Astypalaia – Milos (01.05. – …)

Windzerzaust verabschiedet uns Astypalaia

Am 1. Mai kann uns nichts mehr halten – auch nicht die Windvorhersage, die frische 6 bis 7 Beaufort verspricht, denn wir wollen endlich wieder segeln! Wir werden an der Pier von Maltezana herzlich verabschiedet, und mit zwei Reffs im Groß legen wir unter Segeln ab. Die kleine Segelfläche erweist sich als begründet, in der großen Bucht von Astypalaia weht es ganz knackig, wir lesen Spitzenwerte von 35 Knoten ab und sind nur mit unserem reduzierten Groß schon mit 7 Knoten unterwegs – das langt erst mal, schließlich fühlt sich das alles noch neu an!

Rauschefahrt zum Auftakt der Reise

Erst als wir die Südwestspitze der Insel runden (und eigentlich mit einer Windzunahme rechnen, die aber ausbleibt), nehmen wir die Vorsegel dazu; ein schöner Halbwindkurs stellt sich ein, der Seegang hält sich noch in Grenzen, die Windstärke überschreitet die 6 Beaufort nicht mehr, und so fliegen wir schnell und dennoch nicht unkomfortabel Anafi entgegen!

Wie immer sind die ersten Seemeilen nach einer langen Pause von einer gewissen Spannung gezeichnet: ist auch alles richtig aufgeriggt, befestigt und eingestellt? Wissen Boot und Crew noch, wie man segelt? Aber als böse Überraschungen ausbleiben, legt sich langsam auch die Anspannung, und wir können die Reise genießen.

Anafi voraus!

Zügig wie wir unterwegs sind, dauert es auch nicht lange, bis sich Kalamos, das markante Ostkap der Insel Anafi, immer deutlicher am Horizont abzeichnet. Gegen 15 Uhr erreichen wir die 460 Meter hoch aus dem Meer ragenden Marmorfelsen, und auf einmal ist es mit dem Wind vorbei – kein Wunder hinter solch einer Wand. Zum ersten Mal springt der Motor an, und obwohl der Wind nach der Passage des gewaltigen Felsens wieder einsetzt, laufen wir ob der abwechslungsreichen Windstärken und -richtungen die letzte Stunde mit Motorunterstützung bis in den Hafen von

Anafi
Blick auf die Chora …

Wir finden einen Liegeplatz längsseits im neu angelegten Hafen – außer einer offenbar schon länger verlassenen Yacht und lokalen Fischern sind keine Boote da. Es gibt neue Strom- und Wassersäulen, sogar eine Absauganlage für die Bordabwässer samt Kläranlage; der Verfall setzt aber schon ein, und man darf in Zweifel ziehen, ob hier je ein richtiger Yachthafen seinen Betrieb aufnehmen wird …

… und über die Insel auf Kalamos

Uns ist das egal, wir ruhen uns von der windigen Passage aus und machen uns am nächsten Vormittag auf den Weg in die Chora, den Hauptort der Insel. Der Aufstieg ist steil und anstrengend (in der Sonne ist es knackig heiß!), bietet aber mit zunehmender Höhe immer schönere Ausblicke über die Insel auf den Kalamos-Felsen mit der Kirche Panagia Kalamiotissa auf seiner Spitze und die weißen Häuser der Chora.

Im Dorf angekommen, belohnen wir uns mit einem Kaltgetränk in einem liebreizenden Café – hier waren wir vor zwei Jahren schon einmal, aber es ist einfach zu nett hier, und außerdem haben auch bei weitem noch nicht alle Geschäfte geöffnet, es ist Vorsaison. Das ganze Dorf besteht aus verwinkelten Pfaden zwischen weißgetünchten Mauern, und man verliert schnell die Orientierung – was Sinn der Sache war, wenn früher die Besucher in feindlicher Absicht kamen. Aber äußerst pittoresk und liebreizend ist es, und in sehr gutem Zustand; wieder befinden wir, dass Anafi ein echter Geheimtipp auch für den Landurlauber ist – man muss sich eben nur die Mühe machen, hier hinzukommen, es gibt nur alle paar Tage eine Fährverbindung …

Am Abend beschließen wir, eines der Restaurants in der Chora aufzusuchen – und nehmen dazu bergauf ein Taxi (besser gesagt, das Taxi – es gibt genau eines), die 8 € sind gut investiert, man ist doch eine gute Stunde unterwegs. Wie immer werden wir vom Essen nicht enttäuscht, und kugeln glücklich und zufrieden den Berg wieder herunter und in die Koje.

Werftzeit (04.04. – 30.04.)

Anfang April geht es endlich zurück nach Astypalaia, wo die Orion den ganzen Winter verbracht und tapfer allen Stürmen getrotzt hat; wie immer nach langer Abwesenheit ist es spannend, zum ersten Mal unter Deck zu gehen und zu prüfen, ob alles an Bord in Ordnung ist … aber ja, außer etwas abgestandener Lust gibt es nichts zu bemängeln!

Mit neuem Antifouling …

Also kann die Arbeit gleich losgehen: zunächst gibt es einige Schäden zu beseitigen, unter Wasser die Schrammen von der etwas verunglückten Wasserung vor zwei Jahren, und an Deck kleinere Roststellen unter der Genuaschiene und dem Mastfuß. Es zeigt sich, dass selbst der heftige Aufschlag auf den Trailer die 2K-Epoxidbeschichtung nicht beschädigt hat, nur das Antifouling und der Primer sind komprimiert und weggeschoben; aber um ganz sicher zu gehen, dass es nicht doch Haarrisse gibt, die sich mit der Zeit entwickeln, werden diese Stellen ebenso wie die an Deck mit viel Gefühl sandgestrahlt, um einen kontrollierten Übergang auf die Epoxidschicht zu erreichen, und dann neu beschichtet.

… und bereit zum Wassern!

In Folge der Arbeiten am Mastfuß bekommt auch der Aufbau eine neue Schicht weißen Lacks, und das Laufdeck wartet eh seit Jahren auf eine Auffrischung der Anti-Slip-Farbe. Unterwasser wird neues Antifouling aufgebracht, der blaue Streifen überm Wasserpass wird auch aufgefrischt, ebenso alles Holz im Cockpit; und außerdem gibt es natürlich noch tausenderlei Kleinigkeiten (von denen mansche sich als gar nicht so klein herausstellen): die neu genähte Sprayhood (in hitzefreundlichem Weiß) muss montiert werden, am Mast stehen ein paar Arbeiten an, ein paar Stecker und Kabel wollen erneuert werden, und die Abpumpleitung für das Abwasser bekommt einen zusätzlichen Absauganschluss (in der Türkei ist das vorgeschrieben). Eine ganze Menge Arbeit – und die Zeit ist knapp bemessen. Zunächst spielt das Wetter noch mit, aber dann dreht der Wind auf Südost – für Lackierarbeiten ist die Luft zu feucht und zu staubig.

Auf dem Weg zum Strand …

So wird es eine knappe Angelegenheit, aber am Mittwoch den 24. ist es endlich soweit, die Orion macht sich auf den Weg zum Strand! Diesmal geht es (glücklicherweise) nicht ganz so schnell ins Wasser, im Gegenteil: da sich die fahrbare Verlängerung für den Trailer über den Winter festgerostet hat, wird eben eine neue aus einem Laternenmast geschweißt (der Landeskundige fragt sich, wo auf der Insel jetzt wohl kein Licht mehr brennt …), aber nach anderthalbstündigem Aufenthalt auf dem Strand ist auch die fertig, und kurz darauf schwimmt die Orion wieder!

… und schließlich mit Mast und Segeln!

Tags drauf wird der Mast gestellt, und somit sieht sie wieder wie ein Segelboot aus – dennoch braucht es weitere 4 Tage, bis das Rigg gespannt ist, alle Segel angeschlagen sind, das laufende Gut vervollständigt und Proviant gebunkert ist. Außerdem läuft parallel natürlich das unvermeidliche Sozialprogramm, verbunden mit der Aufnahme unbeschreiblicher Mengen köstlicher Nahrungsmittel – man kann doch den Werftarbeiter nicht verhungern lassen!

So sind gut dreieinhalb Wochen wie im Fluge vergangen, eine äußerst anstrengende Zeit mit vielen Arbeitsstunden, aber wie immer auch viel Hilfe und Unterstützung von allen Seiten – allen, die sich beim Lesen hier angesprochen fühlen, sei gedankt! 🙂

Herbsttörn in der Ostägäis (27.09. – 11.11.)

Lesvos / Mytilini

Schon wieder liegt der letzte Besuch an Bord der ‘Orion’ fast 5 Monate zurück, und der Sommer war von neuen Rückschlägen gekennzeichnet – und wettertechnisch im Juli/August in Norddeutschland kaum als solcher zu erkennen. Umso mehr sind wir froh, endlich wieder nach Griechenland reisen zu können, diesmal sogar für 6 Wochen (wenn auch mit Unterbrechung). Die Anreise gibt nochmal alles, beide Flüge haben Verspätung, und es ist fast Mitternacht, als wir angekommen sind; um diese Zeit ist es noch 28 Grad warm – hier ist noch Sommer! Ein kurzer Rundblick lässt keine Schäden am Boot erkennen, und dann geht es auch erst mal in die Koje – wo es allerdings mangels Durchlüftung ziemlich heiß und stickig ist.

Dennoch geht es am nächsten Morgen los mit den Segelvorbereitungen: die übliche Schicht Saharastaub möchte abgewaschen, die Vorsegel angeschlagen, die neu genähten Relingskleider angebracht und der Bordrechner aktualisiert werden; außerdem natürlich die Batterien einmal voll geladen und Wasser und Vorräte gebunkert werden. Natürlich gibt es auch eine kleine Überraschung: die im Mai neu gekaufte Starterbatterie weist um die Polklemmen dicke Schichten Sulfatkristalle auf! Da war ja was: da die alte Batterie über Schraubanschlüsse verfügte und an der Tankstelle keine Polklemmen verfügbar waren, bekamen die Bleizapfen kurzerhand ein Querloch verpasst – wer hätte denn gedacht, dass die Dinger nicht massiv sind? Offenbar muss es im Inneren ein hauchfeines Loch geben, durch welches Schwefelsäure durch die Bohrungen austreten kann – in sehr kleinen Mengen, aber das Zeug zersetzt ja alle Kabelanschlüsse, und die Batterie trocknet auch langsam aus, also – es hilft ja alles nichts – die Tankstelle gegenüber der Marina verkauft eine weitere Starterbatterie, und der diesmal geöffnete Bootsbedarfsladen auch die dazu passenden Polklemmen. Kaum 6 Stunden und ein paar grün-blaue Rippen später (die Starterbatterie ist wirklich hervorragend zugänglich …) ist alles wieder in bester Ordnung – diesmal hoffentlich dauerhaft.

Die ‘Orion’ segelklar in der Marina Mytilini

Trotzdem versuchen wir es ruhig angehen zu lassen, und gehen auch an zwei Abenden in die Stadt – das griechische Essen hat uns doch sehr gefehlt. Wie immer werden wir nicht enttäuscht: beide aufgesuchten Lokale sind im Stil durchaus unterschiedlich (einmal eher modern, einmal traditionell), kochen aber gleichermaßen köstliche Gerichte zu äußerst fairen Tarifen. Dazu das perfekte Klima: sitzt man zum Essen in den stimmungsvoll erleuchteten Altstadtgassen Mytilinis bei immer noch 25 Grad und einem lauen Windhauch, schmeckt es gleich nochmal so gut.

Schließlich gibt es noch Papierkram bei der Küstenwache und im Marinabüro zu erledigen, und dann ist es am Sonntagmorgen soweit: wir sind segelklar!

Lesvos / Paralia Tsilia

Um 12 Uhr werfen wir die Muringleine los und schieben uns langsam aus der Boxengasse, die fast ein Jahr das Zuhause der ‘Orion’ war. Der Wind pfeift in durchaus beachtlicher Stärke über die Anlage – jetzt bloß keine der zahlreichen Sorg- und Muringleinen im Wasser mit dem Propeller einfangen! Aber alles geht gut, und nach einer langen Rechtskurve sind wir auf offenem Wasser, und der Wind schiebt uns gen Süden. Schnell den Klüver ausgerollt und den Motor aus: nur noch das Rauschen des tiefblauen Wassers begleitet uns!

Es weht mit fast 20 Knoten aus Nord (für uns ein Novum in der Straße von Mytilini, bisher kannten wir diese nur bei Flaute), und wir wollen nicht weiter als bis zur Südküste der Insel, und so können wir es bei der Besegelung für Faule belassen; um die 5 Knoten fahren wir auch nur unter Klüver, und so fällt nach kaum 3 Stunden in unserer Lieblingsbucht auf Lesvos der Anker.

Abendhimmel über dem Ankerplatz

Das Wasser hat fast 23 Grad, und die Sonne brennt vom nachmittäglichen Himmel – da kann uns auch der kühlende Wind nicht vom ersten Bad des Törns abhalten! Dabei kontrollieren wir wie immer die Lage des Ankers (auf 9 m Tiefe gänzlich im Sand verschwunden – ein paar Umdrehungen weniger hätten es beim Einfahren wohl auch getan 😉 ) und nach dem langen Stillstand den Zustand des Unterwasserschiffs (überraschend gut, ein paar Algen und einige Seepocken). Schließlich runden ein Abendessen bei Ziegenglockengeläut und Farbenspiel am Himmel den gelungenen ersten Segeltag ab.

Oinousses / Oinoussa

Montagmorgen geht es nach einem schnellen Frühstück gleich los, denn heute liegt eine längere Distanz vor uns: etwa 35 Seemeilen südlich von uns liegt die Inselgruppe der Oinousses wie eine Sperre quer in der Einfahrt zum Chios-Sund, und dort wollen wir hin.

Rauschefahrt gen Süden

Die griechische Wettervorhersage verspricht uns 5 Böen 6 am Vormittag und 6 bis 7 Windstärken im weitern Tagesverlauf, und das stimmt auch ziemlich genau – wieder einmal stellen wir fest, dass die lokalen Wettermodelle hier wohl besser passen als GFS und ECMWF, die gerne mal eine Windstärke weniger ansagen. Der Wind kommt genau von hinten, und wir baumen beide Vorsegel aus, um so mit Passatbesegelung nach Süden zu fliegen – speziell am Nachmittag, als der Wind sein Maximum erreicht und sich mit zunehmender Entfernung von Lesvos auch eine ganz ansehnliche Welle aufgebaut hat, fühlt sich das recht dynamisch an. Die Aries steuert einen perfekten Kurs, und wir müssen nur auf die vorbeirauschenden Wellen schauen und genießen – die Sonne von vorne und der Wind von hinten sorgen für sehr angenehme Temperaturen im Cockpit.

Begrüßung an der Hafeneinfahrt

Gegen 16 Uhr erreichen wir die nur gut eine Seemeile breite westliche Einfahrt in den Sund und biegen in den Windschutz der Hauptinsel, Oinoussa, ein, um deren Hafen anzusteuern, den mehrere kleinere Inseln perfekt vorm Schwell schützen. Hier finden wir einen Längsseitsplatz an der Kaimauer, direkt im Herzen der kleinen Siedlung. Touristisch ist die Insel nicht besonders erschlossen – sie ist zu klein für einen Flughafen, und nur die Fähre nach Chios verbindet sie mit der Außenwelt. Es gibt nur drei Tavernas und einen kleinen Supermarkt, aber erstaunlich viele Bäume (für so eine kleine Insel in der Ägäis) und sehr nette Menschen. Natürlich müssen wir einkehren, schließlich sind wir erstmals auf der Insel, und genießen ein Abendessen auf der Terrasse direkt an der See mit Blick auf Chios – die Aussicht müsste man woanders teuer bezahlen, hier ist sie eine Selbstverständlichkeit.

Am nächsten Vormittag unternehmen wir eine kleine Wanderung; die größten Anhöhen der Insel erreichen gerade mal 180 Meter, also wird es nicht allzu anstrengend. Wir schauen uns den Ort mit der hübschen Kirche an und wandern durch die Hügel, machen Rast in einem duftenden Pinienhain – alles klein und fein! Oinoussa hat keine altgeschichtliche Relevanz, ist aber in der Gegenwart Heimatort einiger der bedeutendsten griechischen Reederfamilien – daher verfügt die Gemeinde wohl auch über ausreichende Mittel, vor allem die Kirche ist in bestem Zustand und erstaunlich groß für die wenigen Einwohner.

Chios / Chios Marina

Gegen Mittag sind wir zurück von unserer Wanderung, und wenn auch der Hafen gut windgeschützt ist, so kann mann dennoch erahnen, dass es draußen wie am Vortag weiterbläst. Weit haben wir es auch nicht, und so können wir uns wieder nur unter Klüver auf den Weg nach Chios machen.

In der Marina Chios

Schon gegen 15 Uhr erreichen wir die offene Marina und sind froh, gleich einen Platz an der Außenmole zu finden – so schön die Überfahrt mit Wind war, Manöver im Hafenbecken bei 6 Beaufort sind eben doch kein Vergnügen. Wir holen uns noch Freddos vom Café gleich gegenüber und entspannen den Rest des Tages an Bord.

Die Windmühlen von Chios

Den nächsten Tag beschließen wir, in der Marina zu bleiben – sie gewinnt zwar keinen Schönheitspreis, bietet aber eine gute Versorgungslage, und vor allem haben wir für den Abend einen festen Programmpunkt! Erst mal aber erledigen wir die Einkäufe und fragen an der Tankstelle, ob man uns wohl 100 Liter Diesel in Kanistern ans Boot bringen würde – und erleben eine typisch griechische Episode: ja, gerne, aber der Seniorchef hält gerade Mittagsruhe, und die junge Frau kann ja nicht die Tankstelle alleine lassen … aber da steht ja ein Auto, die Schlüssel stecken, also, wenn es Dir nichts ausmacht … und so schnell ist man mit 5 Kanistern Diesel in einem fremden Auto unterwegs, ohne irgendwelche Papiere oder sonstwas hinterlegt zu haben. Überflüssig zu erwähnen, dass das keinen Cent Aufpreis kostet …

Im ‘Βραδύπους’

Am Abend dann gehen wir in die Stadt, denn hier wartet ein besonderes Restaurant auf uns: in der filmreifen Kulisse einer historischen Bruchsteinruine im Inneren der Burg liegt das ‘Βραδύπους’ (Vradhypous) und bietet eine Interpretation der griechischen Küche auf Sterneniveau zu den Tarifen einer deutschen Fast-Food-Kette. Wir bestellen ‘Kichererbsen aus Smyrna
in einer Sauce aus dehydrierten Chios-Tomaten, Minze und Kefirschaum’, ‘Fava-Creme mit Chutney aus sonnengetrockneten Tomaten, eingelegten Zwiebeln, Olivencreme, gebratenen Kapern, rotem Paprikapulver und Dillöl’, ‘Saisonales Grün, gekochte Zucchini, in Soja mariniertes Ei, Meerfenchel und Chios-Oregano, Chios-Roséessig’ und ‘Kichererbsen-Pilaw mit Tahini, traditioneller Gewürzmischung und Limettenschale’. Das Essen ist himmlisch, die Atmosphäre perfekt – wen es mal nach Chios führt, der sollte das nicht verpassen!

Chios / Komi

Donnerstagmorgen machen wir uns wieder auf den Weg, nachdem wir uns noch in der Bäckerei gegenüber der Marina mit herrlich fluffigen Zimtschnecken für den Nachmittagskaffee versorgt haben. Wir haben es zwar nicht weit, denn wir wollen nur bis kurz vor die Südspitze der Insel, aber es ist auch wenig Wind angesagt. Anfangs trifft das zwar gar nicht zu, so dass wir den größeren Teil der Strecke bald zurückgelegt haben – der verbleibende Rest dauert dann aber mehr als nochmal so lange, da der Südosten von Chios nicht mehr viel Wind abbekommt.

Nachsaison: nichts mehr los am Strand von Komi

Am frühen Nachmittag erreichen wir aber endlich den Strand von Komi, vor dem wir ankern. Direkt nebenan liegt die Bucht von Emborios, die eher besseren Schwellschutz verspricht, aber da waren wir vor zwei Jahren schon einmal, und neue Orte zu besuchen hat ja auch was. Tatsächlich schaukelt es hier etwas mehr (eher durch die von den mit Vollgas aus dem kleinen Hafen von Komi auslaufenden Fischerbooten verursachten Wellen als durch die See), aber dafür bietet der Ankerplatz eine riesengroße, weiße Sandfläche auf 4 bis 5 Metern Tiefe – perfekter Halt und sehr schön zum Schwimmen und Schnorcheln, was wir auch ausgiebig tun, das Wasser ist sehr klar und türkisfarben.

Fournoi / Hafen

Freitag steht die bislang längste Etappe auf dem Plan, wir wollen rund 45 Seemeilen durch die Passage zwischen Ikaria und Samos bis zur Insel Fournoi segeln. Die verschiedenen Windvorhersagen sind sich sehr uneinig: während manche (und auch die Hafennachbarn in Chios, die sie gelesen haben) uns prophezeien, den ganzen Weg mangels Wind motoren zu müssen, sagen andere für den Nachmittag sogar kräftigen Wind an – und in der besagten Passage kann man erfahrungsgemäß immer nochmal zwei Windstärken auf die Vorhersage drauflegen.

Sonnenaufgang über der Türkei

Wir brechen also zeitig auf und können uns so kurz nach dem Aufholen des Ankers erst mal beim kleinen Frühstück den Sonnenaufgang über der Türkei anschauen – da noch unter Motor, aber das ändert sich recht bald, als wir die unmittelbare Abdeckung verlassen, stellen sich etwa drei Windstärken Nordnordost ein, und wir können den Gennaker setzen – endlich mal wieder, das schöne bunte Segel haben wir schon lange nicht mehr benutzt.

Endlich wieder Gennakersegeln!

So läuft es einige Stunden ganz gut, bis wir am späten Vormittag, rund 15 Seemeilen südlich von Chios, in die Konvergenzzone kommen, in der sich die östlich und westlich um die Insel wehenden Windsysteme vermischen und dabei ihre Energie einbüßen. Schnell fällt die Geschwindigkeit über Grund auf unter drei, unter zwei, dann unter einen Knoten – das auszusitzen hat erfahrungsgemäß keinen Sinn, da es nicht die Zeit sondern die Stelle ist, welche die Flaute macht, und ohne Fahrt kommt man da nie raus; also läuft nochmal eine Stunde der Motor, und siehe da, dann kommt der Wind wieder – aus Nordwest, wer hätte das gedacht. Also geht es weiter unter Gennaker, nur auf dem anderen Bug.

Fournoi voraus!

Am Nachmittag steigert sich der Wind langsam, aber stetig; als er von Windstärke 4 in 5 übergeht (und uns der Gennaker mit sechseinhalb Knoten gen Süden zieht), tauschen wir diesen gegen den Klüver – keine schlechte Entscheidung, denn bald bläst es in der Passage wie erwartet mit konstanten 6 Beaufort. Danach lässt es wieder nach, so dass wir die restlichen Meilen bis Fournoi recht gemächlich unterwegs sind, aber auch so machen wir noch um 17:30 fest – das hat alles sehr gut geklappt!

Bei der Ansteuerung erleben wir noch eine kleine Episode mit einem Charterboot: dieses sehen wir in einiger Entfernung vor uns von Süden aufkommen und den Hafen von Fournoi ansteuern – wenn die uns mal nicht den letzten Liegeplatz wegschnappen, denken wir noch. Aber siehe da, als die ‘Orion’ kurz vorm Hafen steht, kommt uns der Segler wieder entgegen – ohne ausgebracht Fender. Unsere hängen schon schön in Reihe an Backbord – das sehen die Charterer, fangen an ihre auch zu platzieren und uns wieder Richtung Hafen hinterherzufahren.

Blick über den Hafen von Fournoi

Als wir um die Ecke biegen, sehen wir gleich vorne einen freien Platz von mindestens 30 Metern und tiefer drinnen einen von höchstens 15; einer Eingebung folgend, steuern wir den kleineren, engeren Platz an, um der Chartercrew den wirklich geräumigen Platz gleich zu Beginn der Kade zu überlassen. Unser Anlegemanöver dauert etwa 30 Sekunden – schnell genug, um die Charterer zwei Boote hinter uns quer im Hafenbecken treiben, mühsam wenden und wieder die Flucht ergreifen zu sehen. 5 Minuten später haben sie ihre Nerven beruhigt und fahren den dritten Anlauf auf ihren Längsseitsplatz, mit milden 12 Knoten von quasi vorne und genug Platz für eine kleine Fähre. Wir stehen inzwischen da, um die Leinen anzunehmen, und uns fliegen lange Leinen von Bug und Heck entgegen – nur die Mittelklampe, mit der man so schön in eine kleine Spring eindampfen könnte, ziert keine Leine. So ziehen wir also das Boot mit Muskelkraft an die Kade … die Familie an Bord bedankt sich (man spricht Deutsch) und ist heilfroh, endlich fest zu sein. Die Leute machen einen netten Eindruck, und es tut uns aufrichtig leid, wie man sich seinen wohlverdienten Urlaub so stressig gestalten kann, nur weil einem niemand vernünftiges Anlegen beigebracht hat …

Auf Fournoi

Am nächsten Tag erkunden wir die Insel zu Fuß: man kann zwar Roller und sogar Autos mieten, aber für eine Insel mit nur einer einzigen Straße scheint uns das übertrieben 😉 Fournoi sieht aus der Luft aus wie ein großer Hummer: etwa da, wo der Kopf ist, liegt der einzige und gleichnamige Ort, und die gewaltigen Scheren erstrecken sich weit nach Osten und Westen.

Ausblick Richtung Samos

Die Berge sind steil, die Küsten sehr zerklüftet, und die Insel ist so windgebeutelt wie kaum ein anderer Ort: gelegen genau südlich der Lücke zwischen Ikaria und Samos, bläst hier quasi immer der Nordwind. Eigentlich ein perfekter Ort für eine Windkraftanlage – nur gibt es die natürlich nicht.

Im Dorf

Bezaubernd ist der kleine Ort: wir hatten viel weniger erwartet (schließlich verirren sich nicht furchtbar viele Besucher hierher), finden aber hübsche, sehr lebendige Sträßchen, alle mit Bäumen gesäumt, deren Grün sich über den Köpfen vereint und Schatten spendet, darin zahlreiche Tavernas und ein paar Minimärkte – nett! Und der – übrigens nagelneue – Hafen macht den Aufenthalt hier auch trotz der Lage auf der Nordseite sicher, so dass sich in Zukunft sicher mehr Segler hier einfinden werden.

Auch die örtliche Gastronomie besuchen wir am Abend noch – im ‘Delphinakia’ gibt es Spaghetti mit Riesengarnelen, die in den höchsten Tönen gelobt werden. Die Portion ist äußerst großzügig und günstig, und wir können uns den begeisterten Gästen dort nur anschließen: eine unbedingte Empfehlung! Wir fragen uns langsam, ob man irgendwo in Griechenland auch mittelmäßig essen kann …

Patmos / Paralia Livadhi

Sonntagmorgen verlassen wir Fournoi – hier hätte man es noch länger aushalten können, aber der Zeit sind ja leider enge Grenzen gesetzt. Schon vor dem Ablegen machen wir eine erstaunliche Entdeckung auf dem AIS: das Passagierschiff ‘Elysium’, welches letzten Abend noch direkt neben uns auf der Außenseite der Mole lag, wird nur ein paar Kabel entfernt angezeigt, aber mit dem Bug an … Land! Ankern die da, und die Seekarte ist nur falsch? Aber kaum haben wir den Hafen verlassen und können um den Felsvorsprung Richtung Süden schauen, bestätigt sich das Kartenbild: der gut 60 Meter lange Luxusdampfer mit nur 25 Kabinen für die besseren Gäste liegt dwars auf den Felsen – just an der Stelle, wo die Seekarte einen Durchgang nach Süden zeigt, der aber nur groß und tief genug für ein Kanu ist. Hat man diesen mit der Fournoi-Passage eine halbe Seemeile weiter westlich verwechselt, oder ist nach dem Ablegen Maschine oder Ruderanlage ausgefallen? Man weiß es nicht, und der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, aber in jedem Fall haben die handverlesenen Passagiere für den fünfstelligen Pfund-Betrag ihrer Reise echt was geboten bekommen!

Da die falsche Passage ja nun wirkungsvoll blockiert ist, nehmen wir statt dessen die richtige und sind bald auf Südostkurs nach Patmos; der Wind ist sehr abwechslungsreich, auf der Nordseite von Fournoi hatten wir 5 Windstärken, in der Passage eine konstante 6, danach flaut es aber auf 5, 4 und bald auch 3 ab. Klüver rein, Gennaker raus – und kaum eine halbe Stunde später geht es wieder auf 20 Knoten, und die ‘Orion’ fliegt mit 7 Knoten Patmos entgegen. Das macht Spaß, aber wer soll das Segel wieder runterholen, wenn es noch weiter zulegt? Also, Gennaker runter, Klüver raus – und sofort beruhigt es sich wieder auf 4 Beaufort. Ach ja …

Paralia Livadhi

Ungeachtet dieser Kapriolen erreichen wir gegen 14 Uhr die Ostspitze von Patmos und biegen in die riesige, geschützte Bucht ein, welche die Halbinsel bildet. An der Südseite dieser findet man eine geschützte Ankerbucht neben der anderen; wir können uns kaum entscheiden und möchten jede besuchen, entscheiden uns aber schließlich für Paralia Livadhi, wo das Wasser besonders türkisfarben leuchtet und der Strand völlig unbebaut ist.

