… und wir wandern durch unberührte Berglandschaften

Fast 4 Stunden brauchen wir für die 8 Kilometer, es geht über Stock und Stein; aber es lohnt sich, wir begegnen keiner Menschenseele, die wilde Berglandschaft wirkt völlig unberührt, die Luft ist von intensivem Thymianduft und dem Gesumme tausender Honigbienen erfüllt. Ein herrliches Stück Natur!

Zurück am Hafen spült ein Bad direkt neben dem Boot den Staub und Schweiß ab, und dann entschließen wir uns zu einem mutigen Vorstoß: wir gehen zum einzig geöffneten Lokal im Ort, welches eigentlich zu einem kleinen Hotel gehört und eher darauf ausgerichtet ist, den ausländischen Gästen ihre Vorstellung von griechischer Küche zu servieren, sprich Gyros und Souvlaki; der Kellner schaut auch etwas erschreckt drein ob unserer Frage nach echtem Essen, aber nach Rücksprache mit der Köchin kratzt er zusammen, was er an Hausmannskost auftreiben kann, und wir bekommen ein leckeres Schmorgericht mit Kartoffeln und grünen Bohnen – wahrscheinlich, was Oma heute für die Familie gekocht hat. Dazu Bauernsalat, Brot, gebratener Käse und Pommes aus frischen Kartoffeln – was will man mehr!

Folegandros / Paralia Boreina

Mittwoch müssen wir uns dann leider von Sikinos verabschieden – schweren Herzens, hier hat es uns sehr gut gefallen. Aber leider haben wir einen Zeitplan, und die Windverhältnisse sind uns (wie die ganze Zeit schon) nicht sehr freundlich gesonnen, zeichnet sich doch zum Wochenende eine Störung mit Windgeschwindigkeiten bis zu 40 Knoten ab – da möchte man nicht mehr unterwegs sein. Das bedeutet auch, dass wir auf der nächsten Insel, Folegandros, keinen Hafentag einlegen können, wenn wir später nicht in den Sturm geraten wollen – schade, die Chora der Insel gilt als eines der schönsten Inseldörfer.

Tolle Felswände neben dem Strand von Boreina

Wir suchen also einen Ankerplatz für eine Nacht, und eigentlich hatten wir einen schönen Sandstrand auf der Südseite der Insel ins Auge gefasst. Als wir aber auf See sind, stellen wir fest, dass es nicht nur absolut keinen Wind gibt, es rollt auch noch eine lange, alte Dünung aus Süd heran. Also ändern wir kurzerhand den Plan und steuern einen abgelegen Ankerplatz auf der Nordseite an, der wenig frequentiert wird – beim ‘normalen’ Nordwind ist das die schwer zu besuchende Inselseite. Trotz der felsigen Umgebung finden wir reichlich Platz auf Sand, es ist vollkommen ruhig und sicher – außer bei Nordwind halt 😉 Wir genießen die Aussicht, werfen den Grill an und freuen uns über unsere Entscheidung, hierher gekommen zu sein!

Kimolos / Paralia Alyki

Am Donnerstag wollen wir den Rest der Strecke bis Milos zurücklegen – fast jedenfalls, den für Freitag ist der Durchzug einer Zyklone angesagt mit Windgeschwindigkeiten bis 9 Beaufort und Gewitter, das wollen wir doch an einem möglichst sicheren Ankerplatz durchstehen. Da der Mist aus Südwest heranrückt, sollten wir zunächst ordentlichen Ostwind bekommen, den wir für die Strecke gen Westen nutzen wollen – so ist es jedenfalls angesagt. Wir warten bis zum Mittag an unserem Ankerplatz, aber so richtig merken wir nichts vom aufkommenden Wind. Schließlich lichten wir doch den Anker, damit es nicht zu spät wird; etwas ab von den steilen Klippen stellen wir fest, dass der Wind schon aus der richtigen Richtung kommt, statt der vorhergesagten 20 Konten sind es aber kaum 10. Geduld, sagen wir uns – und das Stunde um Stunde,  während wir langsam gen Westen dümpeln und der Wind einfach nicht zulegen will.

