Gefangen auf Ibiza (12.03. – 26.05.)

Am frühen Donnerstagmorgen geht es noch vor Sonnenaufgang los: 50 Seemeilen sind es bis Ibiza, und wir wollen nicht allzu spät ankommen. Es ist Südwind um 10 Knoten angesagt, mit dem neuen Code 0 sollte sich damit ganz gut Fahrt machen lassen.

Bei Sonnenuntergang nähern wir uns Ibiza

Tatsächlich weht zunächst deutlich mehr Wind, dafür aber aus einer viel östlicheren Richtung; damit machen wir einige Stunden sehr  gute Fahrt, bis gegen Mittag der Wind auf das angesagte Maß zurückgeht, ohne aber die Richtung zu ändern. Am Wind kann der Code 0 mit 10 Knoten noch einiges anfangen, vorm Wind dagegen … wir wechseln also auf den Gennaker, und später am Nachmittag auch wieder zurück; so schmilzt der zunächst herausgefahrene Vorsprung dahin, und wir erreichen Ibiza nach 20 Uhr; wenigstens durften wir zuvor noch einen tollen Sonnenuntergang auf See bewundern!

Cala Portinatx

Die für die Ankunft ausgesuchte Ankerbucht begrüßt uns mit einer Überraschung: wir sind nicht allein, ein kanadischer Katamaran ankert dort bereits – um diese Jahreszeit ja eher außergewöhnlich. Da außerdem viele alte Murings oder deren Überreste im Wasser schwimmen, ist es in der Dunkelheit nicht ganz einfach, einen brauchbaren Ankerplatz zu finden, aber nach ein paar vorsichtigen Runden gelingt es uns doch.

Cala Portinatx

Am nächsten Morgen setzen wir gleich mit dem Dinghi zum Strand über, es soll nämlich gleich zwei Supermärkte und eine Bäckerei im Ort Portinatx geben, und wir wollen die Ankunft mit einem anständigen Frühstück feiern – dem ist auch so, aber die Supermärkte sind noch sowas von geschlossen, der ganze Ort ruht noch; die Saison hat hier noch lange nicht begonnen. Ein Baguette können wir aber glücklicherweise erwerben, das Willkommensfrühstück ist gerettet!

Danach halten wir uns aber nicht mehr lange auf, den wir wollen ein paar Seemeilen weiter die Küste entlang in eine andere Ankerbucht, die

Cala Benirràs

Dort angekommen sind wir begeistert: bizarre Felsenformationen in der Einfahrt und unbeschreiblich klares Wasser begrüßen uns, der Schutz gegen Ostwind und Schwell ist prima – was will man mehr!

Cala Benirràs

Am Strand befinden sich einige alte Fischerhütten, außerdem auch zwei einfache Strandbars, die aber – natürlich – noch geschlossen sind. Dennoch zieht die Cala einige Menschen an, die am Strand in der Sonne – und manchmal auch im mit 17 Grad noch recht frischen Wasser – baden oder Yogaübungen auf den Felsen ausführen. Ibiza ist nicht nur für seine Party-Clubs in den Städten bekannt, sondern auch für eine sehr alternative Szene abseits davon – und dieser entlegene Strand scheint den Inselhippies gut zu gefallen, am Abend finden sich Gruppen von Menschen zusammen, die mit rhythmischem Trommeln den Sonnenuntergang begleiten.

Abendstimmung über der Cala

Uns gefällt es auch gut, wir bleiben zwei Tage, machen Landausflüge und genießen die Wärme des Nachmittags und den tollen Abendhimmel; nur weil langsam die Frischvorräte zur Neige gehen und außerdem eine Wetterverschlechterung angesagt ist, machen wir uns am Sonntag wieder auf den Weg. Dass der Wind dabei so günstig weht, dass wir unter Segeln den Anker aufholen können, versüßt noch den Abschied …