Abendhimmel über Patmos

Später gehen wir ins 23 Grad warme Wasser und schwimmen zum Strand, wo knorrige Tamarisken blühen, und beim Abendessen im Cockpit färbt sich der Himmel über Patmos in allen Orange- bis Lilatönen – was für ein schönes Fleckchen!

Auch die Nacht ist perfekt, der tief im weißen Sand eingegrabene Anker lässt uns ruhig schlafen, und nicht der geringste Schwell schaukelt das Boot, während ein beständiger, lauer Wind uns ausgerichtet hält und für angenehme Luft sorgt, die nach den aromatischen Kräutern der Insel duftet. Ein paar Ziegenglocken, in der Ferne grüßt uns ein Esel … was will man mehr!

Patmos / Skala
Abseits der Besucherströme …

Ausgeruht warten wir am nächsten Morgen noch die Karawane der Charterboote ab, die den Hafen von Patmos verlässt, um dann selbst dort einzulaufen – nur drei Seemeilen sind es von unserem Ankerplatz. Die Platzauswahl ist groß, wir können sogar längsseits liegen – in diesem Fall möchten wir das auch, da für den Abend starker Wind angesagt ist, der dann quer über die Boote vor Buganker fegt.

… gibt es noch viel Schönes auf Patmos

Wir nutzen den langen Tag für mehrere Spaziergänge in die Stadt – Supermarkt, Obst- und Gemüsehändler, Kaffeetrinken und schließlich Abendessen – und finden unseren Eindruck vom ersten Besuch hier bestätigt: natürlich weist Patmos die Erkennungsmerkmale eines Kreuzfahrerziels auf (Andenkenläden, teure Juweliere, für griechische Verhältnisse überhöhte Preise – ein halber Liter Wein für 8 Euro, man stelle sich das vor! 😉 ), aber dennoch will man nicht gleich wieder weg, der Ort hat – vor allem fernab der Seefront – seine charmanten Seiten: liebevoll restaurierte Häuser, verwinkelte Altstadtgassen, prächtig Blühende Blumen vor weißem Mauerwerk – die Griechenlandidylle findet man auch hier noch.

Leipsoi / Paralia Papantria

Als die ‘Norwegian Jade’ vor dem Hafen ihre Heerscharen ausbootet, wird es uns aber doch zu voll auf Patmos, und wir legen ab – ohne Maschine unter Vorsegel, man will den Chartercrews ja mal was bieten 😉 Der Wind der vergangenen Nacht hat sich etwas beruhigt, aber die Vorhersage für die offene See lautet immer noch 5 bis 6 Beaufort; wir lassen uns davon nach Südosten zu Nachbarinsel Leipsoi tragen.

Paralia Papantria und Nachbarbucht

Die auf der Südwestküste gelegene Hafeneinfahrt lassen wir links liegen – der Ort hat uns zwar bei früheren besuchen gut gefallen, aber bei dem Wind wollen wir nicht in die Enge des Hafens. Lieber suchen wir uns einen Ankerplatz an der Südküste, wo ein Strand neben dem anderen liegt. An der Südwestspitze der Insel ragt eine Kette von Riffen weit hinaus – gut so, das verspricht guten Schutz vor Schwell! Und tatsächlich, als wir um den südlichsten Felsen biegen, liegt ein ‘Träumchen in Türkis’ vor uns! Gut, dass wir früh hier sind (es waren nur 13 Seemeilen von Patmos), denn das Wasser ist einfach zu einladend!

Leros / Xirokampos

Neuer Tag, neue Insel – heute soll es weiter nach Leros gehen, die nächste Insel im Süden. Das ist es, was uns den Dodekanes so schätzen lässt: unzählige attraktive Ziele befinden sich in kürzester Distanz zueinander. Eine kleine Herausforderung beinhaltet der Weg nach Leros aber doch: heute soll der Wind nämlich nochmal ordentlich zulegen, 6 bis 7 Beaufort sind vorhergesagt – und die gibt es auch! Schon am Ankerplatz pfeift es gut, und wir gehen sicherheitshalber erst mal nur unter Kuttersegel Anker auf statt wie gewohnt unter Klüver – und tatsächlich, mit 25 bis 30 Knoten Wind laufen wir auch mit dem kleinen Segel noch fast 6 Knoten!

Leros voraus – die Wellenhöhe ist wie immer kaum auf dem Foto einzufangen

Die zunächst noch moderate Welle legt auch immer mehr zu, als wir die Abdeckung von Leipsoi hinter uns lassen, und bald rauschen 2 – 3 Meter hohe Wasserberge heran. Die ‘Orion’ lässt sich davon aber nicht irritieren, die Aries steuert wie immer perfekt, und so werden wir mutiger und rollen noch ein ganzes Stück vom Klüver zusätzlich aus. 7 Knoten über Grund im Surf die Wellen hinunter, geht doch! 🙂

Panteli bleibt an Steuerbord zurück

Nicht so gut ist die Gesamtlage nur für unsere Übernachtungspläne: gerne hätten wir den Hafen von Panteli an der Ostseite der Insel angelaufen oder davor geankert, aber dazu müssten Wind und See stärker aus Nordwest kommen – so steht noch eine Menge Schwell in die Bucht von Panteli, die südlich vom Hafen an (kostenpflichtigen!) Muringbojen liegenden Boote schaukeln ganz schön. Wir schauen uns die Sache dennoch aus der Nähe an, der Hafen ist aber wirklich klein und vollgepackt mit Fischerbooten, der einzig halbwegs in Frage kommende Ankerplatz direkt vorm Hafen bereits besetzt, und das Muringfeld weiter südlich … Geld bezahlen, um schlecht zu schlafen? Da fahren wir halt weiter … nur ein paar Seemeilen, denn am Südende der Insel befindet sich die Bucht von Xirokampos, und dort gibt es genug Platz, keinen Schwell – und sogar einige kostenlose Murings, so dass wir noch nicht mal ankern müssen – alles richtig gemacht!

Panagia Kastrou

Am folgenden Morgen blasen wir endlich mal unser Dinghi auf und setzten über zum kleinen Anleger von Xirokampos; der Wind hat inzwischen stark nachgelassen, und so gestaltet sich das ganz problemlos und trocken. Wir erklimmen eine kleine Anhöhe, wo man auf die Überreste eines alten Kastros (uns) unbekannter Herkunft eine Kapelle gebaut hat. Von hier bietet sich ein schöner Rundumblick sowohl über unsere Ankerbucht als auch nach Norden in die große Bucht von Lakki.

Strandbar mit Aussicht

Auf dem Rückweg versorgt uns ein Minimarkt mit Nachschub an Milch und griechischem Joghurt (der hier nochmal um Klassen besser schmeckt als das gleichnamige Produkt in Deutschland!), und zum Abschluss setzten wir uns noch in eine der Strandbars und trinken Freddo und frisch gepressten Orangensaft mit Blick auf die ‘Orion’ – herrlich!

Kalymnos / Emporeios

Auch heute gibt es aber noch eine neue Insel – eine Passage von gerade einer Seemeile Breite trennt Leros vom südlichen Nachbarn Kalymnos, also macht es nichts, dass wir erst gegen Mittag losfahren. Der Wind kann sich allerdings im Schatten von Leros nie richtig durchsetzten, und als wir auch noch von Kalymnos abgedeckt werden, verlässt er uns gänzlich, so dass wir die zweite Hälfte unserer 6 Seemeilen Tagesstrecke motoren müssen.

Ankerbucht mit Bergpanorama: Emporeios

Unser Ziel, die Bucht von Emporeios, liegt zu drei Vierteln umschlossen von den Gebirgszügen, die die ganze Insel bedecken, und in der verbleibenden Öffnung liegt die ebenfalls ziemlich hohe Insel Telendos, so dass man sich in einen Alpensee versetzt fühlt. Dementsprechend hat der Bergsteiger- und Aktivurlaubstourismus die klassische Einkommensquelle der Insel, das Schwammtauchen, schon lange verdrängt.

Strand vom Emporeios

Vorm Strand hat der Besitzer einer der Tavernas, Captain Kostas, geschäftstüchtigerweise etliche Muringbojen ausgelegt. Das ist auch wirklich nützlich, fällt der Grund doch recht steil ab (wie alles auf dieser Insel), und man findet keine guten Tiefen zum Ankern. Bedingt durch diese Erleichterung findet sich aber ein Dutzend Boote ein – hauptsächlich Charterer, die sich sonst vielleicht nicht an dieser Aufgabe versuchen würden. Die Benutzung der Bojen ist kostenlos, aber wenn man zum Abendessen an Land geht, sollte man anstandshalber auch zu Captain Kostas und nicht zur Konkurrenz gehen.

Abendessen mit Aussicht

Das Konzept geht auf, der Laden brummt, als wir dort einkehren, und die meisten Gäste sind Segler – auf dem Landweg ist Emporeios nur durch eine einstündige Fahrt durchs Nichts zu erreichen, und die Straße endet auch dort. Trotz des touristischen Auftritts ist das Essen nicht schlechter als gewohnt, sondern sehr gut – nur etwas teurer als die sich auch an Einheimische richtende Gastronomie. Seit Patmos merken wir, wie es immer voller wird, auf dem Wasser wie an Land. Touristisch hin oder her, die Aussicht vom auf dem Kiesstrand stehenden Essentisch ist einfach fantastisch!

Hauptattraktion des Ankerplatzes ist eben nicht das leckere Essen – wo gibt’s das hier nicht? – sondern das atemberaubende Panorama, von dem sich nach unserer Rückkehr an Bord nur noch die Silhouette abzeichnet; dafür beleuchten tausend Sterne und die Milchstraße die Szenerie – magisch!

Telendos

Auch als wir am nächsten Morgen die Bucht verlassen und gen Süden zwischen Kalymnos und Telendos durchfahren, können wir uns nicht sattsehen an diesen mächtigen, steil ins Wasser abfallenden Gebirgszügen. Auf Telendos klebt ein winziger Ort am Hang dieses riesigen Felsens – nur ein geringer Prozentsatz der Inselfläche ist eben genug, um in irgendeiner Form bebaut werden zu können. Man muss sich in Erinnerung rufen, wie die ganze Gegend von tektonischer Aktivität geformt und geprägt wurde – Telendos etwa war bis zu einem Erdbeben im Jahre 554 n. Chr. noch mit Kalymnos verbunden. Was muss das für ein Ereignis gewesen sein – die häufigen Erdbeben an der türkischen Küste sind nur eine kleine Erinnerung daran, dass die Erdkruste hier sehr lebendig ist.

Kalymnos / Vathy

Als wir uns aus der Abdeckung von Telendos lösen, fangen wir auch einen sanften Wind ein, mit dem wir bis auf die Südseite von Kalymnos segeln können; vor der großen Bucht, in welcher der Haupthafen der Insel liegt, verwandelt sich dieser aber in eine umlaufende Flaute, so dass wir die letzte Stunde motoren müssen, um schließlich in die fjordartige Bucht von Vathy einzulaufen.

Bilderbuchlage: Vathy

Hier waren wir vor knapp zwei Jahren schon einmal, aber das ist kein Grund, nicht noch einmal herzukommen, ganz im Gegenteil: der sehr kleine Ort ist einfach wunderschön gelegen, hier sollte man nicht vorbeifahren! Nach den vielen Charterbooten vor Emporeios machen wir uns etwas Sorgen um die Liegeplatzsituation, aber das erweist sich als unbegründet: zwar ist der Hafen klein und größtenteils, es gibt nur Platz für wenige tiefgehende Boote, aber gerade deshalb verirren sich hierher auch nur etwas kleinere Yachten. Wir sind ohnehin im Vorteil, weil wir mit unserem langgezogenen Bug auch vorwärts vor Heckanker anlegen können, wo sich ein modernes Boot rückwärts die Ruderanlage ruinieren würde; das tun wir auch, um den tieferen, ebenfalls noch unbelegten Platz noch jemandem zu überlassen, der darauf angewiesen ist – es kommt jedoch nach uns kein Boot mehr herein.

Da erblasst der Gartenfreund vor Neid …

Obwohl tagsüber die großen Ausflugsboote Scharen von Touristen von Kos herüberschaffen (einschließlich Reiseleiterin mit TUI-Schild, und auch sonst wird kein Klischee ausgelassen), findet sich noch eine familiengeführte  Taverna mit nur einer Handvoll Tischen, sehr nettem und persönlichem Service, köstlicher Küche und Preisen ohne Touristen-Aufschlag (wer mal hinkommen sollte: ‘Το Λιμανάκι του Βαθύ’, Der kleine Hafen von Vathy) – wir können nur darüber staunen, wie man unter diesen Umständen nicht der Versuchung erliegen kann, das schnelle Geld mit Leuten zu machen, die eh nie wieder kommen werden. Was steht dahinter – Anstand, Würde, Ehre? Wie schon so oft festgestellt, die Gewinnerzielungsabsicht hat hier noch nicht alle anderen menschlichen Leitmotive verdrängt … und, um das deutlich zu sagen, dabei geht es uns nicht um Geiz-ist-geil: aber es fühlt sich gut an, fair behandelt zu werden, und die Gastronomie hier mag nur ein Drittel der Preise in Deutschland abrufen, aber dafür gehen wir hundertmal so gerne und (fast) so oft aus, und sorgen so für einen deutlich größeren Umsatz – und auch nach Abzug der ‘Materialkosten’ Gewinn – als zu Hause … aber bitte, jeder wie er’s will!

Pserimos / Vathy
Vathy auf Pserimos

Wir verlassen Vathy erst gegen Mittag, es sind nur 9 Seemeilen bis zu unserem nächsten Ziel, der kleinen Insel Pserimos. Unsere Erwartungen an den Wind sind nicht hoch, umso erfreulicher, dass wir kurz nach dem Verlassen des Küstenbereichs vor Kalymnos, wo nur ein flauer thermischer Wind auf die Insel zu weht, die Segel setzen und bis kurz vor den Ankerplatz segeln können. Dieser liegt auf der der Türkei zugewandten Seite von Pserimos und heißt – Vathy. Wer sich über das Namens-Recycling wundert: ‘βαθύς’ bedeutet einfach ‘tief’ (der Segler denke an die ‘Bathymetrische Karte’ – der griechische Buchstabe ‘beta’ wird heute eben als ‘v’ ausgesprochen).

Im kristallklaren Wasser wirft die ‘Orion’ ihren Schatten auf den weißen Sand in 5 Metern Tiefe

Die Ankerbucht ist nicht nur tief eingeschnitten, sie verfügt auch über gleichmäßig tiefes Wasser – und einen perfekten Sandgrund, der die ganze Bucht in traumhaften Farben leuchten lässt. Es ankern auch schon einige Yachten hier, und ein Ausflugsboot wässert gerade seine menschliche Fracht (oder wie nennt man das, wenn alle im Gänsemarsch ins Wasser hüpfen, zwei Runden ums Boot schwimmen und wieder die Treppe an Bord laufen, um bald darauf zum nächsten Ziel befördert zu werden?). Platz gibt es aber reichlich, und auch wir genießen nach dem Abzug des Ausflugsdampfers noch das inzwischen 24° warme Wasser – auf der Reise nach Süden steigen langsam die Temperaturen …

 

Später unternehmen wir eine kurze Wanderung über den Hügelsattel in den einzigen Ort der Insel, Avlakia, nur eine Handvoll Häuser und Gastronomie für die – Tagestouristen, genau. Am Abend sind die wieder am Buffet im Hotel auf Kos, und wir genießen die Ruhe am schönen Strand des Dorfs, das keinen Meter geteerte Straße hat, alles ist weißer Sand.

Kos / Kardamaina

Am Sonntagmorgen verlassen wir den Ankerplatz (hier hätte man wirklich auch noch bleiben können …) und machen uns auf den Weg zum Zwischenziel dieses Törns, Kardamaina auf der Südseite von Kos. Die Distanz ist mit 24 Seemeilen nicht ganz so kurz, und ausgerechnet an diese Tag verlässt uns der Wind, der es in den vergangenen zwei Wochen so gut mit uns gemeint hat, völlig: mit 4 Knoten Wind legen wir diese Distanz nicht an einem Tag zurück. Zudem sind wir etwas nervös hinsichtlich der Liegeplatzsituation vor Ort, also haben wir auch nicht die Geduld, auch nur ein paar Stunden auf der Stelle zu segeln; statt dessen läuft die ganze Zeit der Motor – wenigstens sind wir mit dem letzten Herbst montierten 20″-Propeller rund einen Knoten schneller unterwegs.

Türkische Küste bei Bodrum

Zunächst halten wir auf die Meerenge zwischen Kos und der türkischen Küste bei Bodrum und kommen dieser dabei bis auf anderthalb Seemeilen nahe – die Bebauung ist so viel dichter als auf den griechischen Inseln direkt gegenüber! In dieser Hinsicht sind wir auch auf den Anblick von Kos-Stadt am Ostende der Insel gespannt, gibt es hier doch das volle Programm an Pauschalreisen und Badetourismus; wir werden aber ‘enttäuscht’, natürlich gibt es unzählige Hotels, aber die elfstöckigen Plattenbauten der spanischen Küste sucht man auch hier vergebens -gut so!

Hallo, Nachbar!

Wir passieren das Ostkap von Kos, Agios Fokas; hier hat man eine riesige griechische Flagge auf die Felsen gemalt, damit beim misstrauisch beäugten Nachbarn gegenüber auch ja keine Missverständnisse aufkommen 😉

Mächtige Berge im Südosten von Kos

An der Südostküste fallen die Berge so steil ins Meer ab, dass keinerlei Bebauung möglich ist; hier ist die Insel völlig einsam und sehr schön. Erst als sich die Berge nach weiteren zwei Stunden Fahrt langsam abflachen, gibt es wieder Platz für Siedlungen, so auch Kardamaina, welches über einen großen, gut geschützten Hafen auch bei südlichen Winden sowie eine perfekte Anbindung zum Flughafen verfügt, was es als unser Zwischenziel qualifiziert.

Blick vom Liegeplatz über den Hafen von Kardamaina

Die Liegeplätze etwas abseits an der Südmole sind leider belegt, aber dafür finden wir ein Plätzchen neben den Fischern – sehr gut, hier können wir ein paar Tage bleiben!

Der Ort ist ebenfalls sehr touristisch geprägt, und offenbar fest in britischer Hand: es gibt original englische Pubs,  und am Abend läuft überall ein Rugby-Spiel auf riesigen Flachbildfernsehern, unter großer und lautstarker Anteilnahme des Publikums. Etwas skurril alles, aber sonst ganz nett hier 🙂

Kos: Landgang

Am Montag mieten wir ein Auto, um auch das Inland von Kos kennenzulernen. Von Kardamaina führt eine Stichstraße wenige Kilometer ins Inland bis zum Flughafen, wo sie auf die Hauptstraße trifft, die sich der Länge nach über die Insel erstreckt – ein übersichtliches Straßennetz. Wir fahren zunächst in den Wald von Plaka.

Im Wald von Plaka

Auf ca. 30 Hektar wachsen hier alte Pinien; das ganze Gelände liegt in einer Art Senke im weichen Tuffgestein der Gegend, was wohl erklärt, wie sich hier genügend Feuchtigkeit halten kann. Besondere Attraktion ist die Population von wildlebenden Pfauen – die auch gefüttert werden und daher alles andere als scheu sind.

Nach den Pfauen muss man nicht lange suchen

Am Parkplatz neben der Straße finden sich auch am Vormittag schon etliche Besucher ein, denn hier ist auch der Futterplatz für die Tiere; geht man aber nur 50 Meter in den Wald hinein, trifft man keine Menschenseele mehr. Und der Spaziergang lohnt sich: die Luft ist warm, aber noch angenehm, es ist schattig, die Sonne bricht durch die Baumkronen und zaubert wunderhübsche Lichtreflexe auf den von langen Piniennadeln bedeckten Boden, und der Duft – ist unbeschreiblich! Ein wunderschöner Ort, hier könnte man auch einen Picknickkorb mitbringen und den ganzen Tag verbringen – sehr erstaunlich eigentlich, dass niemand auf diese Idee kommt.

Blick von Zia über die Ebene von Kos auf Pserimos und Kalymnos (links)

Als nächstes führt uns unser Weg nach Osten, entlang der Berge. Majestätisch ragt das Dikaios-Massiv mit bis zu 846 Metern Höhe über der Küstenebene auf. Die Gipfelregion ist nur durch eine echte Bergtour zu erreichen, wir müssen uns damit begnügen, ein paar auf halber Höhe gelegene Bergdörfer zu besuchen. Eines davon, Zia, hat ziemliche touristische Berühmtheit erlangt.

Ein paar Meter abseits ist es auch in Zia schön

Busladungsweise werden hier die Besucher abgeladen, um entlang der Dorfstraße zu schlendern und neben Kräutern, Olivenölprodukten und Honig auch Waren mit so ausgeprägtem Ortsbezug wie Designershirts und Handtäschchen zu erstehen … die Aussicht ist aber wirklich schön, und wenn man die 30 Höhenmeter auf die nächste Ebene des Wegenetzes zurücklegt, auch das Dorf.

Ruinen in Chaichoutes

Wir besuchen auch noch das ‘verlassene Dorf’ Chaichoutes oder Agios Dimitrios; dieses ist größtenteils verfallen, nur die Kirche ist gepflegt, und einige Häuser sind sehr hübsch restauriert. Es gibt euch eine Taverna, die allerdings schon geschlossen ist – im Oktober ist halt die Saison vorüber (es hat ja auch nur noch 27°, und ab und an soll es sogar regnen). Von der Lage und Aussicht her hätte das Dorf das Potential, ein zweites Zia zu werden – wenn die Zufahrt nur für Reisebusse passierbar wäre 😉

Herrliche Lage – Ausblick von der Kirche Agios Dimitrios

Zum Abschluss des Landgangs besuchen wir natürlich den Hauptort der Insel; hier finden sich zahlreiche Ausgrabungsstätten, denn auch Kos blickt auf eine vieltausendjährige Geschichte zurück. Nicht fehlen dürfen natürlich die Überreste zahlreicher Heiligtümer, besonders bekannt ist Kos aber für seine antike Ärzteschule, das Asklepieion, und seinen berühmtesten Sohn, Hippokrates.

Aus jüngerer Vergangenheit stammt die noch immer beeindruckende Johanniterfestung Neratzia direkt am Hafen, welche von den Kreuzrittern im 14. Jahrhundert zur Verteidigung gegen die Osmanen errichtet wurde. Diese kann kostenlos besichtigt werden – aber nur bis 15 Uhr, und da wir das nicht wissen, schließt man die Pforte quasi vor unserer Nase. Aber auch der Rest von Kos-Stadt bietet genug Programm: die – ebenfalls frei zugänglichen – Ausgrabungsstätten um die Agora, die hübsche Altstadt und der große Hafen. Und selbst in diesem Ort, wo man auf den Straßen praktisch nur Deutsch, Englisch und Niederländisch hört und die Restaurants bebilderte Tafeln aufgestellt haben, schaffen wir es, ein gutes (frühes) Abendessen einzunehmen, so dass wir das Auto zum Schluss noch für Einkäufe nutzen und rechtzeitig in Kardamaina wieder abgeben können.

Nisyros / Paloi

Nach viertägiger Zwangspause in Kardamaina, die mit den üblichen Bootsarbeiten und ansonsten recht ereignislos verlaufen, können wir am Samstag den 21. zur zweiten Hälfte unseres Törns aufbrechen. Schwacher Südwind ist angesagt, und wir sind hoch motiviert, die überschaubare Strecke von 10 Seemeilen bis zur südlichen Nachbarinsel Nisyros unter Segeln zurückzulegen – und müssen in den folgenden Stunden wieder einmal feststellen, dass bei Flaute zu segeln in vielerlei Hinsicht anstrengender ist als bei Starkwind: wir versuchen der Gegenflaute mit Großsegel und Code 0 etwas Geschwindigkeit in Richtung Ziel abzuringen, was durch einen halben Knoten Gegenstrom nicht einfacher wird. Nach vielen Manövern und Stunden müssen wir schließlich doch den Motor zu Hilfe nehmen, wenn wir zu einer akzeptablen Zeit den Zielhafen erreichen wollen.

Die Insel Nisyros ist vulkanischen Ursprungs – anschaulicher gesagt, sie ist ein einziger großer Vulkan, dessen Mitte zu einer Caldera eingebrochen ist. Der Kraterrand fällt größtenteils so steil ins Meer ab, dass es keinerlei Siedlungen, Häfen oder Ankermöglichkeiten gibt.

Abendstimmung im Hafen von Paloi

Nur auf der Nordseite gibt es den Hauptort und Fährhafen Mandraki und etwas östlich noch den Fischerhafen Paloi, und da wollen wir hin. Die Einfahrt neigt dazu, zu versanden (kein Wunder, auf die Nordseite der Insel steht normalerweise der Wind), daher wollen wir noch bei brauchbarem Licht da reinkommen – was uns auch gut gelingt, wir sehen aber noch zwei Boote nach uns einlaufen, die sich festfahren, in einem Fall sogar sehr nachhaltig.

Der Ort ist wirklich übersichtlich, aber sehr nett, und so ist auch der Autovermieter, mit dem wir gleich einen Leihwagen für den nächsten Tag ausmachen: per Handschlag, zum schmalen Preis, ohne jeden Papierkram – griechisch eben.

Zwar verfügt die Insel nicht gerade über ein umfangreiches Straßennetz, dennoch muss man ihr Inneres besuchen, wenn man schon hier ist: in der Caldera raucht und dampft es nämlich überall, und der Stefanos-Krater ist einer der wenigen begehbaren aktiven Vulkankrater weltweit. Der Vermieter gibt uns auch Hinweise, wie wir den Ausflug planen müssen, um den Tagestouristen, die in Bussen aus Mandraki herangekarrt werden, auszuweichen. So haben wir den Krater für uns allein und können, umweht von Schwefeldämpfen, die geothermale Aktivität bestaunen und einer aktiven Magmakammer so nahe kommen wie nirgendwo sonst.

Dorfplatz in Nikia

Aber auch die beiden Bergdörfer Nikia und Emporeios sind sehenswert; ins letztere fahren wir zum Abschluss des Tages noch einmal, um dort in eine traditionelle Taverna einzukehren, und bekommen ein ganz hervorragendes Abendessen in sehr netter Umgebung. In Mandraki wäre die Auswahl zwar viel größer gewesen, aber dort ging es uns viel zu touristisch zu; beeindruckt haben uns dort aber die riesigen, perfekt zusammengefügten Steine in der schätzungsweise 2.500 Jahre alten Festungsmauer – unglaublich, wie man das zu dieser Zeit und mit den entsprechenden Werkzeugen hinbekommen hat, die einzelnen Steine sind sicher einen Meter hoch und teilweise doppelt so breit, und in die Fugen passt kein Blatt Papier!

Neben dem Vulkan ist eine der Hauptattraktionen der Insel aber einfach der Ausblick, der sich rundherum vom Kraterrand auf die Ägäis und die umliegenden Inseln bietet – so unglaublich weit und blau!

Tilos / Paralia Skafi

Montagmorgen verlassen wir den Hafen von Paloi – genau unserem GPS-Track von der Einfahrt folgend, man muss sein Glück ja nicht herausfordern – und nehmen Kurs auf die südlich liegende Nachbarinsel Tilos. Diese soll uns aber nur als Übernachtungsstopp dienen, eigentlich wollen wir erst mal nach Symi weiter im Osten, aber auch heute gibt es kaum Wind, und da ist uns der Weg nach Symi zu weit.

So absolvieren wir also wieder das übliche Schwachwind-Beschäftigungsprogramm: Groß setzen, Code 0 ausrollen, Segel shiften, Motor an, Motor wieder aus, Segelstellung wieder verändern – und schließlich, als wir den Einflussbereich von Nisyros verlassen, werden wir mit einer leichten Brise belohnt, die uns an die Nordspitze von Tilos bringt.

Einsam: Paralia Skafi

Eigentlich hatten wir uns eine Ankerbucht an der Ostküste ausgesucht, weil uns diese besser geschützt erschien, aber quasi im Vorbeifahren haben wir uns dann für die Bucht von Skafi ganz im Nordosten entschieden, konnten wir doch auf glattes, ruhiges Wasser und einen hübschen Strand blicken. Also, schnell das Leichtwindsegel eingerollt und ab in die Bucht!

Abendhimmel am Ankerplatz

Der Ankergrund erweist sich als hervorragend, ebenso das Schnorcheln bei 25° Wassertemperatur sowie später der Blick auf das Farbenspiel am Abendhimmel; dass die Bucht völlig einsam und unbewohnt ist, bringt zwar den kleinen Nachteil mit sich, dass wir mal wieder ohne Mobilfunkabdeckung und somit Kontakt zur Außenwelt sind, aber das nehmen wir gerne in Kauf 🙂

Symi / Pedi

Für den Dienstag ist halbwegs brauchbarer Wind aus West angekündigt, und so wollen wir die rund 30 Seemeilen nach Symi in Angriff nehmen. Wir können schon unter Großsegel den Anker lichten und aus der Bucht herausfahren, wo wir dann den Code 0 hinzunehmen und tatsächlich bald gute Fahrt machen; der Wind ist sogar etwas kräftiger als vorhergesagt, zeitweise messen wir 15 Knoten aus westlichen Richtungen, und so geht es mit bis zu 6 Knoten Fahrt schnell voran, was wir sehr zu schätzen wissen nach 10 windarmen Tagen.