Bei verhangenem Himmel dümpeln wir auf Kimolos zu

Es ist nach 19 Uhr, als wir endlich den angestrebten Ankerplatz südlich der Insel Kimolos erreichen, der perfekten Schutz vor den Sturm- und Gewitterböen aus Nord verspricht; der Ankergrund ist hervorragend, wir legen 40 m Kette auf 5 m Wassertiefe – nur der Wind lässt weiter auf sich warten, und dabei bleibt es auch die ganze Nacht. Was das Sturmtief aber schon vorausschickt, ist ein Schwell von vielleicht einem Viertelmeter – nicht viel, aber in der Richtung haben wir keinerlei Schutz, und eben auch noch keinen Wind, der das Boot vor Anker stabilisieren könnte; so verbringen wir eine äußerst schaukelige erste Nacht am Ankerplatz.

Sturm am Ankerplatz

Am nächsten Morgen hat der Wind endlich auf Nordost gedreht, ist aber immer noch nicht sehr stark; es regnet etwas, aber erst gegen Mittag kommt der angekündigte Sturm – dafür aber richtig! Binnen kürzester Zeit weht es mit Windstärke 7 bis 8 aus Nord, die Böen kratzen an der 10. Wie erwartet hält der Anker problemlos, und an Bord ist es sogar angenehmer als bei der Schaukelei zuvor, stoppt doch der Sturm endlich den Schwell und stabilisiert das Boot; leise ist es aber nicht eben, der Wind heult im Rigg, und trotz der geringen Anlauflänge vom Strand rauschen ganz ordentliche Wellen am Rumpf entlang. So bleibt es für den Rest des Tages – und der Nacht, die also wieder nicht allzu erholsam gerät.

Milos / Adamas

Erst am Samstagvormittag lässt der Sturm endlich nach – auch das passiert später als vorhergesagt. Wir verlassen den Ankerplatz und wollen nach Milos, welches wir schon seit zwei Tagen eine Seemeile hinterm Heck anschauen können. Der Weg in den Hafen ist aber deutlich länger, denn die Insel umschließt eine (von mehreren Vulkantrichtern gebildete) ausgedehnte Bucht, die nur vom Nordwesten aus zugänglich ist. Der Weg dorthin führt durch die kaum einen Kilometer breite Passage zwischen Milos und Kimolos, die in ihrer Mitte Wassertiefen von gerade 10 Metern aufweist. Die signifikante Wellenhöhe beträgt heute laut Vorhersage noch anderthalb Meter – aber das gilt für den offenen Seeraum; in der Passage, wo die Wellen gegen den ansteigenden Grund anlaufen, herrscht reines Chaos mit vielen Metern hohen Brechern! Der Ritt hindurch wird äußerst feucht und … lebhaft; an Fotos oder Videos ist leider nicht zu denken …

Die Orion in Adamas / Milos

Später, im Hafen von Adamas angekommen, werden wir als erstes gefragt, wo wir denn heute herkommen – oh, Kimolos, wie war es denn in der Passage?  So verdient man sich den Respekt der Einheimischen – oder wird vielleicht auch für komplett verrückt gehalten 😉 Ein österreichisches Boot klagt aber, dass es während des Sturms im Hafen völlig unerträglich war – nicht unwahrscheinlich, dass wir vor Anker besser aufgehoben waren. Vielleicht (na ja, ziemlich sicher) hätte man nur mit der Überfahrt noch einen Tag warten sollen, aber Zeit ist ja nun ein kostbares Gut, und für irgendwas müssen die U-Boot-Qualitäten der Orion ja auch mal gut sein.

Am Sonntag erkunden wir die Insel mit dem Leihwagen. Milos ist wie Santorini eine Vulkaninsel, nur dass hier der letzte große Ausbruch 60.000 Jahre zurück liegt. In geologischen Maßstäben ist aber auch das keine lange Zeit, und so gibt es auf der Insel noch zahlreiche Thermalquellen und Fumarolen. Auffälligste Konsequenz der vulkanischen Vergangenheit ist aber die Beschaffenheit des Landes: die Felsen leuchten in den Unterschiedlichsten Farben, überall werden diverse Mineralien und Metalle abgebaut, und häufig riecht es nach Schwefel. Schon im Altertum waren die Bodenschätze der Insel sehr geschätzt, Obsidian von Milos ist seit 7.000 Jahren ein im ganzen Mittelmeerraum zu findender Exportartikel!

