Sardinien (29.06. – 02.09.)

 Am frühen Sonntagmorgen geht es los, nach einer letztlich dann doch eher unruhigen Nacht, da eine am späten Abend noch in die Cales Coves eingelaufene Yacht meinte, die Nacht für eine laute Party nutzen zu müssen …

Mit allzuviel Wind war ja nicht zu rechnen, so dass wir eher positiv überrascht waren, ab der Illa de l’Aire einige Stunden schön segeln zu können; dann war es aber auch vorbei damit, die nächsten 16 Stunden musste der Motor uns durch die Flaute schieben, damit wir wenigstens am nächsten Tag den weiter östlich wehenden Wind erwischen.

So kommt es tatsächlich auch: am Montag beginnt sich ein zaghafter Nordwestwind zu regen, der am Nachmittag immerhin um 15 Knoten erreicht, so dass die ‘Orion’ unter Großsegel und Code Zero gute Fahrt macht. Während der gesamten Überfahrt ist der Himmel strahlend blau, und die Sonne brennt auf uns herab – am Nachmittag wird das schon unangenehm, weil man sich nirgendwo an Deck davor verstecken kann; dafür gibt es, wie so oft auf hoher See, die traumhaftesten Sonnenuntergänge und den unglaublichsten Sternenhimmel.

Unser blinder Passagier – keine Maus weit und breit ….

Etwas verblüfft sind wir, als sich am späten Montagnachmittag ein gefiederter Besucher einfindet, der zunächst etliche unterschiedliche Ruheplätze ausprobiert und sich dann für die Dampferleuchte als Nachtquartier entscheidet – was hat der hier verloren, Mäuse gibt es im Umkreis von mehreren 100 Kilometern garantiert keine?!? Wie wir aber später durch fachkundige Beratung erfahren, handelt es sich um einen Turmfalken, der durchaus weite Strecken zurücklegen und das Mittelmeer überqueren kann; unser Exemplar jedenfalls scheint sich schon etwas übernommen zu haben und ist dankbar für die schwimmende Insel. Am nächsten Morgen – wir können noch kein Land sehen, er aber vielleicht schon – macht er sich wieder auf den Weg Richtung Osten.

Capo Caccia

Wenig später zeichnet sich dann auch die Silhouette Sardiniens am Horizont ab, wir brauchen aber noch bis zum Abend, bis wir nach 200 Seemeilen und 60 Stunden die im spektakulären Capo Caccia auslaufende Steilküste erreichen und hinter dem Kap in der ausgedehnten Bucht Porto Conte einen Übernachtungsplatz suchen. Die ganze Umgebung ist ein Meeresschutzgebiet, das Ankern auf Seegras ist verboten – was bedeutet, effektiv überall; aber es gibt ein Feld mit Muringbojen, die kostenlos (!) benutzt werden dürfen. So fällt es uns etwas leichter als auf den Balearen, daran zu glauben, dass es hier um den Naturschutz und nicht ums Geldverdienen geht …

Die Rückseite der Steilküste besteht aus dicht bewaldeten, grünen Hügeln, und die Umgebung ist ruhig und idyllisch – der ideale Ort, um sich auch am folgenden Tag noch vom Schlafmangel der ansonsten ja unproblematischen Überfahrt zu erholen. Die Temperatur stellt dabei neue Rekorde auf, knapp 40 Grad im Schatten wird es am Nachmittag, und das Wasser hat 27 Grad – es ist Juli, der Sommer ist da!

Alghero
Hinter dicken Festungsmauern blickt Alghero aufs Meer

Frisch und ausgeruht legen wir am Donnerstagmorgen die wenigen Seemeilen bis in den Hafen von Alghero zurück. Die Aufnahme in der Marina ist sehr freundlich – und sehr italienisch, Lorenzo, der unsere Leinen entgegennimmt, könnte jeder klischeebeladenen TV-Produktion über Italien entstiegen sein. Die Marina Ser-Mar ist familiengeführt und wirklich sympathisch; nur Duschen kann man uns nicht anbieten, das ist leider wegen Corona verboten … ansonsten scheint man es aber nicht so genau mit den Vorschriften zu nehmen, von den Masken, deren Gebrauch laut offiziellen Verlautbarungen schon beim Anlegevorgang verpflichtend ist (bei knapp 40 Grad im Schatten!), sieht man beim Personal nichts; auch nicht im kleinen Büro, wo es statt dessen einen kräftigen Händedruck gibt – in Spanien unvorstellbar, aber zweieinhalb Jahrtausende Zivilisation lassen sich halt auch durch einen Virus nicht mal eben auslöschen.

Auf der Stadtmauer

Alghero, die mit etwa 44.000 Einwohnern fünftgrößte Stadt Sardiniens, stellt aufgrund seiner Geschichte den idealen Übergang nach den vielen Monaten in Spanien dar: im Jahre 1354 wurde die Stadt von Katalanen erobert und die einheimische Bevölkerung fast vollständig verdrängt, wodurch Kultur und Baustil sehr stark katalanisch geprägt sind; selbst die Sprache hat sich gehalten, alle Straßenschilder sind zweisprachig, und viele alte Menschen sprechen noch einen katalanischen Dialekt. Dennoch sind wir unverkennbar in Italien: an jeder Ecke gibt es Pizza und Gelato, und die Inneneinrichtungen der Geschäfte scheinen alle zu einer Designausstellung zu gehören.

Alghero: pittoreske Gassen …

Die Häuser, Gassen und Plätze der Stadt bieten aber auch die passende Kulisse: alles ist äußerst pittoresk und strömt förmlich Geschichte aus. Zusammen mit dem Italienisch, welches so betont und melodisch wie wohl kaum eine andere Sprache ist, ergibt sich ein äußerst stimmiges Bild: ja, wir sind in Bella Italia!

… und Plätze durchziehen die Altstadt

Wir laufen Stunden durch die historische Altstadt, essen natürlich ein köstliches Eis, kaufen viel zu viel Lebensmittel ein – alles sieht so verlockend aus – und holen uns zum Abendessen eine Pizza zum Mitnehmen, die wir auf einem lauschigen Platz im Schatten verzehren. Ein kulinarisches Erlebnis, für dessen Beschreibung kaum Worte zu finden sind – mit dem in Deutschland erhältlichen, gleichnamigen Lebensmittel aus oft pakistanisch-chinesisch-türkischer Produktion hat es jedenfalls nichts gemein. Und riesengroß war der Traum mit Mozzarella di Bufala auch noch – und mit 6 € geradezu absurd günstig. Ach, könnte man diesen Künstler seines Fachs doch in die niedersächsische Provinz locken …

Bosa

Am Freitag besuchen wir noch den Markt von Alghero, gegen Mittag verlassen wir dann den Hafen und machen uns auf den Weg weiter nach Süden. Heute weht der Mistral, von dem wir auf der Überfahrt etwas mehr hätten gebrauchen können, umso kräftiger; besonders die Wellen, die sich auf den mehreren hundert Seemeilen Anlaufstrecke aufbauen, sind beeindruckend. Nur unter Vorsegel rauschen wir so mit 6 Knoten dem Tagesziel Bosa entgegen, wo wir einen Liegeplatz in der am Fluss Temo gelegenen Marina finden (im wahrsten Sinne des Wortes, denn auf den Ruf per UKW reagiert niemand, so dass wir schließlich in eine beliebige freie Box einfahren; beim Besuch beim freundlichen Hafenmeister stellt sich dann heraus, dass das Funkgerät ausgeschaltet war, was aber seinem sonnigen Gemüt keinerlei Kummer bereitet).

Bosa mit dem Castello Malaspina im Hintergrund

Erst am nächsten Vormittag besuchen wir den zwei Kilometer flussaufwärts gelegenen, kleinen Ort, der malerisch von einer Burg aus dem 12. Jahrhundert überragt wird. Hier ist es bei weitem nicht so touristisch wie in Alghero, die alte Bausubstanz ist auch nicht so herausgeputzt, aber dafür sehen wir ein Stück sardischen Alltag – und erstehen allerköstlichste Dolci Sardo, ein Oberbegriff für unzählige Arten kunstvollen Kleingebäcks, für die es eigene Geschäfte gibt, in denen der Einkauf schon zum Erlebnis wird.

Am Nachmittag verlassen wir die Marina, um gleich hinter der Mole an der Mündung des Temo wieder zu ankern – für die Weiterfahrt ist es zu spät und zu windig, aber das Liegegeld für eine weitere Nacht wollen wir uns sparen; zwar ist Bosa mit 42 € der günstigste Ort an der gesamten Küste, aber geschenkt ist es nun auch nicht gerade ….

Cala Saline

Am Sonntag hat es sich erst mal ausgeweht, so dass wir erst gegen Mittag, als sich der erste thermische Wind regt, am Anker das Großsegel setzen und dann diesen aufholen. 19 Seemeilen führt uns der Weg entlang der Küste gen Süden, und das unter idealen Bedingungen: um 10 bis zunehmend 15 Knoten Halbwind, die ‘Orion’ fühlt sich wohl und rauscht unter Vollzeug durchs Wasser – ach, könnte man den Wind doch fest auf Stärke 4 einstellen …

Vor Capo Mannu

Vorbei zieht eine windgebeutelte Küste, die sich unter dem ständigen Mistral wegzuducken scheint, mit hohen Bergzügen im Hintergrund – Sardiniens Inland verfügt über ausgedehnte Gebirge mit über 1800 Metern Höhe. Schließlich runden wir das Capo Mannu und finden dahinter, am Strand von Cala Saline, zwischen den Orten Porto Mandriola und Putzu Idu, etwas Schutz vor dem wie immer aus Nordwest anrollenden Schwell.

Hochbetrieb am Strand der Cala Saline

Am Strand und in der Bucht ist eine Menge los, und anders als in Spanien hält man hier nicht viel von Absperrungen: Schwimmer, Surfer, Segler und Motorboote tummeln sich in einem bunten Durcheinander. Geht offenbar auch, und macht es uns leicht, einen guten Ankerplatz auf Sand zu finden.

Nach Sonnenuntergang verlegt sich der Badebetrieb in mehrere Beach-Bars, doch der Abstand zu Strand ist groß genug, dass die Musik hinreichend gedämpft in die Koje dringt, um ausreichenden Schlaf zu ermöglichen.

Tharros

Auch am Montag lohnt es sich, mit dem Aufbruch etwas zu warten: erst gegen 11 Uhr regt sich der erste, zaghafte Nordwestwind. Bis zur kommenden Nacht soll dieser aber deutlich zulegen: vom Golfe du Lion weht mal wieder der Mistral mit 8 bis 9 Beaufort übers Mittelmeer; soviel Wind soll hier zwar nicht ankommen, aber genug Schwell: angesagte 3 Meter signifikante Wellenhöhe erfordern den richtigen Zufluchtsort für die Nacht. Der ist an dieser Küste gar nicht so leicht zu finden, nicht umsonst heißt es, dass die meisten Segler die Westküste Sardiniens meiden und lieber die nicht dem Mistral ausgesetzte Ostküste entlangfahren.

Vor Tharros

So sind wir auch nicht allzu zuversichtlich, als wir die hinter der Sinis-Halbinsel liegende Bucht von Tharros anlaufen, doch der Platz erweist sich als hervorragend geschützt, kein bisschen Welle kommt um die Landspitze herum. Wieder einmal zeigt es sich, dass sich die Qualitäten eines Ankerplatzes (oder dessen Mangel an solchen) kaum an der Seekarte ablesen lassen, lokale Gegebenheiten wie der Tiefenverlauf und die Beschaffenheit des Meeresbodens spielen eine zu große Rolle.

Ankern darf man hier nicht, da es sich um ein Naturschutzgebiet handelt, aber es gibt ein Feld mit Muringbojen. Diese sind zwar nicht kostenlos wie in Porto Conte, aber gegen akzeptable 15 € pro Nacht zu benutzen – wenn man erst mal dahintergekommen ist, wie man diesen Obolus zu entrichten hat, die notwendigen Informationen zum nicht unkomplizierten Prozedere (Banküberweisung und anschließende Übermittlung der Überweisungsbestätigung an eine Mailadresse) sind nämlich ausschließlich auf Italienisch in den Tiefen etlicher Untermenüebenen der Webseite zu finden – und die Guardia di Finanza (ja, in Italien gibt es eine eigene Finanzpolizei!) kommt kontrollieren und verhängt empfindliche Bußgelder gegen ahnungslose Ausländer …

Nichts als Ruinen, aber davon eine Menge …

Der hervorragende Schutz dieser Bucht hat schon in der Bronzezeit zu einer Besiedlung geführt; die Phönizier bauten diese zur Stadt aus, die zur Zeit der Punier zu einer bedeutenden Hafenstadt wuchs. Nach der Eroberung durch die Römer war diese unter dem Namen Tharros bekannt. Heute stehen hier nur noch Ruinen – wie und wann es zur Zerstörung oder Aufgabe der Stadt kam, ist nicht genau bekannt.

Das Bojenfeld liegt direkt vor den Ruinen – Baden mit Aussicht auf über 3000 Jahre Geschichte, während wenige 100 Meter entfernt, auf der anderen Seite der Halbinsel, mächtige Wellen gegen die Felsen laufen, das hat schon was!

Wir bleiben noch eine weitere Nacht an der Muringboje vor Tharros, denn auch wenn der Wind sich auf zum Segeln geeignete Stärken beruhigt hat, so steht immer noch ein Schwell von gut 2 Metern, und es gibt voraus in erreichbarer Entfernung keinen einzigen Ankerplatz oder Hafen, in dem man bei solchen Bedingungen übernachten könnte.

Spiaggia di Funtanazza

Tags drauf sieht das anders aus: weniger als 1 Meter Schwell, Tendenz weiter abnehmend – dafür natürlich kein Wind mehr. Doch wie schon zuvor lohnt es sich zu warten: gegen 11 Uhr regt sich das erste Lüftchen aus West, und dann kann man den ganzen Nachmittag herrlich segeln. Der thermische Seewind scheint sich sehr zuverlässig einzustellen, wird – ohne Überlagerung mit ‘echtem’ Mistral – nicht sehr stark, aber gerade stark genug, um zügiges und entspanntes Vorankommen unter vollem Tuch zu ermöglichen – so dürfte das immer sein!

Vorbei zieht eine Küste, an der sich Strände und felsige Abschnitte abwechseln, mit zunehmend hohen Bergen im Hintergrund, und die sehr dünn besiedelt ist – oder gar nicht, wie das umfangreiche militärische Sperrgebiet ums Capo Frasca. Hier schießt die NATO mit uran- und thoriumhaltiger Munition; die Krebsraten und Missbildungen bei Kindern in der Umgebung steigen dementsprechend, aber das ist natürlich kein Grund, dies zu unterlassen – und direkt nebenan befindet sich das Naturschutzgebiet, in dem man mit dem Anker keinen Posidonia-Halm krümmen darf! Ob da wohl mit zweierlei Maß gemessen wird?

Vor Funtanazza – die Hotelruine gerade nicht im Bild …

Aber im Sommer ruht in Italien alles, auch die so wichtige ‘Verteidigung’, und so können wir ohne großen Umweg (und ohne beschossen zu werden) durch das äußere Sperrgebiet segeln. Am Nachmittag werfen wir den Anker vorm Strand von Funtanazza – auch hier unberührte Natur, mit einer nicht zu übersehenden Ausnahme: am Ufer steht riesengroß die Ruine einer Ferienanlage, welche für die Familien von Minenarbeitern in den 1950er Jahren errichtet wurde. Das sieht regelrecht unheimlich aus, aber ansonsten ist es hier schön, und tatsächlich wird der Schwell aus Nordwest immer weniger, so dass wir eine ruhige Nacht verbringen.