Aber wir haben und zu früh gefreut: fast genau gegen 11 Uhr sichten wir noch Delphine und halten das für ein gutes Omen, als auf einmal der Wind abgestellt wird – von 15 auf 2-3 Knoten innerhalb von ein bis zwei Minuten! Solche scharfen Windgrenzen haben wir nur im Windschatten großer Bergmassive wie auf der Südseite Kretas erlebt – aber wir befinden uns vor der Lücke zwischen Tilos und Nisyros, in Luv von uns ist rein gar nichts, nur hunderte Seemeilen Wasser!

Symi voraus!

Aber es bleibt dabei, und so motoren wir mehrere Stunden, bis sich kurz vor Symi neuer Wind einstellt – aus Südost! Der muss irgendwie um Rhodos herumkommen … das erklärt auch ein wenig, was den Westwind aufgehalten bzw. neutralisiert hat, aber es passt nicht im allergeringsten zu irgendeiner Vorhersage – wir stellen immer mehr fest, dass die Rhodos-See genannte Bucht, welche von ebendieser Insel im Süden, der Datça-Halbinsel im Norden und dem türkischen Festland im Osten eingerahmt wird, ziemlich unberechenbare Windverhältnisse hat …

Die Nimos-Passage: da müssen wir durch …

Am Nachmittag erreichen wir so wieder unter Segeln Symi, queren die enge Passage zur vorgelagerten Insel Nimos, lassen den Hauptort der Insel an Steuerbord liegen und ankern schließlich in der Bucht von Pedi.

Farbenfroh: Pedi

Hier erwarten uns farbenfroh gestaltete Gebäude eingebettet in eine fjordartig eingeschnittene Bucht mit intensiv blauem Wasser – eine Farbenpracht! Am ungewohnten Architekturstil kann man den Einfluss der Italiener ablesen, welche die Insel von 1912 bis 1943 besetzt hatten und in dieser Zeit offenbar rege Bautätigkeit entwickelt haben; später hat man dann diesen Stil beibehalten, weil er zu einem (touristischen) Merkmal der Insel geworden war.

Am Abend nach unserer Ankunft kommen wir nicht mehr an Land, da wir auf einem britischen Nachbarboot, deren Crew wir schon auf Nisyros kennengelernt haben, zu einem Drink eingeladen werden und dann dort hängenbleiben, aber am nächsten Vormittag laufen wir über die Anhöhe, die Pedi vom Hauptort der Insel trennt, um uns diesen anzuschauen. Symi-Stadt erweist sich als größere Ausgabe von Pedi: die gleichen bunten Häuser, nur mehr davon, und alles ziemlich überlaufen mit Menschen. Visuell gefällt uns der Ort gut, er fühlt sich aber viel hektischer an, und wir sind froh, nicht dort an die Kaimauer gegangen zu sein, wo einem die Autos quasi durchs Cockpit fahren.

Zurück in Pedi – wir haben den öffentlichen Bus genommen, die Temperaturen gehen schon wieder auf 30 Grad, obwohl es noch nicht Mittag ist – erledigen wir noch die Einkäufe im kleinen, aber überraschend gut sortierten Minimarkt und verlassen dann die schöne Bucht von Pedi.

Symi / Panormitis

Gut 10 Seemeilen um die Insel liegt im Südosten nämlich die Hauptattraktion derselben – jedenfalls für unzählige griechisch-orthodoxe Christen, die jedes Jahr hierhin pilgern: in einer einsamen und nur durch eine enge Passage zu erreichenden Bucht liegt ein altes Kloster, mit vollem Namen ‘Kloster des Erzengel Michael in Panormitis‘, wunderschön in die Landschaft eingebettet. Unser Weg dorthin ist wie üblich von Flaute begleitet, aber wenigstens ist es ja nicht so weit …

Das Kloster des Erzengel Michael in Panormitis

Wir waren gewarnt, dass es in der Bucht sehr voll werden kann, aber glücklicherweise ist es ja doch schon spät im Jahr – nur wenige Boote ankern dort schon, und es gibt reichlich Platz; wir finden eine schöne Stelle vor einem kleinen Strand mit Blick aufs Kloster.

Das Kloster in abendlicher Beleuchtung

Dieses ist wirklich sehr hübsch, was sicher zu seiner Attraktivität beiträgt, und es werden auch sehr günstige Übernachtungszimmer an die ‘Pilger’ vergeben; wie wir selbst von unseren griechischen Freunden wissen, ist eine Reise dorthin ein guter Anlass, einfach mal rauszukommen und einen Kurzurlaub im Zeichen der Frömmigkeit zu machen – warum auch nicht?!

Am Abend ist das Gebäude stimmungsvoll ausgeleuchtet, und es schallen zu uns die Mönchsgesänge der Abendmesse übers Wasser – ein sehr stimmungsvoller Ort, das begreift man auch, wenn man nicht als Pilger hier ist.

Alimia / Tigani

Am Donnerstag ist mal wieder ein Hauch Wind angesagt; diesen wollen wir nutzen, um uns aus der flautigen Bucht, in der Symi liegt, herauszusegeln. Dementsprechend brechen wir relativ früh auf, können auch unter Groß den Anker lichten und aus der Bucht heraussegeln, den Code 0 hinzunehmen und sind so bald mit 5-6 Knoten unterwegs. Bald wiederholt sich aber exakt das Spiel vom Dienstag: der schöne Ostsüdost von 15 Knoten wird nach kaum zwei Stunden plötzlich abgestellt! Wenigstens können wir diesmal den Schuldigen ausmachen: bei unserer Fahrt nach Südwesten kommen wir der mächtigen Landmasse von Rhodos immer näher. Nach einer Stunde Motorfahrt kommt aber auch heute der Wind aus der Gegenrichtung wieder, und wir können nochmal zwei Stunden segeln, bis wir bei Gegenwind wieder unter Motor die innere Bucht der Insel Alimia anlaufen, welche sich wie ein Fragezeichen um diese herumkrümmt.

Alimia

Hier bietet sich Ankerraum ohne Ende und gegen verschiedene Windrichtungen geschützt, klares, tiefes Wasser, ganz viel Einsamkeit – die Insel ist unbewohnt – und mehrere Wracks am Grund, welche die Hobbytaucher anziehen.

Wir verbringen einen ruhigen Abend – und eine nicht ganz so ruhige Nacht: zwischen 1 und 2 Uhr in der frühe fällt das Barometer um 4 Hektopascal in 30 Minuten, und kurz darauf werden die Ankerlieger von Böen der Windstärke 6 gebeutelt. Das ist noch nicht furchtbar viel, aber niemand – die Wetterdienste eingerechnet – hat damit gerechnet, und so bricht auf einigen Booten hektische Aktivität aus, weil der Anker slippt oder man dies noch durch Geben von mehr Kette zu verhindern versucht. Unserer hält (wie eigentlich immer), und eine Stunde später ist der ganze Spuk auch wieder vorbei.

Sowohl wegen der unruhigen Nacht als auch der schönen Umgebung legen wir am Freitag einen Pausentag ein. Auf der Insel zu wandern ist nicht einfach, gibt es doch keine brauchbaren Wege.

Wohl das Maximum an Kritik, das man sich damals herausnehmen konnte

Wir besichtigen die alten Soldatenunterkünfte, wo sich hier im 2. Weltkrieg kurzzeitig stationierte Soldaten an den Wänden künstlerisch betätigt haben (die Bucht wurde wohl als Versteck für U- und Schnellboote benutzt), steigen über Stock und Stein bis auf den Hügel auf der Inselmitte und genießen die Aussicht. Nach der Schwitzerei geht es natürlich ins Wasser, und wir schnorcheln über dem in ca. 10 Metern Tiefe liegenden Wrack eines Ausflugsbootes, dessen hölzerne Spanten aus der grünen Tiefe heraufragen. Die Sicht ist übrigens ausgezeichnet, selbst von der Wasseroberfläche – ein merkwürdiges Gefühl, so schwerelos über dem Gerippe zu treiben.

Farbenspiel am Wassersaum

Wir stellen beim Schnorcheln fest, dass die ganze Bucht trotz der großen Tiefen überall geeigneten Ankergrund bietet – alles fester, schwerer Lehm, kein Gras, keine Felsen – und dazu eine wirklich schöne Umgebung: viele grüne Gehölze, leuchtend orangerote Felsformationen, und natürlich das tiefblaue Wasser dazu – der perfekte Ort für einen ganzen Tag vor Anker!

Ausblick über Alimia
Chalki / Emborios

Nachdem wir noch einen zauberhaften, langen Abend auf Alimia verbracht haben, bei fast vollem Mond im Cockpit sitzend und die Stille genießend, haben wir uns am Samstag den 28. Oktober auf die kurze Überfahrt zur Nachbarinsel Chalki gemacht.

Emborios in Festtagslaune

Heute ist Feiertag in Griechenland, der ‘Όχι’-Tag – man gedenkt der Ablehnung der italienischen Aufforderung zur Kapitulation 1940 – und dementsprechend ist der Haupt- und Hafenort der Insel festlich geschmückt, und am Fähranleger liegt ein imposantes Patrouillenboot der griechischen Marine. Am für besuchende Yachten vorgesehenen Schwimmsteg ist es dennoch nicht gerade voll, nur ein Boot liegt dort – die Saison ist eben doch langsam vorüber.

Auf der Seekarte sah die Insel für uns recht klein aus, aber das lag wohl nur an der riesigen Landmasse von Rhodos direkt daneben – in der Realität ist die rund 10 Kilometer lange Insel ein ganz ordentlicher Brocken, was auch daran liegt, dass sie sich gut 600 Meter aus dem Meer erhebt. In der Antike war Chalki viel fruchtbarer und durch den dort erfolgenden Kupfererzabbau bedeutend, bis zu 8000 Menschen sollen einst hier ihr Auskommen gefunden haben; heute sind es kaum 500, die praktisch nur vom Tourismus leben.

Die ‘Orion’ im Hafen von Emborios

Besonders gut ist die Insel aber nicht zu erreichen (wenn man nicht gerade mit dem eigenen Boot kommt), es gibt noch nicht mal täglich eine Fähre, weshalb sich die Besucherzahlen noch in Grenzen halten; dabei hat die Insel mit Emborios einen wirklich schönen Hafenort zu bieten, mit italienisch anmutender Architektur wie auf Symi, glasklarem Wasser selbst im Hafen, exzellenten Tavernas (so eine Überraschung …) und freundlichen Menschen – uns gefällt es sehr gut hier!

Chalki / Paralia Pondamos

Obwohl selbst das Wasser im Hafen schon zum Baden einlädt, hat Chalki in dieser Hinsicht noch mehr zu bieten: gleich um die Ecke (und für landbasierte Urlauber von Emborios aus fußläufig zu erreichen) liegt der Traumstrand von Pondamos: über hunderte Meter erstreckt sich eine weiße Sandfläche mit sanft ansteigenden Tiefen, der perfekte Ankergrund.

Badeparadies Pondamos

Zur einen Seite der Bucht liegt malerisch eine kleine Kapelle, zur anderen Seite eine Steilküste mit rotbraunen Felsen, und in der Mitte ein breiter Sandstrand, im Hintergrund eine einzige Taverna (die auch schon geschlossen ist), das ganze eingerahmt von hoch aufragenden Bergen. Das Wasser hat knapp 25 Grad in der Mitte der Bucht, zum Ufer wird es wärmer; die Sonne zaubert magische Reflexe auf den weißen Sandgrund, und zur Steilküste liegen zerklüftete Felsen am Ufersaum, in denen sich ganze Schwärme bunter Fische tummeln – ein herrlicher Ort für einen Badetag!

Allein dass durch die in der vergangenen Nacht erfolgte Zeitumstellung die Sonne nun schon um Viertel nach Fünf untergeht, ist schade – aber wir beschließen die Uhrzeit einfach zu ignorieren (wenigstens bis zum Rückflug)

Tilos / Paralia Agios Sergios

Am Montagmorgen müssen wir Chalki verlassen, es wird Zeit, uns auf den Rückweg zu machen; erstes Ziel ist die Insel Tilos, die wir vor einer Woche ja nur für einen Übernachtungsstopp besucht haben.

Schwachwindsegeln nach Tilos

Wie inzwischen schon gewohnt weht kaum Wind – und wenn, dann von vorne; wir motoren also erst mal bei Gegenflaute bis zum Westende der Insel, um dann auf offener See etwas Wind einzufangen und die eigentliche Querung unter Segeln anzugehen. Dies gestaltet sich zunächst bei kaum 5 Knoten Gegenwind äußerst mühsam, nachdem aber einige Stunden vergangen sind und die Sonne etwas Bewegung in die Flaute gebracht hat, werden 7 bis 8 Knoten daraus, und die Richtung wird westlicher – damit können wir etwas anfangen und segeln mit dem Code 0 am Wind bis zum Eingang in die südlichste Ankerbucht auf Tilos, Agios Sergios.

Einsam und schön: Agios Sergios

Die Küste ist hier wild zerklüftet, und die gesamte Gegend völlig unbebaut; dementsprechend können wir vor Anker auch kein Mobilfunknetz finden, aber das macht nichts, beim Wetter erwarten wir keine spannenden Entwicklungen, und die Umgebung ist Beschäftigung genug: wir beobachten, wie die Ziegen sich noch in den steilsten Felswänden bewegen, um an die dort wachsenden Kräuter zu gelangen, und betrachten die wild gefalteten Gesteinsformationen durch das Fernglas.

Bizarre Felsen vor Tilos

Als wir am nächsten Morgen die Ankerbucht verlassen, können wir im Licht der Morgensonne nochmal die Felsformationen am Eingang zur Bucht in ihrer ganzen Pracht bestaunen: das relativ weiche, vulkanische Gestein ist beim Erkalten in die verrücktesten Formen gepresst worden, und die Wechselwirkung mit der See hat zu bizarren Aushöhlungen geführt. Bei der mäßigen Qualität der hiesigen Seekarten ist diese Küste allerdings auch mit großer Vorsicht zu genießen, es ist nie ausgeschlossen, dass ein gewaltiger Unterwasserfelsen in der Seekarte einfach mal fehlt …

Tilos / Paralia Kokkini

Wir wollen ‘nur’ ein kleines Stück um Tilos herum, und da wir vor der Bucht gekräuseltes Wasser sehen, denken wir, das sollte mit einiger Geduld doch unter Segeln möglich sein – aber weit gefehlt, es beginnt das übliche Spiel: vier Knoten raumer Wind von Backbord, Leichtwindsegel raus –  fünf Minuten später drei Knoten von Steuerbord, Segel shiften – zwei Minuten später zwei Knoten von vorne, Segel fällt ein. Als wir – zunächst erfreut – feststellen, dass die Geschwindigkeit über Grund sich von 0.0 wieder auf 0.3 Knoten erhöht hat, und dann ernüchtert bemerken, dass wir mit einem Gegenstrom dieser Geschwindigkeit exakt auf unserer Kurslinie rückwärts segeln, muss dann doch wieder für eine Stunde der Motor ran …

Der ‘Rote Strand’ von Tilos

Erst als wir die Südostspitze der Insel passieren, setzt sich der Nordwestwind mit 8-10 Knoten durch – für uns exakt von vorne, natürlich, aber wenigstens können wir damit kreuzen, und erreichen so gegen Mittag nach stolzen 10 Seemeilen die nächste Ankerbucht, Paralia Kokkini. Das bedeutet ‘Roter Strand’ – und der Name hält, was er verspricht, der Sand und die Felsen dahinter leuchten in allen Rot- bis Brauntönen!

Die Bucht ist wirklich sehr klein, mit dem Anker in der Mitte und hinreichend Kette würde uns Seitenwind auf der einen oder anderen Seite auf die Felsen treiben lassen. Aber die Umgebung ist wirklich toll, wie wir auch beim Schnorcheln feststellen: hier wurden offenbar abwechselnd harte und weiche Gesteinsschichten abgelagert, und durch die Herauslösung der letzteren sehen die Ufersäume wie riesige Blätterteigschichten aus. Hier verstecken sich natürlich unzählige Fische, wir sehen sogar eine sicher einen guten Meter lange Muräne, die uns nicht sehr freundlich anschaut.

Mondaufgang zu Halloween

Für so eine Umgebung lohnt es sich mal, etwas suboptimale Ankerverhältnisse in Kauf zu nehmen; wir bringen noch den Heckanker aus, um halbwegs sicher durch die Nacht zu kommen, und beobachten noch lange den phantastischen Sternenhimmel, bis schließlich – passend zu Halloween – ein blutroter Mond aufgeht und mit seinem Licht die Sterne bald verblassen lässt.

Natürlich passiert es in der Nacht, dass wir den Felsen zu nahe kommen, weil das Boot bei völliger Flaute orientierungslos herumtreibt; wir verkürzen die Kette des Bugankers nochmal um 5 Meter, und dann können wir den Rest der Nacht ungestört schlafen.

Tilos / Livadhia

Am Vormittag des 1. November lassen wir es erst mal ruhig angehen, denn wir wollen heute nur in den Haupthafen von Tilos, nach Livadhia; das ist nur eine Seemeile entfernt, und wir wollen den Charterbooten dort ja erst mal die Zeit geben, abzulegen und den kleinen Hafen zu räumen. Als einige Yachten an uns vorbei gefahren sind, machen wir uns dann auch auf den Weg – mit etwas Verzögerung, nun unfreiwillig, denn der zur Stabilisierung ausgeworfene Heckanker hat sich perfekt in den oben beschriebenen Felsplatten verhakt. Aber mit etwas Geduld und guten Nerven (schließlich fand das Manöver eine gefühlte Armlänge vor den Felsen statt) haben wir ihn auch ohne Tauchgang frei bekommen, und eine halbe Stunde später waren wir auch schon in Livadhia. Zwei große Charteryachten lagen noch an der Kaimauer, aber Minuten nach unserer Ankunft verließen die uns auch (unter lautem Abspielen von ‘Time to say goodbye‘), und wir waren die einzigen Gäste.

Der kleine Ort verfügt über eine endlos lange Strandpromenade, an der sich einige Tavernas und Cafés befinden, die aber alle schon geschlossen waren, die Saison ist halt vorüber (auch wenn das dem Wetter nicht anzumerken ist). Auch vier (!) Mini-Supermärkte gibt es, die allerdings hinsichtlich Obst und Gemüse nicht gut bestückt waren – die Fähre mit Lieferungen kommt nur zweimal in der Woche … aber eine geöffnete und sehr nette Bäckerei finden wir, womit die Kaffeetafel an Bord gut gedeckt ist 🙂

Den Nachmittag verbringen wir an Bord mit Hafenkino – wir beobachten filmreife Anlegemanöver im noch leeren Hafen bei 5 Knoten Wind und strahlendem Sonnenschein. Natürlich helfen wir auch, wobei die psychologische Betreuung schwerer wiegt als das Abhalten und Annehmen der Leinen – oberflächlich betrachtet mag das amüsant sein, aber man leidet da schon mit, schließlich ist es der wohlverdiente Jahresurlaub, und dann hängt der Bordsegen deutlich schief, nur weil das Manöver suboptimal verläuft. Erschwerend kommt hinzu, wie leicht das vermeidbar wäre – aber soll man jedem Fahrstunden anbieten? Das könnte auch falsch rüberkommen …

Am Abend suchen wir die Taverna auf dem Dorfplatz auf, und siehe da, die ist noch geöffnet! So bekommen wir doch noch ein Abschiedsessen auf Tilos, und ein sehr gutes dazu.

Tilos / Agios Antonios
Die ‘Orion’ ganz allein im Hafen von Agios Antonios

Am Donnerstag können wir noch frisches Obst und Gemüse von einem Bauern erstehen, der seine Produkte frisch vom Feld direkt vorm Hafen von der Ladefläche seines Trucks verkauft, bevor wir uns  in eine bessere Startposition für die anstehende Überfahrt nach Astypalaia verholen; gut 10 Seemeilen sind es bis in den Fischerhafen von Agios Antonios.

Nichts los, also perfekte Ruhe garantiert

Da der aufkommende Westwind für uns noch ungünstig einfällt, müssen wir dafür einen Schlag kreuzen, aber wenigstens ist das mit 3 bis 4 Beaufort endlich wieder möglich – wir genießen den Segelschlag und laufen gegen 14 Uhr in den leeren Hafen ein, der ebenso klein ist wie der dazugehörige Ort (mehr als drei bis vier Boote längsseits passen hier nicht rein; und der Ort hat ein halbes Dutzend Gebäude, zwei davon Tavernas, beide saisonbedingt geschlossen). Aber das Tal und die Berge im Hintergrund bieten eine schöne Umgebung für den letzten Abend der Rundreise, und die Ruhe und Entspannung hier sind eine gute Voraussetzung für einen erholsamen Schlaf vor einem langen Tag.

Astypalaia / Maltezana
Vom Sonnenaufgang auf Tilos …

Am frühen Freitagmorgen verlassen wir den Hafen von Agios Antonios mit dem Ziel Astypalaia – der letzte lange Schlag dieses Törns, bevor es für die ‘Orion’ ins Winterlager geht. Im Hafen ist noch wenig vom angekündigten Wind zu spüren, in der Bucht vorm Ort bekommen wir aber schon etwas mehr ab und können noch gut im ruhigen Wasser das Großsegel setzen und kurz darauf den Code 0 hinzunehmen, während hinter uns über Tilos die Sonne aufgeht.

… vorbei an Nisyros …

Zunächst scheint es, als wäre schon mehr Wind als für den Vormittag angesagt, aber bald zeigt sich, dass dies wohl nur ein Effekt der Insel war; kaum lassen wir diese hinter uns, geht es ziemlich gemächlich zu, und trotz der großen Segelfläche sind wir nur mit dreieinhalb Knoten unterwegs. Gegen Mittag aber legt der Wind endlich zu, so dass unsere Chancen, das Ziel beim letzten Tageslicht zu erreichen, wieder steigen – die Distanz ist mit fast 50 Seemeilen nicht so gering, und die Tage Anfang November eben doch schon recht kurz.

… zum Sonnenuntergang auf Astypalaia

Da wir ja einen Rückstand aufzuholen haben, lassen wir den Code 0 relativ lange stehen und fliegen so am Spätnachmittag mit sechseinhalb Knoten auf Astypalaia zu, nehmen noch kurz vor Sonnenuntergang unser Abendessen bereits in den vertrauten Gewässern südlich der Insel ein und haben eben noch genügend Licht, um uns die Liegeplatzsituation für die Nacht anzuschauen. In den wenigen, für Südostwind geeigneten Ankerplätzen liegen tatsächlich schon Boote, und auch auf der Innenseite der Pier von Maltezana ist nichts mehr frei, so dass wir auf eine Muring in der offenen Bucht zurückgreifen müssen, an der im Sommer ein großes Ausflugsboot festmacht. Die Muring ist sicher, aber alles andere als komfortabel, was zu einer sehr schlafarmen Nacht führt – als ab Mitternacht der Wind immer mehr zulegt, bockt das Boot ganz ordentlich in den hereinrollenden Wellen.

Wintervorbereitungen

Die verbleibende Woche auf Astypalaia beginnt dementsprechend eher unangenehm, denn auch am folgenden Samstag beruhigt sich das Wetter erst am Abend – 24 Stunden Rodeo an der Muringboje sind kein Vergnügen! Aber daran kann man mal wieder gut ersehen, dass das größte Problem beim Segeln Zeitpläne sind: hätten wir keinen festen Abreisetermin, hätten wir diesen furchtbaren Tag mit Leichtigkeit vermeiden können, Paloi auf Nisyros etwa wäre ein perfekter Hafen für diese Wetterbedingungen gewesen – aber dann wären wir erst Tage später gut ans Ziel gekommen.

Am Sonntagmorgen können wir endlich die Muring verlassen und längsseits an die Fischerpier gehen und somit erstmals einen Fuß an Land setzen. Sich dann gleich aufs Abriggen zu stürzen ist undenkbar – soziale Aspekte stehen in Griechenland ganz klar oben auf der Prioritätenliste 🙂

Der Tag bzw. die Nacht wird entsprechend lang, und zu allem Überfluss und entgegen jeder Vorhersage setzt am frühen Montagmorgen schon wieder der elende Südwind ein – Rodeo an der Pier ist auch nicht erbaulicher als an der Muring (vielleicht sogar noch schlimmer).

M/Y Orion

Erst am späten Montagnachmittag hat es sich soweit beruhigt, dass die Segel abgeschlagen werden können; Dienstag legen wir den Mast mit Hilfe des Kranarms auf dem Traktor vom Boatyard und lagern diesen nach Demontage des stehenden Gutes längs auf dem Boot. Ganz schön nackt sieht die ‘Orion’ nun aus, wie sie so auf den Landgang wartet …

Genug schweres Gerät im Einsatz

Dieser erfolgt dann am Mittwoch; nach den Erfahrungen vom vorletzten Herbst ist der Radlader diesmal von Anfang an zur Stelle, und so gelingt es problemlos, den tonnenschweren Trailer mit dem Boot darauf aus dem Wasser auf den Strand zu ziehen. Weiter geht die Reise ein Stück die Straße entlang bis auf den Boatyard, wo wir ein hübsches Plätzen mit dem Heck zwischen den Olivenbäumen zugewiesen bekommen – Olivenpflücken von der Badeplattform inklusive!

Bereit für den Winter

Die letzten zwei Tage vergehen mit den Einwinterungsarbeiten: der Rumpf wird mit dem Hochdruckreiniger von seinem Bewuchs befreit (der sich aber sehr in Grenzen hält, offenbar taugte das verwendete Antifouling, das kann wohl auch zwei Winter im Wasser bleiben – gut, dass wir noch einige Dosen davon in der Bilge stehen haben!), alle losen Teile werden in Sicherheit vor den Winterstürmen gebracht und gründlich festgezurrt, und vor allem werden Arbeitslisten mit den zum Frühjahr zu reparierenden Dingen erstellt – zu dumm, wenn man zu Hause sitzt und keine Maße für ein Ersatzteil hat. Schließlich kommt bis zuletzt auch das Sozialprogramm nicht zu kurz, was zu ziemlichem Schlafmangel führt – und einer sehr schönen Zeit natürlich!

Am Samstag den 11. November schließlich bringt uns die Turboprop nach Athen, von wo wir nach einer Übernachtung die endgültige Heimreise antreten. In 34 Tagen auf See haben wir 414 Seemeilen zurückgelegt, viele neue Inseln kennengelernt und eine gute Zeit mit tollem Sommerwetter, herrlichem Essen und netten Menschen gehabt – viel zu kurz natürlich, aber daran ist nun mal nichts zu ändern.

Kurzurlaub auf Lesvos (25.04. – 13.05.)

Zurück an Bord

Am Dienstag, den 25. April ist es endlich soweit: nach 6 Monaten bekommt die ‘Orion’ wieder eine Besatzung! Das zurückliegende halbe Jahr war lang und bitter, und auch die ersehnte Rückkehr ist nur sehr vorübergehend und von vielerlei Einschränkungen geprägt; dennoch sind wir mehr als froh, als uns der milde Wind vorm Flughafen von Mytilini die ersten floralen Düfte in die Nase trägt: endlich zurück!

Natürlich lockt der Ruf der See, aber bevor wir die Leinen loswerfen können, gibt es erst mal einiges zu tun: wichtigste Aufgabe ist der elektronisch und mechanisch vernünftige Einbau der seit über 10 Monaten darauf wartenden Lithium-Zellen; diese waren ja Ende Juni ’22 noch in Agios Nikolaos angeliefert worden, aber mangels Zeit nie korrekt im Batteriefach untergebracht und mangels fehlerfrei arbeitender Elektronik nie richtig in Betrieb genommen worden.

Die neuen Lithiumzellen (Abdeckung halb aufgeklappt)

Nun wird erst mal die vorhandene Halterung mittels Flex und Schweißgerät so umgebaut, dass sie die 16 neuen Zellen unverrückbar an Ort und stelle hält, und die Energieverteilung sowie die Ladegeräte und die Steuerung auf die hälftig klappbare obere Abdeckung montiert. Nun sieht das schon viel besser aus, und siehe da, als die 16 Nodeboards mit der Steuereinheit per I²C verbunden sind, können sie auch alle mit dieser kommunizieren – kaum macht man’s richtig, klappt’s auch …

Lazy bags, die Baumpersenning für Faule

Das alles nimmt schon zwei Tage in Anspruch; am dritten Tag montieren wir die mitgebrachten lazy bags am Großbaum, eine Eigenanfertigung, die im Gegensatz zu vielen käuflichen Systemen aus drei Teilen besteht, so dass nach dem Herausnehmen eines langen Mittelteils mittels symmetrisch verlaufender Reißverschlüsse deutlich schmalere Stoffbahnen zurückbleiben als bei einer zweigeteilten Tasche. Dies fanden wir in der Theorie schöner, und um das Ergebnis vorwegzunehmen, es hat sich auch in der Praxis gut bewährt.