Ibizas Nordwestküste bei Cabo Novo

Die vorbeiziehende Nordwestküste Ibizas ist steil und felsig, aber mit einigen 100 Metern weniger hoch und unzugänglich als die Mallorcas. Auch bedecken meist Wälder die Hügel, nur Zivilisation sieht man praktisch keine – eine tolle Landschaft! Der Wind weht nach wie vor aus östlichen Richtungen, was bedingt durch die Abdeckung durch die Steilküste zu sehr abwechslungsreichen Segelbedingungen führt, zwischen 0 und 20 Knoten Wind ist alles drin, aber wir haben es nicht eilig, können die Segel den Maximalwerten anpassen und in den Windlöchern eben etwas länger die spektakulären Steilhänge betrachten 🙂

Sant Antoni de Portmany
Selbst ohne Corona wohl noch vorsaisonbedingt geschlossen: das berühmte Cafe del Mar

Wir ankern noch eine Nacht direkt vorm Strand von Sant Antoni, bevor wir am nächsten Vormittag in den Gemeindehafen einlaufen. Dort sind wir sehr erstaunt, nach 5 Tagen ohne Kontakt mit der Zivilisation feststellen zu müssen, dass die Corona-Panik in der Zwischenzeit auch Spanien fest im Griff hat: wir dürfen nur für die notwendigsten Besorgungen die Steganlagen verlassen, und ob wir überhaupt wieder auslaufen dürfen, ist noch unklar.

Beim Gang zum Supermarkt fühlen wir uns wie in einem Endzeitfilm: die Straßen sind fast menschenleer, nur vermummte Arbeiter sprühen Wege und Wände mit Desinfektionsmitteln ein; den Supermarkt kann man nur einzeln durch eine Schleuse betreten, um dann vor leeren Regalen zu stehen. Alle Restaurants etc. sind geschlossen, und wir erfahren, dass es auch keine Flüge von und zu den Inseln mehr geben soll – na das kann ja noch heiter werden!

Cala Codolar

Mittwoch bekommen wir dann wenigstens doch die Erlaubnis, auszulaufen – allerdings verdeutlicht man, dass wir nirgendwo anders wieder einlaufen dürfen … wir können also in der Umgebung von Sant Antoni ankern, bei Bedarf dort mit dem Dinghi anlanden um einzukaufen, und in Notfällen sogar im Hafen anfragen, um dort nochmal festzumachen … na prima.

Quarantänestation Cala Codolar

Wir segeln knapp 10 Seemeilen aus der Bucht von Sant Antoni heraus, denn diese ist mit ihrer dichten Hotelbebauung nicht unbedingt attraktiv; viel schöner ist es in der Cala Codolar: ein paar Villen überblicken den Ankerplatz, ansonsten Natur und tolle Felsformationen – das kristallklare Wasser bedarf ja keiner Erwähnung mehr. Solange der Wind aus nordöstlicher Richtung weht – und das tut er auf Tage hinaus – können wir hier bleiben; wo wir bei Starkwind aus Nordwest an dieser gesamten Küste unterkommen sollen, steht allerdings in den Sternen, ebenso, wie lange dieser Zustand anhalten soll … die aktuellen Verordnungen gelten zunächst mal bis Ende des Monats, also mindestens zwei Wochen, in denen wir uns am Rande der Legalität bewegen, denn jeder unnötige Aufenthalt im Freien – also auch die Benutzung von Sportbooten – ist ja untersagt, ebenso wie ein Spaziergang an Land, um nach tagelangem Herumsitzen mal die Beine zu benutzen 🙁

Zurück in Sant Antoni

Am Montag den 23. verlassen wir unseren Ankerplatz, da für Dienstag Starkwind und bis 2 Meter Schwell angesagt sind – den möchten wir ungern in der zur See hin offenen Cala abbekommen, die Erinnerung an Cala Figuera wirkt da noch nach.