Spiaggia di Portixeddu
Vor Portixeddu

Am Donnerstag verfolgen wir die gleiche Taktik: erst mal warten bis sich der erste Westwind regt, und dann das Großsegel hoch und den Anker gelichtet, ohne die Maschine zu starten. Die als so zuverlässig gelobte Thermik zeigt sich heute aber prompt launisch: nach 10 Minuten schläft der Wind wieder ein, und die nächsten 6 Stunden dümpeln wir mit einem halben Knoten Fahrt dahin. Gegen 17 Uhr geben wir auf und starten den Motor, der uns in gut einer Stunde durch den Rest der gerade mal 13 Seemeilen langen Tagesstrecke schiebt. Kaum haben wir aber das Capo Pecora gerundet und vorm Strand von Portixeddu den Anker geworfen, kommt kräftiger Wind auf – auch nur für eine Stunde, aber immerhin. Mit der Wettervorhersage hatte jedenfalls all das nicht viel zu tun …

Sonnenuntergang hinterm Capo Pecora

Der Ankerplatz jedenfalls ist sehr schön vor dem winzigen Ort mit seinem langen Strand gelegen und bietet einen tollen Abendhimmel beim Untergang der Sonne hinter den schroffen Felsen; der Grund besteht aus einer ausgedehnten Fläche reinen Sandes, hier gibt es besten Halt für den Anker und eine Menge Platz. Schutz gegen den Nordwestwind und -schwell allerdings sucht man vergebens; für uns kein Problem, denn durch die anhaltende Flaute gibt es auch kaum Schwell, aber es verdeutlicht uns, dass wir ohne diese tagelange Schwachwindphase diese Küste auch nicht so kennenlernen könnten.

Spiaggia di Masua

Für den Freitag steht eine noch kürzere Distanz auf dem Plan: kaum 9 Seemeilen sind es bis zum Ankergrund vor Masua – und das ist auch gut so, denn wieder erfordert es sehr viel Geduld, diese Strecke unter Segeln bei abwechselnden Phasen von 4-5 und 0-1 Knoten Wind  zurückzulegen …

Pan die Zucchero voraus!

Dafür erwartet uns am Ziel eines der Postkartenmotive Sardiniens: die kleine Felseninsel Pan di Zucchero, die dicht vor der nicht weniger spektakulären Steilküste 133 Meter aus dem Meer ragt. Direkt gegenüber befindet sich einer der außergewöhnlichsten ‘Häfen’ der Welt: Porto Flavia, 1924 als Erzverladehafen errichtet. Die ganze Gegend ist reich an Erzvorkommen, die Anfang des 20. Jahrhunderts so an Bedeutung gewannen, dass man eine neue Lösung für die Verschiffung des Erzes suchte – bis dahin wurde dieses von Hand in Körben am Strand auf kleine Segelschiffe verladen, die dieses dann nach Carloforte brachten, wo es – ebenso in Handarbeit – auf Dampfschiffe umgeladen werden konnte. Für den Transport von tausenden von Tonnen eine unvorstellbare Knochenarbeit – bis der Ingenieur Cesare Vecelli einen ungewöhnlichen Platz für einen Hafen fand: man sprengte hunderte Meter Tunnel und neuen riesige Silos in die Felsen der Steilküste, so dass die Erzfrachter darunter anlegen und per Förderband die Fracht übernehmen konnten; benannt wurde dieses technische Meisterwerk nach der Tochter Vecellis. Inzwischen wird die – weltweit einmalige – Anlage nicht mehr genutzt, kann aber besichtigt werden.

Toll ist auch der Ankerplatz davor: zwischen dem Pan di Zucchero und der Küste findet sich eine halbe Seemeile reinen Sandgrundes, von dem man auch auf 10 Metern Tiefe schon jedes Detail erkennen kann; bei 25 Grad Wassertemperatur wunderbar zur Abkühlung nach dem heißen, windstillen Tag, und das noch mit der Aussicht … der bislang beste Ankerplatz auf Sardinien!

San Pietro / Carloforte

Am Samstag bekommen wir etwas mehr und beständigeren Wind, so dass die Überfahrt nach San Pietro, einer der Sardinien im Südwesten vorgelagerten Inseln, mühelos gelingt; den Samstagabend ankern wir noch vor der kleinen Isola Piana, bevor wir am Sonntagmorgen in den Hafen von Caloforte einlaufen – wie immer gilt es, bei den gepflegten Marinapreisen die Aufenthaltszeit zu maximieren. Der Empfang in der Marina ist aber – wie bislang immer in Italien – ausgesprochen freundlich, und 10 Euro günstiger als im Internet ausgeschrieben ist es dann auch noch – Corona-Rabatt?!?

In Carloforte

Die Vorfahren der heute etwa 6000 Einwohner von Carloforte haben eine bewegte Geschichte hinter sich: ursprünglich aus einer Gegend an der ligurischen Küste stammend, sind sie 1542 auf die Insel Tabarca von der tunesischen Küste ausgewandert, um dort die nächsten 200 Jahre nach Korallen zu tauchen, bis dies nicht mehr einträglich genug war und praktisch die gesamte Einwohnerschaft auf die bis dahin noch unbewohnte Insel San Pietro umsiedelte und Carloforte gründete. Viel Ruhe fanden die Menschen dort aber zunächst nicht: 1798 wurden fast 1000 Einwohner von maurischen Piraten als Sklaven nach Nordafrika verschleppt, bis sie nach 5 Jahren freigekauft werden konnten.

Schöne restaurierte Häuser säumen die kleinen Straßen

So ist Carloforte kulturell gesehen eigentlich kein Teil von Sardinien: die Einwohner sprechen einen mittelalterlichen ligurischen Dialekt, und auch der Baustil mutet eher genuesisch an. Sehenswert ist es allemal: die vor 250 Jahren recht planmäßig angelegte Kleinstadt hat ihren Originalzustand weitgehend erhalten können, es macht Spaß die vielen kleinen Straßen zu erkunden und – wie sollte es anders sein – sich mit einem ausgezeichneten Gelato zu belohnen.

Allein die Versorgungslage ist eher bescheiden – es gibt zwar mehrere kleine Supermärkte, aber allzu gut bestückt sind diese nicht, und einen Wochenmarkt finden wir leider auch nicht; die Lage als Insel vor einer Insel hat wohl ihren Preis.

Punta Nera / Spiaggia di Guidi
Reichlich Ankerplatz für alle: Spiaggia di Guidi

Am Montagnachmittag verlassen wir Carloforte und segeln wenige Seemeilen bis zur Südspitze von San Pietro; wir runden die Punta Nera und finden gleich dahinter einen Ankerplatz vor Spiaggia di Guidi. Hier ist eine Menge los, aber wie immer verschwinden die meisten Boote am frühen Abend, und es kehrt Ruhe ein.

Die Bucht ist weiträumig und hat – anders als der Name andeutet (Spiaggia heißt Strand)- ein eher felsiges Ufer; vor allem fällt uns auf, wie spärlich hier alles bebaut ist; auf den Balearen stünde hier eine Luxusvilla neben der anderen …

Torre Cannai

Dienstagmorgen setzt der Wind schon früher ein, daher lichten wir schon um 10 Uhr den Anker und machen uns auf den Weg zur nächsten Insel, Sant’Antioco; diese kommt im Norden San Pietro recht nahe, erstreckt sich aber viel weiter nach Süden, so dass wir etliche Meilen an ihrer Westküste entlangsegeln, um hinter ihrem Südende Schutz für die nächste Nacht zu finden.

Das ging wohl schief – die ‘CDRY BLUE’ auf den Felsen

Dabei passieren wir das Wrack des hier am 21. Dezember vergangenen Jahres in einem Sturm auf die Felsen getriebenen Frachters ‘CDRY BLUE’; der 108 m lange Havarist war mit einer Ladung auf dem Weg von Cagliari nach Alicante (also gerade erst ausgelaufen), als er wegen zu schwerer See beidrehen und hinter Sant’Antioco Schutz suchen wollte – offenbar ist das Manöver misslungen. Dies und die im Internet zu findenden Bilder der italienischen Küstenwache vermitteln einen Eindruck davon, was an Sardiniens Westküste bei Mistral los sein kann …

Torre Cannai, eine sichere Ankerbucht in unberührter Natur

Tatsächlich erleben auch wir eine Zunahme der Windgeschwindigkeit bis auf 6 Beaufort und ansehnliche  Wellenhöhen, als wir Capo Sperone, das Südende der Insel, umrunden; gleich dahinter wird es aber wieder friedlicher, und in der Bucht vor Torre Cannai finden wir wieder einen wunderschönen Ankerplatz mit ausgedehnten Sandflächen und völlig unverbauter Natur – außer dem namensgebenden, alten Turm steht hier nichts. Nach Süden bietet sich ein hinreißender Ausblick auf die Gruppe der drei kleinen Inseln Il Toro, La Vacca und Il Vitello (Stier, Kuh und Kalb), und am Horizont zeichnet sich die bergige Südwestküste Sardiniens ab. Hier möchte man gerne länger bleiben, aber in wenigen Tagen zeichnet sich eine Windzunahme ab, und da wollen wir Sardiniens Südspitze umrundet haben – wir haben ja gerade gesehen, was Sturm hier anzurichten vermag …

Porto Tramatzu
Capo Teulada, die Südspitze Sardiniens

Knapp 20 Seemeilen liegen am Mittwoch vor uns, um die Südspitze Sardiniens, das Capo Teulada, zu runden. Eigentlich sollte schon ab dem frühen Vormittag ein recht gleichmäßiger Nordwestwind um 10 Knoten einsetzten, aber der lässt dann doch auf sich warten, so dass wir dann nach einigen Stunden Dümpelei doch den Gennaker rausholem – und, wie nicht anders zu erwarten, legt von dem Augenblick an der Wind zu. Je näher wir dem Capo Teulada kommen, gewinnen auch die Wellen an Höhe, und so gerät dann auch die Rundung des Kaps zu einer recht sportlichen Angelegenheit – bei über 20 Knoten Wind ist es gar nicht mehr so einfach, den Bergeschlauch über das Leichtwindsegel zu ziehen.

Hinterm Kap beruhigt es sich sehr schnell wieder; im Lee der Bergrücken segeln wir erstmals seit Wochen wieder auf nördlichem Kurs. Eine traumhafte Ankerbucht nach der anderen zieht vorbei, doch das gesamte Gebiet ist – mal wieder – militärisches Sperrgebiet und darf eigentlich nicht befahren werden. Dennoch sehen wir einige Boote dicht unter Land – wie man liest werden die Verbote im Juli/August nicht durchgesetzt, aber nach irgendeiner offiziellen Aussage, ob man nun dort ankern darf oder nicht, haben wir vergeblich das halbe Internet durchsucht.

Hochbetrieb am Strand, aber ansonsten Natur pur: Porto Tramatzu

Die erste ‘legale’ Ankermöglichkeit – Porto Tramatzu – ist nicht viel weniger hübsch als die vorher passierten Buchten, nur naturgemäß deutlich voller: einige Yachten ankern hier schon, und am Strand herrscht reger Badebetrieb. An kleinen Muringbojen warten rund 25 gut motorisierte RIBs auf Mieter – wir wissen durchaus zu schätzen, dass diese zur Zeit durch Abwesenheit glänzen, sonst müsste man wohl die Weingläser auf dem Cockpittisch festkleben …

Baia di Nora
Capo Spartivento, die Windscheide Südsardiniens

Am Donnerstag ist er dann wieder da, der Mistral; für den Nachmittag sind 6 Beaufort angesagt, am Vormittag weht es noch etwas verhaltener. Da Porto Tramatzu in einem tiefen Einschnitt liegt und wir daher zunächst Südostkurs segeln, freuen wir uns über 4-5 Knoten Fahrt nur unter Vorsegel, bis wir kurz nach 12 Uhr das Capo Spartivento erreichen, und feststellen müssen, dass dieses seinen Namen – ‘den Wind  teilend’ – nicht umsonst trägt: statt den Nordwest hinter dem Kap in abgeschwächter Form zu erfahren, bekommen wir wild umlaufende Windrichtungen, durchsetzt mit fast völliger Flaute. Verrückt, wenn man bedenkt, dass über hunderte Seemeilen kräftiger Mistral übers Mittelmeer heranweht, aber genau von dieser Ecke an ist man offenbar hinreichend weit ‘hinter’ den Bergen Sardiniens, um in das Wettersystem der Ostküste zu kommen.

Die Baia di Nora

 

Römisches Theater, Nora

Wenn wir damit auch windmäßig die Westküste als abgeschlossen betrachten können und auch nicht mehr weit von Cagliari entfernt sind, so bietet dieser Küstenabschnitt aber noch ein besonderes Ziel an: die Baia di Nora bei der kleinen Stadt Pula. Diese bietet nicht nur großflächige Ankergründe mit türkisfarbenem Wasser über weißem Sand vor grüner Bergkulisse – das ist ja nun wirklich nichts Besonderes mehr – sondern eine Ausgrabungsstätte mit den Ruinen der wohl ältesten Stadt Sardiniens, Nora.

Reste luxuriöser Villen …

Im Jahre 1889 wurden durch eine Springflut auf einer kleinen Halbinsel alte Überreste freigelegt; man fing an zu graben – und ist bis heute nicht fertig damit: in Schichten finden sich die Spuren von knapp 3000 Jahren Besiedlung. Die erste Stadtgründung geht auf die Phönizier im 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zurück, Menschen lebten hier aber schon seit der Bronzezeit, wie im phönizischen Tempel wiederverwendete, aus Nuraghen stammende Steinblöcke beweisen. Den Phöniziern folgten die Karthager, bis im Jahre 238 v. Chr. Sardinien von den Römern erobert wurde; aus den darauf folgenden Jahrhunderten stammen die meisten der ausgegrabenen Relikte. So findet man etwa ein gut erhaltenes römisches Theater, die Überreste einer einst beeindruckend großen Therme sowie hunderte Grundmauern von Häusern, einige davon großzügige Villen, deren kunstvolle Mosaikböden zum Teil immer noch vollständig erhalten sind.

… mit teilweise hervorragend erhaltenen Mosaikböden

Man geht zum Teil auf den alten römischen Straßen – ein merkwürdiges Gefühl, die Füße auf jahrtausendealte Pflastersteine zu setzen und sich vorzustellen, wie es damals rundherum ausgesehen haben mag, wie sich der Alltag der hier lebenden Menschen gestaltete, wie belebt wohl das Forum, wie prachtvoll ausgestattet die Thermen waren. Mit dem Untergang des römischen Reiches verfiel die Stadt und versank – wie ganz Europa – in ein tausendjähriges Vergessen.

Abendstimmung überm Ankerfeld in der Baia di Nora

Da dies unser letzter Ankerplatz vor Cagliari ist und es uns gut gefällt, bleiben wir ganze drei Nächte; am Samstag füllt es sich dann auch ganz beträchtlich, sicher 20 Segler ankern mit uns und bleiben auch über Nacht, dazu noch viele kleinere Motorboote, die nur zum Baden kommen – mit so vielen Booten haben wir lange nicht mehr in einer Bucht geankert! Aber Platz ist ja hier genug; fragt sich nur, wieviel weniger in diesem Jahr los ist als üblicherweise – immerhin, die ersten Deutschen auf einem Charterboot sehen wir auch (und ausgerechnet die müssen dadurch negativ auffallen, dass sie eine Bootslänge hinter uns ankern müssen, während eine halbe Seemeile Platz zur Verfügung stünde …).

Cagliari
Cagliari liegt vor uns

Sonntag legen wir dann die letzten 15 Seemeilen bis zu unserem Sommerlager in Cagliari zurück, bei gleichmäßigen 10 Knoten Rückenwind und ruhiger See nochmal schön unter Gennaker; gegen 16 Uhr treffen wir dann in der Marina del Sole ein – hier soll die ‘Orion’ am Dienstag aus dem Wasser gekrant werden.