Mytilini: viel zu sehen, viel zu genießen

Schließlich ist noch ein neues (weil doppelt geführtes) Fall für das Leichtwindsegel einzuziehen, die Vorsegel müssen angeschlagen werden (wobei wir auf den Klüver verzichten, das ist uns zu viel Mühe für die kurze Zeit), und die Bootspapiere müssen auch noch von der Coast Guard abgeholt werden. Natürlich kommen während all dem auch die Besuche bei der örtlichen Gastronomie nicht zu kurz, zumal es das Wetter überwiegend gut mit uns meint, es ist angenehm warm, in der Mittagssonne sogar schon heiß.

Am Montag den 1. Mai soll es dann endlich losgehen; als es Zeit fürs Ablegen ist, gibt der Anlasser aber nur ein müdes Würgen von sich! Nun ja, die Starterbatterie ist noch vom Vorbesitzer, also schätzungsweise 12 bis 15 Jahre alt, und hat das letzte halbe Jahr nur noch rumgestanden – es sei ihr verziehen. Glücklicherweise hat die Tankstelle gegenüber der Marina Ersatz vorrätig, der allerdings nicht über Schraubterminals verfügt wie die defekte Batterie, und Terminalklemmen haben sie nicht – eine kleine Bastelaktion ist also noch vonnöten, bis die Maschine hochmotiviert gestartet werden kann.

Endlich unterwegs!

Darüber ist es Mittag geworden, bis wir die Marina verlassen; Sonne gibt es reichlich, Wind eher weniger, weswegen sich eh keine großen Sprünge mehr anbieten, also beschließen wir gleich, es ruhig angehen zu lassen. Unbeschreiblich schön aber, endlich wieder das Wasser glitzern zu sehen, wenn man diesen Anblick so lange entbehren musste!  Wir bescheiden uns mit zwei Knoten Fahrt und einem runden Dutzend Seemeilen Distanz bis zum Strand von

Agios Ermogenis
Paralia Agios Ermogenis

Dieser Ankerplatz, kurz vor der Einfahrt in den Kolpos Geras, bietet nicht viel Schutz gen Süden, aber das ist bei den herrschenden Wetterbedingungen auch nicht wichtig; es läuft kaum Schwell, ein Ausrichten des Bootes vor Anker ist unnötig, und wir verbringen einen ruhigen, ungestörten Abend.

Endlich wieder vor Anker! Kein Stadtlärm, keine Marina-Geräusche, völlige Ruhe, eine gefällige Umgebung – den Strand zieren die dem namensgebenden Heiligen gewidmete Kapelle und eine kleine Taverna – und nach Süden die Weite des Meeres … das hat gefehlt!

Plomari

Am Dienstag ist es etwas bedeckter, aber immer noch sehr freundlich und warm; Wind gibt es allerdings eher noch weniger, so dass wir uns nur ein kleines Stück fortbewegen, um nicht nur auf den Motor angewiesen zu sein. In passender Entfernung bietet sich er Hafen von Plomari an, den wir schon gegen Mittag erreichen.

Plomari, Fischerhafen

Zu unserem Erstaunen taucht sogar ein freundlicher Mitarbeiter der Küstenwache auf, der uns umfangreiche Formulare ausfüllen lässt, um uns schließlich eine Zahlungsanweisung – jawohl, ausschließlich per Überweisung, solche Unsummen doch nicht cash! – über sage und schreibe 6 Euro auszuhändigen! Da sage nochmal jemand, der griechische Staat würde nicht auf seine Einnahmen achten 🙂

Plomari, Platanos

Plomari ist bekanntlich die Heimatstadt des Ouzo, aber außer der Brennerei gibt es hier noch so einiges zu entdecken, wenn man sich etwas weiter vom Fischerhafen entfernt. Wir landen in einem Viertel mit einladenen Tavernas unter großen, schattenspendenden Platanen und einem sehr nett gemachten Imbiss mit internationalen Köstlichkeiten (im Land des Küchenpatriotismus selten!). Zum Abendessen landen wir dennoch in einem griechischen Traditionslokal, wo wir sechs verschiedene, allesamt mit Liebe gekochte und entsprechend köstliche Gerichte bestellen – und schließlich einschließlich eines halben Liters Wein 18,50 € bezahlen … ja, auch das hat gefehlt: handgemachtes Essen zu mehr als fairen Preisen.

Im Kolpos Kallonis

Mittwochmorgen begrüßt uns zwar wieder die Sonne, aber für den Abend drohen die Wettervorhersagen etwas Regen an, und für den Donnerstag und Freitag sieht es ähnlich aus: wechselnde Windrichtungen, Gewitterrisiko, und ab Samstag dann starker Nordwind. Damit lässt sich nicht wirklich viel anfangen, bei einer Inselumrundung böte sich zu wenig Schutz an der Nordküste, und bei einer Überfahrt nach Chios kämen wir nicht mehr zurück. Also segeln wir gut 20 Seemeilen weiter die Südküste entlang, um die kommenden Tage im Kolpos Kallonis zu verbringen, des westlicheren (und größeren) der zwei ausgedehnten Golfe, die Lesvos unschließt. Die Fahrrinne hinein ist so schmal, dass sie tatsächlich durchgehend betonnt ist – hierzulande nicht gerade ein häufiger Anblick. Ist man dann drinnen, eröffnet sich der Blick über eine 11 Seemeilen weite Wasserfläche, gesäumt von zahlreichen Salinen, ein Paradies für zahlreiche Arten, unter anderem gibt es hier viele Flamingos.

Da uns bei der Einfahrt die ersten, drohend dunklen Wolken verfolgen, biegen wir gleich rechts ab und suchen uns einen Ankerplatz vorm Strand von Nyphida. Kaum ist der Anker im Boden, beginnt es zu regnen – Glück gehabt!

Am nächsten Morgen ist es wieder sonnig, wir verholen uns bei völliger Windstille wenige Seemeilen weiter nach Skala Polichnitou, einem kleinen Fischerort; hier finden wir einen Platz an der Kaimauer mitten zwischen (für griechische Verhältnisse) größeren Fischerbooten, was aber niemanden zu stören scheint, und so beschließen wir, hier auch über Nacht zu bleiben und die örtliche Fischtaverne zu testen.

Für Freitag sind die Gewitter und das langsame Einsetzen des Nordwindes angekündigt, also beschließen wir uns von der ungeschützen Kaimauer zum Nordende des Kolpos, vor den Strand von Skala Kallonis, zu begeben – wieder unter Motor, der sehr schwache Wind kommt schon von vorne.

Samstagmorgen bläst er dann so richtig, der Nordwind; da sich im Golf aber keine bedrohliche Welle aufbauen kann, beschließen wir uns nur unter Kuttersegel wieder gen Süden blasen zu lassen, wo wir kurz vorm Ausgang nochmal einen Ankerplatz mit Nordschutz vor Apothikes finden – hier haben wir 2021 schon mal übernachtet. Landschaftlich sehr schön vor einer Flussmündung gelegen, bietet der Ort perfekten Ankergrund, wie überhaupt der ganze Kolpos: egal wo wir geankert haben, überall bestand der Grund aus einem schweren, zähen Gemenge, in dem der Anker wie einbetoniert liegt (selbst senkrecht aufholen ist nicht einfach!).

Plomari die 2.
Garbias in gelber Blüte

Sonntag müssen wir uns dann leider schon wieder auf den Rückweg machen; im Ausgang des Kolpos Kallonis fasziniert uns die kleine Felseninsel Garbias, welche dicht an dicht mit intensiv gelb blühenden Blumen überzogen ist – während man direkt gegenüber an Land nichts von diesen Blüten sieht! Merkwürdig – und hübsch sowieso.

Plomari von See

Eine Weile segeln wir die Küste entlang, dann verlässt uns der Wind recht plötzlich, wir müssen also wieder mal den Motor bemühen, um in den Hafen von Plomari zu gelangen. Dass wir hier vor 5 Tagen noch waren, macht uns nicht wirklich was aus, und auch nicht, dass ausgerechnet heute das kleine Restaurant mit den internationalen Köstlichkeiten geschlossen hat; wir essen statt dessen mit Premium-Aussicht über den Hafen im Restaurant einen Gesellschaftsclubs, welcher sich den Lehren des um 1760 in Plomari geborenen Benjamin von Lesbos verschrieben hat – und offenbar auch der guten Küche 😉

Paralia Tsilia
Vor Tsilia

Montagmorgen ergänzen wir noch Vorräte, dann segeln wir weiter gen Osten bis kurz vor den Eingang des Kolpos Geras; hier liegt – gut versteckt – die kleine Ankerbucht vorm Strand von Tsilia, die wir auch 2021 bereits besucht haben und als eine der schönsten Ankerbuchten an der Küste von Lesvos empfinden: am Fuße eines beeindruckenden Berges liegen eine kleine Kapelle sowie Ruinen alter Bruchsteinmauern an einem sandigen Strand. Ziegenglocken sind das einzige Geräusch, vom Summen der Bienen und dem leisen Plätschern der Wellen abgesehen. Paradiesisch!

Skala Loutron

Eigentlich hätten wir gerne noch eine hübsche, aber ziemlich ungeschützte Inselgruppe nördlich von Mytilini besucht, aber mal wieder macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung: dort sind für die kommenden Nächste zu kräftige Nordostwinde angesagt, verbunden mit kräftigem Schwell. Um nicht gleich zurückfahren zu müssen, wollen wir noch einmal in Skala Loutron übernachten; auch hier haben wir vor anderthalb Jahren schon mal geankert, nun gehen wir längsseits an der Außenseite des Hafens.

Nichts als Olivenbäume um Skala Loutron

Wir wiederholen unseren damaligen Spaziergang durch die endlosen Olivenhaine bis hinauf ins Dorf Loutra und wieder hinunter nach Skala; dabei begleitet uns die ganze Zeit ein freundlicher Hund, als würde er zu uns gehören. Am Ziel angekommen, leitet er uns zielsicher zur Taverna seines Besitzers, womit gleich auch das Abendessen gesichert ist. Nicht schlecht, was man so einem Tier so alles beibringen kann 😉

Wieder in Mytilini

Am Mittwoch den 10. Mai müssen wir dann leider schon wieder zurück in die Marina; wenigstens können wir unter Code 0 aufkreuzen, in der chronisch windarmen Straße von Mytilini schon eine Ausnahme.

Kein Scherz: Taxistand in Petra

Etwas Trost spendet das Wiedersehen mit unseren Freunden von der ‘Blitz’, mit denen wir so viel Zeit vor drei Jahren im Lockdown auf Ibiza verbracht haben; wir lassen alte Zeiten wieder aufleben und lassen uns zusammen das griechische Essen und Trinken schmecken, mieten auch ein Auto für einen Ausflug in den Westen der Insel. Nebenbei packen wir die Segel wieder ein und machen das Boot fertig für unsere Abreise – das fühlt sich völlig falsch an, während rundherum alle ihre Boote segelfertig machen.

Am Sonntagmorgen geht es dann zum Flughafen, zweieinhalb Wochen waren wir in Griechenland, davon 10 Tage unterwegs, und sind gut 120 Seemeilen gesegelt – hoffentlich können wir bald zurückkehren!

Überführung (27.09. – 19.10.)

Agios Nikolaos

Am 27. September bekommt die ‘Orion’ endlich wieder eine Crew – einen Monat später als geplant und in unerwarteter Zusammensetzung. Statt eines schönen, geruhsamen Herbsttörns im Dodekanes gen Norden müssen wir die Strecke bis Lesvos nun in kürzestmöglicher Zeit zurücklegen – wie es so ist, wenn das Leben mal wieder andere Pläne hat.

Zunächst aber sind einige Vorbereitungsarbeiten angesagt: die Segel müssen wieder angeschlagen und das Boot verproviantiert werden, vor allem aber warten die im Juli noch angekommenen Lithium-Zellen auf ihren Einbau – und der hat es in sich, die Elektronik will nämlich nicht so, wie sie sollte, und zu allem Überfluss sind die Bedingungen sehr widrig: es ist nämlich unerträglich – und für diese Jahreszeit untypisch – heiß auf Kreta, und besonders unten im Bauch der ‘Orion’. Aber nach drei ziemlich quälerischen Tagen funktioniert es zwar noch immer nicht so wie gewünscht, aber die Batterien sind benutzbar, und dem Aufbruch steht nichts mehr im Wege.

Nachtfahrt nach Astypalaia
Kreta bleibt hinter uns zurück

Am Vormittag des 1. Oktober verlassen wir die Marina von Agios Nikolaos mit Kurs Nordnordost; unser Ziel ist Astypalaia in gut 90 Seemeilen Entfernung, welches wir nur über Nacht erreichen können. Zunächst weht sehr wenig Wind, aber am folgenden Tag soll sich das sehr gründlich und nachhaltig ändern, so dass wir uns sagen: jetzt oder nie (jedenfalls nicht so bald) und etliche Motorstunden in Kauf nehmen.

Nächtliche Begegnung mit der ‘Rhapsody of the Seas’ bei Mondschein

Schon bald sichten wir Delfine, und nach wenigen Stunden stellt sich sogar sanfter Ostwind ein, so dass wir mit Großsegel und Code Zero anständig Fahrt machen können; mit der Sonne verschwindet aber auch der Wind, und den größeren Teil der Nacht läuft wieder der Motor. Erst nach 3 Uhr haben wir wieder genug Wind, nun aus Süd; in den nächsten Stunden dreht dieser wie angekündigt südwestlicher und nimmt zu, aber nur ganz langsam; nach Sonnenaufgang aber, als wir Astypalaia schon in Sicht haben, geht es dann ganz schnell, und auf einmal haben wir 6 Beaufort und machen mit zweifach gerefftem Groß und Klüver über 7 Knoten Fahrt – sehr schön!

Astypalaia begrüßt uns stürmisch

Schon im Einflussbereich der Insel legt es dann aber noch weiter zu als angekündigt, und die Böen fallen mit 8 Beaufort über uns her, so dass der Zielanlauf noch recht sportlich wird. Um Viertel vor 11 Uhr sind wir aber längsseits fest an der Fischerpier von Maltezana und können uns nun erst mal von den Strapazen der letzten Tage erholen – der (inzwischen Nord-)Wind wird nämlich die nächsten Tage nicht mehr weniger, und so haben wir einen längeren Zwangsaufenthalt vor uns.

Ausflug nach Agios Ioannis

Der Meltemi scheint kein Ende nehmen zu wollen: Tag um Tag pfeift es über den gut geschützten Liegeplatz hinweg. Zunächst gibt es noch einiges am Boot zu erledigen, so will etwa der vor 9 Monaten bestellte und auf Kreta endlich gelieferte Propeller montiert werden; dann aber sind die Arbeiten durch, und wir mieten ein Auto, um uns auf der Insel umzuschauen und die Zeit zu vertreiben.

Die Chora leuchtet weiß vor der stürmischen See

Dabei können wir immer wieder einen Blick auf die See gen Norden werfen, deren Anblick einen von allen Gedanken, so schlimm sei es doch gar nicht, augenblicklich kuriert. Aber Astypalaia ist schließlich nicht der schlechteste Ort, um etwas zu verweilen …

Astypalaia – Kalymnos

Schließlich werden es ganze 7 Tage, bis wir am Morgen des 9. Oktober die Leinen loswerfen. Für den Tag sind noch 6 bis 7 Windstärken angesagt, aber wir können auch nicht länger warten, denn das darauf folgende, ruhigere Wetter soll nur sehr kurz anhalten …

Sonnenuntergang auf Kalymnos

Glücklicherweise sind es dann aber nur 5 bis 6 Beaufort, und hoch am Wind können wir die Südspitze von Kalymnos anpeilen. Mit zwei Reffs im Groß und Kuttersegel kommen wir gut voran – doch überflüssig zu erwähnen, dass es eine recht feuchte Angelegenheit wird, und die See, die sich in einer Woche Starkwind aufgebaut hat, ist auch nicht zu verachten. Damit es nicht langweilig wird, schlägt unterwegs in den hohen Wellen die Mutter vom Steuerrad los, so dass wir die ‘Orion’ noch eben auf Pinnensteuerung umrüsten; das geht auch sehr gut, nur die Windfahne kann so nicht zum Einsatz kommen, und wir steuern von Hand. Aber nach 44 Seemeilen erreichen wir eine wunderschöne Ankerbucht im Nordwesten der Insel, wo wir die Sonne neben Telendos gerade noch untergehen sehen; hier liegen wir perfekt geschützt an einer zu einer Taverna gehörenden Muring, so dass wir uns bald erschöpft in die Kojen fallen lassen können.

Kalymnos – Chios
Unter Vollzeug kreuzen wir auf

Lange hält die Ruhe aber nicht an, am nächsten Morgen geht es gleich weiter, und diesmal wieder zu einer Nachtfahrt – wir haben nämlich unsere zwei Tage ruhigeren Wetters zugeteilt bekommen, und diese wollen bzw. müssen wir nutzen, um die Meerenge zwischen Ikaria und Samos zu passieren, die bei starkem Nordwind eine Weiterfahrt unmöglich macht.

Abenddämmerung über Patmos …

Wie kaum anders zu erwarten war, gibt es nun zu wenig Wind statt wie zuvor zu viel; wir fahren Vollzeug, und dennoch muss auch immer mal wieder der Motor ran, wenn wir einzuparken drohen. Der wenige Wind kommt auch logischerweise von vorne, und so kreuzen wir den ganzen Tag an Leros, Leipsoi, Arkoi, Patmos und Phournoi vorbei, bis wir in der Nacht die IkariaSamos-Straße passieren.

… und Morgendämmerung über Samos

Am Dienstag gibt es erst recht keinen Wind mehr; am Vormittag versuchen wir noch tapfer zu segeln, aber später muss der Motor ran, damit wir noch bei Tageslicht nach insgesamt 113 Seemeilen Chios erreichen können; hier finden wir einen Platz in der unfertigen Marina – und ein köstliches Abendessen in einem hinreißenden Lokal in der Altstadt 🙂

Chios – Lesvos

Auch Mittwochmorgen geht es gleich weiter – der letzte lange Schlag bis nach Lesvos steht an. Wieder sind wir mit wenig (Gegen-)Wind unterwegs, und spontan beschließen wir, die Fahrt etwas zu verkürzen, indem wir erst mal Plomari, den für uns nächstgelegenen Hafen auf der Insel ansteuern. So gewinnen wir etwas Zeit, die wir in langsames Segeln investieren können, um nicht die ganze Zeit nur motoren zu müssen. Nach  39 Seemeilen in 10 Stunden (von denen immerhin ‘nur’ 2/3 der Zeit der Motor lief) erreichen wir wieder mit Sonnenuntergang Plomari – und freuen uns, auf Lesvos angekommen zu sein!

In Plomari

Da die Rückflüge inzwischen für den 20. gebucht sind, können wir uns nun etwas mehr Zeit lassen und am Donnerstagmorgen erst mal Plomari anschauen. Der Ort ist übersichtlich, zentrale Attraktion ist der Fischerhafen mit seinen vielen, farbenfroh gestrichenen Booten; außerdem gibt es die Ouzodestillerien zu besuchen, denn die Stadt gilt als der Geburtsort des griechischen Nationalgetränks, aber so lange bleiben wir nun auch wieder nicht.

Statt dessen machen wir uns auf den Weg nach Mytilini, wobei wir nach 12 Seemeilen nochmal einen Ankerstopp im Einfahrtsbereich des Kolpos Geras einlegen, um nochmal ein paar Runden im inzwischen ‘nur’ noch 21 Grad warmen Wasser schwimmen zu können; am nächsten Vormittag fahren wir dann die letzten 11 Seemeilen bis Mytilini – wieder unter Motor bei spiegelglatter See.

Insgesamt haben wir 311 Seemeilen in 8 Tagen auf See zurückgelegt – allerdings lief dabei der Motor im Schnitt 4 Stunden pro Tag, so dass wir nur die Hälfte der Strecke gesegelt sind. Es gab entweder zu viel Wind oder zu wenig – aber das ist nicht überraschend, wenn man versucht, in der Ägäis möglichst schnell von Süden nach Norden zu segeln.

Die ‘Orion’ bereitet sich in der Marina Mytilini auf den Winter vor

Es verbleiben fünf Tage, um das Boot für einen Aufenthalt unbestimmter Dauer vorzubereiten – was sich als nicht zu viel erweist, es sind doch über das Offensichtliche – wie das Abschlagen der Segel – hinaus noch eine Menge Kleinigkeiten zu tun, und die vor drei Wochen erst montierte Batterieelektronik muss ja zwecks Fehlersuche auch wieder mit nach Deutschland fahren.

Mittwochmittag ist dann alles geschafft, nur die Taschen müssen noch gepackt werden, damit es am Donnerstag in aller Frühe nach Hause gehen kann; die ‘Orion’ ist bestmöglich vorbereitet und wartet die nächsten Monate drauf, wieder segeln zu dürfen …

 

Rund Kreta (11.05. – 03.07.)

Kolymvari

Als ersten Hafen auf Kreta steuern wir Kolymvari am westlichen Ende der Bucht von Chania an; die Kleinstadt scheint keine besonderen Attraktionen zu bieten zu haben, und wir wählen den Hafen hauptsächlich deshalb als Ziel, weil wir einerseits nach der Überfahrt nicht sofort in einer engen Bucht ankern, andererseits aber auch nicht gleich in den Trubel von Chania eintauchen wollen. Bei der Anfahrt auf den Hafen sind wir begeistert von der Klarheit des Wassers und dem sandigen Grund: was für ein Farbenrausch!

Im Hafen herrscht nicht unbedingt Überfüllung …

Der Ort erweist sich als gute Wahl: der Hafen ist sehr groß, gut ausgebaut – und praktisch völlig leer. In einem Nebenbecken liegen ein paar lokale Boote, ansonsten können wir unseren Längsseitsplatz an hunderten Metern Betonpier frei wählen.  Offenbart hat man auch hier mal große Pläne gehabt: überall gibt es Strom- und Wassersäulen, die sich in unterschiedlichen Zerfallsstadien befinden und selbstverständlich alle nicht funktionieren. Vielleicht nimmt man aber nach längerer Pause nun die Aktivitäten wieder auf: an der stadtzugewandten Seite der Promenade laufen Bauarbeiten.

Kolymvari: typischer kleiner Badeort

Trotz des unfertigen Zustandes wirkt der Hafen nicht abweisend, im gegenteil, wir fühlen uns wohl; der Ort bietet einladende Gastronomie, einen gut sortierten Supermarkt und vor allem eine Bäckerei und Konditorei, die keine Wünsche offen lassen: wir erwerben das beste Brot, welches wir bislang in Griechenland zu kaufen bekommen haben! Logischerweise (für griechische Verhältnisse) ist der Hafen auch noch kostenlos, und so bleiben wir gerne ein paar Tage, um erst mal so richtig anzukommen – und natürlich gibt es nach den ersten 150 Seemeilen auch noch eine Liste mit Bootsarbeiten, die abgehakt werden möchte …

Paralia Menies
Schöner ankern: Paralia Menies

Am Samstag haben wir uns etwas erholt und wollen langsam wieder etwas Abwechslung: wir beschließen, zu der 7 Seemeilen nördlich an der Spitze der Rodhopos-Halbinsel gelegenen Ankerbucht von Menies zu fahren. Natürlich wollen wir trotz der schwachen Winde segeln – schließlich ist es ja nicht weit … aber in den folgenden Stunden lernen wir die Windverhältnisse in der Bucht von Chania erst mal richtig kennen: nicht nur die Stärke des Windes schwankt lustig zwischen 0 und 10 Knoten, auch die Richtung dreht sich munter im Kreis! Ständig fällt der 60 m² große Code Zero wieder ein und will gewendet werden – wir sind fast 4 Stunden unterwegs, bis wir endlich in der sehr kleinen Bucht auf 7 Meter tiefem Wasser den Anker werfen können.

Reste des Diktynna-Heiligtums

Hinter dem Strand von Menies liegen die Reste eines alten, der minoischen Nymphe Diktynna gewidmeten Heiligtums; davon ist nicht allzu viel übrig, die eigentliche Attraktion des Ortes ist seine Lage: auf dem Landweg gelangt man nur über 20 Kilometer gebirgiger Buckelpiste hierher, die gesamte Halbinsel ist unbesiedelte Wildnis – Natur und Einsamkeit pur. Es erschließt sich einem unmittelbar, weswegen sich dieser Ort für die Verehrung einer der Natur und den Bergen verbundenen Gottheit angeboten hat!

Wir folgen der Schlucht tiefer in die Berge

Wir folgen der tief eingeschnittenen Schlucht ins Innere der Halbinsel; die steilen, zerklüfteten Felswände bilden einen tollen Kontrast zur grünen Vegetation am Talgrund.

Die ‘Orion’ scheint zu schweben

Nach einer Weile finden wir eine Möglichkeit zum Aufstieg; wir klettern die Felsen hinauf (wobei wir gehörig ins Schwitzen kommen: es ist richtig heiß in der Sonne!) und laufen entlang der Felsenkante zurück bis zur Ankerbucht. Von hier bietet sich ein hinreißender Anblick: die ‘Orion’ scheint im türkisfarbenen Wasser geradezu schwerelos zu schweben. und der Ausblick über die Berglandschaft ist grandios!

Was für eine Aussicht!
Chania

Am Dienstag den 17. lösen wir uns schließlich – etwas schweren Herzens – von unserer Ankerbucht und machen uns auf nach Chania, mit rund 54.000 Einwohnern eine richtige Stadt, für Inselverhältnisse sogar eine sehr große. Unsere Erwartungen sind etwas gemischt, schließlich bevorzugen wir kleinere Orte, aber Chania steht auch in dem Ruf, die schönste Stadt Griechenlands zu sein – wir werden sehen!

Chania, Venezianischer Hafen

Sehen können wir zunächst mal den alten venezianischen Hafen und die historische Wasserfront mit der Hasan-Pascha-Moschee von 1645, überragt vom Panorama der schneebedeckten Berge im Hintergrund – beeindruckend! Wir finden einen Liegeplatz an dem für Gäste reservierten Kai – aus dem Cockpit kann man gleich Bestellungen in der nächstgelegenen Taverna aufgeben. Der ganze Ort pulsiert vor Leben, die Straßen sind voller Menschen, und die Zahl der Restaurants und Cafés geht in die Hunderte – und alle haben gut zu tun!

Unser Liegeplatz – mitten im Geschehen

Wir tauchen in die Atmosphäre ein und genießen den Trubel – meistens jedenfalls, unser Liegeplatz macht es definitiv unmöglich, früher als der Rest der Urlauber in die Koje zu gehen 😉 Aber trotz der vielen Menschen wird die Stimmung nie stressig, sondern bleibt vollkommen entspannt, und trotz der gegebenen Möglichkeit, mit all den Touristen den schnellen Euro zu verdienen, bietet die Gastronomie augenscheinlich durchweg hohe Qualität – für schlechtes Essen hat man in Griechenland eben nichts übrig (trotz der unzähligen internationalen Touristen gibt es auch keine Filialen der amerikanischen Fast-Food-Ketten – kein echter Grieche würde deren Machwerke in die Kategorie ‘Nahrungsmittel’ einordnen).

In der Altstadt von Chania

Wir erkunden in den nächsten Tagen die Stadt – und sind begeistert, hinter jeder Ecke wartet eine neue Überraschung: liebevoll restaurierte, jahrhundertealte Häuser, leuchtende Blütendächer über schattigen  Plätzen, Geschäfte mit Kunsthandwerk (und zwar größtenteils kretischem, nicht fernöstlichem), und natürlich Tavernen, Tavernen und nochmals Tavernen – hier könnte man ein Jahr lang jeden Abend woanders gut essen! Die massentouristischer ausgerichteten Lokale an der Hafenpromenade mit den mehrsprachigen Speisekarten mit Fotos der Gerichte darauf lassen wir links liegen und suchen uns die kleinen, familiengeführten Tavernen in der zweiten oder dritten Reihe aus – und machen nur beste Erfahrungen! Wir sind im Schlaraffenland – so sind die in der Werftzeit verlorenen Kilos bald wieder drauf …

Am Ende der Woche zieht eine kleine Störung durch, es gibt etwas Regen (womöglich den letzten bis September) und stärkeren Nordwind; der kommt trotz der in Lee liegenden Berge kaum in Chania an, aber die Wellen lassen sich davon nicht abhalten, und nun zeigt sich der Nachteil dieses Hafens: es baut sich ein heftiger Schwell auf, zwei Tage (und Nächte) kann man es an Bord kaum aushalten, und ein solider Festmacher scheuert sich durch. Ankerplätze mit Schutz gegen Nord gibt es weit und breit auch keine – vielleicht der Grund, warum recht wenige Boote in diesem Revier unterwegs zu sein scheinen (im Gästehafen ist vielleicht Platz für 10 bis 12 Boote, die Hälfte ist nicht belegt).