Farbenrausch bei Paralia Paleochori

Wir besuchen zunächst die Südküste der Insel, wo sich ein spektakulärer Strand an den anderen reiht. Den Beinamen ‘Insel der Farben’ hat sich Milos wahrlich verdient, die Felsen leuchten in allen Gelb- Orange- und Rottönen, was einen hinreißenden Kontrast mit dem türkisfarbenen Flachwasser und dem tiefblauen Meer bildet. Die weichen, vulkanischen Ablagerungen werden außerdem vom Meer zu bizarren Formen gestaltet – ein Fest für’s Auge! Touristisch wirkt die Gegend dennoch wenig erschlossen – es gibt nur wenige Hotels der bessern Kategorie, Massentourismus sucht man hier vergebens. Man muss sich allerdings auch vor Augen halten, dass die Insel recht groß ist – und der Süden wirklich sehr abgelegen, nennenswerte Ortschaften gibt es nicht, nur tolle Strände und außergewöhnliche Natur.

Weiter geht die Rundreise nach Pollonia im Nordosten; hier ist deutlich mehr los, zahlreiche Restaurants werben um die Gäste. Am kleinen Hafen verkehrt die Pendelfähre hinüber nach Kimolos, und von den Klippen über der Bucht haben wir einen hervorragenden Blick auf die Stätte unseres Abenteuers vom Vortag. Selbst 24 Stunden später herrscht hier noch recht konfuser Seegang …

Agios Konstantinos

Weiter geht es, an der Küste entlang; hier finden sich etliche, tiefe Einschnitte, an denen sich vor langer Zeit Fischer angesiedelt haben. Heute dienen die malerisch gelegenen, kleinen Häuser als Ferienunterkünfte …

Felsskulpturen aus Bimsstein

Bei Sarakiniko bestehen die Felsen aus weichem, weißem Bims; tief hat sich die anbrandende See hier ins Land gearbeitet und nicht nur einen spektakulären Strand am Ende einer tief eingeschnittenen Schlucht sowie glatte Felsplateaus zum Sonnenbaden geschaffen, sondern auch abstrakte Skulpturen, die mit ihrem Spiel aus Licht und Schatten faszinieren.

Paralia Sarakiniko
Plaka: hübsch …

Als nächstes liegt der Hauptort der Insel auf unserer Route, welcher ausnahmsweise nicht nur Chora genannt wird, sondern Plaka heißt. Einwohnermäßig hat der Hafenort Adamas diesen zwar inzwischen überholt, aber hier findet sich die Altstadt, das Rathaus, die größte Kirche – und natürlich der unvermeidliche Burgberg mit einer Kapelle auf den Ruinen des Kastros.

… aber ganz auf Touristen eingestellt

Wir trinken in einem netten Café einen Freddo zur Stärkung (der preislich allerdings schon an deutsche Verhältnisse denken lässt – hier ist der Tourismus voll angekommen!), bevor wir den Berg erklimmen, von wo sich uns eine herrliche Aussicht über die ganze Insel bietet.

Blick vom Kastro über die Bucht von Milos

Auf dem Rückweg besuchen wir endlich auch die berühmteste Tochter der Insel: unterhalb der Stadt, unweit des Fundortes, steht eine Replik der als Venus von Milo bekannten Marmorstatue, welche die griechische Göttin Aphrodite darstellt – und sinnigerweise auch als solche benannt werden sollte und nicht nach ihrer römischen Kollegin.

Die unechte Aphrodite im echten Milos

Aber viel Gutes ist ihr ohnehin nicht widerfahren, seit sie 1820 von einem Bauern unweit der Ruinen des alten Theaters entdeckt wurden. Dieser wurde für eine der berühmtesten Skulpturen der Welt von französischen Antiquitätenjägern mit einer Handvoll Geldstücken abgefunden, und diese schenkten sie dann dem französischen König, der sie im Louvre in Paris aufstellen ließ – wo sie bis heute als Raubkunst steht (wenn auch dieser Begriff politisch korrekt natürlich erst für Kunstwerke verwendet wird, die nach 1939 aus ihren Ursprungsländern gestohlen wurden). Verdient hat die Hübsche das sicher nicht, perfekt gearbeitet sind ihre Züge und Proportionen sowie der Faltenwurf ihres Gewandes – es hat fast zweitausend Jahre gedauert, bis man in Europa so etwas wieder erschaffen konnte.

Die Syrmata in Klima

Zu guter Letzt besuchen wir den kleinen Küstenort Klima; hier findet sich eine architektonische Besonderheit der Insel Milos in größter Dichte, die sogenannten Syrmata: zweigeschossige Fischerhäuser, deren direkt an die See gebautes Erdgeschoss als Bootsgarage dient. Die Fronten sind farbenfroh gestaltet, und der Anblick von See ist wirklich malerisch.