Sonnenuntergang über der Bucht von Sant Antoni

Die Bucht von Sant Antoni bietet guten Schutz bei den meisten Bedingungen, und man kann mit dem Dinghi bequem an Land kommen, um einzukaufen; wir stellen fest, dass auch einige der hier ankernden oder an Muringbojen liegenden Boote bewohnt sind – es gibt also doch noch mehr Corona-Gefangene. Die Aussicht Richtung Land ist halt weniger schön als draußen in der Natur, aber da sich das Wetter in den nächsten Tagen eh launisch zeigt, ist das nicht so schlimm, und wir bleiben vorerst an diesem gut geschützten Ankerplatz. Die totale Ausgangssperre in Spanien ist inzwischen bis mindestens zum 11. April verlängert worden – das kann noch heiter werden. So vergehen Tag um Tag recht ereignislos – wäre es wenigstens wärmer und sonniger, könnten endlich mal alle erdenklichen Edelstahlteile an Deck poliert werden, aber so …

Osterausflug

Zum Wochenende bessert sich wenigstens das Wetter: für die Karwoche ist Sonnenschein angesagt, und so holen wir am Samstag den 4. April den Anker auf und machen uns wieder auf den Weg zu einem Ankerplatz mit schönerer Aussicht, nachdem wir in Sant Antoni nochmal Frischvorräte ergänzt haben – sonst dürfen wir ja nirgends an Land …

In der Cala Carbò

Wir fahren etwas weiter nach Südwesten als bei unserem letzten Ausflug; Ziel ist eigentlich die Cala d’Hort in knapp 15 Seemeilen Entfernung, doch weil noch einiger Schwell aus Südwest angelaufen kommt und der angedachte Ankerplatz dagegen recht ungeschützt ist, schauen wir uns schon kurz vorher die Cala Carbò an, welche weniger offen ist. Hübsch ist es da, aber auch recht eng, und der Ankergrund besteht aus großen Steinen – kaum möglich den Anker einzugraben, und genug Kette kann man erst recht nicht stecken, in der Breite hat es kaum 25 Meter bis zu den Felsen. Nun liegen da aber zwei hübsche, leuchtend weiße Muringbojen – im klaren Wasser lässt sich mühelos erkennen, dass diese für schwere Boote ausgelegt und in hervorragendem Zustand sind. Bestimmt gehören sie zu der Villa auf der Anhöhe, aber deren Bewohner dürfen ja eh nicht vorbeikommen – auch Fahrten zum Zweitwohnsitz übers Wochenende sind strengstens verboten … also schanghaien wir uns eine und liegen nun prächtig für die nächsten Tage 🙂

Der perfekte Ibiza-Sonnenuntergang

Vorteil dieses Ankerplatzes ist der unversperrte Blick Richtung Westen – die Sonnenuntergänge an Ibizas Westküste sind nicht grundlos berühmt! Uns war in Sant Antoni schon aufgefallen, dass gegen 20 Uhr die Einwohner von ihren Balkons aus johlen und applaudieren – in Zeiten der totalen Ausgangssperre versucht man wohl wenigstens an einigen Traditionen festzuhalten. Hier ist es vollkommen menschenleer, und die Sonne geht nur für uns unter …

Inzwischen gibt es schon wieder schlechte Neuigkeiten: schon eine Woche vor dem Ablauf des Ausnahmezustandes hat die spanische Regierung gleich mal zwei Wochen nachgelegt. Damit sind wir also mindestens bis zum 25. April interniert 🙁

Norwegische Aussicht: die Islas Vedràs

Am Mittwoch ist nach tagelanger Flaute die See so ruhig, dass wir uns um die Ecke in die Cala d’Hort verholen; hier gibt es viel mehr Platz, besten Sandgrund und … einen tollen Ausblick auf die vorgelagerten Islas Vedràs! Fast 400 Meter hoch ragen deren Felsen steil aus dem Meer – wir fühlen uns doch sehr ans nördlichere Norwegen erinnert! Nur wärmer ist es natürlich – bei ständigem Sonnenschein erreichen die Nachmittagstemperaturen 22° im Schatten, und selbst das Wasser schafft die 18°-Marke – immer noch reichlich frisch, aber nach Wochen ohne Dusche gibt es kein Halten mehr …