Überall unterm Straßenpflaster stößt man auf die minoischen Fundamente

Wir besuchen das archäologische Museum und staunen über die Besiedlungsgeschichte: man geht davon aus, dass auf Kreta seit mindestens 130.000 Jahren Menschen leben, und Chania als Stadt ist seit mindestens 6000 Jahren bewohnt. Nun, wir können bestätigen, dass man es hier aushalten kann …

Wie in Griechenland üblich, hat die Stadt häufig die Besitzer (und den Namen) gewechselt: in der Jungsteinzeit besiedelt, kam Chania in der minoischen Zeit unter dem Namen Kydonia zu großer Blüte als Handwerks- und Handelszentrum. Die Minoer mussten ab ca. 1450 den Mykenern weichen, diese wiederum wurden ein paar Jahrhunderte später von den Doriern verdrängt, welche die klassisch-griechische Epoche einläuteten; 67 v. Chr. wurde Kreta ans Römische Reich angeschlossen, nach dessen Teilung wurde es byzantinisch,  ums Jahr 900 auch mal für ein gutes Jahrhundert von den Sarazenen erobert, und 1204 schließlich, nach dem Fall Konstantinopels im vierten Kreuzzug, an die Venezianer verscherbelt, die sich bis zur Eroberung durch die Osmanen 1645 daran bereichern konnten. Nach weiteren 250 Jahren muslimischer Fremdherrschaft wurde Kreta endlich wieder an Griechenland angeschlossen, doch bald darauf innerhalb einer Woche im Mai 1941 von Deutschland in der Luftlandeschlacht um Kreta erobert. Die neuen Herren hatten auch nicht viel Freude an der Insel, die folgenden Jahre sind von blutigen Partisanenkämpfen gekennzeichnet. Als die Engländer nach der deutschen Kapitulation im Mai ’45 die deutschen Befestigungen in Chania übernahmen, staunten die Partisanen nicht schlecht, dass diese ihre vorherigen Kriegsgegner nicht etwa entwaffneten, sondern mehr oder weniger mit diesen zusammen gegen die Partisanen vorzugehen begannen, galten diese doch als kommunistisch infiltriert – nun gut, dann bekämpft man von nun an halt die Engländer. Erst seit dem Ende der griechischen Diktatur 1974 ist endlich Ruhe eingekehrt …

An dieser an sich recht unerfreulichen Geschichte fasziniert uns, wie die Kreter über Jahrtausende ihre Identität, Sprache und Religion gegen die jeweiligen Besatzer lebendig erhalten konnten – ein stolzes Volk, ebenso wehrhaft gegenüber seinen Feinden wie gastfreundlich gegenüber seinen Freunden. Im Laufe des vergangenen Winters haben wir mehrfach mit Griechen über unsere Reisepläne gesprochen, und immer ein Leuchten in ihren Augen aufblitzen sehen, wenn wir Kreta erwähnt haben; für viele Griechen ist Kreta das alte Griechenland, die Essenz der griechischen Kultur. Wieder mal muss Alexis Sorbas herhalten:

Diese kretische Landschaft glich einer guten Prosa: geschliffen, knapp, frei von Schwulst, kräftig und verhalten. Sie drückte das Wesentliche mit den einfachsten Mitteln aus. Sie spielte nicht. Sie wandte keine Kunstgriffe an und blieb jeder Rhetorik fern. Was sie zu sagen hatte, das sagte sie mit einer gewissen männlichen Strenge. Aber zwischen den herben Linien dieser kretischen Landschaft entdeckte man eine Empfindsamkeit und Zartheit, die keiner vermutet hätte – in windgeschützten Schluchten dufteten die Zitronen- und Orangenbäume, in der Ferne ergoß sich aus dem endlosen Meere eine grenzenlose Poesie.

Nikos Kazantzakis, Alexis Sorbas

Der ‘Alexis-Sorbas-Strand’ in Stavros

Wir mieten für zwei Tage ein Auto und unternehmen damit Ausflüge in die Umgebung, besuchen die Akrotiri-Halbinsel (und dort einen der Drehorte der Alexis-Sorbas-Verfilmung mit Anthony Quinn – dort findet sich auch das einzige wirklich schlecht bewertete Lokal Kretas), durchwandern die Schlucht von Topolia und waten durch das warme, seichte Wasser des Traumstrandes von Elafonisi.

Im kretischen Hochgebirge

Mit dem Fernbus fahren wir zum Einstieg der die Samaria-Schlucht in den zweieinhalbtausend Meter aufragenden Weißen Bergen; der Abstieg erfolgt auf 16 Kilometern Länge über 1200 Höhenmeter, die Schlucht ist eine der längsten Schluchten Europas und bedeutender Touristenmagnet.

Die ‘Eiserne Pforte’ in der Samaria-Schlucht: 3 m breit, 300 Meter hoch

Technisch ist die Wanderung nicht anspruchsvoll, aber bedingt durch den großen Zustrom von Besuchern, die eher selten zu Fuß gehen, haben die Mitarbeiter des Nationalparks jeden Sommer einige Touristen zu retten, die sich bei 40 Grad im Schatten etwas mit ihrem Vorhaben übernommen haben …

Auch Rosen mögen das kretische Klima

Ebenfalls mit dem Bus (pünktlich, klimatisiert, billig – das geht!) fahren wir zu dem im Vorgebirge gelegenen Botanischen Park von Kreta und verbringen einen interessanten Vormittag inmitten von Blütenpracht und -duft, wobei wir einiges über die einheimischen Pflanzen lernen.

Abendstimmung über dem Hafen von Chania

Zum Wochenende bereiten wir uns langsam auf den Aufbruch vor, genießen noch einmal die wundervollen Hafenduschen, kaufen den halben Wochenmarkt leer (Obst und Gemüse sind eine Sensation, und quasi geschenkt!), besuchen den SB-Waschsalon (Fahrtensegleralltag …) und kehren nochmal in einer sehr netten Taverna ein, bevor wir am Sonntagmorgen die Leinen loswerfen und etwas schweren Herzens Chania verlassen. Es weht zunächst nur wenig Wind, aber gegen Mittag soll kräftiger Westwind aufkommen; die Übergangsphase nutzen wir, um die 15 Seemeilen zurück zur Bucht von Menies zu segeln, wo wir schon vor unserem Besuch in Chania geankert haben und nun eine letzte Nacht verbringen, bevor wir uns am Montag auf die Reise nach Westen machen.

Balos
Die Rodhopos-Halbinsel mit Wolkenmütze

Der am Vortag aufgekommene Westwind weht immer noch recht frisch; laut Vorhersage sollen es nur 13-15 Knoten sein, tatsächlich sind es aber eher 20 Knoten, die uns ins Gesicht blasen. Zwar vermeidet der Fahrtensegler ja eigentlich Amwindkurse, aber besser Gegenwind als gar keiner, denken wir uns, und kreuzen um die Rodhopos– und Gramvousa-Halbinseln bis zu Kretas nordwestlichster Spitze, dem Kap Kokala, auf.

Kap Kokola, der nordwestlichste Punkt Kretas

Aus unserer Ankerbucht sind wir schon mit gerefftem Großsegel gestartet, denn wir wissen ja, dass wir mit Fallböen hinter den Bergflanken zu rechnen haben; als wir offenen Seeraum erreichen und immer noch 6 Beaufort am Windmesser ablesen, beschließen wir, es auch erst mal dabei zu belassen – eine gute Entscheidung, der Wind nimmt auch im weiteren Tagesverlauf kaum ab. Da uns auch ein beträchtlicher Strom entgegensteht, geht es über Grund nur langsam voran, und so geht es auf 17 Uhr, als wir endlich Kap Kokala gerundet haben und in die Bucht von Balos einlaufen.

Ankern in der Bucht von Balos

Nach knapp 30 Seemeilen lassen wir unser Anker im Schutz der Insel Tigani in das kristallklare Wasser der Bucht fallen, welche eine der großen Touristenattraktionen Westkretas darstellt. Nicht ohne Grund, wie wir finden: die Farben sind hinreißend, und die schroff aufragenden Berge bilden einen perfekten Hintergrund.

So richtig überwältigt sind wir aber erst, als wir am nächsten Tag mit dem Dinghi auf die Insel Tigani übersetzen und ihre höchste Erhebung erklettern: aus gut 100 Metern Höhe ist der Ausblick über die Bucht von Balos, die Inseln nördlich, die Strände, die Lagune und die Bergkette einfach atemberaubend! Das Wasser leuchtet in allen Schattierungen von Türkis über Smaragdgrün bis Kobaltblau – wir sitzen eine ganze Weile auf den Felsen und saugen den Anblick in uns auf, an Orten wie dieser lässt sich die Natur so unmittelbar erfahren, dass es einem die Sprache verschlägt …

Panorama von Tigani über die Bucht von Balos
Gramvousa
Das Wrack der Dimitrios P.

Am Mittwoch den 1. Juni dreht der Wind auf Nordost, für uns ein Anlass den Ankerplatz zu wechseln – nicht gerade weit, wir fahren eine Seemeile gen Norden und ankern nun vor der Insel Gramvousa, welche den nördlichen Abschluss der Bucht von Balos bildet. Neben uns am Strand liegt das Wrack der 1968 gestrandeten Dimitrios P., an welcher der Zahn der Zeit aber schon gehörig genagt hat: bald wird von dem beliebten Fotomotiv nichts mehr zu sehen sein.

Das venezianische Kastell auf Gramvousa

Auch diese Insel ist ein Ziel für die Tagesausflugsboote, doch bis etwa 12 Uhr gehört die Insel uns; das nutzen wir aus und machen uns gleich auf den Aufstieg zum venezianischen Kastell aus dem 16. Jahrhundert. Diese zur Verteidigung der venezianischen Besitztümer gegen die Ottomanen errichtete Anlage galt zu ihrer Zeit als uneinnehmbar, und tatsächlich war sie noch lange nach der Besetzung Kretas ein Widerstandsnest. Später wurde sie zum Piratenstützpunkt und verfiel schließlich nach deren Vertreibung.

Im Inneren der Festung steht auch nicht mehr viel, die das 127 m hohe Gipfelplateau der Insel umfassenden Mauern sind aber noch gut erhalten. Höhepunkt des Besuchs der Insel ist aber wieder der Ausblick: die Bucht von Balos mit ihren herrlichen Farben und die zerklüfteten Gipfel der Berge liegen malerisch vor uns!

Die Bucht von Balos, diesmal von Gramvousa aus gesehen; die Insel Tigani ist rechts im Bild
Phalasarna

Donnerstagmorgen verlassen wir die Bucht von Balos endgültig, denn es kommt Starkwind aus Nordost auf, und da wollen wir uns einen besser geschützten Platz suchen – eine Einkaufsmöglichkeit und Mobilfunkabdeckung darf dieser auch gerne haben, all das hat Balos nämlich nicht.

Groß ist die Auswahl an geschützten Ankerplätzen an Kretas Küsten ja nicht gerade; 8 Seemeilen entfernt befindet sich die Bucht von Phalasarna, die über endlose Flächen perfekten Ankergrunds verfügt, und einen Hauch von Schutz gegen Schwell durch eine etwas herausragende Landzunge – besser wird’s nicht. Die Fahrt dorthin dauert nicht lange, vor allem weil der Wind schon zügig aufdreht; wir sind mit kleiner Segelfläche unterwegs, und doch sind wir spätestens dann wach, als uns bei der Ansteuerung der Bucht eine Windbö von 38 Knoten erwischt – die Freuden des Segelns an Bergflanken!

Die Felsten an Kretas Westküste zeigen deutlich die Absenkung der Wasserlinie

Die ‘Orion’ stört das ja bekanntlich nicht so, und nachdem wir alle nicht hinreichend gut gesicherten Gegenstände unter Deck wieder eingesammelt haben, können wir uns einen Platz für unseren Anker auf einer kilometerlangen Sandfläche aussuchen. Um den Halt müssen wir uns hier keine Sorgen machen, nur der rechtwinklig zum Wind in die Bucht einrollende Schwell dürfte auf die Dauer an den Nerven zehren.

Am Nachmittag erreicht der Wind 6 bis 7 Beaufort, bevor er in der Nacht etwas abflaut; am Freitag soll es noch stärker wehen, daher nutzen wir gleich am Morgen die Atempause und versuchen, mit dem Dinghi anzulanden – eine recht feuchte Angelegenheit.

Phalasarna – endloser Sandstrand, sonst nicht viel los

Phalasarna war in der Antike mal eine recht bedeutende Stadt, was sie nicht zuletzt ihrem Hafen verdankte; durch das katastrophale Erdbeben im Jahre 365 wurden Stadt und Hafen völlig zerstört, und die resultierende geologische Landhebung machte es auch unmöglich, hier einen neuen Hafen zu errichten. Heute ist Phalasarna eine Ansammlung von Hotels und Restaurants vor einem kilometerlangen Sandstrand, im Umland ein paar Gewächshäuser, und das war’s. Der einzige Minimarkt führt immerhin Milch und Brot, was will man mehr – wir sehen also zu, dass wir rechtzeitig wieder an Bord sind, bevor der Wind richtig aufdreht, und entspannen dann bei Sturmwind vor Anker – selbstredend bei wolkenlosem Himmel und 30 Grad im Schatten.

Paralia Kedrodasos

Erst am Sonntag hat sich das Wetter soweit beruhigt, dass wir an eine Fortsetzung der Reise denken können. Sobald wir aber aus der Landabdeckung herauskommen, stellen wir fest, dass es immer noch recht motiviert bläst; macht aber nichts, so können wir die 18 Seemeilen entlang der Westküste gen Süden zügig absegeln.

Das Ende dieses Küstenabschnitts markiert die Halbinsel Elafonisi mit ihrem berühmten Traumstrand, den wir schon von Chania aus mit dem Mietwagen besucht hatten. Direkt davor zu ankern ist leider nicht möglich, da sich ein mit Felsen durchsetzter Flachwasserbereich eine Seemeile vom Strand hinaus erstreckt – diesem verdankt das Meer vor Elafonisi ja gerade seine unglaublichen Farben.

Paralia Kedrodasos, ein Paradies abseits der Touristenpfade

Etwas weiter östlich allerdings liegt der Strand von Kedrodasos – und der erweist sich als Geheimtipp, sowohl von Land wie vom Wasser aus: als Strandurlauber muss man nur eine halbe Stunde zu Fuß der Küste von Elafonisi aus nach Osten folgen, und man findet ein Paradies fernab des Trubels: feiner weißer Sandstrand, schattenspendende alte Bäume, und ein Meer, welches dem vor Elafonisi weder in Klarheit noch in Farbintensität nachsteht – alles halt nur ohne Menschenmassen.

Flachwasser ohne Tiefenangabe, unreiner Grund, Felsen – sagt Navionics … endlos viel reiner Sand auf 5 bis 8 m sagt die Realität

Für den Segler sieht der Ankerplatz auf der Seekarte recht schwierig aus – was aber nur daran liegt, dass die Seekarten hier häufiger mal nichts taugen. Ein paar verzeichnete, den Ankerbereich störende Felsen gibt es schlicht und einfach nicht – wenn man auf 10 Metern Tiefe noch die sprichwörtliche Stecknadel auf dem Grund sehen kann, wären die uns wohl aufgefallen. Statt dessen ein über hunderte von Metern gleichmäßig bis dicht zum Strand ansteigender Grund aus reinem, weißen Sand. Hier ist Platz für 100 Boote – und wir sind allein. Der starke Nordostwind der vergangenen Tage hat das Meer zwar wieder etwas abgekühlt, aber auch bei 21 Grad lässt es sich noch gut aushalten, und das Schnorcheln in den kleinen Felsenriffen vorm Strand macht mächtig Spaß.

Palaiochora

Es gefällt uns so gut hier, dass wir ernsthaft erwägen, noch einen Tag zu bleiben – aber für Dienstag ist nur noch Flaute angesagt, also nutzen wir den letzten Wind am Montag, um bis nach Palaiochora zu segeln. Wir befinden uns nun auf der Südküste Kretas, und damit nicht mehr in der Ägäis, sondern im Libyschen Meer – und damit nach dem Verständnis der alten Seefahrer auf ‘hoher See’, in Abgrenzung zum Inselmeer der Ägäis.

Blick vom Kastell über Palaiochora

Palaiochora als Ort ist historisch erst seit 1278 belegt, als ein venezianischer General hier ein Kastell errichten ließ – und damit für griechische Verhältnisse ja quasi eine Neubausiedlung. Man kann nur vermuten, dass es eine ältere Nutzung gab, die Lage auf einer Halbinsel mit dem Burghügel ist nämlich prädestiniert für eine Besiedelung. Das Kastell ist natürlich längst verfallen, und der Ort war schon aufgegeben; erst im 19. Jahrhundert kamen Siedler hierher zurück, und seit den 1970er Jahren haben die Touristen den Ort entdeckt – zunächst die Hippies, die es hier so schön abgelegen fanden. Dies völlig zurecht, denn die Südküste Kretas ist durch die hohen Gebirgszüge völlig von der dichter bevölkerten Nordküste abgetrennt; bis Straßen durch die Berge gebaut wurden, kam man nur per Boot oder Esel hierher.

In Palaiochora

Im Hafen werden wir von einer freundlichen Beamtin der Küstenwache begrüßt – die allerdings nur an ihrem Dienstfahrzeug zu erkennen ist, hier in der Provinz trägt man der Einfachheit halber wohl Jogginghose statt Uniform. Sobald man sich als Schengen-Europäer zu erkennen gegeben hat, lässt das Interesse wie immer schnell nach – wenn wir ‘bei Gelegenheit’ unsere Papiere mailen könnten, das wäre nett. Von Liegegeld ist mal wieder keine Rede …

Möchte man hier nicht einkehren?

Palaiochora ist der Ort mit der höchsten mittleren Jahrestemperatur Griechenlands: 20,8 °C … davon sind wir weit entfernt, in der Mittagssonne und bei völliger Windstille werden wir durchgebraten. Erst am nächsten Tag haben wir uns soweit akklimatisiert, dass wir den Ort erkunden, der etwa eine Viertelstunde vom Hafen entfernt liegt.

Auch für den Badegast ist gesorgt

Was wir sehen, gefällt uns gut: offenbar haben sich mit der langsamen Entwicklung des Tourismus gewachsene Strukturen entwickeln können, nichts wirkt zu groß, zu laut und zu teuer; vielmehr laufen wir durch sehr hübsche Straßen, sehen viele liebevoll gestaltete Häuser, Läden, Restaurants und Cafés – und finden im örtlichen Supermarkt (einen Wochenmarkt gibt es leider nicht) eine gute Auswahl an allerköstlichstem Obst und Gemüse, neben dem Tourismus ist nämlich der Gartenbau die Haupteinnahmequelle der Region. Nun, praktisch immer Sonne und dazu eine gesicherte Wasserversorgung aus den Bergen, wenn das keine guten Voraussetzungen sind! Wir kaufen kleine, krumme, kretische Bananen direkt von der Staude – so schmecken die Dinger also, wenn man sie halbwegs reif erntet!

In der Anydroi-Schlucht ….

Am Mittwoch trauen wir uns sogar trotz der Hitze an eine kleine Wanderung: durch ein schattiges Tal führt der Weg bis ins Bergdorf Anydroi, wo man im zum Café umgebauten alten Schulhaus einkehren und bei herrlichem Blick über Berge und See seinen Freddo genießen kann; zurück wandert man zunächst bergab über Stock und Stein durch die Anydroi-Schlucht bis an den Strand, wo eine kleine Beach-Bar das nächste Kaltgetränk darreicht.

… und am Strand vor ihrer Mündung

So gestärkt geht es dann entlang der Küste zurück nach Palaiochora; insgesamt sind es etwa 16 Kilometer, für die wir uns fast 7 Stunden Zeit lassen – so kann man es gerade aushalten, und die kretischen Schluchten mit ihren klaren Bergbächen und schattigen Bäumen zeigen ja im Kontrast zur Hitze am Strand erst richtig ihre Qualitäten!

Gavdos

Für Donnerstag einigen sich die verschiedenen Wettermodelle ausnahmsweise mal auf eine Windrichtung (West) und -stärke (3 Beaufort) – für uns ein Signal, weiterzuziehen, herrschte doch tagelang nur Flaute (von sturmartigen Fallböen in der Nacht mal abgesehen).

Gavdos voraus

Die Vormittagsstunden müssen wir noch motoren (womit wir aber auch gerechnet haben), aber bis in den Abend haben wir dann beständigen Wind von 8 bis 10 Knoten – mit vollem Groß und Code Zero machen wir damit ganz brauchbare Fahrt, so dass wir kurz vor Sonnenuntergang nach 33 Seemeilen die fernab der kretischen Südküste gelegene Insel Gavdos erreichen.

Die von gerade mal 150 Menschen bewohnte, rund 33 km² große Insel weist so einige Besonderheiten auf; zunächst mal ist sie das südlichste Fleckchen Europas – 300 km südlich liegt Tobruk in Libyen, bis dahin gibt’s nur noch Wasser. Dann finden sich hier einige der ältesten Spuren aus den Anfängen der Menschheit: bis zu 200.000 Jahre alte Artefakte wurden hier gefunden. Auch zu literarischer Berühmtheit gelangte die Insel früh: hier soll laut Homer die Nymphe Kalypso den vom trojanischen Krieg heimkehrenden Odysseus sieben Jahre festgehalten haben (nicht ganz unfreiwillig, wie man zugeben muss) – allerdings beanspruchen auch noch ein paar andere Inseln diesen Ruhm für sich. Unstrittiger ist da schon, dass der Apostel Paulus hier auf seiner Reise nach Rom fast Schiffbruch erlitten hätte (Apostelgeschichte 27:16). Und Tatsache, wenn auch kaum zu glauben, ist, dass sich in den 90ern eine Gruppe von russischen Wissenschaftlern hier niedergelassen hat, um pythagoreische Philosophie zu treiben und nebenbei den Schlüssel zur Unsterblichkeit zu finden … man darf davon ausgehen, dass der Genuss alkoholischer Getränke dabei eine Rolle spielt.

Am Freitag unternehmen wir eine kleine Wanderung vom Hafen Karave (von einem Ort zu sprechen wäre gewagt – es gibt einen winzigen Laden, eine Taverna und die Polizeistation der Insel)  zum Strand von Sarakiniko; dieser ist berühmt für seine tolle Lage zwischen kieferbewachsenen Dünen und einer leuchtend blauen See – und als Traumziel für Camper.

Paralia Sarakiniko, Gavdos

Zelten in der Natur ist in Griechenland zwar generell verboten, aber … wie verschiedentlich angedeutet werden gesetzliche Vorschriften hier zu Lande vor der eventuellen Befolgung einer Sinnhaftigkeitsprüfung unterzogen, und so finden sich etliche Zelte im Schatten der Tamarisken gleich am Strand. Zweifellos ein toller Ort, und mehrere Beach Bars sowie ein weiterer Mini-Markt bieten die Versorgung; man hinterlässt auch keinen Müll und stört niemanden – alles gut.

Am Samstag zieht ein Tiefdruckausläufer über die Insel – was in ganz Europa Sturm und Hagel mit sich bringt, bewirkt hier kräftigen Westwind bei ansonsten ungetrübtem Sonnenschein. Dennoch bleiben wir an Bord, um Landleinen und Fender nachstellen zu können. Am Sonntag ist es aber wieder ruhig, und wir brechen auf, um den allersüdlichsten Punkt der südlichsten Insel zu erwandern – gleich um 8 Uhr, heiß wird es schon bald genug.

Wanderweg nach Trypiti

Der Weg führt zunächst an der Küste entlang bis zum Strand von Korphos – ein weiterer der ‘Orte’ der Insel, der aus drei Häusern besteht – und dann über einen Höhenrücken bis zur Südwestspitze. Man wandert auf einem gut angelegten Weg durch erstaunlich grüne Natur, ständig umgeben von einem betörenden Duft nach Thymian. Nach etwa drei Stunden erreichen wir den Strand von Trypiti; auf der von drei Felsbögen getragenen, seeunterspülten Landspitze ist ein überdimensionaler Stuhl als Kunstprojekt errichten worden (übrigens von den verrückten russischen Wissenschaftlern), auf dem sitzend man ganz Europa überblicken kann – jedenfalls soweit das Auge reicht. Die größte Attraktion für uns ist aber die bizarr zerklüftete Felsenküste selbst und die unbeschreiblichen Farben, in denen sich die See an ihr bricht – einfach toll!

Am Abend kehren wir noch im einzigen ‘Restaurant’ von Karave ein – man könnte auch sagen, Oma Litsa (ein wandelnder Meter unschätzbaren Alters) hat ein paar Tische vor ihre Küche gestellt. Das Essen ist entsprechend – Großmutters Spezialitäten, alles handgemacht aus frischen Zutaten, kein moderner Schnickschnak. Uns jedenfalls schmeckt es hervorragend!

Lendas

Mit Bedauern verlassen wir am Montagmorgen Gavdos – die Insel ist schon etwas Besonderes mit ihrer – selbst für griechische Verhältnisse – extremen Abgelegenheit und den entsprechend wenigen Besuchern. Wir wollen zurück an die kretische Küste, was erneut einen langen Schlag von 40 Seemeilen bedeutet; die Windvorhersagen sind sehr inhomogen: Gavdos liegt in der Windabschattung der Weißen Berge, und da müssen wir uns erst mal rausmotoren; danach soll es dann Nordwind um die 5 Windstärken geben.

Wir nähern uns wieder der kretischen Küste

Wir sind eher positiv überrascht, als schon nach einer guten Stunde brauchbarer Wind einsetzt – allerdings als Südwest statt Nord. Egal, den nehmen wir auch – also schnell den Motor abgestellt und den Code Zero entrollt. In den nächsten – vielen – Stunden dämpft sich unsere Freude aber wieder, denn der Wind will einfach nicht zunehmen, er schwächelt zwischen 5 und 8 Knoten vor sich hin – zu wenig, wenn man viel Strecke vor sich hat. Erst als wir schon längst in dem Bereich sind, für den alle Wettermodelle den Nordwind angesagt haben, kommt er auch – zum Ausgleich für seine Verspätung aber nicht mit Stärke 5, sondern gleich mal 7. Den Code Zero können wir noch schnell gegen den Klüver tauschen, aber das Großsegel bleibt oben. So legen wir also in den letzten 2 Stunden der ganztägigen Fahrt fast ein Drittel der Strecke zurück – bis 8.2 Knoten Fahrt über Grund lesen wir ab! Das macht Spaß, ist aber auch ein wenig unheimlich – müssten wir mit der Menge Tuch an den Wind gehen, gäbe es furchtbar was auf die Mütze!

Magische Abendstimmung über Lendas

Übernachten wollen wir vor dem kleinen Ort Lendas, im Schutz einer hohen Klippe, die den Schwell aus West abhalten soll. Der Plan geht auf – und auch der Wind lässt nach, so dass wir einen ruhigen Abend mit einer magischen Lichtstimmung über den Bergen verbringen können.

Am nächsten Morgen machen wir auch noch das Dinghi klar, denn nach vier Tagen Gavdos brauchen wir ein paar Frischvorräte. In Lendas gibt es den ‘Supermarkt Christina’ – und ebenso reizend wie der Internetauftritt (!) wirkt der kleine Laden selbst. Hier erstehen wir frisches Brot, selbsteingelegte Oliven aus der Nachbarschaft und frisches Obst und Gemüse. Genauso nett wirkt der kleine Ort auf uns – mit seiner Handvoll Unterkünften sicher ein Geheimtipp für den Individualtouristen.

Tsoutsouros

Danach lichten wir den Anker bei schwachen Nordwest – unter Segeln, versteht sich. Die verschiedenen Windvorhersagen für diesen Tag sind sich mal wieder sehr uneinig: wo die aktuelle Abdeckungszone endet und die nächste Windzone anfängt, das sieht jedes Modell anders. Einig sind sie sich nur in einem: aus Nord soll der Wind kommen, den ganzen Tag. Muss man noch irgendetwas dazu sagen, dass wir die nächsten 6 Stunden bei schwachem Südwest die Küste entlangdümpeln?!?

Aber wie tags zuvor: am späten Nachmittag kommt die nächste Windschneise, und zwar richtig! Wieder dreht der Wind innerhalb von 10 Minuten von 5 Knoten Südwest auf 30 Knoten Nord – auf einmal wird es feucht an Bord! Auf den letzten Meilen zu unserem auserkorenen Ankerplatz müssen wir sogar hoch an den Wind, und die Böen erreichen 8 Beaufort – also, Abwechslung ist ja schön und gut, aber das muss doch nicht sein, wenn man sich nach einem langen Tag Flautenschieben schon fast am Ziel wähnt.

Tsotsouros, 7 Windstärken, der Anker sitzt!

Aber irgendwann fällt auch der Anker, und wir kommen zur Ruhe; zwar fegt der Wind immer noch mit 25 Knoten vom Strand heran, aber auf die kurze Distanz baut sich keine Windsee auf, und der Schutz gegen den Schwell ist unerwartet gut, wie überhaupt der gesamte Ankerplatz: eine endlos große Sandfläche mit perfekten Tiefen, die wir – wie immer – für uns allein haben.

Es weht aber die ganze Nacht hindurch unvermindert mit 6 Beaufort, in Böen auch mal 8; so können wir am nächsten Morgen nicht den Ort besuchen, das Risiko, dass unser Dinghi zum fliegenden Gummiteppich wird, ist uns doch zu groß …

Myrtos

Entsprechend stürmisch geht die Fahrt weiter: kaum haben wir ein paar Kabel Entfernung zum schützenden Strand aufgebaut, steigt die Windstärke auf 6 bis 7 Beaufort, in Böen sehen wir alle paar Minuten auch eine 8. Nur unter Kutter kämpft sich die ‘Orion’ voran – wir segeln wieder recht nass.