Bis dahin bleibt noch eine Menge zu tun: es gilt herauszubekommen wo man Farben und Material zu vernünftigen Preisen bekommen kann, das Dinghi muss gesäubert und zusammengelegt, die Aries, unsere Windsteueranlage, demontiert und gewartet, und die Einzelheiten des Kranvorgangs mit dem Marinapersonal besprochen werden – wir sind nicht wenig nervös, wie das so werden wird …

Die ‘Orion’ hängt am Haken

Am Dienstag den 21. Juli ist es dann soweit: die ‘Orion’ wird mit stehendem Mast aus dem Wasser gehoben, ein ganzes Stück durch den Hafen auf das Lagergelände gefahren und dort auf einem Lagerbock abgesetzt. Dann kann es auch schon losgehen: noch am Dienstag werden alle Anbauteile demontiert, Mittwochmorgen noch ‘eben’ Farbe besorgt (zwei Stunden mit dem Fahrrad quer durch die Stadt), und dann beginnt das große Schleifen: da die alte Lackierung so sehr gelitten hat, muss richtig viel runter, bis Samstagmittag läuft das Schleifgerät ganztägig – bei 35 Grad im Schatten kein Vergnügen … 

Mit der ersten Schicht Primer sieht es aber schon wieder viel besser aus, und am Sonntag folgt dann auch der Decklack; nur mit den blauen Streifen gibt es ein Problem: damit man bei diesen Temperaturen überhaupt lackieren kann, hat uns das Farbenfachgeschäft einen besonders hochsiedenden Verdünner empfohlen; das hat auch gut funktioniert, aber nun trocknet der Lack halt so langsam, dass er noch nicht abgeklebt werden kann – erst Stress, dann Warten 🙁

Erst am Vormittag des 29. Juli, im letzten Moment vor dem Heimflug, fühlt sich der weiße Lack halbwegs trocken an – also schnell noch die blauen Streifen lackiert, und dann mit Farbflecken auf den Händen in den Flieger …

Zurück ins Wasser

Am Dienstag den 25. August fliegen wir zurück nach Cagliari und sind gegen 21 Uhr endlich wieder an Bord – was für eine Erleichterung, die ‘Orion’ erwartet uns unversehrt (aber reichlich verdreckt). Am nächsten Morgen gibt es dann aber die erste unschöne Überraschung: vor vier Wochen sah der Lack aber wesentlich besser aus … es scheint so, dass der extra langsam trocknende Lack es geschafft hat, die alten Lackschichten etwas anzulösen, so dass die Oberfläche nun wie marmoriert aussieht! Nun ja, wenigstens hat sie keine Risse wie zuvor (bleibt nur abzuwarten, wie lange das so bleibt …).

Die Arbeit geht auch munter weiter: am Mittwoch wird neues Antifouling aufgebracht, am Donnerstag kommen alle zuvor demontierten Teile wieder an ihren Platz – und das alles bei fast 40 Grad in der Sonne, selbst in der Nacht schaffen die Temperaturen unter Deck es kaum unter 30 Grad. Aber irgendwann ist alles geschafft, und am Freitagmorgen geht es endlich wieder ins Wasser!

Die nächste böse Überraschung folgt sogleich: auf der minutenkurzen Fahrt zum Liegeplatz ertönt der Temperaturalarm des Motors … und los geht die Fehlersuche: da die ‘Orion’ eine Kielkühlung statt einer Seewasserkühlung hat, scheiden die üblichen Ursachen – defekter Impeller oder verstopfte Seewasserzufuhr – gleich aus; bleiben der Thermostat und die Kühlwasserpumpe. Um diese kontrollieren zu können, muss zunächst das Kühlwasser abgelassen werden, und dazu wiederum muss zunächst der Frischwassertank ausgebaut werden (ja, die Zugänglichkeit des Motors gehört nicht zu den Vorzügen der Feltz-Konstruktionen …). Kaum zwei Stunden später – alles im Boot ist inzwischen reines Chaos – können wir schon das Ablassventil öffnen, und es kommt … nichts! Wie sich zeigt, fehlen ca. 15 Liter Kühlwasser (bei einem Gesamtvolumen von etwa 60 Litern); kaum sind die aufgefüllt, zeigt ein Probelauf keinerlei Probleme mehr. So weit, so gut; aber wo ist das Kühlwasser geblieben? Zweifellos ist das Boot in den letzten Wochen an Land regelrecht durchgekocht worden, doch kann so eine Menge durch den kleinen Druckausgleich verdampfen?!? Ein ungutes Gefühl bleibt … 

Stadtbesichtigung

Am Samstag ist endlich Zeit, sich mal in Cagliari umzuschauen; die gut 150.000 Einwohner zählende Hauptstadt Sardiniens wurde als phönizische Kolonie unter dem Namen Karalis gegründet und durchlief in den nächsten zweieinhalb Jahrtausenden die üblichen Besitzerwechsel. Dabei sind besonders die Jahrhunderte der Unabhängigkeit hervorzuheben, in denen die Insel in vier Judikate unterteilt war; dies spiegelt die bekannte, viergeteilte sardische Flagge wieder.

Blick über Cagliari

Beim Rundgang durch die Stadt finden wir Zeugnisse aller Epochen: das in einen natürlichen Felseinschnitt gebaute römische Amphitheater, welches seinerzeit beeindruckenden 20.000 Zuschauern Platz geboten haben soll, die ab 1217 im pisanischen Stil errichtete Kathedrale Santa Maria di Castello, die zahlreichen Überreste der Stadtbefestigung, oder auch der 1866 eröffnete botanische Garten, in dem wir ein wenig Erholung von der Hitze der Stadt finden. Alles in allem eine sehenswerte Stadt, in der natürlich auch das kulinarische Angebot nicht fehlt!

Und wieder mal: Corona

Eigentlich wollten wir am Sonntag nur noch die ‘Orion’ reisefertig machen, um am frühen Montagmorgen nach Tunesien aufzubrechen. Seit Monaten verfolgen wir die Reisebestimmungen, und seit Anfang Juni ist die Einreise aus Europa uneingeschränkt möglich. Ist? Nein, ‘war’ muss es heißen: seit dem 26. August benötigen Einreisende einen negativen PCR-Test, sonst wird die Einreise verweigert. Statt uns Montagmorgen auf den Weg zu machen, laufen wir uns statt dessen stundenlang die Füße wund, um uns in Cagliari einem solchen Test zu unterziehen. Der freundliche Arzt im medizinischen Testcenter erklärt uns, dass PCR-Tests zur Diagnose der Erkrankung bei Personen angewandt werden, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, nicht aber bei völlig Gesunden, und daher nur vom Arzt angeordnet werden können, aber nicht auf Verlangen durchgeführt werden. Außerdem äußert er sich sehr skeptisch über den Sinn einer so umfassenden Maßnahme, kann man doch so nur den recht kleinen Teil der Infizierten erfassen, bei denen noch keine Symptome vorliegen, aber bereits genug virale DNA vorhanden ist, um vom Test erfasst zu werden – eine simple ärztliche Untersuchung bei der Einreise wäre da unterm Strich ebenso effizient.

Zur Abrundung des Gesamteindrucks muss man noch wissen, dass diese Vorschrift nur für Individualreisende aus Ausgangsländern mit dem niedrigsten Risiko – so nach Einschätzung der tunesischen Behörden Italien – gilt, Reisende aus Ländern mit mittlerem Risiko – darunter Deutschland – müssen zusätzlich 7 Tage in Quarantäne. Nun könnte man ja sagen, das ergibt durchaus einen Sinn – wenn da nicht das kleine Detail wäre, dass dies alles nicht für Pauschaltouristen gilt, selbst dann nicht, wenn sie aus einem Land mit höherem Risiko einreisen! Diese brauchen keinen Test, keine Quarantäne, gar nichts …. müssen aber ihrer Reiseleitung versprechen, sich an die Hygienevorschriften zu halten! – ja, dann … 

Zusammenfassend: die jüngsten Erlasse der tunesischen Administration sind erstens von zweifelhafter Sinnhaftigkeit und stellen zweitens ein effektives Einreiseverbot dar, weil es in Italien unmöglich ist, den explizit geforderten PCR-Test auf Verlangen abzulegen –  vernünftigerweise sind den Italienern ihre Testkapazitäten zu schade für solch einen Unsinn. Aber wie wir ja schon im Frühjahr in Spanien erleben durften, genügt das Wort ‘Corona’, um die offiziellen Entscheidungsträger von jeder Rechtfertigungspflicht zu entbinden – wenn es gegen Corona ist, muss es ja richtig sein.

Spiaggia di Poetto
Endloser Strand: Spiaggia di Poetto

So ändern wir also unsere Reisepläne, was umso ärgerlicher ist, da darüber ein geeignetes Wetterfenster ungenutzt verstrichen ist; wir verlassen also Montagnachmittag frustriert die Marina del Sole, nur um fünf Seemeilen weiter vorm Strand von Poetto zu ankern. Dieser ist einer der längsten Sandstrände des ganzen Mittelmeers und bietet hervorragende, ausgedehnte Ankerflächen – der richtige Ort, um sich von einer Folge von äußerst anstrengenden und ärgerlichen Tagen zu erholen!

Der Abend schenkt uns noch wunderbare Pastelltöne am Himmel, und wir verbringen eine sehr schöne, ruhige Nacht vor Anker – nach so vielen Wochen ist es erst mal wieder ungewohnt, aber schnell erinnern wir uns wieder, dass eine schöne Ankerbucht ohne Schwell besser ist als jeder Hafen 🙂

Cava Usai

Dienstag machen wir uns auf den Weg zum Südostende der Insel; dabei nehmen wir erstmal seit dem Auskranen den elektrischen Autopiloten wieder in Betrieb, der sich prompt mit dem Auslösen der Sicherung verabschiedet – wie es aussieht, hat ausgerechnet die in Cagliari vorgenommene Reinigung einen Kurzschluss verursacht, der dem Leben der Motortreiber ein Ende gesetzt hat. Prima, also auch kein Autopilot mehr …

Der Leuchtturm auf der Isola dei Cavoli

Mit schönem Rückenwind segeln wir gen Südosten, runden wir das Capo Carbonara, passieren die kleine Isola dei Cavoli und ankern nach 20 Seemeilen vor  Cava Usai, einem längst aufgegebenen Granitsteinbruch aus dem 19. Jahrhundert. Dort erwartet uns – mal wieder – herrlich klares Wasser über feinstem Sandgrund und Natur pur: außer den beiden Leuchttürmen auf der Insel und der Landspitze sind ein paar Badende am Strand die einzigen Spuren menschlicher Anwesenheit, abgesehen von den halb abgetragenen Bergflanken, die sich die Vegetation aber größtenteils schon wieder zurückerobert hat.

Die alten Steinbrüche von Cava Usai

Hier verbringen wir eine ruhige Nacht und machen am Mittwochmorgen Pläne für die Überfahrt nach Sizilien: viel Wind ist nicht gerade angesagt, und es bleibt abzuwarten, wie viele Nächte wir uns für die mit 160 Seemeilen eigentlich nicht sehr lange Überfahrt um die Ohren schlagen dürfen … tja, das gute Wetterfenster wäre eben am Montag gewesen, aber das durften wir ja mit der vergeblichen Suche nach einem Corona-Test verstreichen lassen 🙁

Abschied von den Balearen: Menorca (06.06. – 28.06.)

Die Überfahrt nach Menorca am Samstag, den 6. Juni ähnelt in vielerlei Hinsicht dem vorherigen Segeltag: zunächst mal weht der Wind eher frischer als angesagt, wieder sind wir mit gut 20 Knoten unterwegs, und wieder fahren wir vorm Wind; da die Passage lediglich mit etwa 25 Seemeilen veranschlagt ist, fahren wir nur mit ausgebaumtem Klüver: keine Sorgen um Windzunahme und Halsengefahr, und auf den letzten Knoten Geschwindigkeit können wir dafür ganz gut verzichten.

Wieder liegt die Schwierigkeit eher in der Auswahl des Tagesziels: der südliche Wind macht alle Ankerbuchten an der Südseite der Insel unbrauchbar, und die wesentlich weitere Fahrt bis auf die Nordseite scheuen wir, denn gleich am nächsten Tag soll der Wind ja auf Nordost drehen, dann sieht es ganu umgekehrt aus. Die naheliegende Wahl wäre der Hafen von Ciutadella an der Westküste, welcher Schutz bei allen Wetterlagen bietet, aber der ist ja … gesperrt wegen Corona, da war es wieder. Nun soll es aber zwei kleine Calas in unmittelbarer Nähe geben, die auch halbwegs akzeptablen Schutz bieten könnten; die erste davon, Cala Santandria, laufen wir also zunächst einmal an. Dort erwartet uns aber eine böse Überraschung: der geschützte Teil der Cala ist vollständig mit gelben Bojen abgesperrt, man kann nur noch in der Öffnung ankern, wo sich in unmittelbarer Nähe zwei Meter hohe Wellen an den Felsen brechen. Also nichts wie weg hier, es gibt ja noch eine Alternative, die Cala Degollador, keine Seemeile entfernt.

Dort angekommen glauben wir aber ein Déjà-vu zu erleben: gelbe Sperrbojen verhindern die Einfahrt, und im Außenbereich der – sehr engen – Cala brechen sich die Wellen an schroffen Felswänden. Aus lauter Verzweiflung versuchen wir dennoch ein Ankermanöver – nach der durchwachten Nacht zuvor und einem langen, windigen Tag möchten wir endlich ankommen. Wir bringen Bug- und Heckanker aus, und dennoch liegen wir so nahe an den felsigen Klippen, dass man über das Ausbringen von Fendern nachdenken kann – während das Boot von den aus allen Richtungen reflektierten Wellen herumgeschüttelt wird. Nein, das wird nichts – unter erheblichen Mühen holen wir den Heckanker wieder auf (von Hand, während das Heck anderthalb Meter Fahrstuhl auf und ab fährt …) und machen uns auf den Weg zur Rundung der Insel, weitere 12 Seemeilen …

Solche Absperrungen sind uns grundsätzlich nicht unbekannt: eigentlich dienen sie dem Schutz von Schwimmern und werden zu Beginn der Hauptsaison ausgebracht; häufig jedoch dienen sie auch einfach nur dazu, das Ankern unmöglich zu machen und so die Yachten zu zwingen, sich für 250 Euro eine Nacht in der nahegelegenen Marina zu erkaufen. Im konkreten Fall ist dies überdeutlich: die betreffenden Calas sind extrem lang und schmal, die kurzen Badestrände liegen 100 Meter und mehr von den Absperrungen am Eingang entfernt – so weit schwimmt niemand durch den schmalen Schlauch, um sich dann vom Sog der Wellen an den Felsen zerschmettern zu lassen.

Was in normalen Jahren einfach nur unverschämte Abzocke ist, wird dieses Jahr aber zur allen seemännischen Traditionen widersprechenden Gefährdung der Segler, denn der einzige Schutz bietende Hafen ist ja gesperrt – ein Ärgernis sonder gleichen, und so völlig sinnlos in jeglicher Hinsicht, denn es spült ja noch nicht mal Geld in die Kassen der Marinas. 

Cala Algaiarens
Die Belohnung nach endlos langen anderthalb Tagen

Nach dem Runden des westlichen Endes der Insel verbessert sich der Seegang spürbar, und während wir nach Nordosten und dann Osten segeln, wird es geradezu ruhig auf dem Wasser. So finden wir endlich – nach 40 Seemeilen insgesamt – einen sicheren Ankerplatz in der Cala Algaiarens. Und einen wunderschönen noch dazu: völlig ohne Bebauung bieten sich dem Blick zwei lange Strände dar, dahinter Dünen (eine ziemliche Seltenheit hier!) und bewaldete Hügel; türkisfarben leuchtet eine endlos große Ankerfläche mit 4-5 Metern Wassertiefe – warum nicht gleich so?

Nach einem schnellen Abendessen und einem hinreißenden Abendhimmel nach dem Sonnenuntergang hinter den Klippen fallen wir in die Koje, um nach knapp 40 Stunden endlich zu schlafen ….

Cala Son Saura

Am Sonntagmorgen begrüßt uns unfreundliches Wetter: es regnet schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage, was wir ganz schön unverschämt finden 😉 Überhaupt scheint die mehrwöchige Periode stabilen Sommerwetters jetzt wieder unbeständigerer Witterung zu weichen, die zahlreichen Winddrehungen sprechen ja auch für sich. Wie vorhergesagt dreht der Wind denn auch auf Nordost, und wir müssen wohl oder übel unseren schönen Ankerplatz verlassen – nach den sehr anstrengenden Tagen zuvor wäre uns ein Ruhetag sehr willkommen gewesen.