Am Abend besuchen wir noch ein Restaurant in Trypiti, ganz in der Nähe der Aphrodite, wo man in einem schön angelegten Garten mit Blick auf die Bucht von Milos die Farben des Abendhimmels und sein Essen genießen kann; damit endet dann leider auch schon das erste Drittel unseres Frühjahrstörns.

Werftzeit (04.04. – 30.04.)

Anfang April geht es endlich zurück nach Astypalaia, wo die Orion den ganzen Winter verbracht und tapfer allen Stürmen getrotzt hat; wie immer nach langer Abwesenheit ist es spannend, zum ersten Mal unter Deck zu gehen und zu prüfen, ob alles an Bord in Ordnung ist … aber ja, außer etwas abgestandener Lust gibt es nichts zu bemängeln!

Mit neuem Antifouling …

Also kann die Arbeit gleich losgehen: zunächst gibt es einige Schäden zu beseitigen, unter Wasser die Schrammen von der etwas verunglückten Wasserung vor zwei Jahren, und an Deck kleinere Roststellen unter der Genuaschiene und dem Mastfuß. Es zeigt sich, dass selbst der heftige Aufschlag auf den Trailer die 2K-Epoxidbeschichtung nicht beschädigt hat, nur das Antifouling und der Primer sind komprimiert und weggeschoben; aber um ganz sicher zu gehen, dass es nicht doch Haarrisse gibt, die sich mit der Zeit entwickeln, werden diese Stellen ebenso wie die an Deck mit viel Gefühl sandgestrahlt, um einen kontrollierten Übergang auf die Epoxidschicht zu erreichen, und dann neu beschichtet.

… und bereit zum Wassern!

In Folge der Arbeiten am Mastfuß bekommt auch der Aufbau eine neue Schicht weißen Lacks, und das Laufdeck wartet eh seit Jahren auf eine Auffrischung der Anti-Slip-Farbe. Unterwasser wird neues Antifouling aufgebracht, der blaue Streifen überm Wasserpass wird auch aufgefrischt, ebenso alles Holz im Cockpit; und außerdem gibt es natürlich noch tausenderlei Kleinigkeiten (von denen mansche sich als gar nicht so klein herausstellen): die neu genähte Sprayhood (in hitzefreundlichem Weiß) muss montiert werden, am Mast stehen ein paar Arbeiten an, ein paar Stecker und Kabel wollen erneuert werden, und die Abpumpleitung für das Abwasser bekommt einen zusätzlichen Absauganschluss (in der Türkei ist das vorgeschrieben). Eine ganze Menge Arbeit – und die Zeit ist knapp bemessen. Zunächst spielt das Wetter noch mit, aber dann dreht der Wind auf Südost – für Lackierarbeiten ist die Luft zu feucht und zu staubig.

Auf dem Weg zum Strand …

So wird es eine knappe Angelegenheit, aber am Mittwoch den 24. ist es endlich soweit, die Orion macht sich auf den Weg zum Strand! Diesmal geht es (glücklicherweise) nicht ganz so schnell ins Wasser, im Gegenteil: da sich die fahrbare Verlängerung für den Trailer über den Winter festgerostet hat, wird eben eine neue aus einem Laternenmast geschweißt (der Landeskundige fragt sich, wo auf der Insel jetzt wohl kein Licht mehr brennt …), aber nach anderthalbstündigem Aufenthalt auf dem Strand ist auch die fertig, und kurz darauf schwimmt die Orion wieder!

… und schließlich mit Mast und Segeln!

Tags drauf wird der Mast gestellt, und somit sieht sie wieder wie ein Segelboot aus – dennoch braucht es weitere 4 Tage, bis das Rigg gespannt ist, alle Segel angeschlagen sind, das laufende Gut vervollständigt und Proviant gebunkert ist. Außerdem läuft parallel natürlich das unvermeidliche Sozialprogramm, verbunden mit der Aufnahme unbeschreiblicher Mengen köstlicher Nahrungsmittel – man kann doch den Werftarbeiter nicht verhungern lassen!

So sind gut dreieinhalb Wochen wie im Fluge vergangen, eine äußerst anstrengende Zeit mit vielen Arbeitsstunden, aber wie immer auch viel Hilfe und Unterstützung von allen Seiten – allen, die sich beim Lesen hier angesprochen fühlen, sei gedankt! 🙂