‘Tourismushochburg’ Myrtos

Nach 7 Seemeilen aber endet der Spuk so schlagartig, wie wir es inzwischen ja schon kennen: für höchstens 5 Minuten tauschen wir noch den Kutter gegen den Klüver, dann geht auch schon der Motor an, um uns die nächsten 10 Meilen bei völliger Flaute bis zum Badeort Myrtos zu schieben.

Wie üblich an Kretas Südküste ist der Ankerplatz recht offen und direkt vor dem Badestrand; dieser ist hier dicht mit Hotels bestückt, für südkretische Verhältnisse schon ein großer, touristischer Ort – in Spanien hätten wir das als ‘intime Atmosphäre’ bezeichnet.

5000 Jahre alte Pflasterarbeiten

Hauptattraktion des Ortes ist die archäologische Ausgrabungsstätte auf dem Hügel neben dem Ort; nach einem kurzen Anstieg kann man hier durch die Fundamente einer Siedlung laufen, die vor etwa 5000 Jahren gegründet wurde und über die ganze minoische Zeit genutzt wurde. Wie immer bei dermaßen alten Orten gibt es nur ein paar Steine zu sehen – aber man erkennt deutlich die Räume der Häuser und den mit farbigen Steinen gepflasterten Vorplatz; schließt man dann die Augen und stellt sich vor, wie hier vor so vielen Jahrtausenden Menschen gelebt haben – schon spannend! Und der Ausblick vom Hügel war damals sicher nicht weniger schön als heute (wahrscheinlich sogar auf deutlich dichtere Bergwälder, und sicher ohne Gewächshäuser …).

Gaïdharonisi

Donnerstagmorgen lichten wir den Anker und verlassen wieder die kretische Südküste, der wir in den vergangenen Tagen dicht gefolgt sind, denn es gibt mal wieder eine vorgelagerte Insel, Gaïdharonisi, für die Touristen auch auch gerne als Chrysi (‘die Goldene’) bezeichnet . Diese ist noch viel kleiner als Gavdos, und es gibt keine permanenten Bewohner; früher gab es während der Saison noch zwei Strandbars, seit diesem Mai ist aber das Anlanden mit Booten aus Naturschutzgründen verboten worden, da die vielen Tagestouristen (bis 200.000 pro Jahr!) die empfindliche Natur der flachen, sandigen Insel kaputtgetrampelt und zugemüllt haben. Unter Naturschutzaspekten gut nachvollziehbar, denn hier gibt es einen einzigartigen Wacholder-Wald, für das über viele Jahre aufgebaute Geschäft mit den Tagesausflüglern aber natürlich eine Katastrophe. Ankern vor der Küste ist noch erlaubt, und wenn man schwimmend den Strand erreicht, darf man diesen auch betreten – aber für diese Form der Unterhaltung wird man sicher deutlich weniger Besucher begeistern können.

Ankerplatz vor Gaïdharonisi

Wir freuen uns, für die Überfahrt noch etwas Westwind mitnehmen zu können, und staunen bei der Annäherung an Chrysi über die Farben: da die Insel und der umgebende Felssockel aus Kalkstein bestehen, wird das Sonnenlicht vom Meeresgrund extrem reflektiert, und das Meer scheint von innen zu leuchten! Ganz übertrieben ist der Beiname also nicht …

Wir ankern auf der Südseite der Insel, verbringen viel Zeit im Wasser und genießen die Ruhe und Schönheit der Umgebung.

Die Ruhe vor dem Sturm

Mit dem Abend setzt Nordwind ein, und wird langsam stärker … und stärker … und noch stärker. In der folgenden Nacht und am ganzen nächsten Tag erleben wir ein Totalversagen sämtlicher meteorologischer Modelle – ob GFS (das amerikanische Wettermodell), ECMWF (das europäische Pendant), ICON (vom Deutschen Wetterdienst) oder die griechische Vorhersage von Meteo.gr: ALLE sind sich einig, dass es schwache, umlaufende Winde gibt – und wir liegen über Nacht in 6 bis 7 Beaufort Nordnordost! Dass es solche Störungen bedingt durch die thermischen Effekte der Gebirge kurzzeitig geben kann, haben wir ja schon erlebt, aber auch am nächsten Morgen wird es nicht besser; wir warten bis zum Mittag, bis wir uns auch nur trauen, mit dem Dinghi überzusetzen – so naß, wie die Überfahrt wird, zählt das als ‘an den Strand schwimmen’, finden wir. Wir wandern auf die Nordseite der Insel, und finden die uralten Bäume in einer dünenartigen Landschaft wirklich wunderschön; aber uns wird etwas flau, als wir die See in Luv sehen: ganz viel Weiß … und da sollen wir gleich durch?

Ierapetra
Zielanlauf auf Ierapetra bei kräftigem Gegenwind

Aber es hilft ja alles nichts – mit stark gerefftem Groß und zunächst noch Klüver machen wir uns auf den Weg zurück zur kretischen Küste. Als wir die Abdeckung verlassen und der mittlere Wind 30 Knoten erreicht, tauschen wir den Klüver gegen den Kutter – und machen mit dieser geringen Segelfläche immer noch 5 Knoten Fahrt! Versteht sich, dass der Sturm uns exakt entgegenweht – hoch am Wind bei 7 bis 8 Windstärken werden die kaum 10 Seemeilen ziemlich lang: erst gegen 19 Uhr erreichen wir Ierapetra und gehen vor dem Strand vor Anker. Wenn einem JEDER Wetterbericht erzählt, dass man gerade durch eine Flaute gefahren ist, kommt man sich schon etwas für dumm verkauft vor …

Am nächsten Morgen landen wir mit dem Dinghi an – nach wie vor nicht ohne Schwierigkeiten, denn 20 Knoten schafft der Nordwind immer noch – und decken uns auf dem Wochenmarkt und in den großen Supermärkten von Ierapetra mit Vorräten ein, denn vor uns liegt die Südostküste Kretas, und da gibt es nicht mehr viel zu kaufen … umso unerfreulicher, dass der Kühlschrank an Bord Probleme macht, als wir ihn mit Bergen von Milch, Yoghurt, Obst und Gemüse befüllt haben: der Verdichter läuft zwar, aber der Verdampfer wird nicht kalt. Ob da Kühlmittel fehlt? Nach einer Weile kühlt er dann doch noch, aber bei jedem neuen Anlaufen das gleiche Problem. Das hat uns bei diesen Temperaturen gerade noch gefehlt … hoffentlich hält er noch eine Weile durch!

Die alte Moschee in Ierapetra

Am Nachmittag lässt der Wind endlich nach, und wir setzen nochmals über, um uns auch den Ort anzuschauen. Ierapetra ist die südlichste Stadt Europas und produziert das Obst und Gemüse für halb Griechenland. Ansonsten finden wir, dass es nicht so viel zu sehen gibt – die allermeiste alte Bausubstanz ist verloren, am Hafen gibt es noch eine venezianische Festung, und selbst von der verhältnismäßig jüngeren Vergangenheit, der Zeit der osmanischen Besatzung, zeugt gerade noch eine halbverfallene Moschee. Ansonsten viel Badetourismus und die dazugehörigen Restaurants, aber nur die der ‘ersten Reihe’ an der Strandpromenade, die traditionelleren Tavernas ohne bebilderte Speisekarten, die man sonst eine Häuserzeile landeinwärts findet, fehlen hier eher. Nicht so unser Fall – aber ein guter Versorgungshafen vor der kargen Ostküste allemal.

Makry Gialos

Am Sonntag ziehen wir also weiter – der Wind hat natürlich über Nacht wieder zugelegt, und wir erleben die gleichen, abwechslungsreichen Windverhältnisse, wie sie inzwischen quasi täglich bewältigen müssen: während am Ankerplatz der mittlere Wind noch mit 6 Beaufort bläst, sind es eine Seemeile weiter draußen schon 7 bis 8; wir sind nur mit Kuttersegel unterwegs, und das recht zügig. Nach anderthalb Stunden wilder Fahrt lässt der Wind schlagartig nach – wir rollen noch für 10 Minuten den Klüver aus, und dann geht auch schon der Motor an: von 38 auf 3 Knoten in 15 Minuten!

Hinter Makry Gialos kollidieren die Windsysteme

Dementsprechend sind wir nicht so motiviert, unter Maschine noch viel Strecke zu machen (obwohl wir natürlich ahnen, dass es am nächsten Tag so weitergehen wird: Abdeckung bleibt Abdeckung), und steuern für die nächste Nacht den Badeort Makry Gialos an – beziehungsweise eigentlich den Strand direkt westlich davon, denn am Hauptstrand stehen uns schon eindeutig zu viele Hotels (wie schnell sich die Maßstäbe verschieben!). Vom Ankerplatz aus lässt sich gut das Schauspiel der sich über dem Gebirgskamm auftürmenden Wolken beobachten, wo der Nordwind von der anderen Inselseite mit dem thermischen Südwind kollidiert …

Kato Zakros

Wie erwartet gibt es vor Makry Gialos am Montagmorgen so wenig Wind wie am Sonntagabend; wir versuchen dennoch tapfer bei 4 bis 5 Knoten thermischem Südwind, uns unter Code Zero aus der Bucht freizukreuzen, und irgendwann das nächste Windfeld zu erreichen. Wir schaffen 6 Seemeilen in 5 Stunden – und müssen also schließlich doch wieder den Motor starten, denn es will sich einfach kein Nordwest einstellen.

Karg und einsam ist die Ostküste Kretas

Die vorbeiziehende Küste wird unterdessen immer karger und einsamer, wir sehen nur noch vereinzelte Siedlungen. Erst kurz vor unserem Tagesziel, als wir die vor Xerokambos gelegenen Kavali-Inseln passieren,  setzt sich wieder der über die Insel wehende Wind durch – und weht fröhlich mit 5 Windstärken über unsere Ankerbucht vor Kato Zakros, als hätten wir keine 20 Seemeilen Flaute hinter uns.

Hier legen wir einen Ankertag ein, denn in Kato Zakros gibt es zwei Attraktionen (abgesehen von dem üblichen tollen Strand mit klarem Wasser und einladenden Tavernas): direkt hinterm Strand wurden die Überreste eines minoischen Palastes ausgegraben, und dahinter erstreckt sich die Schlucht der Toten – die nicht wegen der verdurstenden Wanderer so genannt wird, sondern weil die Minoer hier ihre Toten in Felshöhlen bestattet haben. Zunächst führt die Wanderung bergauf entlang der alten Straße von Kato Zakros nach Ano Zakros, kurz vorm Ort steigt man steil in die Schlucht herab und folgt dieser wieder zurück zum Meer.

Eingebettet in ein karges Felsplateau liegt die Schlucht der Toten
Im grünen Talgrund

Am Grund der Schlucht erwartet uns ein unerwarteter Kontrast zur kargen, trockenen Berglandschaft rundherum: aus Felsspalten entspringen Quellen und bilden einen kleinen Bach, der den Talgrund in ein blühendes Paradies verwandelt; wir erfreuen uns am prächtig blühenden Oleander, ruhen unter schattenspendenden Platanen und Feigenbäumen und lauschen dem Plätschern des Wassers. Ja, die alten Minoer wussten, wo man begraben sein möchte …

Der minoische Palast von Zakros

Auf dem Rückweg besichtigen wir natürlich auch die Ausgrabungsstätte: man sieht umfangreiche Grundmauern eines Palastes mit zahlreichen Nebenräumen, der damals zweigeschossig ausgeführt und damit ein recht großes Gebäude war, drumherum eine ganze Siedlung mit Gebäuden, Bädern, Werkstätten und Straßen. Wie bei derart alten Relikten gewohnt ist nicht viel stehengeblieben, aber der jahrtausendealte Ort berührt uns mit seiner Geschichte, und die zahlreichen Fundstücke bei der Freilegung der Grundmauern geben den Archäologen Einblicke in das Leben der Menschen vor 4000 Jahren.

Zurück am Strand genießen wir zur Belohnung einen erfrischenden Freddo mit Blick auf die ‘Orion’ – die selbstredend als einziges Boot in der Bucht ankert.

Paralia Erimoupoli

Am Mittwoch brechen wir zeitig auf, denn vor uns liegt zwar keine besonders lange Etappe, aber wir erwarten einigen Wind, und das zum Teil von vorne. Ziel ist der Strand von Erimoupoli, welcher den letzten guten Ankerplatz vorm Kap Sideros, der Ostspitze Kretas, darstellt. Bis zum Kap Plaka, welches etwa auf halbem Weg nach Erimoupoli liegt, haben wir mal wieder kräftigen Wind von 6 Beaufort mit 7er Böen, können aber die notwendige Höhe noch laufen; vom Kap an müssen wir dann nach Nordwesten abbiegen, genau gegen den Wind. Entgegen unserer Erwartung nimmt dieser nun, da wir keine hohen Berge mehr in Luv haben, aber ab statt zu – die Starkwinde der letzten Woche spiegeln also offenbar nicht die Windstärke auf Kretas Nordseite wider, vielmehr wird diese durch die Düseneffekte intensiviert.

Vor Anker in der Bucht von Erimoupoli

Wir kreuzen also gegen gerade mal 5 Windstärken auf, und die langgestreckte Kyriamadi-Halbinsel bietet noch Wellenabdeckung – das geht gut, und wir können schon gegen 13 Uhr nach 17 gesegelten Meilen den Anker fallen lassen.

Der Strand von Erimoupoli gilt als Geheimtipp unter Kreta-Urlaubern: es gibt keinerlei Infrastruktur, und man kommt von Land nur mit dem Auto hin, dafür teilt man sich einen herrlichen Sandstrand in wildromantischer Umgebung mit nur wenigen anderen Besuchern – und heute eben der ‘Orion’.  Wir landen mit dem Dinghi am Strand an und wandern gut zwei Kilometer im Inland nach Süden, bis wir die Stichstraße zum Strand von Vaï nehmen.

Im Palmenwald

Diese führt durch den größten natürlichen Palmenhain Europas – während man am ganzen Mittelmeer ja reichlich angepflanzte Palmen als Zierbäume sieht, begegnet man eben nie einem ganzen Wald davon. Natürlich ist auch dieser Bestand bedroht, so dass man den Wald heute nicht mehr betreten darf, nachdem er in der Vergangenheit von dort hausenden Alt-Hippies zugemüllt worden ist – wie war das mit der Naturverbundenheit?!?

Am Strand von Vaï kann man’s aushaltem

Aber von verschiedenen Aussichtspunkten kann man sich immer noch einen guten Eindruck verschaffen, und der am Ende gelegene Strand lohnt noch dazu den Besuch – das finden allerdings hier auch etliche andere Besucher. Dafür gibt’s einen (mit € 3,40 für griechische Verhältnisse etwas überteuerten, aber wenigstens guten) Freddo mit Strandblick – die Vorzüge der Zivilisation.

Blick über die Bucht von Vaï mit dem Palmenstrand

Zurück geht’s am Strand und der Steilküste entlang, ein schmaler und manchmal schwer zu findender Pfad führt bergauf und -ab und bietet dabei herrliche Aussichten.

Byzantinische Basilika in Itanos

Man kommt an der Ausgrabungsstätte des alten Itanos vorbei, in der hellenistischen Zeit ein wichtiger Hafenort, später aber völlig aufgegeben; einige Fundamente wurden freigelegt, am besten zu erkennen sind die Umrisse einer byzantinischen Basilika. Aber selbst wenn man sich nicht für Ruinen interessiert – der Ausblick vom Hügel, auf dem einst Itanos erblühte, ist umwerfend!

Sitia

Wie vorhergesagt öffnet sich am Donnerstag unser Wetterfenster zur Rundung des Kap Sideros – seit zwei Wochen variierte die Windvorhersage dort nur zwischen Nordwest 6 und Nordwest 7, zusammen mit dem an einem solchen Kap zu erwartenden Verstärkungseffekt und dem Gegenstrom keine erbauliche Aussicht, was uns auch durchaus etwas nervös gemacht hat; umso mehr kommt es uns gelegen, dass die Meteorologen für den heutigen Tag ausnahmsweise nur schwachen Wind angesagt haben. In der Tat hat es am Ankerplatz über Nacht drastisch nachgelassen, wir haben nur noch 10 Knoten Nordwest, als wir den Anker lichten; etwas erstaunt sind wir dann aber doch, dass der Wind auf dem Weg zum Kap noch mehr nachlässt, denn vorhergesagt waren immerhin noch 3 bis 4 Beaufort.

Flaute vor Kap Sideros

Vorm Kap selbst verlässt uns der Wind dann ganz – das Wasser wird spiegelglatt, und der Windmesser zeigt eine glatte Null – das haben wir schon sehr lange nicht gesehen! Reichlich absurd, nachdem wir uns so lange vorher Sorgen wegen des möglichen Starkwindes gemacht haben, aber wir müssen genau vorm Leuchtturm den Motor starten …

Wenigstens ermöglicht uns das, eine kleine Abkürzung zu fahren, vor dem Kap liegen nämlich noch zahlreiche Riffe, die man bei aufgewühlter See großräumig hätte umfahren müssen; so aber können wir unter Maschine einen Steinwurf vom Land entfernt innerhalb aller Gefahrenstellen durchfahren.

Nördlich des Kaps stellt sich ein Hauch von Wind ein, wir können wieder segeln, aber sehr langsam – und es wird immer heißer und heißer, während wir uns langsam Sitia nähern. Gegen 17 Uhr machen wir innen an der langen Mole fest; wir bekommen noch Besuch von der Coast Guard, die äußerst freundlich und höflich unser Boot kontrolliert (man hat hier offenbar große Probleme mit Tauchern, die illegal archäologische Relikte vom Meeresgrund bergen und zu Geld machen), zu mehr sind wir dann aber nicht mehr in der Lage – es ist einfach schrecklich heiß so ganz ohne Wind!

Blick über den Hafen von Sitia

Am nächsten Tag bekommen wir auch noch Besuch von einer netten Dame von der Gemeinde – die uns erst mal eine Willkommenstüte überreicht, in der sich neben umfangreichen Informationsmaterial über die kulturellen Angebote von Sitia und Umgebung eine Flasche lokalen Weins und zwei Flaschen besten Olivenöls finden! Sind wir hier etwa in einen Luxushafen geraten? Aber nein, beim Bezahlen später im Gemeindehaus stellen wir fest, dass wir den Standardtarif von € 8,31 pro Tag berechnet bekommen; kann man sich das in irgendeinem anderen Land vorstellen?

Venezianisches Kastell in Sitia

Sitia selbst hat leider außer eines venezianischen Kastells kaum alte Bausubstanz zu bieten, aber für den Segler beste Versorgungsmöglichkeiten und für den Landurlauber eine äußerst reizvolle Umgebung – all die Naturschönheiten der Ostküste, an denen wir in der letzten Woche vorbeigesegelt sind, können von hier mit dem Mietwagen ja leicht erreicht werden; und bestens essen und trinken kann man hier wie immer auch.

Angesichts unseres nach der Rundung von Kap Sideros recht entspannten Zeitplans und der extremen Gastfreundlichkeit hier bleiben wir gerne noch einen Tag länger; es ist auch nicht mehr ganz so heiß, und so futtern wir uns durch die örtliche Gastronomie- und Konditoreiszene, ergänzen die Bordvorräte genießen die Ruhe an unserem Platz an der Hafenmole, wo auch immer ein wenig Wind ins Cockpit steht.

Im archäologischen Museum von Sitia

Auch dem archäologischen Museum statten wir einen Besuch ab: hier kann man viele Fundstücke aus der neolithischen und minoischen Epoche bewundern. Es ist schon eindrucksvoll, aus nächster Nähe die Striche des Pinsels nachvollziehen zu können, mit dem ein Mensch vor 4000 Jahren eine Tonvase bemalt hat …

Spinalonga

Am Sonntagmorgen verlassen wir den Hafen von Sitia; bis zu unserem Zielhafen für den Sommer, Agios Nikolaos, sind es noch gut 20 Seemeilen gegen die vorherrschende Windrichtung, und so wollen wir den für diesen Tag angesagten, mäßigen Gegenwind nutzen, um schon mal einen Ankerplatz in der Nähe zu erreichen. Natürlich kommt es mal wieder anders: statt der versprochenen 10 Knoten Nordwest gibt es die ersten drei Stunden 5, und dann schlagartig 25 Knoten – Übergangszeit 5 Minuten.

Die Festungsinsel Spinalonga in der Einfahrt zur Lagune

Wir kreuzen also unter Klüver auf und erreichen am Nachmittag die rundum geschützte Lagune von Spinalonga, an deren Ostseite wir einen brauchbaren Ankerplatz finden.

Eigentlich war der Plan, hier die nächsten Tage zu entspannen und ein paar Ausflüge mit dem Beiboot zu machen, zur venezianischen Festung auf Spinalonga und in den Ort Elounda im Süden der Lagune, doch leider macht uns der Wind einen Strich durch die Rechnung: am Montagmorgen frischt es nochmal deutlich auf, im Mittel messen wir 6 Beaufort am Ankerplatz, und die Böen erreichen eine stolze 9! Der Anker hält gut, während sich das Boot von den heftigen Böen gebeutelt von der einen auf die andere Seite legt und die abgerissenen Wellenkämme über die Oberfläche jagen, aber an Ausfahrten mit dem Dinghi ist unter solchen Bedingungen nicht zu denken – und das Wetter denkt überhaupt nicht daran, sich zu beruhigen, es geht auch Dienstag und Mittwoch so weiter, und auch in der Nacht gibt es keine Pause – an Schlaf ist da auch nicht wirklich zu denken, selbst wenn man dem Anker vertraut, die Geräusche und Bootsbewegungen sind zu heftig. Wie üblich darf man sich darunter kein Sturmwetter wie auf der Nordsee vorstellen: es zeigt sich keine Wolke am Himmel, und der stürmische Wind hat 33 Grad …

Agios Nikolaos

Am Donnerstag freuen wir uns geradezu, den letzten Hafen vor der Sommerpause anlaufen zu können: dreieinhalb Tage an Bord festzusitzen bei ununterbrochenem Starkwind genügt wirklich …

Beim Verlassen der Lagune zeigt der Windmesser nochmal 44 Knoten – ein kleiner Abschiedsgruß von Spinalonga. Draußen stellen wir schnell fest, dass es wirklich die Verstärkung durch die Berge war, die uns so lange festgesetzt hat: den Rest der Strecke von 10 Seemeilen segeln wir bei kaum halb so viel Wind. Genug sind 5 bis 6 Windstärken aber auch noch, und so sind wir gegen Mittag in der Marina von Agios Nikolaos, wo die ‘Orion’ die heißeste Zeit des Sommers verbringen soll.

Agios Nikolaos von See

Das Anlegemanöver gelingt zum Glück gut – die Marina ist extrem eng, und wenn dann solche Böen einfallen … zum Glück schlucken die Häuser der Stadt aber einen Großteil des Nordwests. Eng aber bleibt es – Boote, die tiefer in der Boxengasse liegen, können den Hafen nur bei Flaute erreichen oder verlassen, der Abstand von Bug zu Bug beträgt bei weitem keine Bootslänge, ein Drehen ist unmöglich.

Geographisch sehr gelungen, architektonisch weniger ….

Die nächsten zwei Tage werden von den Reisevorbereitungen eingenommen: die Vorsegel werden abgeschlagen, das Schlauchboot eingepackt, alles wird gründlich entsalzt und noch alle möglichen Dinge zum Mitbringen notiert. Am Samstagnachmittag reicht es wenigstens noch für einen kleinen Stadtrundgang: der ursprünglich wohl eher kleine Ort ist durch den Tourismus schnell gewachsen und von diesem bestimmt; die Lage verteilt über mehrere Hügel mit einem See in der Mitte ist eigentlich äußerst reizvoll, die Architektur dagegen eher nicht: man sieht praktisch nur charakterlose Betonbauten. Aber wenigstens ragen diese nicht 11 Stockwerke in den Himmel wie vielerorts in Spanien …

Am Sonntag den 3. Juli ist es dann soweit: alle Leinen und Fender werden nochmal kontrolliert, und dann geht es mit dem Bus zum Flughafen in Heraklion!

Aufbruch (27.04. – 10.05.)

Astypalaia

Dass das Boot wieder im Wasser schwimmt, bedeutet noch lange nicht das Ende der Arbeiten, wie wir wieder einmal feststellen müssen: das Anschlagen der Segel und des gesamten laufenden Gutes nimmt Tage in Anspruch, und das Aufklaren des Bombeneinschlags unter Deck ist nicht weniger anspruchsvoll! Am Donnerstag sind wir so weit, dass wir eine kleine Probefahrt zum Inselchen Koutsomiti unternehmen können: beim Ablegemanöver (unter Segel natürlich …) entrollt sich der Klüver nicht, da die Schoten nicht richtig geführt sind, und der sportlich angedachte Auftritt gerät zum Hafenkino erster Güte; der Rest des Ausflugs verläuft aber reibungslos.

Drei Tage und unzählige Arbeiten später unternehmen wir die nächste Probefahrt, diesmal nach Kounoupoi und mit einer Übernachtung; auf dem Rückweg haben wir auch 6 Beaufort Gegenwind und können uns so davon überzeugen, dass das Boot über den Winter das Segeln nicht verlernt hat – ganz im Gegenteil, mit frischem Antifouling laufen wir 6 bis 7 Knoten am Wind!

Zurück in Maltezana stehen noch die Reinigung von Katerinas Zimmer aus sowie etliche Ladungen Wäsche – wir dürfen auch noch ihre Waschmaschine benutzen, was eine ganz große Erleichterung darstellt. Am Donnerstag nehmen wir Abschied und setzen über zum Inselhafen – da werden Erinnerungen wach, wie oft sind wir doch diese Strecke im Lockdown-Winter gesegelt! Freitag geht es noch eben zum Zahnarzt, und nach einem langen Abschiedsabend bei Maroula brechen wir am Samstagmorgen auf, um die Insel tatsächlich zu verlassen – fast etwas überstürzt, aber wir wollen zügig Kreta erreichen, und die Windvorhersagen taugen nur für die erste Hälfte der neuen Woche noch …

Anafi / Paralia Monastiri

Erstes Ziel ist die gut 30 Seemeilen westlich gelegene Kykladeninsel Anafi; es ist Nordwind um 4 Beaufort angesagt, aber kaum dass wir die Abdeckung Astypalaias verlassen haben, weht es deutlich kräftiger, so dass wir ganz froh sind, noch mit einem Reff im Großsegel losgefahren zu sein. Wieder freuen wir uns über die schnelle Fahrt von über 7 Knoten, die wir nur dem frischen Antifouling zuschreiben können – oder ist die ‘Orion’ durch das Sandstrahlen so viel leichter geworden? 😉 Wer weiß, was die gesammelten Lackschichten von 40 Jahren wiegen mögen …

Kap Kalamos, Anafi

Nach einigen Stunden ragt das beeindruckende Ostkap von Anafi vor uns auf: über 460 Meter steigt der Kalksteinfelsen Kalamos senkrecht aus dem Meer, nach Gibraltar der zweitgrößte Monolith im gesamten Mittelmeerraum! Oben auf dem Gipfel steht das 1715 erbaute Kloster Panagia Kalamiotissa; in einer kleinen Bucht an der Südseite des Felsens werfen wir den Anker und verbringen eine halbwegs ruhige Nacht – ein wenig Schwell kommt doch um die Ecke, aber daran werden wir uns gewöhnen müssen, vor uns liegen viele Nächte in eher offenen Ankerbuchten.

Paralia Monastiri

Am Sonntagmorgen setzen wir mit dem Schlauchboot über; der ganze Grund vorm Strand ist weißer Sand, der sanft ansteigt, die Farbe ein Traum – und weit und breit keine Menschenseele! Wir genießen kurz und machen uns dann an den unvermeidlichen Aufstieg zum Kloster:

Panagia Kalamiotissa

der Weg ist schmal und steil, aber irgendwann ist es geschafft, und wir können den Ausblick vom strahlend weißen Gemäuer über die Insel und das Meer genießen; zwar ist die Fernsicht heute nicht besonders gut, doch wenigstens bedeutet das, dass uns auch die Sonne nicht allzu sehr auf den Pelz brennt. Das Kloster ist heute nicht mehr bewohnt, und auch auf dem Hin- und Rückweg sehen wir niemanden.

Der Abstieg ist viel schneller geschafft, und nach dem Belohnungskaffee zurück an Bord segeln wir noch drei Seemeilen bequem nur unter Vorsegel bis zum Strand vor dem kleinen Inselhafen, um dort erneut zu ankern.

Anafi / Paralia Klisidi

Hier spüren wir in der Nacht den Schwell deutlicher, besonders als später der Wind nachlässt und das Boot nicht mehr ausrichtet; der Hafen ist jedoch keine echte Alternative, da er zur Zeit umgebaut wird und die ohnehin kleine Fläche größtenteils von einem Arbeitsponton ausgefüllt wird. Nicht, dass hier jemand ein Problem damit hätte, wenn wir einfach an diesem Ponton festmachen würden, aber wir ankern ja auch ganz gerne …

Die Chora von Anafi

Am Montagmorgen setzen wir wieder zum Strand über, der hier auch noch aus allerschönstem Sand (statt wie häufig auf den Inseln aus feinem Kies) besteht – und wieder menschenleer ist. Auf Anafi leben 271 Menschen – größtenteils in der Chora, zu der wir erst mal wieder aufsteigen müssen.