Innerhalb kurzer Zeit legt der Wind auch ordentlich zu, und wir segeln den gleichen Weg, den wir am Nachmittag zuvor mit Südwest heraufgesegelt sind, vor dem frischen Nordost wieder zurück. Nach der eindrücklichen Erfahrung des Vortages lassen wir Ciutadella sprichwörtlich links liegen und steuern die Südseite der Insel an, um nach 18 Seemeilen in der Cala Son Saura den Anker zu werfen, während sich hinter uns schwarze Gewitterwolken auftürmen. Auch hier ist es schön – wenn auch nicht ganz so spektakulär wie in der Cala zuvor, allerdings gibt es einen gewichtigen Unterschied: der von drei Tagen Südwestwind aufgebaute Schwell ist natürlich nicht gleich verschwunden, und so ankern wir zwar sicher mit ablandigem Wind, aber von Süden rollen lange Wellenzüge heran, die uns nicht besonders ruhig liegen lassen. Die Gewitter ziehen glücklicherweise vorbei, und der zusätzlich ausgebrachte Heckanker verspricht etwas Besserung, aber unruhig bleibt es; natürlich wäre auch heute wieder der Hafen von Ciutadella die richtige Wahl gewesen, aber wir erinnern uns, da war ja was …

Cala Son Saura – ausnahmsweise mal mit bedecktem Himmel

In der Nacht zum Montag lässt der Schwell etwas nach, und die Wetteraussichten erlauben es auch, einen weiteren Tag in der Cala Son Saura zu verbleiben. Leider bleibt es aber bedeckt, die Sonne lässt sich kaum blicken, und wieder regnet es ein paar Tropfen – schade, denn heute gibt es etwas zu feiern: die Balearen sind in Phase 3 der Exit-Strategie eingetreten! Reisen zwischen den Inseln sind wieder erlaubt; damit ist die ‘Orion’ endlich nicht mehr illegal unterwegs, und wir müssen nicht immer nach Polizeibooten Ausschau halten 😉

Warum aber nach wie vor die Sportboothäfen gesperrt sind, entzieht sich mal wieder jeder vernünftigen Erklärung: mit der Fähre darf man (zusammen mit vielen fremden Menschen auf engem Raum) von Alcúdia nach Ciutadella reisen und dort an Land gehen, als Segler zwar im Prinzip auch, aber nur wenn man ankert und dann mit dem Dinghi anlandet … offenbar wirken sich Steganlagen positiv auf Virenvermehrung aus, wer hätte das gedacht!

Ciutadella
Vorbei zieht der Leuchtturm am Cap d’Artrutx (1859)

Den Dienstag warten wir noch in der Cala Son Saura ab, da für Mittwoch die besten Bedingungen angekündigt sind, um noch einmal einen Anlauf zu unternehmen, Ciutadella einen Besuch abzustatten. So holen wir um kurz nach 8 Uhr bei ziemlicher Flaute die Anker auf und motoren gemächlich die knapp 8 Seemeilen bis zur Cala Santandria, in der wir bereits am Samstag eine Runde gedreht haben.

Heute, praktisch ohne Wind und mit aus nördlicher Richtung laufendem Schwell, sieht es hier ganz anders aus: ohne meterhoch spritzendes Wasser trauen wir uns, in der Öffnung der Cala, gleich vor der Absperrung, die ‘Orion’ zwischen Bug- und Heckanker so auszurichten, dass der Bug Richtung Meer zeigt und einlaufenden Wellen die geringste Angriffsfläche bietet. Nachdem wir die Lage einige Zeit beobachtet und für sicher befunden haben, landen wir mit dem Dinghi an und machen uns auf den Weg in die etwa 3 Kilometer entfernte Stadt. 

Ciutadella wurde von den Karthagern gegründet und zählt heute etwa 30.000 Einwohner; neben den obligatorischen Besitzerwechseln zwischen Mauren und Christen stand die Stadt – wie der Rest der Insel – von 1708 bis 1802 unter britischer Herrschaft (mit Unterbrechungen und einem französischen Intermezzo). Am 9. Juli 1558 wurde sie bei einem Überfall osmanischer Truppen schwer zerstört, weswegen vor allem die darauf folgenden Jahrhunderte das heutige Stadtbild prägen: barocke und klassizistische Fassaden begegnen uns auf Schritt und Tritt.

Hauptattraktionen sind der sich endlos lang und schmal bis tief in die Stadt erstreckende Naturhafen, die engen Gassen der gut erhaltenen mittelalterlichen Altstadt sowie die im 14. Jahrhundert errichtete Kathedrale Santa Maria de Ciutadella. Besonders in der Altstadt gefällt es uns gut, wenn es auch wegen der vielen geschlossenen Geschäfte etwas ausgestorben wirkt.

Am Nachmittag ziehen mal wieder drohend schwarze Gewitterwolken auf, so dass wir uns – schwer mit Einkäufen bepackt – auf dem Rückweg ganz schön beeilen; völlig unnötig, wie sich herausstellt, denn kurz nach unserer Rückkehr ist der Spuk vorübergezogen, und wir können den Abend in der Cala Santandria genießen.

Cala Fontanelles
Far de Punta Nati (1913)

Weniger angenehm verläuft die Nacht: zwar bleibt der Ankerplatz sicher, aber der unerwartete Wind am Nachmittag hat doch so viel Welle aufgebaut, dass es in der engen Cala durch das Schlagen der Wellen unter die Felsüberhänge einfach unglaublich laut ist. So hält uns am Donnerstagmorgen nichts davon ab, früh aufzubrechen, was sich als ganz gut herausstellt: der erst für Mittag angekündigte kräftige Südwind ist wohl auch Frühaufsteher, so dass die ‘Orion’ mal wieder nur unter Klüver zügig vor dem Wind dahineilt, während sie auf dem Weg an die Nordküste das Cabo Nati mit seinem Leuchtfeuer rundet.

‘Blitz’ und ‘Orion’ in der Cala Fontanelles

Ziel ist eigentlich die am vergangenen Samstag bereits angelaufene Cala Algaiarens, während wir aber in diese einbiegen wollen, sehen wir in einem Seitenarm, der Cala Fontanelles, die niederländische ‘Blitz’ ankern, die wir zuletzt auf Mallorca getroffen haben. Für die für den folgenden Freitag angekündigte Winddrehung auf West  ist dieser Platz auch besser geeignet, also ändern wir kurzerhand den Plan und ankern wenige Bootslängen entfernt. Am Abend begießen wir das Wiedersehen mit einigen Flaschen Tinto und verbringen eine ruhige Nacht, da die Hügel den größten Teil der angesagten 25 bis 30 Knoten Südwind abfangen.

Am Freitag zieht es uns an Land, und wir erwandern etwas die Umgebung. Dies ist auf ganz Menorca besonders leicht möglich, da es einen durchgehenden Weg entlang der Küste gibt, den Camí de Cavalls; dieser geht auf das 14. Jahrhundert zurück, wurde zur Erschließung und Verteidigung der Insel angelegt und ist heute ein wunderbarer Wanderweg durch vielerorts noch unberührte Natur mit grandiosen Ausblicken über das Meer.

Blick über die Cala s’Escala, links im Bild der Camí de Cavalls

 

Cala Algaiarens – Strand und Ankergrund paaradiesisch

Wir folgen dem Weg ein Stück die Küste entlang bis zur westlichen Nachbarbucht, biegen dann ins Inland ab und laufen durch lichte Pinienwälder in einem großen Bogen bis zur östlicherer gelegenen Cala Algaiarens, deren weißer Strand und leuchtend türkisfarbenes Wasser auch aus der Perspektive von Land aus begeistern. Ein einmaliger Ankerplatz – den man sich allerdings in einem ‘gewöhnlichen’ Juni mit 40-50 anderen Yachten teilen müsste; jetzt liegt lediglich ein französischer Katamaran hier …

Fornells

Am Samstagmorgen fällt es uns – ebenso wie der ‘Blitz’ – recht schwer, den Ankerplatz zu verlassen, zu gut hat es uns hier gefallen; doch die Nordküste verspricht noch so viele tolle Ankerplätze, die besucht werden wollen, also rollen wir schweren Herzens den Klüver aus, während wir den Anker lichten und uns vom Wind aus der Bucht treiben lassen.

Cap de Cavalleria, der nördlichste Punkt der Balearen

Draußen weht mal wieder mehr Wind als angekündigt: West mit gut 20 Knoten, statt der angekündigten 12 Knoten; der schon bereitgestellte Gennaker bleibt also in seinem Sack, und nur unter Vorsegel fahren wir mit 5 Knoten unserem Ziel entgegen, der Bucht von Fornells. Dabei passieren wir den nördlichsten Punkt Menorcas, das Cap de Cavalleria, dessen steile Klippe fast 100 Meter über der See aufragt und einen 1857 erbauten Leuchtturm trägt.

Nach kaum drei Stunden erreichen wir Fornells, welches in einer gegen die anlaufenden Wellen gut geschützten Bucht liegt; aufgrund der eher niedrigen Landbarriere ist sie aber dennoch dem Nordwind stark ausgesetzt, was vielleicht erklärt, warum der Ort trotz der Lage sehr klein und eher jung ist – das Dorf entstand erst im 17. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Errichtung eines Wehrturms zur Piratenabwehr.

Blick über die Bucht von Fornells

Heute lebt Fornells von der Langustenfischerei und natürlich vom Tourismus, und da dieser ja in diesem Jahr praktisch ausgefallen ist, ist recht wenig los, und der einzige Supermarkt ist noch dauerhaft geschlossen. Das Ankern in der äußerst geräumigen Bucht ist gar nicht so einfach, wie man erwarten sollte: der Grund ist praktisch lückenlos mit Seegras bewachsen, und da darauf nicht geankert werden darf, bleiben nicht viele Möglichkeiten. Eine sind die zahlreichen Muringbojen, die gegen gutes Geld gebucht werden können, eine andere ein winziges Fleckchen Sand direkt hinter der Hafenmole – und dieses nutzen wir, um hier bei wenig Wind eine ruhige Nacht zu verbringen (und außerdem im Schutze der Dunkelheit im Hafen ein paar Kanister Trinkwasser zu ‘organisieren’).

Cala ‘n Tosqueta

Am Sonntag besorgen wir noch frisches Brot und Gebäck in der kleinen Bäckerei, und dann verlassen wir Fornells auch schon wieder; gleich um die Ecke verspricht die Cala ‘n Tosqueta eine noch viel schönere Umgebung.

Die kaum 4 Seemeilen legen wir unter Maschine zurück, da kaum Wind weht; dies in Verbindung mit dem sonnigen Wochenende bewirkt, dass auch noch andere auf die gleiche Idee gekommen sind: um die 10 Boote ankern bereits in der kleinen Cala. Wir können noch einen Platz auf Sandgrund finden, müssen aber Bug- und Heckanker ausbringen, um nicht gegen die anderen Ankerlieger zu treiben; die kurz danach eintreffende ‘Blitz’ geht einfach bei uns längsseits.

Die Beliebtheit ist verständlich: die verwinkelte Bucht verfügt über mehrere Strände und eine kleine Insel, die zusätzlichen Schutz bietet; von Land ist sie unzugänglich, es gibt keine Straßenanbindung und keinerlei Bebauung. Das glitzernde Wasser, die zerklüfteten Felsen, die sensationellen Farben, der weiße Sand, und über allem der Duft von Meer und Rosmarin – ein kleines Paradies!

Cala ‘n Tosqueta, ein kleines Paradies

Das bunte Treiben hält nicht lange an, ab 19 Uhr gehört die Cala uns allein, die anderen Boote waren nur lokale Tagesausflügler; den folgenden Montag bleiben wir hier, und lediglich ein einziges Motorboot leistet uns für ein paar Stunden Gesellschaft. Der Tag vergeht mit Wandern entlang der Klippen, Schnorcheln (wir sehen viele verschiedene Fischarten, etliche auch richtig bunt gefärbt; zahlreiche Seeigel bewohnen die Felsspalten), Sonnenbaden und abendlichem Grillen wie im Fluge – und irgendwie auch völlig zeitlos. Für Orte wie diesen lohnt sich der weite Weg ins Mittelmeer!

Cala Presili
Far de Favàritx (1922)

Am Dienstag machen wir uns schweren Herzens wieder auf den Weg Richtung Südosten; eigentlich sollte etwas Wind wehen, es überschreitet aber nie 5 Knoten, womit wir mal wieder motoren müssen, Glücklicherweise ist es nicht weit, nach gut 10 Seemeilen runden wir das Cap Favàritx mit seinem auffälligen Leuchtturm und finden auf der Südseite der gleichnamigen Halbinsel einen Ankerplatz in der Cala Presili, bei der es sich nicht wirklich um eine ins Land einschneidende Ankerbucht handelt, eher eine kleine Delle im Küstenverlauf mit schönem Sandgrund davor.

Alles im blauen Bereich – Cala Presili, im Hintergrund Cap Favàritx

Viel los ist hier nicht, es gibt keinerlei Bebauung, und die Strände sind landseitig nur durch eine Wanderung zu erreichen, so dass man nur wenige Menschen sieht. Umso mehr bietet es sich an, selbst eine Wanderung über die felsige Halbinsel bis zum Leuchtturm zu unternehmen und dabei die – trotz der Trockenheit doch erstaunlich vielfältige – Natur zu bestaunen; so überraschen uns prächtig blühende Dünennarzissen mitten im kargen Gelände, und der ständige Rosmarinduft gehört ohnehin dazu.

Illa d’en Colom

Am Mittwoch geht es weiter, diesmal sogar nur 4 Seemeilen gen Süden; dort liegt die vorgelagerte Illa d’en Colom, eine unbewohnte (und ziemlich unzugängliche) kleine Insel, deren Rückseite halbwegs geschützte Ankerplätze bietet. Gleichzeitig liegt dort an Land das kleine Dorf Es Grau, welches einen Minimarkt bietet, der sogar geöffnet hat und frisches Brot führt.

Parc natural de s’Albufera des Grau
Die im Mittelmeerraum verbreitete Landschildkröte (Testudo hermanni)

Der Ort markiert den Eingang zum Nationalpark s’Albufera mit seiner ausgedehnten Lagune; dieser ist für seinen Vogelreichtum  bekannt, uns begeistern aber vor allem die dort vorkommenden – und auch tatsächlich anzutreffenden – Schildkröten: die sind ja soooo niedlich 🙂

Am Abend werden wir noch Zeugen eines Malheurs: eine französische Segelyacht fährt zu tief in die seichte Passage zwischen der Illa d’en Colom und dem Festland und kommt dort fest. Alle Versuche, die Dehler 43 wieder in tieferes Wasser zu bekommen (so durch Ausbringen des Ankers unter tatkräftiger Mithilfe des Autors), scheitern kläglich, obwohl noch nicht einmal der Wind aufs Flach drückt, lediglich der lange Schwell von etwa einem Meter Höhe hat die Yacht in eine so hoffnungslose Lage gebracht.

Leider gar nicht so stimmungsvoll wie es aussieht: die festgekommende ‘Force 7’

Ursächlich für die Havarie war das große Vertrauen des Skippers  in die Navionics-Karte auf seinem iPad – diese zeigt einen Detailreichtum, von dem auf der offiziellen spanischen Seekarte, wie sie an Bord der ‘Orion’ verwendet wird, absolut nichts zu sehen ist (dort ist einfach alles ‘weniger als 5 Meter’ tief, was Anlass zu größter Vorsicht gibt). Auch schon in anderen Ankerbuchten legte der Vergleich der online zugänglichen Navionics-Karten mit der Realität den Verdacht nahe, dass deren Detailreichtum oftmals eher der Phantasie als einer Vermessung entspringt.