So vergehen die Tage bis Ostern, das sonnige, ruhige Wetter bleibt uns erhalten; getrübt wird die Zeit nur von der Nachricht, dass der Premierminister seine Meinung kundgetan hat, die Ausgangssperre müsse wohl noch einmal um weitere zwei Wochen verlängert werden – dies zu kommunizieren, bevor auch nur der aktuelle Zeitraum (der ja die zweiwöchige Verlängerung des ursprünglichen Zeitraums ist) abgelaufen und die ja ohnehin bereits erlassene, vierzehntägige Verlängerung begonnen hat, mutet doch etwas übereifrig an. Überhaupt scheint auch die Polizei beim Verteilen von Strafzetteln mit einem Eifer vorzugehen, welcher das übliche Niveau dieses Berufsstandes deutlich übertrifft; insgesamt können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass ein kleiner Teil der spanischen Bevölkerung geradezu begeistert davon ist, den größten Teil einsperren und verfolgen zu dürfen, von ‘so viel wie eben nötig’ kann hier keine Rede sein (exemplarisch sei hier die Überwachung von völlig entlegenen Gebieten mit Drohnen genannt) – merkt man daran vielleicht, dass mit dem Ideengut der Franco-Diktatur nie richtig aufgeräumt wurde?!?

Und wieder Sant Antoni …

Am Dienstag den 14. April verlassen wir die Cala d’Hort und machen uns wieder auf den Weg nach Sant Antoni – nach 10 Tagen ist der Kühlschrank mal wieder leer, und außerdem ist für die folgenden Tage schlechteres Wetter angesagt.

Am Donnerstag besucht uns ein RIB der Guardia Civil – wir hätten doch kürzlich noch weiter südlich geankert, das ginge so aber nicht, einfach woanders hinzufahren! Wir erklären, dass sich vor einem Monat der Hafenkapitän noch anderweitig geäußert hat – egal, jetzt jedenfalls geht das nicht mehr. Auf die Frage, in wiefern wir zur Verbreitung des Virus beitragen, wenn wir ja eh nicht das Ufer betreten dürfen, verzichten wir gleich – dieser Corona-Wahnsinn hat längst das Stadium verlassen, in dem man Sinnfragen stellen konnte. Nun ist es also amtlich: wir können hier versauern und uns noch wochenlang den menschenleeren Strand von Sant Antoni anschauen – die nächste zweiwöchige Verlängerung des Ausnahmezustandes wird nämlich auch gleich verkündet. Als ziemliche Ironie wirkt dabei doch das Zugeständnis, welches die Regierung dabei für die Kinder gemacht hat: bis zum Alter von 13 Jahren dürfen sie ab der nächsten Woche einen Elternteil auf dem einzig zugelassenen Weg zum Supermarkt begleiten! Nach 6 Wochen Wohnungshaft werden sich die Kleinen sicher sehr über diese Abwechslung freuen …

Wie den Medien zu entnehmen ist, ist auch bei den Spaniern die Begeisterung über die Maßnahmen nicht gerade hoch – einerseits hier auf den Inseln, wo der Virus ja schon praktisch kein Thema mehr ist und man sich eher mit der bevorstehenden Massenarbeitslosigkeit in der völlig vom Tourismus abhängigen Region befasst, andererseits aber auch in Madrid und den anderen Großstädten, wo die Leute nicht verstehen können, warum sie sich zwar zweimal täglich in die überfüllte U-Bahn quetschen müssen, um ihrem Job nachzugehen, aber dann nach Feierabend nicht allein im Wald spazieren gehen dürfen. Tja, wer darin einen Sinn findet, der darf ihn behalten …

Unterdessen hängen wir hier also weiter ab, mit dem abendlichen Applaus als einzige Abwechslung; wie eine gewöhnlich gut unterrichtete Leserin dieses Reiseberichts zu berichten wusste, gibt es diesen inzwischen in ganz Spanien, und wird dort dem Einsatz der Pflegekräfte gewidmet – ob das hier inzwischen auch so verstanden wird, entzieht sich unserer Kenntnis, aber in jedem Fall wurde in Sant Antoni auch schon vor Corona-Zeiten allabendlich dem Sonnenuntergang zugejubelt, im Sommer von mehreren tausend Menschen, die sich am Sunset Strip, dem Westufer der Stadt, versammeln; vielleicht war das ja sogar die Inspiration zum jetzigen, landesweiten Event. Die Pflegekräfte auf Ibiza haben jedenfalls mangels Coronapatienten nicht besonders viel zu tun (momentan gelten noch 63 Menschen auf Ibiza und Formentera als infiziert, bei 160.000 Einwohnern) …