Die Mühe lohnt sich aber: uns erwartet ein wunderschönes Inseldorf mit größtenteils liebevoll gepflegten, strahlend weißen Häusern und zahlreichen Farbtupfern in Form von lackierten Holzelementen und natürlich prächtigen Blumen. Es gibt einige Tavernas und Cafés – aber die Ströme des Massentourismus gehen an dieser Insel offenbar noch völlig vorüber. Alles verströmt Ruhe und Gelassenheit; natürlich ist es auch noch früh im Jahr, aber selbst im Sommer kann es hier nicht furchtbar voll werden – dazu fehlen einfach auch die Unterkünfte. Wie wir schon auf dem Weg zum Kloster festgestellt haben, verfügt die Insel sogar über ein gut gekennzeichnetes Netz von Wanderwegen – also, wer noch ein Ziel für einen naturnahen Urlaub mit Bergwandern, Badetagen an Traumstränden und köstlichem Essen sucht … natürlich gibt es einen Haken: gerade zweimal pro Woche kommt die Fähre von Piräus, und das dauert auch noch 10 Stunden.

Thira / Akrotiri

Gegen Mittag sind wir zurück an Bord, und inzwischen ist auch wieder Wind aufgekommen – genug, um die 20 Seemeilen zur nächsten Insel Thira noch in Angriff zu nehmen. Diese ist die größte Insel im Santorini-Archipel und auf Deutsch besser unter diesem Namen bekannt, im Griechischen bezeichnet man aber nur die gesamte Inselgruppe so. Die außergewöhnliche Geographie – die Inseln ThiraThirasia und Aspronisi bilden Fragmente eines Rings, in dessen Zentrum die Inseln Palea Kameni und Nea Kameni liegen – verdankt die Inselgruppe einer gewaltigen Vulkaneruption vor rund 3500 Jahren, bei der das gesamte Zentrum des Vulkans weggesprengt wurde und eine bis zu 700 Meter tiefe Caldera geschaffen hat. Bimsstein- und Ascheregen gingen damals über dem gesamten östlichen Mittelmeer nieder, und ein Tsunami verwüstete die Küsten – die Spuren davon lassen sich bis heute finden.

Ankerplatz vor Akrotiri

Zur Zeit der Eruption, in der späten Bronzezeit, blühte auf Thira die minoische Kultur, welche heute als die früheste Hochkultur Europas angesehen wird. In Akrotiri hat man im vergangenen Jahrhundert die von Vulkanasche hervorragend konservierten Reste einer bronzezeitlichen Stadt ausgegraben – ein sensationeller Fund, der weiter zur Assoziation Thiras mit dem Atlantis-Mythos beitrug.

Die Ausgrabungstätte – sicher eine der interessantesten Fundstätten überhaupt – hätten wir uns auch sehr gerne angesehen, und so ankern wir direkt vorm Dorf Akrotiri; leider müssen wir aber feststellen, dass ausgerechnet am folgenden Dienstag dort Ruhetag ist – das läuft ja wieder mit! Zwei weitere Tage dort zu bleiben und erst am Donnerstag weiterzusegeln ist leider keine Option – da müssten wir die 100 Seemeilen bis Kreta motoren, es ist nämlich eine ausgedehnte Flaute angesagt.

Wir verbringen also nur eine Nacht vor Thira und setzen keinen Fuß an Land, und dennoch können wir nicht umhin zu bemerken, wie sehr sich die Inselgruppe von ihrem Nachbarn Anafi unterscheidet: dort Einsamkeit und Stille, hier eines der touristischen Hauptziele in Griechenland – auf der Innenseite der Insel laden täglich Kreuzfahrtschiffe ihre Andenkenkäufer zu Tausdenden aus. In Akrotiri boomt offenbar der Sonnenuntergangstourismus: gegen 19 Uhr füllt sich die gesamte See mit Katamaranen (ausnahmslos unter Motor, nicht ein Segel wird gesetzt), von denen aus die zahlende Kundschaft die Sonne überm Meer versinken sieht. Wir zählen 24 solcher Ausflugsboote in unmittelbarer Umgebung unseres Ankerplatzes – mehr Boote als wir in den letzten Monaten auf Astypalaia zusammen gesehen haben. Eine Stunde später ist der Spuk vorüber, und wir verbringen eine schaukelige, aber ansonsten ruhige Nacht.

Überfahrt nach Kreta
Hinter uns bleibt Thira zurück

Am Dienstagmorgen setzten wir am Anker die Segel und lassen uns langsam aus dem Windschatten Thiras treiben; hinter uns bleiben die bizarr geformten Felsen aus vulkanischem Gestein zurück. Kaum ist der Seeraum nach Norden offen, fasst uns auch schon der Wind: mit fast 20 Knoten schiebt uns ein frischer Nordnordwest nach Südwesten. Wir laufen mehr Höhe als es für den direkten Weg nötig wäre, denn weiter südlich und später am Tag sagen die Modelle stark nachlassende Winde voraus, und so segeln wir lieber in einem Bogen gen Kreta, als allzu bald in die Flaute zu kommen.

Sonnenuntergang – für uns allein und kostenlos …

Tatsächlich lässt der Wind bald nach, aber da wir mit dem im Winter umgebauten Masttop endlich den Code Zero vernünftig fahren können, können wir auch bei nur 8 bis 10 Knoten Wind noch schnelle Fahrt machen. Am Abend lässt es dann weiter nach, und die Richtung wird auch noch ungünstiger; mit dem 60 Quadratmeter großen Leichtwindsegel können wir aber immer noch am Wind 2 bis 3 Knoten Fahrt machen und kommen so gut durch die Nacht.

Schneebedeckte Gipfel begrüßen uns auf Kreta

Am Morgen ist Kreta in Sicht – schneebedeckte Berggipfel leuchten über der tiefblauen See, ein erhabener Anblick! Leider ist der Wind nun völlig dahin – wir müssen die letzten 15 Seemeilen motoren, bis wir nach insgesamt 99 Seemeilen kretischen Boden betreten können.

Werftzeit (14.02. – 26.04.)

Hochmotiviert kommen wir am Morgen des 14. Februar aufs Werftgelände und freuen uns, die Orion unversehrt so vorzufinden, wie wir sie verlassen haben. Für den ersten Arbeitstag sind nur ein paar kleine Dinge geplant, bei denen eigentlich nichts schiefgehen kann – sollte man denken … die kurz vor der Abreise im Dezember ausgefallene Batterieüberwachung hat zu Hause einen neuen DC/DC-Wandler bekommen und muss ‘nur’ wieder eingesetzt werden. Dabei fällt aber eine Mutter unter die Batterieblöcke und ist weder mit Spiegeln noch mit Endoskopkamera wiederzufinden, also werden erst mal 240 kg Batterien ausgebaut; als mehrere Stunden später alles wieder an seinem Platz und die reparierte Elektronik eingebaut ist, gibt es eine böse Überraschung: die Sttrommessung funktioniert nicht! Das ließ sich zu Hause mangels Batterien nicht mal so eben ausprobieren, und wer rechnet schon damit, dass an einer Schaltung zwei verschiedenen Dinge gleichzeitig ausfallen! Am Ende eines unerwartet langen Arbeitstages funktioniert also genau so viel oder wenig wie vorher: Frustration statt Motivation ist die Folge – wie es so oft bei Bootsprojekten passiert, es kann halt eine Menge schiefgehen, und oft ist das dringend benötigte Ersatzteil in weiter Ferne …

Auf dem Weg zum Boatyard

Der Rest der ersten Woche läuft aber besser, und das Wetter ist auch angenehm mild und sonnig, so dass wir den Rumpf auf das anstehende Sandstrahlen vorbereiten können, indem wir alle möglichen Anbauteile abmontieren – tatsächlich sind das mehrere Tage Arbeit. Wir fahren täglich mit den Fahrrädern über den kleinen Hügel von Maltezana nach Schinontas und können dabei immer wieder den herrlichen Panoramablick über die Südbucht von Astypalaia mit ihren Inseln und die weißen Häuser der Chora genießen – arbeiten, wo andere Urlaub machen!

In der letzen Februarwoche verschlechtert sich das Wetter aber drastisch: es wird kalt und regnerisch. Wir können unmöglich mit dem Sandstrahlen anfangen, und auch die sonstigen noch anstehenden Arbeiten sind bald erledigt, so dass wir tagelang bei einstelligen Temperaturen und Dauerregen auf unserem winzigen Zimmer ohne Heizung hocken, welches sich alsbald in eine Tropfsteinhöhle verwandelt – der letzte Winter mit seinen paar Regentagen war wohl nicht repräsentativ (dieser ist es aber auch nicht, wie uns die Einheimischen versichern – so viel geregnet hat es seit Jahrzehnten nicht mehr!).

Erst in der zweiten Märzwoche kann es endlich losgehen – wir haben erst mal ein paar hundert Kilo Strahlgut zum Ausprobieren der Gerätschaften und Abschätzen des Gesamtbedarfs, Nachschub soll aus Athen ja jederzeit  innerhalb von zwei bis drei Tagen eintreffen können. Am ersten Tag schaffen wir aber fast nichts, da uns dauernd der Luftschlauch verstopft; erst nach Stunden kommen wir dahinter, dass das Strahlgut wohl gebraucht, d.h. vom Boden aufgefegter Dreck ist. Erst nachdem wir es mühsam durch ein Sieb reinigen, ist es brauchbar – und wir können uns auf die Probleme mit dem Kompressor konzentrieren, dieser ist nämlich uralt, braucht zum Starten grundsätzlich ein Überbrückungskabel vom Traktor und manchmal auch eine Propanfackel an den Dieselleitungen. Aus der Lichtmaschine kracht es bedenklich, Stücke der Permanentmagnete poltern darin herum, und der Keilriemen hat nur noch einen Bruchteil seines vorgesehenen Materialquerschnitts – alles sehr griechisch, aber es läuft dann doch.

So ordern wir also zwei Kubikmetersäcke Strahlgut und erwarten deren Eintreffen am Donnerstag – da kommt aber nichts, mit der Begründung, dass es in Athen geregnet hat; offenbar hat sich die Erfindung der Plastikplane dort noch nicht herumgesprochen. Gut, dann halt Freitag – dummerweise wird wegen Starkwind aber die Fähre abgesagt … bleibt Sonntag als nächster Abfahrttermin; wer aber soll an einem Sonntag den LKW auf die Fähre fahren? Montag, denken wir, kann dann ja wirklich nichts mehr schiefgehen – weit gefehlt! Wie sich herausstellt, wartet der Spediteur nämlich darauf, dass sein für die Insel bestimmter LKW voll wird, bevor er ihn losschickt – das Fährticket kostet ja schließlich immer gleich. Dienstag geht keine Fähre, und Mttwoch geschieht das Wunder: der LKW wird auf die Fähre gebracht, Donnerstagmorgen ist der Sand auf der Insel! Auf der Insel bedeutet aber nicht etwa bei uns: da der LKW von hinten nach vorne vollgeladen wurde, muss er nun von vorne nach hinten entladen werden, und das dauert noch den gesamten Donnerstag, so dass erst am Freitagvormittag der Sand auf dem Boatyard eintrifft. 8 Tage lang sind wir also täglich mit der Erwartung zur Arbeit gefahren, heute endlich anfangen zu können – um immer wieder enttäuscht zu werden. 8 Tage herrlichen Wetters – und pünktlich mit dem Eintreffen des Sandes fallen die Temperaturen wieder um 10 Grad. Da der einsetzende Nordwind knochentrocken ist, kann man dabei zwar arbeiten, aber welches Vergnügen das bei 30 Knoten Wind und 6 Grad Mittagstemperatur bereitet, kann man sich wohl vorstellen … und das alles in dem Bewusstsein, vorher 8 Tage bei perfekten Bedingungen Löcher in die Luft gestarrt zu haben. Wenigstens löst der Starkwind alle Fragen der Arbeitssicherheit: immer schön in Luv stehen, und eine Corona-Maske genügt …

Die ‘Orion’ nach dem Sandstrahlen

Nach einer Woche echter Quälerei ist es dann soweit: die ‘Orion’ erstrahlt in einem neuen Kleid aus Intershield 300! Nun geht es aber erst mal richtig los: Schicht um Schicht muss von diesem extrem harten und belastbaren Korrosionsschutzanstrich aufgebracht und dann im Überwasserbereich entlang der Schweißnähte etwas gespachtelt und geschliffen werden (erstaunlich wenig, die Fertigungsqualität der Feltz-Werft ist bemerkenswert!). Darauf kommen zwei Schichten Primer (Intergard 263), und schließlich im Überwasserbereich drei Lagen 2K-Polyurethanlack sowie die blauen Streifen und unter Wasser mehrere Schichten Antifouling. Die Höhe des Wasserpasses legen wir dabei mit dem Lasernivelliergerät fest – zum nicht geringen Erstaunen der Fischer, die so etwas noch nicht erlebt haben. Vielleicht schüttelt der eine oder andere alte Kapitän sein weises Haupt ob der sehr deutschen Herangehensweise, aber das Ergebnis überzeugt: wir werden mit Komplimenten für die gelungene Arbeit geradezu überschüttet.

Darüber vergehen Wochen, und wegen der massiven Zeitverluste zuerst durch das schlechte Wetter und dann durch die Lieferverzögerung beim Strahlgut arbeiten wir 7 Tage die Woche von 9 bis 19 Uhr durch, um irgendwie unser Ziel, bis zum orthodoxen Osterfest wieder im Wasser zu sein, noch erreichen zu können. Bei der Lieferung der weißen Farbe wiederholt sich fast das Drama der Sandlieferung: wieder verlässt unser Eimer tagelang das Speditionsgelände in Athen nicht. Schließlich teilt Nikitas, der Besitzer des Boatyards, der Spedition mit, wohin sie sich ihre Farbe stecken können, und bittet einen Freund in Athen, einen zweiten Eimer Farbe vom Händler zu holen und ihn persönlich auf der Fähre abzustellen; von dort holt ihn Nikitas dann um 5 Uhr morgens für uns ab …

Frühling auf dem Boatyard

Unterdessen ist auf Astypalaia der Frühling angekommen: statt wie beim Sandstrahlen zu frieren, kann man nun im T-Shirt arbeiten und muss aufpassen, dass einem der Schweiß nicht in die frische Farbe tropft. Rundherum verwandelt sich die Insel in ein Blütenmeer, besonders auf dem Boatyard bedecken wahre Teppiche aus vielfarbigen Blumen den überall herumliegenden Schrott – eine wirkliche Pracht! Wenigstens dafür war der viele Regen gut …

Endlich: der Anstrich ist vollständig!

Trotz all unserer Bemühungen verfehlen wir knapp unser Ziel: am orthodoxen Gründonnerstag ist zwar der Überwasseranstrich vollständig, und das Boot kann auf den Sliptrailer gesetzt werden, aber es fehlt noch eine Lage Antifouling, und auch Reling und Anbauteile müssen noch montiert werden, so dass wir auch das Osterwochenende noch durcharbeiten müssen.

Osterfeuerwerk über dem Kastro

Lediglich den Samstagabend und den Sonntagnachmittag nehmen wir uns frei, um das große Osterfeuerwerk in der Chora zu erleben und unserer Einladung zum Osteressen nachzukommen; Montag müssen wir dafür bis in die Dunkelheit arbeiten, um Dienstagmorgen fertig zu sein.

Dienstagmittag sind wir dann auf dem Sliptrailer am Strand angekommen; damit sollte ja eigentlich nichts mehr schiefgehen können … aber wie so oft kommt es anders: da die ‘Orion’ wegen ihres Tiefgangs nicht genug Wasser zum Aufschwimmen hat, muss wie schon im Dezember eine Verlängerung an die Deichsel des Sliptrailers angebracht werden, um den Trailer weiter ins Wasser schieben zu können. Dazu muss logischerweise die Verbindung zwischen Traktor und Trailer kurzzeitig getrennt werden; ganz griechisch wird dazu eine Abrollsicherung in Form eines mittelgroßen Steins unter eines (!) der Räder des Trailers gelegt, der Kupplungsbolzen gezogen – und schon springt der Stein zur Seite, und 24 Tonnen Trailer machen sich zusammen mit 12 Tonnen Boot auf den ungebremsten Weg in die Fluten! Wir werden arg durchgeschüttelt, als der Trailer das Ende der ausgelegten Betonplatten erreicht und mit zunehmender Geschwindigkeit über den Meeresboden rumpelt; schließlich schwimmt die ‘Orion’ auf und schießt mit schäumender Heckwelle rückwärts in die See! Der Trailer kommt offenbar irgendwann zum Stillstand – in etlichen Metern Tiefe und viele Dutzend Meter vom Strand entfernt. So haben wir uns das nicht vorgestellt – unter Deck herrscht ziemliches Chaos, und eine Überprüfung der neu eingesetzten Borddurchlässe musste ja nun auch entfallen; glücklicherweise ist aber alles dicht, der Motor startet auch, und wir können uns auf den kurzen Weg an die Pier von Maltezana machen, wo wir noch am gleichen Abend mit dem Kranaufsatz des Traktors den Mast stellen. Der Trailer wird erst drei Tage später geborgen – unter Einsatz von viel Stahlseil und des uns schon aus dem letzten Jahr bekannten Radladers.

Fertig aufgeriggt erstrahlt die ‘Orion’ im neuen Gewand

Wir blicken zurück auf eine sehr arbeitsreiche Zeit; mit viel Eigenleistung konnten wir den Rumpf perfekt konservieren und haben dazu kaum mehr als die Materialkosten investieren müssen. Die unzuverlässigen Lieferungen (na ja, eigentlich kann man von zuverlässigen Nichtlieferungen sprechen) haben uns viel Nerven gekostet, aber der Pragmatismus und die Hilfsbereitschaft von Nikitas, dem Besitzer des Boatyards, haben immer irgendwie zu einer Lösung geführt; und pünktlich fertig geworden ist hier schließlich seit dem Parthenon vor zweieinhalbtausend Jahren nichts mehr …

Landgang: Athen (09.-11.12. / 11.-13.02.)

Während die ‘Orion’ sicher auf dem Boatyard von Astypalaia steht, legen wir einen Zwischenstopp in Athen ein – das bietet sich an, denn egal ob man die Insel mit dem Flugzeug oder mit der Fähre verlässt, in Athen muss man immer umsteigen. Wir entscheiden uns für den einstündigen Flug mit der Propellermaschine – eine problemlose Art zu reisen, wenn nicht gerade mal wieder eine Herde Ziegen die Startbahn von Astypalaia blockiert …

Blick über Athen

Mit gut drei Millionen Einwohnern im Stadtgebiet und vier bis fünf Millionen im gesamten Ballungsraum (so genau weiß man das nicht, da es keine Meldepflicht gibt) ist die griechische Hauptstadt gewaltig groß – fast die Hälfte der Landesbevölkerung lebt hier!

Enspanntes Leben in der Metropole

Erwartet haben wir daher eine lärmende, abgasverseuchte Betonwüste – doch schon auf den ersten Blick überrascht uns die Stadt: zwar sind eine Unmenge Menschen in der U-Bahn und auf den Straßen unterwegs, aber das Treiben wirkt eher lebendig als hektisch, und die Häuser wachsen nicht so hoch in den Himmel wie in vielen anderen Großstädten. Das mag an der langen Entwicklungsgeschichte liegen: seit 7500 Jahren leben hier kontinuierlich Menschen, womit Athen eine der ältesten Siedlungen Europas ist, und diese sehr langsam gewachsene Struktur spürt man; Hochhäuser zu bauen ist ohnehin verboten, da diese das historische Stadtbild zerstören würden – sehr weise!

Überall im Stadtbild finden sich Spuren der Antike

Auch trägt durchaus positiv zum Eindruck bei, dass Griechenland seit langer Zeit eher nicht im Reichtum lebt – das hat der Stadt die charakterlosen Glasfassaden der Büro- und Verwaltungsgebäude der nordwesteuropäischen Großstädte erspart. Natürlich gibt es auch die Kehrseite: etliche Gebäude sind bis zur Unbewohnbarkeit verfallen, was aber irgendwie ins Stadtbild passt, denn dieses ist natürlich ohnehin von Ruinen durchzogen – nirgendwo kann man eine Baggerschaufel ansetzen, ohne auf jahrtausendealte Überreste zu stoßen. Viele davon hat man freigelegt und restauriert, so dass sich überall im Stadtgebiet Freiflächen mit Säulenreihen und Tempelfundamenten finden.

Die Akropolis bei Nacht

Über all dem wacht die antike Stadtfestung, die Akropolis – welche trotz der starken Zerstörung während der Belagerung durch die Venezianer 1687 einen eindrucksvollen Anblick bietet.

Die Akropolis ist natürlich auch das touristische Ziel Nr. 1 in Athen; allerdings ist der Vormittag des 10. Dezember ausnahmsweise (Athen zählt 348 Sonnentage!) mal völlig verregnet, so dass wir beschließen, statt dessen lieber das Archäologische Nationalmuseum zu besuchen.

Die von Heinrich Schliemann ausgegrabene ‘Maske des Agamemnon’

Die 11.000 Exponate umfassende Sammlung anzuschauen ist mehr als tagesfüllend: man findet nicht nur die zu erwartenden Statuen aus der hellenistischen Epoche, sondern auch interessante Stücke aus prähistorischer Zeit, welche belegen, wie weit fortgeschritten Kunsthandwerk und Kultur schon in der Zeit vor aller Geschichtsschreibung waren.

Poseidon vom Kap Artemision, 460 v. Chr.

Wirklich beeindruckend sind die Details der Marmor- und Bronzearbeiten aus der Blütezeit der altgriechischen Kultur: schaut man sich die Naturtreue  der Körperformen und die Lebendigkeit der Bewegungsdynamik an, so wird klar, dass die großen Künstler der Renaissance wenig neu erfunden, sondern vielmehr jahrtausendelang verschüttetes Können wiederentdeckt haben. Manche Werke gehen sogar schon über das Ziel einer möglichst naturalistischen Wiedergabe hinaus und zeigen abstrakte Elemente, wie im Expressionismus des frühen 20. Jahrhunderts.

Aphrodite, Pan und Eros, ca. 100 v. Chr.

Man muss kein großer Kunstliebhaber sein, um sich vom direkten, unmittelbaren Kontakt mit dem, was ganz offensichtlich die Grundlage unserer abendländischen Kultur  ist, berühren zu lassen – damit hat alles angefangen, was uns heute umtreibt.

Neben den Wundern der Kunst beherbergt das Museum auch eine naturwissenschaftlich-technische Sensation: den Mechanismus von Antikythera, 1900 in einem Schiffswrack entdeckt; dabei handelt es sich um einen aus Zahnrädern gebauten Analogrechner zur Darstellung astronomischer Größen.

Pferd mit Jockey, um 150 v. Chr.

Bis zu diesem Fund war man der Ansicht, die bekannten Erkenntnisse der alten Griechen in Mathematik und Astronomie seien eher philosophischer Natur gewesen, aber bis zur Renaissance nie in konkrete Technologie umgesetzt worden – und dann findet man diesen Mechanismus, welcher aus unzähligen Zahnrädern und anderen feinmechanischen Teilen besteht, darunter fortgeschrittene Mechanismen wie Umlaufrädergetriebe und Kurbelschleifen, mit dem selbst die Mondanomalien korrekt wiedergegeben werden können! Unglaublich, was man alles schon einmal gekonnt – und wieder vergessen hat …

Im Februar kehren wir nach Griechenland zurück und planen wieder einen Aufenthalt in Athen ein – nicht nur dass wir dieses Mal die Akropolis anschauen wollen, die Stadt hat uns auch einfach gut gefallen. Das Wetter ist schon frühlingshaft mild, und in der Altstadt Athens brodelt das Leben: alle Cafés und Kneipen sind bis auf den letzten Platz besetzt, und die Straßen voller Menschen. Nach der coronabedingten Weltuntergangsstimmung in Deutschland tut es schon unbeschreiblich gut, diesen Ausdruck nicht zu unterdrückender Lebendigkeit zu erleben!

Durch die Propyläen strömen die Besucher auf die Akropolis

Auch auf der Akropolis ist einiges los, dem Vernehmen nach aber ist das nichts gegen die Menschenmassen, die sich im Sommer täglich durch das Gelände wälzen – gut, dass wir nicht in der Saison hier sind! Der gut 150 Meter hohe, plateauförmige Berg beherbergt die ältesten Teile Athens; nach der Zerstörung durch die Perser wurde das Areal unter Perikles, einem der gewählten (!) Oberhäupter der Athener, in der Zeit zwischen 467 v. Chr. und 406 v. Chr. neu bebaut.

Der Parthenon-Tempel

Das bekannteste und herausragendste Bauwerk ist wohl der Parthenon-Tempel, welcher der Stadtgöttin Athene gewidmet war und ein 11 Meter hohes Standbild der Göttin, bestehend aus Elfenbein und Gold (über eine Tonne!), beherbergte (von dem nur kleine Nachbildungen die Jahrtausende überdauert haben). Sowohl die Architektur als auch die künstlerische Bauausschmückung sind einzigartig, was selbst aus den Resten, welche die bereits erwähnte Zerstörung durch die Venezianer 1687 sowie den dreisten Kunstraub durch Lord Elgin Anfang des 19. Jahrhunderts überlebt haben, noch zu ersehen ist.

Perfekte Harmonie der Proportionen

Bei einem Gebäude dieses Ausmaßes (ca. 30 x 70 Meter Grundfläche, knapp 14 Meter Höhe) spielen für die möglichst harmonische Wahrnehmung perspektivische Effekte eine große Rolle. Tatsächlich ist praktisch nichts an dem Gebäude gerade oder gleichmäßig: die Grundlinien sind konkav, die Säulen kippen nach innen und sind je nach Position im Gebäude unterschiedlich geformt. In der Summe aber sieht unser Auge nur eines: Harmonie und Perfektion – nicht ohne Grund gilt der Parthenon als eines der bedeutendsten Bauwerke der Welt. Wer’s nicht glaubt, schaue sich im Vergleich Kopien wie z.B. die Walhalla in Regensburg an – größer, aber unausgewogener, weil man von den Feinheiten des Originals 1842 noch nichts (bzw. nichts mehr) wusste.

Das Erechtheion mit der Karyatidenhalle

Auch die anderen erhaltenen Bauwerke sind beeindruckend und haben den Maßstab für abendländische Architektur definiert, so etwa die Propyläen, die Torhallen im Zugang zum Tempelbezirk (kopiert z.B. im Brandenburger Tor), das Erechtheion mit seinen großartigen Karyatiden oder der Niketempel.

Das Dionysos-Theater an der Akropolis

An den Hängen der Akropolis liegt das rund 17.000 Zuschauern Platz bietende Dionysostheater – nicht irgendein weiteres antikes Theater, sondern das Theater überhaupt: hier wurden die berühmten klassischen Tragödien von AischylosSophokles und Euripides  uraufgeführt, und es gilt als die Geburtsstätte des klassischen Dramas – und damit richtungsweisend für unsere gesamte Literatur.

Nach so viel bedeutungsschwerer Geschichte verbringen wir den Rest des Tages mit Spaziergängen durch die Stadt, wobei selbstverständlich kulinarische Aspekte nicht fehlen dürfen – das Preisniveau ist in Athen etwas höher als in der griechischen Provinz, aber für deutsche Verhältnisse immer noch äußerst moderat, und die Auswahl und Qualität lassen wirklich keine Wünsche offen.

Am Sonntag fahren wir mit der U-Bahn nach Piräus, wo sich seit seit dem Altertum der Hafen Athens befindet; von hier steuern regelmäßige Fähren die ganze ägäische Inselwelt an, und eine davon bringt uns in rund achtstündiger Fahrt zurück nach Astypalaia.

Durch den Dodekanes ins Winterlager (24.10. – 01.12.)

Am Sonntagmorgen, den 24. Oktober, verlassen wir den Hafen von Ormos Marathokambou auf Samos mit Südostkurs; vor uns liegt der Dodekanes, wo unsere Sommerrunde nach Nordgriechenland Ende Mai dieses Jahres begonnen hat. Wir sind also wieder in vertrauten Gewässern, allerdings haben wir uns hier vor 5 Monaten nicht allzu viel Zeit lassen können, und so gibt es noch genügend Inseln und Buchten, die wir noch nicht kennen.

Das erste Ziel soll Agathonisi sein, die nördlichste bewohnte Insel im Dodekanes; 22 Seemeilen sind es bis dorthin, und die Wettervorhersagen versprechen Nordwestwind zwischen 4 und 6 Beaufort – na, denken wir, da kann ja nichts schiefgehen! Wie so häufig unterscheidet sich die Realität aber signifikant von allen Wettermodellen: auf den ersten zwei bis drei Seemeilen schieben uns noch Fallwinde von bis zu 20 Knoten an, und dann kommt der Wind auf einmal innerhalb weniger Minuten völlig zum Erliegen; ja, nach einer Weile stellt sich sogar ein schwacher Südwind von drei oder vier Knoten ein – was soll man denn damit anfangen?