Erst am nächsten Morgen kann ein PS-starkes SAR-Boot aus Mahón die Yacht freischleppen – wer weiß unter welchen Schäden am Kiel …

Cales Coves
Far de l’Illa de l’Aire (1860)

Am Donnerstag runden wir die Südostspitze Menorcas; zunächst mal gibt es dazu Gegenwind, die ersten 10 Seemeilen kreuzen wir gegen frische vier Windstärken an. Das läuft eigentlich ganz gut, dennoch ist es etwas ärgerlich, dass der Wind buchstäblich in dem Augenblick nachlässt, als wir endlich auf einen Halbwindkurs abbiegen können. Doch auch dies ist nicht von Dauer: aus vollständiger Flaute entwickelt sich innerhalb weniger als einer Minute wieder Starkwind jenseits der 20 Knoten. Ein abwechslungsreicher Segeltag …

Vor Anker in den Cales Coves

Am frühen Nachmittag biegen wir in eine kleine Öffnung der Steilküste ein, die sich zu einer zweiarmigen Cala öffnet: die Cales Coves, die Höhlenbuchten. Hier finden sich unzählige kleinere und größere Höhlen, die in der Bronzezeit als Begräbnisstätten angelegt und in den folgenden drei Jahrtausenden immer wieder als Wohnstätten genutzt wurden. Aber der Ort hat noch viel mehr zu bieten als die lange Geschichte, die er ausstrahlt: es ist einfach wunderschön zwischen den steilen Felswänden, das Wasser strahlt mit dem Himmel um die Wette, die Luft ist erfüllt von warmem Duft aromatischer Kräuter und dem Zirpen unzähliger Zikaden.

Bis Freitag liegen wir hier noch mit der ‘Blitz’ allein, am Samstag dagegen füllt sich die Cala mit unzähligen kleineren Ausflugsbooten, wie wir es am vergangenen Wochenende auch erlebt haben. Glücklicherweise verzichten diese aber auf laute Musikbeschallung, und so verbringen wir eine schöne Zeit an diesem wundervollen Flecken: wir unternehmen kleine Wanderungen in die Umgebung, schnorcheln um die Felsen und genießen die sommerlichen Temperaturen von knapp 30 Grad im Schatten am Nachmittag, während es am Abend angenehm mild ist und ein hinreißender Sternenhimmel über uns funkelt – was will man mehr?!?

Vom mühsam zu ersteigenden Felsplateau bietet sich ein überwältigender Ausblick über die Cales Coves
Maò

Sonntagmittag verlassen wir die Cales Coves und segeln zurück gen Osten, passieren erneut die Illa de l’Aire und laufen dann in die Hafenzufahrt von Maó ein, bei uns besser bekannt unter dem kastilischen Namen Mahón – der örtliche Dialekt spricht dagegen noch etwas kürzer von Mô; gemeint ist immer die Hauptstadt Menorcas (jedenfalls seit der britischen Besatzung, vorher war das Ciutadella). Heute endet nämlich der Alarmzustand in Spanien (für Madrid wohl immer noch Wochen zu früh, für die Balearen eher Monate zu spät), und die Häfen akzeptieren wieder Besucher!

Die Stadt liegt an einem volle drei Seemeilen langen Meeresarm, der durch eine relativ schmale Einfahrt geschützt wird und durchgängig regelmäßige Tiefen und gute Ankergründe aufweist. So verfügt die Stadt über einen der größten Naturhäfen der Welt (über die exakte Reihenfolge streitet man sich offenbar z.B. mit Sydney und Pearl Harbor), was schon den legendären Genueser Großadmiral Andrea Doria (1466 – 1560) zu der Aussage verleitete, es gäbe nur drei wirklich sichere Häfen im Mittelmeer: Juli, August und Mahón. Rundherum finden sich zahlreiche Befestigungen aus der Zeit, als die Bucht den verschiedenen Besitzern als Marinebasis diente; eine davon, die Festung La Mola, erlangte traurige Berühmtheit dadurch, dass sie während der Franco-Diktatur 1939-1975 als Gefängnis und Folterstätte für Regimegegner diente.

Cala Teulera, stadtnahes Naturidyll zwischen alten Seefestungsanlagen

Wir nutzen dieses Geschenk der Natur für die erste Übernachtung vor Anker in der Cala Teulera, bevor wir am nächsten Morgen – gerade noch rechtzeitig vor aufkommendem Starkwind aus Nord – die Marina Menorca anlaufen; hier hat man uns eine Übernachtung zum absoluten Schnäppchenpreis von € 50 angeboten – normalerweise wäre im Juni schon das Doppelte fällig …

die umfangreichen Anlagen der Marina Menorca – nur einer von drei Sportboothäfen in der Stadt

Was für ein besonderer Moment, nach fast 100 Tagen ohne Landstromversorgung das Stromkabel einzustecken, und kurz danach aus einem Schlauch Süßwasser in beliebigen Mengen über das salzverkrustete Deck fließen zu lassen! Und erst mal die Hafendusche – nach drei Monaten ein unvergessliches Erlebnis! Aber der teuer erkaufte Marina-Luxus bringt auch eine Menge Arbeit mit sich: Schrubben, Putzen, Saugen, Spülen, Waschen, Reparieren, und nicht zuletzt das Auffüllen der Vorräte: zum nächsten Supermarkt sind es gut 20 Minuten bergauf, und wir schleppen etliche 20-Kilo-Rucksäcke zum Boot, während uns bei wolkenlosem Himmel der 35 Grad heiße Wind wie aus dem Fön ins Gesicht bläst. Am nächsten Mittag sind wir völlig fertig mit der Welt, haben zwar die Zeit im Hafen optimal genutzt, aber noch nicht einmal etwas von der Stadt gesehen – doch das ist kein Problem, wir verlassen nach über 30 Stunden die Marina und fahren wieder zurück in die Cala Teulera, um dort zu ankern und am nächsten Tag nochmal mit dem Dinghi zurück in die Stadt zu fahren.

Blick über einen Teil des riesigen Naturhafens

Dies erweist sich als sehr lohnend: Maò hat eine sehenswerte Altstadt hoch auf den Felsen über dem Hafen aufzuweisen, viele schöne Geschäfte und Restaurants, wo man gegen kleines Geld (für deutsche Maßstäbe) hervorragende Fischgerichte essen kann, wovon wir auch Gebrauch machen – schließlich ist es voraussichtlich die letzte spanische Stadt, die wir besuchen!

Eine kleine kulinarische Anekdote sei noch angemerkt: angeblich verdankt die allseits beliebte Mayonnaise ihren Namen der Stadt Mahón, da sie während der französischen Besatzung als Abwandlung der lokalen Aioli nach Frankreich und von dort in die Welt gelangt sein soll …

Am Donnerstag den 25. Juni verlassen wir die Cala Teulera und fahren zurück in die Cales Coves, um dort auf passendes Wetter für die Überfahrt nach Sardinien zu warten – und auch einfach, um noch ein paar Tage in dieser tollen Ankerbucht zu verbringen. Am Donnerstagabend sind noch drei andere Yachten da, aber erstaunlicherweise legen diese alle am Freitag ab, so dass wir die Bucht für uns allein haben! Erst am Samstagmittag erscheinen die unvermeidlichen Wochenendausflügler in den Motorbooten, aber glücklicherweise halten diese sich beim Aufdrehen der Radios zurück.

Mit dem Wetter ist es so eine Sache: noch vor ein paar Tagen war zwischen Sonntag und Mittwoch kräftiger Nordwestwind – Mistral – angesagt, der wird aber von Tag zu Tag weniger; nun wollen wir zum einen aber auch nicht mehr wochenlang warten, und zum anderen soll es auch nicht zu viel Wind werden (der Mistral kann auch richtig zulangen, 7 bis 8 Windstärken – bei strahlend blauem Himmel – sind durchaus drin!), also beschließen wir, trotz der bescheidenen Windvorhersage am Sonntag den 28. Juni loszufahren – und uns in Geduld zu üben!

Das Segeln in den Zeiten der Corona (27.05. – 05.06.)

Zurück nach Mallorca

Am frühen Mittwochmorgen des 27. Mai lichten wir den Anker und verlassen die Cala Portinatx, kurz nach der niederländischen ‘Blitz’, die mit der ‘Orion’ zusammen nach Mallorca übersetzen will. Schon ein seltsames Gefühl nach beinahe 11 Wochen auf Ibiza, von denen wir auch noch die meiste Zeit auf einem Fleck vor Sant Antoni verbracht haben – man entwickelt ja schon langsam ein Heimatgefühl …

Mit dem Leuchtturm an der Punta d’es Moscarter bleibt Ibiza in der ersten Morgensonne zurück

Die Wettervorhersage war keineswegs besonders positiv, lediglich das kleinste Übel in einer ewigen Folge von Nordostwind; eigentlich sollte während des Vormittags noch ein brauchbarer Nordnordost wehen, gegen den man zunächst mal einen halben Tag gen Osten fahren kann, um dann in der Winddrehung auf Ost zu wenden und in der zweiten Tageshälfte auf Nordkurs Mallorca zu erreichen. Beim Aufbruch weht aber statt der angekündigten 10-12 Knoten … rein gar nichts. Nach einer Stunde Motorfahrt, als wir uns schon einen langen Tag durch das Mittelmeer dieseln sahen, kam aber wie aus dem Nichts dann doch noch Wind aus 020 auf, und der für den Mittag angekündigte Ostwind fiel sogar zunächst stärker als vorhergesagt aus, so dass wir besser als erwartet vorangekommen sind.

So ganz ohne Probleme wäre es aber doch langweilig – wie im vergangenen November der Gennaker, so fiel diesmal der neue Code 0 nach einem Knall aus dem Masttopp neben der ‘Orion’ ins Wasser – die Reparatur des Umlenkblocks hatte also keinen dauerhaften Erfolg, nach Ersatz des primitiven Originalschäkels durch ein kernigeres Exemplar ist nun halt der Wirbel ausgerissen … man muss aber positiv feststellen, dass sich das etwas steifere Tuch des Code 0 deutlich einfacher an Bord ziehen lässt als das feine Gewebe des Gennakers 😉

Belohnung nach einem langen Tag auf See: der Abendhimmel über Sa Dragonera

Erst im Windschatten Mallorcas – der aber 20 Seemeilen herausreicht – war es dann vorbei mit dem Segelvergnügen, und die letzten 4 Stunden musste doch wieder der Motor ran. Nach 14 Stunden und knapp 60 Seemeilen konnten wir dann gegen 21 Uhr vorm Strand von Sant Elm an der Südwestspitze der Insel den Anker fallen lassen.

Die direkt vor Sant Elm liegende Insel Sa Dragonera versperrt zwar den Blick auf den Sonnenuntergang, aber der Abendhimmel dahinter leuchtet in den prächtigsten Farben – Mallorca hat uns wieder!

Sant Elm

Am nächsten Morgen begrüßt uns die Sonne über einer wirklich schönen Ankerbucht; der Ort verspricht auch eine Bäckerei zu haben, so dass es frisches Brot zum Frühstück geben könnte 🙂

Sant Elm, ein sehr adrettes Örtchen

Beim Anlanden mit dem Dinghi macht sich aber eine gewisse Nervosität breit – wie geht man hier wohl mit dem Corona-Problem um? Gibt es auch überall Polizei, die Strafzettel verteilen will? Schließlich sind wir ja nicht ganz legal hier, es sollte besser niemand nachfragen wo die ‘Orion’ herkommt … es zeigt sich aber, dass die Stimmung hier eher entspannter ist, als wir es auf Ibiza erlebt haben, und das, obwohl es ja hier erheblich mehr Infektionen gab (wenn auch, gemessen an der Bevölkerung, immer noch bescheiden wenige): es gehen doch tatsächlich Leute ohne Mundschutz in die Bäckerei, und niemand beschwert sich! So weit, so gut – aber es ist schon bemerkenswert, wie diese Krise das Erleben verändert hat: die Unbeschwertheit ist weg, man wartet ständig auf neue Drangsalierungen durch die Ordnungskräfte (die nie etwas mit einer medizinisch begründbaren Vireneindämmung zu tun haben) … haben wir nicht alle gedacht, solche Zeiten nie mehr erleben zu müssen?

Port de Sóller

Am Freitag verlassen wir Sant Elm schon wieder – die Wettervorhersage verspricht Südwestwind, zwar nur sehr wenig, aber immerhin kein Gegenwind, und wir machen uns gewisse Hoffnungen, dass auf der eigentlich windabgewandten Seite der Insel die See so ruhig ist, dass der Gennaker auch bei wenig Wind noch steht.

Sa Dragonera bleibt im Kielwasser zurück

Die Hoffnungen werden nicht enttäuscht: zwar sind es nur um 5 Knoten Wind, die wir vorfinden, aber bei kaum noch einem Dezimeter Schwell liegt die ‘Orion’ so ruhig auf dem Wasser, dass das Leichtwindsegel problemlos vom lauen Lüftchen gefüllt wird. So gleiten wir – vollkommen aufrecht und ohne wirklich wahrnehmbare Bewegung – mit anderthalb bis zweieinhalb Knoten über die tiefblaue See: nicht schnell, aber ein tolles Segeln ist das, bei dem man das Sangriaglas auf dem Tisch stehen lassen kann!

Majestätisch ragen die Gipfel der Serra de Tramuntana über Sóller auf

Und die vorbeiziehende Landschaft erst: das sich an der gesamten Nordwestküste Mallorcas entlangziehende Gebirge wird stetig höher und bietet einen majestätischen Anblick, der kaum Spuren von Bebauung oder Nutzung zeigt – Natur pur. Definitiv eine gute Entscheidung, auf dieser Seite der Insel zurückzufahren!

Gegen 18 Uhr erreichen wir die Bucht von Sóller – der einzige Einschnitt in einer 50 Seemeilen langen Küste, der ausgerechnet da liegt, wo die Berge am höchsten sind, etliche Gipfel über 1000 Meter rahmen den fast kreisrunden Naturhafen ein. Direkt vor dem Strand von Port de Sòller ankern wir und genießen den Ausblick in die Berge.

Sóller
Sant Bartomeu in Sóller

Am Samstagmorgen – vor der Mittagshitze – wandern wir die 4 Kilometer ins Tal hinaus zum eigentlichen Ort Sóller, zum einen natürlich um diesen kennenzulernen, aber auch, weil es nur dort einen richtigen Supermarkt gibt – 12 Tage nach Sant Antoni sind die letzen Frischvorräte wirklich verbraucht. Normalweise verbindet eine historische Straßenbahn den Hafen mit dem Ort, aber diese wird nur noch von Touristen frequentiert, und da es die dieses Jahr nicht gibt …

Die kleine Stadt hat eine reiche Geschichte, die eng mit dem Anbau und Export von Orangen verknüpft ist; der damit erworbene Reichtum ist noch gut an zahlreichen, wirklich hübschen alten Villen zu sehen. Überhaupt ist der Ort recht sehenswert, besonders der zentrale Plaça Constitució mit der die Baustile etlicher Jahrhunderte vereinenden Kirche Sant Bartomeu. Auch einen schönen Markt gibt es, der sogar wieder geöffnet ist (aber natürlich nur mit Mundschutz zu betreten). Der Umgang mit den Sicherheitsvorschriften erscheint übrigens sehr wechselhaft: überall schreien einen Hinweisschilder an, aber viele Menschen scheinen sich die Masken vom Gesicht zu reißen und keinen Wert mehr auf Abstand zu legen, sobald keine Polizei in der Nähe ist. Wer das nicht versteht soll mal versuchen, mit so einem Ding bei 30 Grad im Schatten statt norddeutscher Frische herumzulaufen – wir wissen, wovon wir reden …

Im Rausch der Farben – Ausblick auf die Bucht von Sóller

Am Pfingstsonntag versuchen wir uns an der ersten ernstzunehmenden Wanderung seit einer gefühlten Ewigkeit – genau, seit Februar. Die Umgebung von Sóller ist dazu ideal geeignet – wenn man mal von den Temperaturen absieht: obwohl wir uns schon relativ früh auf den Weg machen, hängt uns schon bald die Zunge zum Hals heraus, die Sonne brennt wirklich unbarmherzig auf uns nieder. Aber die umgebende Natur entschädigt für die Mühen: wir wandern auf Pfaden, die schon in römischer Zeit angelegt wurden, durch Olivenhaine, die auf die maurische Herrschaftsperiode zurückgehen, und wenn der Pinienwald mal den Blick auf die Bucht von Sóller freigibt, verschlägt es einem den Atem: solche Blautöne des Wassers, besonders im Kontrast zum Grün der Wälder, sehen schon fast unecht aus – wir können aber beschwören, dass die Fotos der Realität entsprechen 🙂

500 Jahre kann so ein Olivenbaum durchaus alt sein

Nach 4 Stunden und etwa 8 Kilometern (bei gerade mal 250 Höhenmetern – man ist wirklich nicht schnell unterwegs in diesem Klima) sind wir wieder an Bord und springen erst mal ins inzwischen 25 Grad warme Wasser der Bucht, und danach wartet eine kühle Sangria – ja, jetzt fühlt es sich langsam wieder wie Urlaub an!