Schlimmer geht immer

Am Freitag den 24. April erwartet uns eine neue Überraschung: die Guardia Civil besucht uns und teilt mit, dass wir bis Montagmorgen die spanischen Gewässer verlassen haben müssen, ansonsten droht eine Geldstrafe von 30.000 Euro – ja, genau die gleiche Polizei, die seit knapp 6 Wochen sagt, dass wir auf keinen Fall wegfahren dürfen. Dass dies praktisch unmöglich ist, stört dabei offenbar wenig …

Nun, was tut man in so einem Fall: man wendet sich an das Deutsche Konsulat in Palma – die sind doch dafür da, die Interessen von Bundesbürgern im Ausland zu vertreten, oder? Dort ist man aber erst mal ganz anderer Ansicht und gibt den hilfreichen Rat, man möge sich an einen spanischen Anwalt wenden und vor dem obersten Gerichtshof auf die Einhaltung von EU-Rechten klagen. Ganz anders die Reaktion beim nächsten Anruf beim Auswärtigen Amt in Deutschland: doch, natürlich würde man helfen! Allerdings hat man dann intern den Fall wieder nach Palma weitergereicht, worauf sich die dortige Leiterin gemeldet und in der Folge ein mehrtägiges Lehrstück darüber abgeliefert hat, wie ein kaiserlich-preußischer Beamte den Bürger auflaufen lässt, wenn dieser zu lästig wird. Nun, Leiterin und Stellvertreter des Deutschen Konsulats in Palma haben sich mit jeder Beschreibung spottender Arroganz den unangefochtenen Spitzenplatz auf der Liste derjenigen Staatsdiener erkämpft, für die jeder Cent der gezahlten Steuern verschwendet ist.

Einziger Lichtblick ist das holländische Boot, welches 100 Meter entfernt ankert: die haben ebenfalls ihre Botschaft kontaktiert und eine völlig verschiedene Auskunft bekommen: selbstverständlich werde man sich der Sache annehmen, sie sollten sich keinerlei Sorgen machen, und auf keinen Fall in See stechen und irgendein Risiko eingehen. Der Hinweis darauf an die deutschen Diplomaten und der Vorschlag, man könne doch mit den holländischen Kollegen Kontakt aufnehmen und an einem Strang ziehen, wurde abschlägig beantwortet: dazu habe man keine Veranlassung. Also, unsere letzten Hoffnungen ruhen auf unseren freundlichen Nachbarn im Westen, die das Gutsherrentum nicht nur der Form nach abgelegt haben …

Phasenweise Lockerungen

Tatsächlich beruhigt sich die Lage wieder, und das ausschließlich Dank des Einsatzes der niederländischen Botschaft: nachdem der Botschafter persönlich tagelang versucht hat, einen Vertreter der lokalen Hafen- oder Polizeibehörde ans Telefon zu bekommen (die sich teilweise auf geradezu komödiantisch anmutende Weise von ihren Sekretärinnen haben verleugnen lassen), ist auf einmal keine Rede mehr von Ausweisungen oder Geldstrafen – das Boot der Guardia Civil schaut noch einmal vorbei, sieht aber gar kein Problem mehr, und danach lassen sie sich die Beamten kein einziges Mal mehr blicken … wieviel man als offizieller Landesvertreter mit nichts weiter als einem Telefon erreichen kann, ist doch erstaunlich – und demaskiert die Aussage der deutschen Amtskollegen ‘wir können nichts für sie tun’ als eben die dummdreiste Lüge, die sie ist.

Unterdessen stellt der spanische Premierminister einen stufenweisen Plan vor, wie man bis zur Phase 3 schrittweise das Leben im Land wieder zulassen will – und damit das auch ja nicht zu schnell geht, fängt man bei Null an zu zählen … aber selbst die ‘Phase 0’ bringt für die Menschen schon Fortschritte: man darf erstmals seit fast zwei Monaten wieder einen Spaziergang an der frischen Luft unternehmen, wenn auch nur in einem engen Radius um die Wohnung und zu festgesetzten Zeiten – aber auf einmal sieht man wieder Menschen (ohne Hund) auf der bislang wie ausgestorben wirkenden Insel.