Wir beschließen notgedrungen, uns aus der Windabdeckung von Samos herauszumotoren – was grundsätzlich auch gelingt, allerdings erst, als die Küste von Agathonisi schon zum Greifen nahe ist; dann setzt der Wind fast eben so plötzlich wieder ein, wie er drei Stunden zuvor verschwunden war. Wir lernen daraus, dass die gut 1400 Meter hohe Insel Samos offenbar in der Lage ist, kräftigen Nordwind auf rund 15 Seemeilen völlig zu verschlucken …

Agios Georgios / Agathonisi
Karg und recht flach: Agathonisi

Wir umrunden die kleine Insel und laufen – nun bei 20 Knoten Gegenwind, was denn sonst – in die nach Süden offene Bucht von Agios Georgios ein. Dort gibt es einen Fähranleger, der sich naheliegenderweise für einen längeren Aufenthalt verbietet, eine schöne Sandfläche zum Ankern, in deren Mitte eine sehr raumgreifende Hanse 558 schwojt, und schließlich den Anleger für die Fischer; dort steigt der Grund zum Kai hin schnell an, aber die ‘Orion’ ist hier mit ihrem Tiefenprofil mal wieder im Vorteil – während wir vom Bugspriet noch einen langen Schritt an Land machen können, hätte es bei unserem ankernden Nachbarn schon längst geknirscht.

Die ‘Orion’ im Fischerhafen von Agios Georgios

Die Insel hat vielleicht 100 Einwohner, ein Café, eine Taverna, einen Minimarkt – und unzählige Ziegen. Sehr beschaulich geht es hier zu, für Ruhesuchende das richtige Ziel; allerdings ist der größte Teil der kargen Insel praktisch unzugänglich, man kann nur über erstaunlich gut ausgebaute Straßen zwischen den drei Ortsteilen laufen, sonst gibt es nur Wildnis. Für einen Tag aber ein nettes Ziel, besonders wenn draußen der Meltemi mit inzwischen 6 bis 7 Windstärken bläst und man hier bei gutem Schutz in der Sonne abhängen kann 🙂

Limani / Arkoi
Rauschefahrt nach Arkoi

Dienstagmorgen zieht es uns weiter: knapp 20 Seemeilen westlich liegt die Insel Arkoi, und der immer noch kräftige Nordwind trägt uns mit gerefftem Groß und Klüver in rauschender Fahrt dorthin – eigentlich hätte man bei dem tollen Wind auch gleich bis Patmos durchsegeln können, aber wir fanden es im Mai auf Arkoi so nett, dass wir dort noch einmal Station machen wollten. Wir kommen also schon am späten Mittag an, und so fällt es uns nicht ganz so schwer, den eigentlich vorgesehenen Aufenthaltstag auf Arkoi wegen der weiteren Wetterentwicklung zu streichen; wir kehren am Abend nochmal in der Taverna von Nikolas ein und legen am Mittwochmorgen wieder ab.

Skala / Patmos

Immer noch weht der Nordwind, allerdings etwas schwächer als am Vortag; es reicht aber völlig, um die 12 Seemeilen bis in den Hafen der Nachbarinsel Patmos unter Segeln zurückzulegen. Nach dem winzigen Hafen von Arkoi ein ziemlicher Kontrast: rund um eine geräumige Bucht ziehen sich die Hafenanlagen, die groß genug sind, um Kreuzfahrtschiffe aufzunehmen.

In Skala Patmos

Aufgrund dessen hatten wir keine allzu großen Erwartungen an die Insel, fürchteten wir doch Massentourismus à la Mykonos; wir werden aber positiv überrascht: der Hafenort Skala ist wirklich hübsch mit seinen weißen Häusern und steingepflasterten Straßen, die Gastronomie bietet keine überteuerte Massenabspeisung, sondern die in Griechenland übliche hohe Qualität zu vernünftigen Preisen – und über die Andenkenläden mit Made-in-China-Nippes kann man ja auch mal hinwegsehen 🙂

Am Donnerstag den 28. wollen wir die Insel erkunden: eigentlich war schon ein Mietwagen angedacht, aber beim Kartenstudium stellen wir fest, dass sich die Hauptsehenswürdigkeiten von Patmos in einer längeren Rundwanderung erreichen lassen, und so entscheiden wir uns gegen das Auto.

Das Johanneskloster über der Chora

Zunächst geht es eine gute Stunde stramm bergauf in die Chora; dabei führt die Straße an der Johannesgrotte vorbei, welcher die Insel ihre Berühmtheit im Umfeld der orthodoxen Kirche verdankt: hier hat der Prophet Johannes, der in römischer Verbannung auf der Insel weilte, das letzte Buch des Neuen Testaments, die Offenbarung des Johannes, niedergeschrieben – diesem Umstand verdankt Patmos den in unseren Ohren etwas seltsamen Beinamen ‘Insel der Apokalypse’. Jener Johannes ist übrigens nach neuerem Stand der Geschichtsforschung nicht identisch mit dem Apostel Johannes, wie man früher angenommen hat; nichtsdestotrotz ist diesem das 1088 gegründete Kloster, dessen burgartige Erscheinung sich über der Chora erhebt, gewidmet.

Nach dem Festumzug kehrt wieder Ruhe ein

In der Chora geraten wir mitten in die Feierlichkeiten zum 28. Oktober, dem Ochi-Tag (gr. όχι = nein) – hier gedenkt man in Griechenland den Ereignissen von 1940, als Mussolini den Griechen anbot, sich wehrlos den Streitkräften Italiens zu ergeben, statt von diesen gewaltsam überrannt zu werden; die Griechen lehnten ab, und fügten in der Folge den zahlen- und ausrüstungsmäßig weit überlegenen Italienern eine vernichtende Niederlage zu – das hatte der Diktator sich wohl anders vorgestellt.

In der Chora von Patmos

Zur Feier des Tages marschiert die örtliche Militärgarnison (ca. 20 Mann) auf, und sämtliche Schulkinder der Insel nehmen an dem Umzug teil – die Straßen wimmeln vor Menschen. Mit dem Ende des Umzugs kehrt aber bald wieder Ruhe ein, und wir können die verwinkelten Straßen des Ortes erkunden. Viele der Gebäude sind gut erhalten und in strahlendem Weiß gestrichen, ein echtes Bilderbuchdorf, das verständlicherweise im Sommer so viele Besucher anzieht; jetzt ist natürlich nichts mehr los, nachdem sich die Umzugsteilnehmer zerstreut haben, gehört der Ort uns quasi allein. Die Kontraste von tiefblauem Himmel, weißen Mauern und leuchtenden Bougainvilleen faszinieren uns immer wieder – ein Fest für’s Auge!

Blick über Chora, Skala und den Hafen von Patmos

Hier ist die Wanderung aber noch nicht zu Ende: wir steigen von der Chora hinab ins nächste Tal, um dann auf den Profitis Ilias zu steigen, mit 269 Metern die höchste Erhebung der Insel.

Profitis Ilias (269 m)

Die gleichnamige Kapelle nimmt praktisch die gesamte Fläche des Felsendoms ein, aber man kann mit etwas Kletterei einen Rastplatz mit grandioser Aussicht über Patmos und die umgebende Inselwelt erreichen; wir können Ikaria, Fournoi, Samos, Arkoi, Leipsoi, Leros, Levitha und schemenhaft selbst noch Amorgos sehen – und stellen einmal mehr fest, dass der Dodekanes wie zum Segeln gemacht ist!

Nach dem langen Rückweg bis zum Hafen sind wir einigermaßen erschöpft, aber nicht zu sehr, um der lokalen Gastronomie noch einen Besuch abzustatten – wie immer nehmen wir eine positive Erinnerung mit.

Paralia Kambos / Leipsoi

Am Freitag verlassen wir Patmos schon wieder – gerne hätten wir noch ein paar Ankerbuchten kennengelernt, aber es ist der vorerst letzte Tag mit passendem Wind, und so wollen wir noch ein Stückchen weiterkommen; um dies zu ermöglichen, hatten wir auch unseren Aufenthalt auf Arkoi schon verkürzt.

Ankern vor Paralia Kambos

Wir segeln bei frischem Nordnordwest zur Nachbarinsel Leipsoi; hier waren wir im Mai schon mal, haben damals aber an der Südseite geankert, während wir jetzt die große Bucht anlaufen, in welcher der Hauptort der Insel und der einzige Hafen liegen. Wir ankern direkt neben dem Hafen vorm Strand von Kambos, um den laut Wettervorhersage letzten sonnigen Abend für einige Tage in der Natur zu genießen – und den Hafen erst anlaufen zu müssen, wenn kein so starker (Seiten-)Wind mehr das Anlegemanöver verkompliziert.

Limani / Leipsoi
Blick von der Pier über den Hafen

Am Samstagmorgen ist dies wie angekündigt der Fall, und wir machen mit dem Heck voran an der Pier von Leipsoi fest. Da das Wetter noch viel länger stabil bleibt als vorhergesagt – das Einsetzen des Regens wurde inzwischen auf Sonntag verschoben – können wir noch in aller Ruhe einen entspannten Tag an Bord und im Ort verbringen, wobei letzteres unvermeidlich mit der Aufnahme weiterer kalorienreicher Köstlichkeiten verbunden ist: die Konditorei im Ort ist umwerfend gut!

Dicke Wolken über Leipsoi

Am Sonntag ist es dann tatsächlich bewölkt, und über den ganzen Tag verteilt fallen auch wirklich mehrmals ein paar Tropfen Regen – so richtig regnet es hier ja eher selten. Es ist aber unfreundlich genug, um das Boot kaum zu verlassen; eine gute Gelegenheit, sich einiger anstehenden Arbeiten an Bord anzunehmen, aber auch, um einfach mal nichts zu tun – man mag es ja kaum für möglich halten, aber die Tage sind ganz schön ausgefüllt, Langeweile kommt jedenfalls nicht auf. Am späten Nachmittag reißt die Wolkendecke auch auf, und wir bekommen mal einen anderen Abendhimmel zu sehen: dramatisch werden die dicken Wolken von der untergehenden Sonne angestrahlt. Dass das jetzt wegen der in der vergangenen Nacht erfolgten Zeitumstellung schon eine Stunde früher geschieht, ist allerdings nicht so schön …

Paralia Blephoutis / Leros

Am Morgen des 1. November ist der Himmel wieder blau, und zum Mittag hin hat sich ein ganz leichter Nordwind angesagt; eine gute Gelegenheit, ein wenig Strecke nach Süden gutzumachen, und uns dabei eine Ankerbucht mit Südschutz zu suchen, für die Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist nämlich kräftiger Südwind angesagt.

Die Nordküste von Leros liegt vor uns

Wir segeln also nur mit Klüver bei 6 bis 8 Knoten Wind auf Leros zu; natürlich ginge das schneller, wenn wir den Gennaker rausholen würden, aber bei gerade mal 8 Seemeilen Tagesdistanz siegt die Faulheit … wir kriechen also ganz friedlich mit ein bis 2 Knoten Fahrt über die fast völlig glatte See – perfekt, um in der Sonne zu liegen und ein Buch zu lesen, während der Autopilot den Kurs hält.

Ruhiges Wasser in der Bucht von Blephoutis

Am späten Mittag erreichen wir eine tief eingeschnittene und nur über eine schmale Durchfahrt von Norden zugängliche Bucht im Norden von Leros und ankern vorm Strand von Blephoutis auf  5 bis 6 Meter Tiefe über reinem Sandgrund – hier kann der Südwind kommen. Wir nutzen die Wärme der Nachmittagssonne und springen in das mit 20 Grad zwar nicht mehr wirklich warme, aber dafür kristallklare und verlockend leuchtende Wasser – und müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass heute der November begonnen hat!

Der Dienstag beginnt mit völliger Windstille, aber im Laufe des Vormittags setzt langsam der angekündigte Südwind ein; dabei ist es noch fast wolkenlos sonnig und deutlich über 20 Grad warm. Wir genießen die Ruhe in der hübschen Ankerbucht und das herrliche Wetter; mit dem Südwind soll es sich wieder zuziehen und etwas regnen, noch ist davon aber nichts zu sehen.

Agia Marina / Leros

Nachdem es in der Nacht auf Mittwoch den angekündigten Südwind und tatsächlich etwas Regen gegeben hat, sieht es am nächsten Morgen schon wieder ganz freundlich aus, und der Wind hat auch an Stärke verloren; wir lassen uns davon unter Klüver aus der Bucht heraustragen und halten an der Ostküste der Insel auf die nächste große Bucht zu. Dort liegt der Fischerhafen von Agia Marina, wo wir einen Liegeplatz an der Seite des kleinen Fähranlegers finden; uns ist zwar nicht so ganz klar ob wir dort liegen dürfen, aber wenn nicht, so sagen wir uns nach einem Jahr Griechenland-Erfahrung, wird uns das schon jemand mitteilen – was nicht explizit verboten ist, ist normalerweise erlaubt.

Die Johanniterburg über Agia Marina

Agia Marina erweist sich als netter kleiner Ort; hier – und nicht im deutlich größeren Lakki – befindet sich auch die Gemeindeverwaltung der Insel. Überragt werden Ort und Bucht von der immer noch imposanten Johanniter-Festung aus dem 14. Jahrhundert; der Weg dort hinauf erweist sich als äußerst schweißtreibend, denn der Südwind hat auch eine Temperaturerhöhung mit sich gebracht: über 25 Grad sind es im Schatten – den man aber auf dem gesamten Aufstieg vergeblich sucht. Es lohnt sich dennoch, die Mühe auf sich zu nehmen,  sowohl für die Festung selbst wie auch für den Ausblick, der sich von dort über Leros bietet.

Der Strand von Platanos

Wir bleiben am Donnerstag noch in Agia Marina, denn wir wollen noch ein wenig die Umgebung erkunden, und Wind gibt es auch keinen. Wir unternehmen eine Wanderung, die uns über Platanos auf der gegenüberliegenden Seite der Halbinsel bis an die Bucht von Lakki und zurück führt. Platanos verfügt über einen schönen Strand aus ganz feinem Kies und stimmungsvollen Cafés an dessen Rand, von denen aus sich eine tolle Aussicht gen Süden bis nach Kalymnos genießen lässt – herrlich, hier mit einem Freddo in der Wärme zu chillen!

Auch am Freitag ist noch kein brauchbarer Wind in Sicht, aber die Flaute ändert ihre Richtung: es läuft leichter Schwell aus Nord in die Bucht, Vorbote einer Winddrehung. Nun erhebt auch tatsächlich jemand Anspruch auf unseren Liegeplatz: ein Kreuzer der griechischen Küstenwache möchte dort anlegen. Die Uniformierten fragen aber sehr höflich, ob es uns etwas ausmachen würde, das Boot etwas in Richtung der Fischer zu verholen, und nehmen auch gleich die Leinen, um zu helfen – ach, wäre der Umgang mit Seglern (die man hier als ‘Gäste’ in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes versteht) doch überall so!

Paralia Vromolithos / Leros

Wegen des Schwells und des aufkommenden Nordwindes verlassen wir aber später doch noch unseren Liegeplatz – nicht ohne vorher nochmal die einfach göttliche Konditorei gleich am Hafen zu besuchen …

Paralia Vromolithos

Wir motoren um die Halbinsel, um diejenige Bucht zu erreichen, die wir am Vortag umwandert haben. Wir finden vor Vromolithos ein ausgedehntes Bojenfeld und machen uns der Faulheit halber dort für die Nacht fest – während der Saison wird hier wohl eine Gebühr erhoben, jetzt aber offensichtlich nicht mehr.

Den Nachmittag verbringen wir mit Schnorcheln (auf über 8 Meter Wassertiefe erkennt man jedes Sandkorn am Boden) und Lesen, in der Sonne fühlt es sich hochsommerlich an – am 5. November!

Palionisos / Kalymnos
Die Berge von Kalymnos schrumpfen Superyachten zu Spielzeugbooten

Am Samstag gibt es dann endlich Nordwind – wirklich nicht viel, aber gerade genug um uns die kaum 12 Seemeilen bis hinüber nach Kalymnos vorzunehmen. Leider gibt es deutlich mehr Dünung als der Wind erwarten ließe, und so schaukeln wir uns unter heiß brennender Sonne gen Süden.

Beeindruckend ist die Silhouette der 700 Meter hohen Insel, die sich gegen die Sonne im Südwesten wie ein Scherenschnitt abzeichnet; der Nordteil der Insel fällt steil ins Meer ab und ist praktisch unbewohnt.

Palionisos – drei Tavernen und ein Bojenfeld

Erste Ankermöglichkeit an der Ostküste ist Palionisos – von einem Ort zu sprechen wäre schon übertrieben, es gibt nur drei Tavernen, die einige Muringbojen ausgelegt haben, um Segler anzulocken; erst seit 2009 führt eine Schotterstraße hierher, vorher war die Siedlung nur zu Fuß und per Boot zu erreichen. Die Einfahrt erinnert an einen norwegischen Fjord, so steil ragen zu beiden Seiten die Felsen auf; am Ende der Bucht angeln wir uns eine der Bojen und verbringen eine ruhige Nacht – die leider recht früh beginnt, weil die Sonne schon am Nachmittag hinter dem Gebirge verschwindet.

Vathy / Kalymnos

Am Sonntag gibt es weiter Flaute aus nördlichen Richtungen – wieder nehmen wir uns nur eine kurze Strecke von gut 7 Seemeilen vor, damit wir nicht nur motoren müssen, und tatsächlich können wir unter Segeln den größeren Teil der Strecke zurücklegen; erst als wir auch noch in die Abdeckung der Insel geraten, fällt die Fahrt auf unter einen Knoten, und wir werfen für die letzte halbe Stunde den Motor an.

Die Einfahrt in den Hafen von Vathy

Die Einfahrt ist ähnlich fjordartig wie in Palionisos, dahinter tut sich aber ein kleines Fischerdorf vor einem fruchtbaren Tal auf. Es gibt einen kleinen Anleger mit Platz für drei oder vier Gäste; wir bekommen vom rührigen Hafenmeister Manolis einen Platz zugewiesen, er organisiert auch gleich eine Landstromversorgung per Kabeltrommel – den Strom müssen wir bezahlen, der Liegeplatz kostet … nichts!

Die Lage zwischen hohen Felsen ist wirklich attraktiv, das Wasser leuchtet in herrlichem Türkis, die Häuser sind gepflegt, die Tavernen einladend – was für ein schöner Ort! Im Sommer wird es hier wohl auch recht voll mit Tagesausflüglern aus Kos, nun aber ist es ganz ruhig. Autovermietungen gibt es nur im Hauptort der Insel, aber Manolis organisiert für uns gleich die Überstellung eines Mietwagens für den nächsten Tag nach Vathy – was will man mehr.

Blick über den Hafen von Pothia

Am nächsten Morgen holt uns also Nikos, der Besitzer des Autoverleihs, mit einem kleinen Nissan ab, und wir fahren zusammen nach Pothia, dem Hauptort der Insel, von wo wir unsere Erkundung beginnen. Ähnlich wie Lakki auf Leros kann Pothia seine italienische Vergangenheit nicht leugnen, die alten Gebäude und Villen befinden sich aber in wesentlich besserem Zustand als dort. Der große Hafen wirkt sehr lebendig, und man flaniert an unzähligen Cafés entlang, während man ihn umrundet.

In den Ruinen des Kastro von Kalymnos

Nach dem Hafenbummel fahren wir mit dem Auto zunächst in Richtung der Chora, die heute mit dem Hafenort Pothia zusammengewachsen ist. Hier gibt es – wie es sich für jede griechische Insel gehört – auch ein Kastro, welches allerdings stark verfallen ist; nichtsdestotrotz lohnt sich der Aufstieg für den tollen Ausblick über die Insel.

Kalymnos war lange Zeit als Insel der Schwammtaucher bekannt; in den letzten Jahren sind die Erträge aber stark zurückgegangen, da die Schwämme durch noch unbekannte Ursachen dezimiert werden – die Meeresverschmutzung ist dabei kein unwahrscheinlicher Kandidat. Die qualitativ besten Schwämme werden aus großer Tiefe geholt; dies war früher eine sehr gefährliche Arbeit, da es durch zu schnelles Auftauchen zur Taucherkrankheit  kommt. Dies war so verbreitet, dass die dadurch bedingten Lähmungen in die traditionellen Tänze der Insel eingegangen sind.

Die Gebirgszüge von Kalymnos sind ein Paradies für Kletterer

Heute verdient man sein Geld ungefährlicher: die ungemein steilen Höhenzüge der Insel sind zu einem beliebten Ziel für Sportkletterer aus aller Welt geworden, und während die Segelsaison sich ihrem Ende entgegen neigt, nimmt die Kletterei jetzt, wo es nicht mehr so heiß ist, erst mal richtig Fahrt auf; auf unserer Fahrt entlang der Westküste sehen wir hauptsächlich mit Kletterausrüstung behängte Sportler, die sich auf den Weg zu den Touren machen.

Telendos vor der Westküste von Kalymnos

Hinreißend ist der Ausblick von der Küstenstraße auf die vorgelagerte Insel Telendos, die steil aus dem Meer aufragt – das Spiel der Sonne auf dem Wasser, die Farben des Meeres und der Felsen sind ein visueller Genuss.

Endpunkt der Straße und auch einer der Höhepunkte des Ausflugs ist der Ort Emborios weiter im Norden der Insel; der Ausblick, der sich vom Kiesstrand des Ortes nach Süden bietet, ist wirklich wunderschön – hier, denken wir, würden wir auch gerne mal ankern!

Zum Tagesabschluss fahren wir schließlich noch an den Strand von Kantouni, wo wir die Sonne im Meer versinken sehen … immer wieder wunderschön.

Vlichadhia / Kalymnos

Im Laufe des Dienstags soll dann endlich Nordwind einsetzen; wir wollen den besten Absprungort zur Überfahrt nach Astypalaia ansteuern und beschließen also, erst mal abzuwarten, um vielleicht den Wind schon nutzen zu können. Es wird aber Nachmittag, ohne dass sich ein Lüftchen rührt, und so müssen wir schließlich die gut 7 Seemeilen nach Vlichadhia motoren, um noch beim letzten Tageslicht eine gute Stelle zum Ankern auswählen zu können.

Guter Ankerplatz: die Bucht von Vlichadhia

Nach einem windstillen und beschaulichen Abend in der hübschen Ankerbucht geht es dann um drei Uhr in der Nacht los: plötzlich kommt Wind auf, und binnen kürzester Zeit ergreifen Böen von über 30 Knoten die ‘Orion’. Der Anker hält, aber der Rest der Nacht wird nicht sehr erholsam …

Am Mittwoch geht es genauso weiter: durchgängig 7 Beaufort den ganzen Tag, in Böen bis zu 9, See 2,6 Meter charakteristische Wellenhöhe lautet die Vorhersage; da bleiben wir lieber noch vor Anker und lassen uns bei strahlendem Sonnenschein (Meltemiwetter!) den Wind um die Ohren pfeifen – so ist es eben, wochenlang Flaute und dann viel zu viel Wind.

Maltezana / Astypalaia
Aufbruch bei Sonnenaufgang über Kos

In der Nacht zum Donnerstag scheint es sich tatsächlich etwas beruhigt zu haben, in unserer Ankerbucht messen wir kaum noch 12 Knoten Wind; da auch die aktuellen Vorhersagen in den Morgenstunden noch 5, später dann nur noch 4 Windstärken versprechen, binden wir nur ein Reff ins Groß und lichten gleich nach Sonnenaufgang um 7 Uhr den Anker, um aus der Bucht zu segeln und uns auf die knapp 40 Seemeilen lange Überfahrt nach Astypalaia zu machen..

Während wir uns langsam von der Küste entfernen, nimmt die Windgeschwindigkeit ab statt zu; nach einer halben Stunde haben wir völlige Flaute und müssen uns tatsächlich unter Motor dort herausschieben – denn dass es sich nur um die Abdeckung von Kalymnos handelt, das ist uns schon klar.

Rauschende Fahrt bei knackigem Wind

Nach einer weiteren halben Stunde sehen wir dann voraus weiße Kronen auf den Wellen, und schlagartig ist der Wind wieder da, aber nicht mit den angekündigten 5 Beaufort, sondern mit knackigen 7 Windstärken, in den Spitzen lesen wir auch 36 Knoten ab (Windstärke 8) – und das mit nur einmal gerefftem Groß und vollem Klüver! Die Wellen wachsen innerhalb weniger Minuten zu beeindruckenden Bergen; trotz des raumen Windeinfallwinkels schieben wir ordentlich Lage, während die ‘Orion’ mit über 8 Knoten durchs Wasser schießt – schön schnell, aber doch etwas unheimlich, wir sind definitiv übertakelt. Richtig wäre natürlich, das zweite Reff ins Groß zu binden und den Klüver gegen den Kutter zu tauschen, das ergibt einen ausgewogenen Segeldruckpunkt – aber das Groß reffen bei stürmischem Wind und drei bis fünf Meter hohen Wellen grenzt ja an Arbeit, also beschließen wir das Groß im ersten Reff zu belassen und dafür gar kein Vorsegel zu setzen – natürlich wird das Boot so luvgierig durch das Drehmoment des weit offenen Großsegels, aber eine Viertelumdrehung des Steuerrads genügt, um dies zu kompensieren, und unsere Aries-Windsteueranlage kommt offenbar auch damit klar – also erfreuen wir uns die nächsten Stunden an immer noch gut 6 Knoten Fahrt und der glitzernden Sonne auf der aufgewühlten See!

Astypalaia voraus!

Bald können wir Astypalaia am Horizont ausmachen, und schnell kommt die Insel näher. Am frühen Mittag geht der Wind tatsächlich etwas zurück, wir messen nur noch eine 6 im Mittel, und die Böen erreichen gerade die 7; wir können nun auch das Kuttersegel hinzunehmen, und gegen 14 Uhr haben wir die Insel umrundet und legen an der Pier von Maltezana an – hätten wir geahnt, dass wir so schnell unterwegs sind, hätten wir auch ausschlafen können.

Von hier sind wir nach dem endlosen Lockdown-Winter vor knapp 6 Monaten und rund 1600 Seemeilen zu unserer Runde durch die nördliche Ägäis aufgebrochen, und nun zurückzukehren fühlt sich fast wie eine Heimkehr an – der Fischer, der unsere Leinen annimmt, begrüßt uns gleich als alte Bekannte, und bald schon heißen uns unsere Freunde, die wir im letzten Winter hier gewonnen haben, herzlich willkommen auf Astypalaia!

Skala / Astypalaia
Chora und Skala – ein vertrauter Anblick!

Freitag weht dann endlich wirklich nicht mehr so viel Wind, und wir verholen uns die drei Seemeilen bis in den Hafen der Insel – wie oft haben wir diese Strecke schon zurückgelegt! Nach dem Anlegen begrüßt uns auch unser Hafenkater und holt sich die lange vermissten Streichel- und Futtereinheiten ab; er ist gesprächig wie immer und wohlgenährter denn je, offenbar hatte er einen guten Sommer 🙂

Auch hier verbringen wir einige (sehr!) lange Wiedersehens-Abende – und leben uns schnell wieder ein, so als seien wir kaum weg gewesen. Nach dem Wochenende verholen wir uns nochmal nach Maltezana, dann wieder zurück in den Hafen, wie immer es der Wind so will; auch ein Ausflug zum Ankern in die Bucht von Glyno bei 7 bis 8 Windstärken aus Südost bleibt uns nicht erspart – letztes Jahr um diese Zeit hatten wir noch stabilen Nordwind, nun ist es viel unbeständiger. Auf der Insel wartet man allerdings verzweifelt auf Regen, da sich der Wassersepeicher über den Sommer bedrohlich geleert hat, wir wollen uns also über ein paar Wolken nicht beschweren …

Winterlager
Die letzten Seemeilen des Jahres

Am 1. Dezember ist es dann soweit: es ist sonniges Wetter und kaum Wind angesagt, also begeben wir uns an die Pier von Maltezana, wo gegen Mittag Nikitas vom Boatyard mit einem großen Schlepper mit Kranausleger ankommt, um erst mal unseren Mast zu legen – was keine Probleme bereitet, wir haben da ja genug Übung. Interessanter wird schon der Transport zum etwa einen Kilometer entfernten Werftgelände: ein mit Mais beladener LKW bekommt unseren Mast kurzerhand oben aufgelegt und nimmt ihn eben mit …

Zusammen sind wir stark!

Wir fahren danach um die Ecke zum Strand von Schoinondas, wo schon der Slipwagen auf uns wartet: das Einfahren und Fixieren des Bootes läuft erst mal völlig problemlos, nur als der Schlepper den (gewaltig schweren!) Slipwagen zusammen mit der ‘Orion’ auf den Strand ziehen will, gibt es Ärger: die Räder drehen durch und graben sich tief in den Sand. Aber zum Glück gibt es ja hier für alles eine Lösung: binnen kurzer Zeit kommt ein großer Radlader angefahren und wird mit Stahlseilen noch vor den Schlepper gespannt! Ob das europäischen Standards entspricht darf angezweifelt werden, aber es funktioniert – bald darauf stehen wir auf dem Strand und wenig später, nach einer gemächlichen Fahrt über 100 Meter Straße, erreichen wir den Boatyard. Der Kiel wird unterfüttert, der Slipwagen hydraulisch abgesenkt, sechs massive Stützen in Position gebracht – und nach insgesamt 5 Stunden sind wir auf unserem Winterplatz angekommen!