Wir beschließen, dass dieser Ausflug nicht der letzte bleiben soll – nur wollen wir für fernere Ziele noch früher aufbrechen, um der Mittagshitze zu entgehen.

Deià

Am Pfingstmontag sollen im Laufe des Vormittags ein paar Wolken durchziehen – diese Chance nutzen wir gleich, um gegen 8 Uhr zu einer Wanderung in das Bergdorf Deià aufzubrechen. Tatsächlich ist es zunächst auch etwas bedeckt – aber dennoch warm genug, der Schweiß fließt in Strömen, während wir uns Meter um Meter Höhe erkämpfen. Der Weg führt gut 12 Kilometer in 200 – 300 Metern Höhe entlang der schroffen, felsigen Küste, abwechselnd durch Pinienwälder und uralte Olivenhaine. Schließlich biegt man um eine Kurve, und auf einmal liegt Deià vor einem, eingebettet in einen Talkessel mit über 1000 Meter hohen Bergen, in der Mitte ein Hügel mit der Kirche über den in den Hang gebauten Häusern.

Wie gemalt liegt Deià vor uns

In alten Zeiten ein normales Bergbauerndorf, später auch mal Schmugglernest, ist der Ort schon Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem von Künstlern als Wohn- und Wirkungsstätte entdeckt worden. Dies hat bewirkt, dass das Dorf vom Bauboom der 70er Jahre verschont geblieben ist: Plattenbauten sucht man hier vergeblich, alle neueren Gebäude müssen in bescheidener Höhe und dem traditionellen Felsmauerwerk ausgeführt werden. Der Aufwand lohnt sich: obwohl der Ort natürlich ausschließlich vom Tourismus und den Zugereisten lebt, fühlt es sich nicht so an; man hat eher das Gefühl, eine Zeitreise zu unternehmen. Wir laufen durch die steilen, verwinkelten Gassen, pflücken Zitronen und Orangen von den Bäumen, können uns kaum sattsehen an der überquellenden Fülle der Blumen vor den Terracotta-Tönen der Mauern, immer mit dem mächtigen Felsmassiv im Hintergrund – hinreißend!

Wir kehren in einer der wenigen geöffneten Gastwirtschaften ein (Corona-bedingt ist natürlich rein gar nichts los im Ort), sitzen auf einer schattigen Terrasse mit Meerblick und bekommen ein dreigängiges Menú del día mit ausschließlich hausgemachten, mallorquinischen Spezialitäten inklusive Wasser und Wein (ohne den geht’s hier nicht) für € 12,50 serviert – offenbar hat man sich vom Tourismus noch nicht verderben lassen, wir sind äußerst angetan!

Alles strahlt eine gewisse Ruhe und Zeitlosigkeit aus; schließlich entdecken wir hinter der Kirche den kleinen Friedhof – und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus: dass das Durchschnittsalter der Verstorbenen 80 bis 90 Jahre beträgt, kann einen in dieser Umgebung ja kaum überraschen, aber dass wir innerhalb weniger Minuten schon über 5 oder 6 Inschriften stolpern, die von über 100-jährigen künden, ist schon verblüffend. So ungesund kann das Leben fernab ärztlicher Versorgung, aber auch ohne Bürojob, Luftverschmutzung und Stress wohl nicht sein …

Ausblick vom ‘Friedhof der Hundertjährigen’

Um 15:45 fährt ein Bus zurück nach Port de Sóller, den wir beschließen zu nehmen – 8 Stunden Programm sind genug, der Rückweg zu Fuß würde ja noch einmal knapp 4 Stunden dauern, und inzwischen brennt die Sonne auch wieder ungefiltert. Mal wieder sind wir begeistert vom öffentlichen Verkehrssystem in Spanien: der Bus ist auf die Sekunde pünktlich und verlangt € 1,65 für eine gut halbstündige Überlandfahrt …

Cala Sant Vicenç

Am Dienstag ist erst mal Ruhe angesagt nach drei aufeinanderfolgenden Wandertagen, aber Mittwochmorgen geht es dann weiter: die Wetterdienste sagen schwachen Südwestwind bei praktisch nicht vorhandener Welle vorher, und wir hoffen die angenehme Gennaker-Schleichfahrt vom vergangenen Freitag wiederholen zu können.

Cala Sant Vicenç, sicherer Ankerplatz an einer abweisenden Küste

Die Realität sieht aber anders aus: Windstärke und Welle stimmen zwar, aber der schwache Wind kommt aus Nordost statt Südwest – nun ja, ein Fehler von 180 Grad kann ja mal passieren … wir fahren immer weiter raus und hoffen auf Besserung, schließlich gibt es nirgendwo im Umkreis von 100 Seemeilen Nordostwind in den Vorhersagemodellen, doch vergeblich – letztendlich läuft es auf 5 Stunden Motorbetrieb hinaus, gegen 4 Knoten Wind ankreuzen ist nichts für die ‘Orion’ … erst als wir in die zur Übernachtung auserkorene Cala Sant Vicenç einbiegen, weht uns Südwestwind entgegen – hier also hat der sich versteckt!

Abendlicht auf den Bergen der Formentor-Halbinsel

Die Ankerbucht und der dazugehörige kleine Ort liegen direkt gegenüber von Port de Pollença und schnüren quasi die Formentor-Halbinsel ab; am schönen Strand liegen einige weniger dekorative Hotels (wir haben jedoch schon bei weitem schlimmere Bausünden gesehen), aber die Bucht selbst ist toll: eingerahmt von schroffen Felsen bietet sie weitreichenden Schutz und über hunderte Meter perfekten, weißen Sandgrund zum Ankern – eine absolute Ausnahme an dieser abweisenden Nordwestküste.

Auch für die Nacht liegt die Wettervorherssage völlig daneben, statt mit 25 Knoten aus der Bucht heraus weht es ebenso stark hinein – kein Problem bei dem perfekten Ankergrund, aber die sich sofort aufbauende Windsee macht eine Menge Lärm.

Port de Pollença
Schroffe Berglandschaften ziehen vorüber

Entsprechend früh brechen wir am nächsten Morgen auf; heute haben wir mehr Glück mit dem Wind, eine raume Brise von rund 12 Knoten lässt uns zügig aufs Cap de Formentor zusegeln, welches wir schon gegen 11 Uhr runden. Hier schließt sich der Kreis: vor fast 4 Monaten haben wir hier Mallorca erreicht, und nun die Insel – mit einem kleinen Abstecher nach Ibiza und zehnwöchiger Corona-Gefangenschaft – umrundet. Fast fühlt es sich heimatlich an, haben wir doch hier im Februar eine schöne Zeit verbracht …

Der Kreis schließt sich: Cap de Formentor querab

Nach dem Flautenloch beim Runden des Kaps weht uns der Wind nun entgegen, und auf um 20 Knoten zugelegt hat er auch; da noch Vollzeug steht, darf die ‘Orion’ die verbleibende Strecke mal wieder mit erheblicher Lage zurücklegen, aber so ganz ohne Welle dicht unter Land macht es großen Spaß, mit 7 Knoten dem Ziel entgegenzueilen.

Kurz nachdem der Anker – bei mittlerweile auch 25 Knoten Wind, der Himmel hat sich sehr plötzlich mit Wolken gefüllt – vor Port de Pollença gefallen ist, beginnt es tatsächlich zu regnen: ein bemerkenswertes Ereignis, der erste Regen seit knapp drei Wochen!

Cala Son Moll

Eigentlich wären wir gerne ein paar Tage in Port de Pollença geblieben, doch die Wetterbedingungen legen uns nahe, gleich am nächsten Morgen wieder aufzubrechen: Freitag weht kräftiger Nordwestwind, der zum Samstag auf Südwest dreht; ab Sonntag gibt es aber erst mal Nordost, womit die Chance nach Menorca zu segeln vertan wäre. Also zerlegen wir die Überfahrt in zwei Etappen: erst mal fahren wir über die Bucht von Alcúdia bis zum östlichen Ende von Mallorca, um dann am folgenden Tag die eigentliche Überquerung des Canal de Menorca anzugehen.

Großes Hotel, kleine ‘Orion’ – Cala Son Moll

Die Fahrt verläuft problemlos und bei 20 bis 25 Knoten Rückenwind auch recht zügig, so dass wir schon gegen 15 Uhr das Far de Capdepera umrunden und nach einem Übernachtungsplatz suchen. Dies ist nicht ganz einfach, da aufgrund des frischen Windes die See recht hoch geht und der sich direkt vor unserer Nase befindliche und perfekten Schutz bietende Hafen von Cala Rajada gesperrt ist – Corona sei Dank. So ankern wir statt dessen ein paar hundert Meter weiter vorm Badestrand der Cala Son Moll – eigentlich kein schlechter Platz, geräumig und guter Halt, aber der Schwell … als gegen Abend der Wind auch noch – statt wie angekündigt auf Südwest zu drehen – statt dessen einen mehrstündigen Ausflug über Ost macht, hat es sich mit der Nachtruhe endgültig erledigt, die ‘Orion’ rollt im Zweisekundentakt von einer Seite auf die andere.

Hinter uns bleibt der Leuchtturm ‘Far de Capdepera’ zurück

Erst am frühen Samstagmorgen stellt sich dann der versprochene Südwestwind ein; übernächtigt holen wir den Anker auf und richten den Bug auf Menorca. Hinter uns zurück bleibt eine Insel, die uns im Laufe der zwei Besuche oftmals positiv überrascht und abseits der überfüllten Tourismuszentren viel zu bieten hat. Ohne den langen Zwangsaufenthalt auf Ibiza wäre der zweite Besuch auf Mallorca auch sicher deutlich länger ausgefallen; so aber bleibt uns nur, uns über die gewonnenen Eindrücke zu freuen – und darüber, in den vergangenen 14 Tagen keinem Polizeiboot mehr begegnet zu sein … 

 

Gefangen auf Ibiza (12.03. – 26.05.)

Am frühen Donnerstagmorgen geht es noch vor Sonnenaufgang los: 50 Seemeilen sind es bis Ibiza, und wir wollen nicht allzu spät ankommen. Es ist Südwind um 10 Knoten angesagt, mit dem neuen Code 0 sollte sich damit ganz gut Fahrt machen lassen.

Bei Sonnenuntergang nähern wir uns Ibiza

Tatsächlich weht zunächst deutlich mehr Wind, dafür aber aus einer viel östlicheren Richtung; damit machen wir einige Stunden sehr  gute Fahrt, bis gegen Mittag der Wind auf das angesagte Maß zurückgeht, ohne aber die Richtung zu ändern. Am Wind kann der Code 0 mit 10 Knoten noch einiges anfangen, vorm Wind dagegen … wir wechseln also auf den Gennaker, und später am Nachmittag auch wieder zurück; so schmilzt der zunächst herausgefahrene Vorsprung dahin, und wir erreichen Ibiza nach 20 Uhr; wenigstens durften wir zuvor noch einen tollen Sonnenuntergang auf See bewundern!

Cala Portinatx

Die für die Ankunft ausgesuchte Ankerbucht begrüßt uns mit einer Überraschung: wir sind nicht allein, ein kanadischer Katamaran ankert dort bereits – um diese Jahreszeit ja eher außergewöhnlich. Da außerdem viele alte Murings oder deren Überreste im Wasser schwimmen, ist es in der Dunkelheit nicht ganz einfach, einen brauchbaren Ankerplatz zu finden, aber nach ein paar vorsichtigen Runden gelingt es uns doch.

Cala Portinatx

Am nächsten Morgen setzen wir gleich mit dem Dinghi zum Strand über, es soll nämlich gleich zwei Supermärkte und eine Bäckerei im Ort Portinatx geben, und wir wollen die Ankunft mit einem anständigen Frühstück feiern – dem ist auch so, aber die Supermärkte sind noch sowas von geschlossen, der ganze Ort ruht noch; die Saison hat hier noch lange nicht begonnen. Ein Baguette können wir aber glücklicherweise erwerben, das Willkommensfrühstück ist gerettet!

Danach halten wir uns aber nicht mehr lange auf, den wir wollen ein paar Seemeilen weiter die Küste entlang in eine andere Ankerbucht, die

Cala Benirràs

Dort angekommen sind wir begeistert: bizarre Felsenformationen in der Einfahrt und unbeschreiblich klares Wasser begrüßen uns, der Schutz gegen Ostwind und Schwell ist prima – was will man mehr!

Cala Benirràs

Am Strand befinden sich einige alte Fischerhütten, außerdem auch zwei einfache Strandbars, die aber – natürlich – noch geschlossen sind. Dennoch zieht die Cala einige Menschen an, die am Strand in der Sonne – und manchmal auch im mit 17 Grad noch recht frischen Wasser – baden oder Yogaübungen auf den Felsen ausführen. Ibiza ist nicht nur für seine Party-Clubs in den Städten bekannt, sondern auch für eine sehr alternative Szene abseits davon – und dieser entlegene Strand scheint den Inselhippies gut zu gefallen, am Abend finden sich Gruppen von Menschen zusammen, die mit rhythmischem Trommeln den Sonnenuntergang begleiten.

Abendstimmung über der Cala

Uns gefällt es auch gut, wir bleiben zwei Tage, machen Landausflüge und genießen die Wärme des Nachmittags und den tollen Abendhimmel; nur weil langsam die Frischvorräte zur Neige gehen und außerdem eine Wetterverschlechterung angesagt ist, machen wir uns am Sonntag wieder auf den Weg. Dass der Wind dabei so günstig weht, dass wir unter Segeln den Anker aufholen können, versüßt noch den Abschied …

Ibizas Nordwestküste bei Cabo Novo

Die vorbeiziehende Nordwestküste Ibizas ist steil und felsig, aber mit einigen 100 Metern weniger hoch und unzugänglich als die Mallorcas. Auch bedecken meist Wälder die Hügel, nur Zivilisation sieht man praktisch keine – eine tolle Landschaft! Der Wind weht nach wie vor aus östlichen Richtungen, was bedingt durch die Abdeckung durch die Steilküste zu sehr abwechslungsreichen Segelbedingungen führt, zwischen 0 und 20 Knoten Wind ist alles drin, aber wir haben es nicht eilig, können die Segel den Maximalwerten anpassen und in den Windlöchern eben etwas länger die spektakulären Steilhänge betrachten 🙂

Sant Antoni de Portmany
Selbst ohne Corona wohl noch vorsaisonbedingt geschlossen: das berühmte Cafe del Mar

Wir ankern noch eine Nacht direkt vorm Strand von Sant Antoni, bevor wir am nächsten Vormittag in den Gemeindehafen einlaufen. Dort sind wir sehr erstaunt, nach 5 Tagen ohne Kontakt mit der Zivilisation feststellen zu müssen, dass die Corona-Panik in der Zwischenzeit auch Spanien fest im Griff hat: wir dürfen nur für die notwendigsten Besorgungen die Steganlagen verlassen, und ob wir überhaupt wieder auslaufen dürfen, ist noch unklar.

Beim Gang zum Supermarkt fühlen wir uns wie in einem Endzeitfilm: die Straßen sind fast menschenleer, nur vermummte Arbeiter sprühen Wege und Wände mit Desinfektionsmitteln ein; den Supermarkt kann man nur einzeln durch eine Schleuse betreten, um dann vor leeren Regalen zu stehen. Alle Restaurants etc. sind geschlossen, und wir erfahren, dass es auch keine Flüge von und zu den Inseln mehr geben soll – na das kann ja noch heiter werden!