Zum zweimonatigen Jubiläum des Ausnahmezustandes wird dann sogar wieder das Sporttreiben erlaubt, und theoretisch dürfte man in diesem Rahmen auch sein Segelboot benutzen – für Tagesausflüge im Gebiet der Heimatgemeinde. Nun, was immer das für ausländische Boote bedeutet, zunächst mal ist das Wetter zu instabil, um darüber auch nur nachzudenken, bis zu 35 Knoten Wind schütteln die Ankerlieger ordentlich durch, aber zum Wochenende des 16./17. Mai beruhigt sich das Wetter, und die Wettervorhersagen künden davon, dass der Sommer da ist: soweit man blicken kann nur Tage mit 14 Sonnenstunden, 28 Grad im Schatten und laue Winde. Ab Montag den 25. soll die Phase 2 beginnen und wieder die Überfahrt nach Mallorca erlauben, wovon wir natürlich Gebrauch machen wollen – ob wir die Woche bis dahin schon nutzen, um uns still und heimlich in kleinen Schritten entlang der Küste nach Norden vorzuarbeiten? Falls die Polizei vorbeikommt, können wir ja die niederländische Gastlandflagge als Nationale setzen, und sie werden einen großen Bogen um uns machen 😉

Aufbruch

Am Montag den 18. Mai ist es tatsächlich soweit: wir verlassen die Bucht von Sant Antoni! Zusammen mit zwei anderen Booten machen wir uns auf den Weg zum Nordende der Insel, um bei günstiger Wetter- und Gesetzeslage die Überfahrt nach Mallorca vorzubereiten.

Cala Salada, ein kleines Paradies direkt neben Sant Antoni

Zunächst geht es nicht gerade weit, in der gut 3 Seemeilen entfernten Cala Salada werfen wir den Anker; doch obwohl Sant Antoni noch so nah ist, sind wir in einer anderen Welt: völlig klares Wasser, Natur, keine Plattenbauten. Wir trauen uns einen – außerhalb der Zeitfenster am Morgen und Abend – noch immer illegalen Spaziergang zu machen, da auch einige Einheimische verbotenerweise die Strände nutzen. Am Nachmittag -glücklicherweise wieder zurück an Bord – erleben wir dann ein besonderes Schauspiel: an Land tauchen drei Beamten der Guardia Civil  auf und beginnen, die Personalien der Anwesenden aufzunehmen – neue Einnahmen für die Staatskasse. Am entfernten, von einem felsigen Abschnitt getrennten Bereich des Strandes bekommen die Natursuchenden dies mit und versuchen sich aus dem Staub zu machen, worauf die Polizisten in einer filmreifen Aktion ausschwärmen und versuchen, den Flüchtenden den Weg abzuschneiden – das muss schließlich geahndet werden, man bedenke, wieviel kriminelle Energie dahintersteckt, sich nach neunwöchigem Aufenthalt in einer kleinen Plattenbauwohnung einfach so an den Strand zu begeben! Wir jedenfalls haben vom Boot aus den perfekten Überblick, beobachten die Bewegungen oben auf den Felsen und geben den Flüchtenden Zeichen, in welche Richtung sie laufen müssen, um ihren Verfolgern zu entgehen. Tatsächlich gelingt dies auch einer Gruppe, die sich hinterher herzlich bedankt. Nach Abzug der Beamten gehört der Strand wieder den Senioren und Hundebesitzern, für die er um diese Zeit reserviert ist, sprich: er ist menschenleer.

Die ‘Orion’ kann noch segeln!

Am Dienstag weht ein schöner Südwest, und wir legen ein längeres Stück entlang der Küste zurück, volle 12 Seemeilen diesmal, und richtig unter Segeln – was für ein tolles Gefühl, nach zwei Monaten Zwangspause wieder den Gennaker leuchten zu sehen! Am Nachmittag erreichen wir den Puerto de Sant Miquel, anders als der Name vermuten lässt kein Hafen, sondern eine große, gut geschützte Bucht. Hier gibt es strandnah ein paar große Hotelburgen (ausgestorben, versteht sich), in jeder anderen Richtung ist es aber rundherum recht hübsch. Auch hier erwandern wir die Umgebung, sehen aber keine Polizei mehr – offenbar sind wir nun weit genug von den ‘Städten’ entfernt.