Cala Codolar

Mittwoch bekommen wir dann wenigstens doch die Erlaubnis, auszulaufen – allerdings verdeutlicht man, dass wir nirgendwo anders wieder einlaufen dürfen … wir können also in der Umgebung von Sant Antoni ankern, bei Bedarf dort mit dem Dinghi anlanden um einzukaufen, und in Notfällen sogar im Hafen anfragen, um dort nochmal festzumachen … na prima.

Quarantänestation Cala Codolar

Wir segeln knapp 10 Seemeilen aus der Bucht von Sant Antoni heraus, denn diese ist mit ihrer dichten Hotelbebauung nicht unbedingt attraktiv; viel schöner ist es in der Cala Codolar: ein paar Villen überblicken den Ankerplatz, ansonsten Natur und tolle Felsformationen – das kristallklare Wasser bedarf ja keiner Erwähnung mehr. Solange der Wind aus nordöstlicher Richtung weht – und das tut er auf Tage hinaus – können wir hier bleiben; wo wir bei Starkwind aus Nordwest an dieser gesamten Küste unterkommen sollen, steht allerdings in den Sternen, ebenso, wie lange dieser Zustand anhalten soll … die aktuellen Verordnungen gelten zunächst mal bis Ende des Monats, also mindestens zwei Wochen, in denen wir uns am Rande der Legalität bewegen, denn jeder unnötige Aufenthalt im Freien – also auch die Benutzung von Sportbooten – ist ja untersagt, ebenso wie ein Spaziergang an Land, um nach tagelangem Herumsitzen mal die Beine zu benutzen 🙁

Zurück in Sant Antoni

Am Montag den 23. verlassen wir unseren Ankerplatz, da für Dienstag Starkwind und bis 2 Meter Schwell angesagt sind – den möchten wir ungern in der zur See hin offenen Cala abbekommen, die Erinnerung an Cala Figuera wirkt da noch nach.

Sonnenuntergang über der Bucht von Sant Antoni

Die Bucht von Sant Antoni bietet guten Schutz bei den meisten Bedingungen, und man kann mit dem Dinghi bequem an Land kommen, um einzukaufen; wir stellen fest, dass auch einige der hier ankernden oder an Muringbojen liegenden Boote bewohnt sind – es gibt also doch noch mehr Corona-Gefangene. Die Aussicht Richtung Land ist halt weniger schön als draußen in der Natur, aber da sich das Wetter in den nächsten Tagen eh launisch zeigt, ist das nicht so schlimm, und wir bleiben vorerst an diesem gut geschützten Ankerplatz. Die totale Ausgangssperre in Spanien ist inzwischen bis mindestens zum 11. April verlängert worden – das kann noch heiter werden. So vergehen Tag um Tag recht ereignislos – wäre es wenigstens wärmer und sonniger, könnten endlich mal alle erdenklichen Edelstahlteile an Deck poliert werden, aber so …

Osterausflug

Zum Wochenende bessert sich wenigstens das Wetter: für die Karwoche ist Sonnenschein angesagt, und so holen wir am Samstag den 4. April den Anker auf und machen uns wieder auf den Weg zu einem Ankerplatz mit schönerer Aussicht, nachdem wir in Sant Antoni nochmal Frischvorräte ergänzt haben – sonst dürfen wir ja nirgends an Land …

In der Cala Carbò

Wir fahren etwas weiter nach Südwesten als bei unserem letzten Ausflug; Ziel ist eigentlich die Cala d’Hort in knapp 15 Seemeilen Entfernung, doch weil noch einiger Schwell aus Südwest angelaufen kommt und der angedachte Ankerplatz dagegen recht ungeschützt ist, schauen wir uns schon kurz vorher die Cala Carbò an, welche weniger offen ist. Hübsch ist es da, aber auch recht eng, und der Ankergrund besteht aus großen Steinen – kaum möglich den Anker einzugraben, und genug Kette kann man erst recht nicht stecken, in der Breite hat es kaum 25 Meter bis zu den Felsen. Nun liegen da aber zwei hübsche, leuchtend weiße Muringbojen – im klaren Wasser lässt sich mühelos erkennen, dass diese für schwere Boote ausgelegt und in hervorragendem Zustand sind. Bestimmt gehören sie zu der Villa auf der Anhöhe, aber deren Bewohner dürfen ja eh nicht vorbeikommen – auch Fahrten zum Zweitwohnsitz übers Wochenende sind strengstens verboten … also schanghaien wir uns eine und liegen nun prächtig für die nächsten Tage 🙂

Der perfekte Ibiza-Sonnenuntergang

Vorteil dieses Ankerplatzes ist der unversperrte Blick Richtung Westen – die Sonnenuntergänge an Ibizas Westküste sind nicht grundlos berühmt! Uns war in Sant Antoni schon aufgefallen, dass gegen 20 Uhr die Einwohner von ihren Balkons aus johlen und applaudieren – in Zeiten der totalen Ausgangssperre versucht man wohl wenigstens an einigen Traditionen festzuhalten. Hier ist es vollkommen menschenleer, und die Sonne geht nur für uns unter …

Inzwischen gibt es schon wieder schlechte Neuigkeiten: schon eine Woche vor dem Ablauf des Ausnahmezustandes hat die spanische Regierung gleich mal zwei Wochen nachgelegt. Damit sind wir also mindestens bis zum 25. April interniert 🙁

Norwegische Aussicht: die Islas Vedràs

Am Mittwoch ist nach tagelanger Flaute die See so ruhig, dass wir uns um die Ecke in die Cala d’Hort verholen; hier gibt es viel mehr Platz, besten Sandgrund und … einen tollen Ausblick auf die vorgelagerten Islas Vedràs! Fast 400 Meter hoch ragen deren Felsen steil aus dem Meer – wir fühlen uns doch sehr ans nördlichere Norwegen erinnert! Nur wärmer ist es natürlich – bei ständigem Sonnenschein erreichen die Nachmittagstemperaturen 22° im Schatten, und selbst das Wasser schafft die 18°-Marke – immer noch reichlich frisch, aber nach Wochen ohne Dusche gibt es kein Halten mehr …

So vergehen die Tage bis Ostern, das sonnige, ruhige Wetter bleibt uns erhalten; getrübt wird die Zeit nur von der Nachricht, dass der Premierminister seine Meinung kundgetan hat, die Ausgangssperre müsse wohl noch einmal um weitere zwei Wochen verlängert werden – dies zu kommunizieren, bevor auch nur der aktuelle Zeitraum (der ja die zweiwöchige Verlängerung des ursprünglichen Zeitraums ist) abgelaufen und die ja ohnehin bereits erlassene, vierzehntägige Verlängerung begonnen hat, mutet doch etwas übereifrig an. Überhaupt scheint auch die Polizei beim Verteilen von Strafzetteln mit einem Eifer vorzugehen, welcher das übliche Niveau dieses Berufsstandes deutlich übertrifft; insgesamt können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass ein kleiner Teil der spanischen Bevölkerung geradezu begeistert davon ist, den größten Teil einsperren und verfolgen zu dürfen, von ‘so viel wie eben nötig’ kann hier keine Rede sein (exemplarisch sei hier die Überwachung von völlig entlegenen Gebieten mit Drohnen genannt) – merkt man daran vielleicht, dass mit dem Ideengut der Franco-Diktatur nie richtig aufgeräumt wurde?!?

Und wieder Sant Antoni …

Am Dienstag den 14. April verlassen wir die Cala d’Hort und machen uns wieder auf den Weg nach Sant Antoni – nach 10 Tagen ist der Kühlschrank mal wieder leer, und außerdem ist für die folgenden Tage schlechteres Wetter angesagt.

Am Donnerstag besucht uns ein RIB der Guardia Civil – wir hätten doch kürzlich noch weiter südlich geankert, das ginge so aber nicht, einfach woanders hinzufahren! Wir erklären, dass sich vor einem Monat der Hafenkapitän noch anderweitig geäußert hat – egal, jetzt jedenfalls geht das nicht mehr. Auf die Frage, in wiefern wir zur Verbreitung des Virus beitragen, wenn wir ja eh nicht das Ufer betreten dürfen, verzichten wir gleich – dieser Corona-Wahnsinn hat längst das Stadium verlassen, in dem man Sinnfragen stellen konnte. Nun ist es also amtlich: wir können hier versauern und uns noch wochenlang den menschenleeren Strand von Sant Antoni anschauen – die nächste zweiwöchige Verlängerung des Ausnahmezustandes wird nämlich auch gleich verkündet. Als ziemliche Ironie wirkt dabei doch das Zugeständnis, welches die Regierung dabei für die Kinder gemacht hat: bis zum Alter von 13 Jahren dürfen sie ab der nächsten Woche einen Elternteil auf dem einzig zugelassenen Weg zum Supermarkt begleiten! Nach 6 Wochen Wohnungshaft werden sich die Kleinen sicher sehr über diese Abwechslung freuen …

Wie den Medien zu entnehmen ist, ist auch bei den Spaniern die Begeisterung über die Maßnahmen nicht gerade hoch – einerseits hier auf den Inseln, wo der Virus ja schon praktisch kein Thema mehr ist und man sich eher mit der bevorstehenden Massenarbeitslosigkeit in der völlig vom Tourismus abhängigen Region befasst, andererseits aber auch in Madrid und den anderen Großstädten, wo die Leute nicht verstehen können, warum sie sich zwar zweimal täglich in die überfüllte U-Bahn quetschen müssen, um ihrem Job nachzugehen, aber dann nach Feierabend nicht allein im Wald spazieren gehen dürfen. Tja, wer darin einen Sinn findet, der darf ihn behalten …

Unterdessen hängen wir hier also weiter ab, mit dem abendlichen Applaus als einzige Abwechslung; wie eine gewöhnlich gut unterrichtete Leserin dieses Reiseberichts zu berichten wusste, gibt es diesen inzwischen in ganz Spanien, und wird dort dem Einsatz der Pflegekräfte gewidmet – ob das hier inzwischen auch so verstanden wird, entzieht sich unserer Kenntnis, aber in jedem Fall wurde in Sant Antoni auch schon vor Corona-Zeiten allabendlich dem Sonnenuntergang zugejubelt, im Sommer von mehreren tausend Menschen, die sich am Sunset Strip, dem Westufer der Stadt, versammeln; vielleicht war das ja sogar die Inspiration zum jetzigen, landesweiten Event. Die Pflegekräfte auf Ibiza haben jedenfalls mangels Coronapatienten nicht besonders viel zu tun (momentan gelten noch 63 Menschen auf Ibiza und Formentera als infiziert, bei 160.000 Einwohnern) …

Schlimmer geht immer

Am Freitag den 24. April erwartet uns eine neue Überraschung: die Guardia Civil besucht uns und teilt mit, dass wir bis Montagmorgen die spanischen Gewässer verlassen haben müssen, ansonsten droht eine Geldstrafe von 30.000 Euro – ja, genau die gleiche Polizei, die seit knapp 6 Wochen sagt, dass wir auf keinen Fall wegfahren dürfen. Dass dies praktisch unmöglich ist, stört dabei offenbar wenig …

Nun, was tut man in so einem Fall: man wendet sich an das Deutsche Konsulat in Palma – die sind doch dafür da, die Interessen von Bundesbürgern im Ausland zu vertreten, oder? Dort ist man aber erst mal ganz anderer Ansicht und gibt den hilfreichen Rat, man möge sich an einen spanischen Anwalt wenden und vor dem obersten Gerichtshof auf die Einhaltung von EU-Rechten klagen. Ganz anders die Reaktion beim nächsten Anruf beim Auswärtigen Amt in Deutschland: doch, natürlich würde man helfen! Allerdings hat man dann intern den Fall wieder nach Palma weitergereicht, worauf sich die dortige Leiterin gemeldet und in der Folge ein mehrtägiges Lehrstück darüber abgeliefert hat, wie ein kaiserlich-preußischer Beamte den Bürger auflaufen lässt, wenn dieser zu lästig wird. Nun, Leiterin und Stellvertreter des Deutschen Konsulats in Palma haben sich mit jeder Beschreibung spottender Arroganz den unangefochtenen Spitzenplatz auf der Liste derjenigen Staatsdiener erkämpft, für die jeder Cent der gezahlten Steuern verschwendet ist.

Einziger Lichtblick ist das holländische Boot, welches 100 Meter entfernt ankert: die haben ebenfalls ihre Botschaft kontaktiert und eine völlig verschiedene Auskunft bekommen: selbstverständlich werde man sich der Sache annehmen, sie sollten sich keinerlei Sorgen machen, und auf keinen Fall in See stechen und irgendein Risiko eingehen. Der Hinweis darauf an die deutschen Diplomaten und der Vorschlag, man könne doch mit den holländischen Kollegen Kontakt aufnehmen und an einem Strang ziehen, wurde abschlägig beantwortet: dazu habe man keine Veranlassung. Also, unsere letzten Hoffnungen ruhen auf unseren freundlichen Nachbarn im Westen, die das Gutsherrentum nicht nur der Form nach abgelegt haben …

Phasenweise Lockerungen

Tatsächlich beruhigt sich die Lage wieder, und das ausschließlich Dank des Einsatzes der niederländischen Botschaft: nachdem der Botschafter persönlich tagelang versucht hat, einen Vertreter der lokalen Hafen- oder Polizeibehörde ans Telefon zu bekommen (die sich teilweise auf geradezu komödiantisch anmutende Weise von ihren Sekretärinnen haben verleugnen lassen), ist auf einmal keine Rede mehr von Ausweisungen oder Geldstrafen – das Boot der Guardia Civil schaut noch einmal vorbei, sieht aber gar kein Problem mehr, und danach lassen sie sich die Beamten kein einziges Mal mehr blicken … wieviel man als offizieller Landesvertreter mit nichts weiter als einem Telefon erreichen kann, ist doch erstaunlich – und demaskiert die Aussage der deutschen Amtskollegen ‘wir können nichts für sie tun’ als eben die dummdreiste Lüge, die sie ist.

Unterdessen stellt der spanische Premierminister einen stufenweisen Plan vor, wie man bis zur Phase 3 schrittweise das Leben im Land wieder zulassen will – und damit das auch ja nicht zu schnell geht, fängt man bei Null an zu zählen … aber selbst die ‘Phase 0’ bringt für die Menschen schon Fortschritte: man darf erstmals seit fast zwei Monaten wieder einen Spaziergang an der frischen Luft unternehmen, wenn auch nur in einem engen Radius um die Wohnung und zu festgesetzten Zeiten – aber auf einmal sieht man wieder Menschen (ohne Hund) auf der bislang wie ausgestorben wirkenden Insel.

Zum zweimonatigen Jubiläum des Ausnahmezustandes wird dann sogar wieder das Sporttreiben erlaubt, und theoretisch dürfte man in diesem Rahmen auch sein Segelboot benutzen – für Tagesausflüge im Gebiet der Heimatgemeinde. Nun, was immer das für ausländische Boote bedeutet, zunächst mal ist das Wetter zu instabil, um darüber auch nur nachzudenken, bis zu 35 Knoten Wind schütteln die Ankerlieger ordentlich durch, aber zum Wochenende des 16./17. Mai beruhigt sich das Wetter, und die Wettervorhersagen künden davon, dass der Sommer da ist: soweit man blicken kann nur Tage mit 14 Sonnenstunden, 28 Grad im Schatten und laue Winde. Ab Montag den 25. soll die Phase 2 beginnen und wieder die Überfahrt nach Mallorca erlauben, wovon wir natürlich Gebrauch machen wollen – ob wir die Woche bis dahin schon nutzen, um uns still und heimlich in kleinen Schritten entlang der Küste nach Norden vorzuarbeiten? Falls die Polizei vorbeikommt, können wir ja die niederländische Gastlandflagge als Nationale setzen, und sie werden einen großen Bogen um uns machen 😉

Aufbruch

Am Montag den 18. Mai ist es tatsächlich soweit: wir verlassen die Bucht von Sant Antoni! Zusammen mit zwei anderen Booten machen wir uns auf den Weg zum Nordende der Insel, um bei günstiger Wetter- und Gesetzeslage die Überfahrt nach Mallorca vorzubereiten.