Das Wetter ist einfach traumhaft: in der Sonne sehr warm, nachts aber noch angenehm kühl, makellos blauer Himmel und 23° warmes Wasser. Einzig wie es weitergehen soll ist immer noch unsicher: zum einen ist es wenige Tage vor Beginn der Phase 2 immer noch nicht klar, ob es dann erlaubt sein wird, nach Mallorca überzusetzen, zum anderen soll der Wind pünktlich zum 25. auf Nordost drehen und dabei auf längere Sicht bleiben – Gegenwind, was sonst.

So sieht gutes Wetter aus – das Meer vor Puerto de Sant Miquel

Nach zwei Nächten verholen wir uns ein kleines Stück in die nächste Ankerbucht, die Cala Es Canaret; laut Revierführer einer der schönsten Ankerplätze auf Ibiza, die wir auf dem Hinweg Mitte März leider auslassen mussten, weil die See zu unruhig für den eher offenen Ankerplatz war. Nun sieht es ganz anders aus: es weht kaum ein Lüftchen, und das Mittelmeer liegt spiegelglatt vor uns.

Abendhimmel über der Cala Es Canaret

Tatsächlich ist der Ort einfach traumhaft: die Farben des Wassers und der Felsen, die Umgebung (keine Hotels, eine einzige Luxusvilla stellt die einzige Bebauung dar), die das Boot umspielenden Fischschwärme, das Vogelgezwitscher, die Aussicht … besser geht es kaum noch! Einzig allein die Mobilfunkabdeckung lässt zu wünschen übrig, was für das Einholen neuerer Wettervorhersagen etwas nachteilig ist, daher verlassen wir schweren Herzens am Samstag wieder dieses kleine Paradies und fahren ins zwei Seemeilen entfernte Portinatx, welches wir auf dem Hinweg schon besucht haben.

Cala Es Canaret – wirklich der schönste Ankerplatz, den wir auf Ibiza erleben durften
Magische Lichtstimmung in den Grotten

Tatsächlich haben in Portinatx inzwischen ein paar Restaurants und ein Minimarkt den Betrieb aufgenommen, so dass der Ort etwas belebter wirkt als auf dem Hinweg. Nach wie vor weht aber Nordostwind, was für die Überfahrt nach Mallorca denkbar ungünstig ist, so dass wir erst mal hier verweilen. Wir erfreuen uns am nach wie vor traumhaften Wetter, unternehmen Ausflüge mit dem Dinghi in nahegelegene Grotten und hängen ansonsten einfach ab. 

Endlich wieder Leben am Strand von Portinatx!

Am Montag den 25. treten die Balearen in die Phase 2 der Corona-Exit-Strategie ein; nun ist erstmals seit 10 Wochen wieder das Baden im Meer erlaubt, und augenblicklich wandelt sich der Anblick des Strandes: statt ausgestorben vor uns zu liegen, erfüllen nun wieder die Rufe planschender Kinder die ganze Cala. Für die Einheimischen bietet sich eine besondere Situation: zwar sind die meisten von existenziellen Nöten bedroht, dafür haben sie aber erstmals seit vielen Jahrzehnten den Strand für sich alleine. Wir freuen uns mit den Menschen, die endlich wieder in die Freiheit entlassen wurden!

Diese Freiheit erstreckt sich freilich nur auf die Insel, Reisen auf die Nachbarinsel sind nach wie vor untersagt (damit wir auch ja nicht den Virus vom inzwischen völlig coronafreien Ibiza auf das nahezu coronafreie Mallorca tragen); wir wollen aber den für Mittwoch angesagten, halbwegs brauchbaren Wind nutzen und einen Ausbruchversuch unternehmen, zusammen mit der niederländischen ‘Blitz’ – wenn uns die Polizei anhält, wird deren Flagge sie hoffentlich in die Flucht schlagen 😉