Cala Salada, ein kleines Paradies direkt neben Sant Antoni

Zunächst geht es nicht gerade weit, in der gut 3 Seemeilen entfernten Cala Salada werfen wir den Anker; doch obwohl Sant Antoni noch so nah ist, sind wir in einer anderen Welt: völlig klares Wasser, Natur, keine Plattenbauten. Wir trauen uns einen – außerhalb der Zeitfenster am Morgen und Abend – noch immer illegalen Spaziergang zu machen, da auch einige Einheimische verbotenerweise die Strände nutzen. Am Nachmittag -glücklicherweise wieder zurück an Bord – erleben wir dann ein besonderes Schauspiel: an Land tauchen drei Beamten der Guardia Civil  auf und beginnen, die Personalien der Anwesenden aufzunehmen – neue Einnahmen für die Staatskasse. Am entfernten, von einem felsigen Abschnitt getrennten Bereich des Strandes bekommen die Natursuchenden dies mit und versuchen sich aus dem Staub zu machen, worauf die Polizisten in einer filmreifen Aktion ausschwärmen und versuchen, den Flüchtenden den Weg abzuschneiden – das muss schließlich geahndet werden, man bedenke, wieviel kriminelle Energie dahintersteckt, sich nach neunwöchigem Aufenthalt in einer kleinen Plattenbauwohnung einfach so an den Strand zu begeben! Wir jedenfalls haben vom Boot aus den perfekten Überblick, beobachten die Bewegungen oben auf den Felsen und geben den Flüchtenden Zeichen, in welche Richtung sie laufen müssen, um ihren Verfolgern zu entgehen. Tatsächlich gelingt dies auch einer Gruppe, die sich hinterher herzlich bedankt. Nach Abzug der Beamten gehört der Strand wieder den Senioren und Hundebesitzern, für die er um diese Zeit reserviert ist, sprich: er ist menschenleer.

Die ‘Orion’ kann noch segeln!

Am Dienstag weht ein schöner Südwest, und wir legen ein längeres Stück entlang der Küste zurück, volle 12 Seemeilen diesmal, und richtig unter Segeln – was für ein tolles Gefühl, nach zwei Monaten Zwangspause wieder den Gennaker leuchten zu sehen! Am Nachmittag erreichen wir den Puerto de Sant Miquel, anders als der Name vermuten lässt kein Hafen, sondern eine große, gut geschützte Bucht. Hier gibt es strandnah ein paar große Hotelburgen (ausgestorben, versteht sich), in jeder anderen Richtung ist es aber rundherum recht hübsch. Auch hier erwandern wir die Umgebung, sehen aber keine Polizei mehr – offenbar sind wir nun weit genug von den ‘Städten’ entfernt.

Das Wetter ist einfach traumhaft: in der Sonne sehr warm, nachts aber noch angenehm kühl, makellos blauer Himmel und 23° warmes Wasser. Einzig wie es weitergehen soll ist immer noch unsicher: zum einen ist es wenige Tage vor Beginn der Phase 2 immer noch nicht klar, ob es dann erlaubt sein wird, nach Mallorca überzusetzen, zum anderen soll der Wind pünktlich zum 25. auf Nordost drehen und dabei auf längere Sicht bleiben – Gegenwind, was sonst.

So sieht gutes Wetter aus – das Meer vor Puerto de Sant Miquel

Nach zwei Nächten verholen wir uns ein kleines Stück in die nächste Ankerbucht, die Cala Es Canaret; laut Revierführer einer der schönsten Ankerplätze auf Ibiza, die wir auf dem Hinweg Mitte März leider auslassen mussten, weil die See zu unruhig für den eher offenen Ankerplatz war. Nun sieht es ganz anders aus: es weht kaum ein Lüftchen, und das Mittelmeer liegt spiegelglatt vor uns.

Abendhimmel über der Cala Es Canaret

Tatsächlich ist der Ort einfach traumhaft: die Farben des Wassers und der Felsen, die Umgebung (keine Hotels, eine einzige Luxusvilla stellt die einzige Bebauung dar), die das Boot umspielenden Fischschwärme, das Vogelgezwitscher, die Aussicht … besser geht es kaum noch! Einzig allein die Mobilfunkabdeckung lässt zu wünschen übrig, was für das Einholen neuerer Wettervorhersagen etwas nachteilig ist, daher verlassen wir schweren Herzens am Samstag wieder dieses kleine Paradies und fahren ins zwei Seemeilen entfernte Portinatx, welches wir auf dem Hinweg schon besucht haben.

Cala Es Canaret – wirklich der schönste Ankerplatz, den wir auf Ibiza erleben durften
Magische Lichtstimmung in den Grotten

Tatsächlich haben in Portinatx inzwischen ein paar Restaurants und ein Minimarkt den Betrieb aufgenommen, so dass der Ort etwas belebter wirkt als auf dem Hinweg. Nach wie vor weht aber Nordostwind, was für die Überfahrt nach Mallorca denkbar ungünstig ist, so dass wir erst mal hier verweilen. Wir erfreuen uns am nach wie vor traumhaften Wetter, unternehmen Ausflüge mit dem Dinghi in nahegelegene Grotten und hängen ansonsten einfach ab. 

Endlich wieder Leben am Strand von Portinatx!

Am Montag den 25. treten die Balearen in die Phase 2 der Corona-Exit-Strategie ein; nun ist erstmals seit 10 Wochen wieder das Baden im Meer erlaubt, und augenblicklich wandelt sich der Anblick des Strandes: statt ausgestorben vor uns zu liegen, erfüllen nun wieder die Rufe planschender Kinder die ganze Cala. Für die Einheimischen bietet sich eine besondere Situation: zwar sind die meisten von existenziellen Nöten bedroht, dafür haben sie aber erstmals seit vielen Jahrzehnten den Strand für sich alleine. Wir freuen uns mit den Menschen, die endlich wieder in die Freiheit entlassen wurden!

Diese Freiheit erstreckt sich freilich nur auf die Insel, Reisen auf die Nachbarinsel sind nach wie vor untersagt (damit wir auch ja nicht den Virus vom inzwischen völlig coronafreien Ibiza auf das nahezu coronafreie Mallorca tragen); wir wollen aber den für Mittwoch angesagten, halbwegs brauchbaren Wind nutzen und einen Ausbruchversuch unternehmen, zusammen mit der niederländischen ‘Blitz’ – wenn uns die Polizei anhält, wird deren Flagge sie hoffentlich in die Flucht schlagen 😉

Auf Mallorca (10.02. – 11.03)

Überfahrt

Am frühen Montagmorgen ist es endlich soweit: der Kapitän des Saugbaggers fährt in einem kleinen Boot voraus und weist uns den Weg durch die schmale Rinne, welche aus dem Hafen von El Masnou führt. Glücklicherweise hat sich die Richtung, aus der die Wellen anlaufen, etwas geändert, so dass sich die See nicht mehr auf ganzer Breite der Einfahrt an der Sandbank bricht. Vorsichtig tasten wir uns voran, und tatsächlich schaffen wir es, ohne Grundberührung tieferes Wasser zu erreichen – was für eine Erleichterung! Der freundliche Baggerkapitän bekommt noch eine Flasche Wein hinübergereicht, und dann zeigt der Bug Richtung Mallorca 🙂

Wenigstens für den Vormittag ist eigentlich eher schwächerer Wind angesagt, was ideal zum Ausprobieren des neuen Code Zero sein sollte; aber schon beim Setzen des Großsegels sind es schon 12 bis 15 Knoten, so dass wir doch erst mal nur Klüver- und Kuttersegel dazunehmen. Wie sich 10 Minuten später zeigt, eine gute Entscheidung: es bläst munter mit 25 Knoten und mehr – Windstärke 6, in Böen 7. Definitiv zu viel für das Leichtwindsegel – und eigentlich auch schon für das gesetzte Vollzeug, aber was soll’s, die ‘Orion’ hat ja genug Ballast im Kiel … so rauschen wir also auf perfektem Halbwindkurs mit über 7 Knoten durchs Wasser – endlich wieder!

Entsprechend werden auch die Wellen langsam höher – die Vorhersage sprach von einem Meter signifikanter Höhe, aber die haben wir schon lange überschritten. Wind und Wellen erreichen ihr Maximum am frühen Nachmittag, als wir im Bereich der Schelfkante segeln, wo die Wassertiefe schnell von unter 100 auf über 1500 Meter abfällt; wir haben inzwischen die Segelfläche reduziert, um nicht ganz so sehr auf der Seite zu liegen, und auch, um nicht zu früh anzukommen – eine Erfahrung, die man auf einem schweren Langkieler nicht so häufig macht 😉 Aber die Strecke bis zum Cap de Formentor, der Nordostspitze Mallorcas, beträgt nur 100 Seemeilen – zu viel, um es selbst bei günstigsten Bedingungen im Laufe eines Tages zu erreichen, aber wenig genug, um bei solchen Geschwindigkeiten mitten in der Nacht anzukommen, und das wollen wir vermeiden. Die letzten Wolken haben sich unterdessen verzogen, die Sonne strahlt, die Wellen glitzern – was will man mehr!

Sonnenuntergang auf halber Strecke nach Mallorca

Am frühen Abend beruhigen sich Wind und Wellen, es weht nur noch mit knapp 20 Knoten (5 Beaufort), und die Wellen bewegen sich nun im Bereich der vorhergesagten Verhältnisse; es bleibt bei einem gemäßigten Amwindkurs, und aufgrund des aufgebauten Vorsprungs können wir nur mit Großsegel ruhig durch die Nacht fahren. Es bietet sich uns ein phantastischer Sonnenuntergang dar, wie so oft weit draußen auf See; der darauf folgende Sternenhimmel steht dem in nichts nach, und bald steht im Süden der Orion am Himmel, und wir rauschen durch die Nacht auf unseren Namensgeber zu.

Magisch: Cap de Formentor im ersten Licht des neuen Tages

Mit dem ersten Licht der Morgendämmerung erreichen wir das Cap de Formentor, sein Leuchtturm hat uns schon seit Stunden den Weg gewiesen. Hoch ragt die bergige Nordküste der Insel auf, und das fahle Licht schält die Klippen wie magisch aus der Dämmerung – für solche Momente lohnen sich die Strapazen einer Nachtfahrt!

Kaum im Windschatten des Kaps hat es sich mit dem Wind natürlich erledigt; wir motoren also noch über die Bucht von Pollença und legen um 10 Uhr an der Mole von Puerto de Bonaire an, um dort ein frischen Brot fürs Frühstück zu kaufen. Ein Mann auf der Mole spricht uns an – auf Deutsch natürlich, damit wir auch wissen, dass wir auf Mallorca sind 🙂 Er klärt uns auf, dass der kleine Supermarkt im Ort nur in der Saison geöffnet ist – bietet sich aber gleich an, uns eben nach Alcúdia zu fahren. Das ist echt nett, und rettet das Willkommensfrühstück!

Ausblick vom Ankerplatz vor Bonaire

So können wir also bald wieder ablegen und ein paar hundert Meter vor der Hafeneinfahrt vor der Playa de Sant Joan auf 3 Meter Wassertiefe über reinem Sandgrund den Anker fallen lassen. Das Wasser ist kristallklar, man meint die Sandkörner zählen zu können; inzwischen ist es 11 Uhr, und die Sonne entwickelt eine enorme Kraft, es wird richtig warm; Kaffee, Brot, Eier und Orangensaft schmecken hervorragend – wir sind definitiv angekommen!

Port de Pollença
Im Hafen von Port de Pollença

Nach einer relativ ruhigen Nacht vor Anker (erst am frühen Morgen kommt etwas Schwell aus Nordost auf) begrüßt uns der neue Tag etwas bewölkt: überm Ligurischen Meer befindet sich ein kleines Randtief, ein Ausläufer des Sturmtiefs, das am vergangenen Wochenende Nord- und Mitteleuropa heimgesucht hat; dieses drückt eine kleine Delle in unser schönes Azorenhoch und ist auch für den Schwell verantwortlich, aber der Effekt ist nur sehr vorübergehend. Dennoch verholen wir uns für den Rest des Tages und die kommende Nacht in den Hafen von Port de Pollença, bei Nordost findet sich in der ganzen Bucht kein vernünftiger Schutz, und eine Dusche ist ja auch nicht zu verachten …

Zahlreiche Havaristen liegen am Strand

Ein Teil des Hafens wird von der Hafenbehörde der Balearen verwaltet, hier kommt man deutlich günstiger unter als in den privaten Marinas; in der Nebensaison zahlen wir keine 23 € pro Nacht, das ist für mallorquinische Verhältnisse äußerst günstig. Der Hafen ist freundlich und modern ausgestattet, der kleine Ort wirkt zu dieser Jahreszeit recht verschlafen, bietet aber gute Einkaufsmöglichkeiten. Beim Rundgang entdecken wir am Strand zahlreiche gestrandete – und zum Teil schwer beschädigte und vollgelaufene – Boote, die sich während des schweren Sturms ‘Gloria’ vor gut drei Wochen von ihren Murings losgerissen haben; ein schlimmer Anblick! Da sind wir mit unserer Sandbank vor El Masnou ja noch glimpflich davongekommen …

Am Donnerstag ist es mit dem Nordost wieder vorbei, die Bewölkung lockert auch schon wieder auf; wir verlassen den Hafen und ankern die kommende Nacht eine knappe Seemeile entfernt direkt vorm Strand, kaum eine Kabellänge vom Übungsparcours einiger Jollen entfernt, die fleißig den schwachen Wind mit dem Spinnaker einfangen.

Cala Murta

Für Freitag und das Wochenende ist Traumwetter angesagt, bis 21° und strahlender Sonnenschein; dafür haben wir uns eine schöne Ankerbucht gleich vorm Cap de Formentor ausgesucht. Freitagmorgen ist aber von der Sonne nichts zu sehen, im Gegenteil: dichter Nebel hüllt die gesamte Bucht von Pollença ein, wir können den Strand nicht mehr sehen. Wir warten noch ein paar Stunden ab, aber als es nicht besser wird, brechen wir trotzdem auf, um die 6 Seemeilen bis zum Ankerplatz unter vorsichtiger Motorfahrt zurückzulegen. Tatsächlich reißt es kurz vor Erreichen der Küste etwas auf, so dass wir mit akzeptabler Sicht in die Cala Murta einlaufen und einen Sandfleck zum Ankern aussuchen können. Viel Platz ist hier nicht gerade, die Cala ist vielleicht 50 Meter breit; wir bringen zusätzlich den Heckanker aus, um das Schwojen den Bootes zu begrenzen.

In der Cala Murta

Das Wasser der Cala ist schon fast unwirklich klar, so als wäre es gar nicht vorhanden, der Grund unter der ‘Orion’ besteht aus fast weißem Sand, zum Strand hin von Felsen durchsetzt; in reinem Türkisblau leuchtet es um uns herum.

Nach einer ruhigen Nacht setzt sich am Samstag endlich die Sonne durch; wir setzen mit dem Dinghi zum Kieselstrand über und unternehmen eine kleine Wanderung. Der Weg führt hinauf zur Straße, welche den Leuchtturm am Cap de Formentor mit dem Landesinneren verbindet, und über diese hinweg zu einer Bucht an der Nordseite der Halbinsel, der Cala Figuera.

Wir laufen im strahlenden Sonnenschein durch Pinienwälder und über Bergflanken, die Landschaft bildet einen tollen Kontrast mit dem tiefblauen Himmel – hier ist es wirklich schön! Die Temperaturen erreichen zwar nicht die angekündigten Werte, aber das macht nichts, in der Sonne ist es dennoch herrlich warm; wir beschließen den Tag entsprechend mit dem ersten Grillabend der Saison.

Blick über die Cala Figuera

Am Sonntag hat es die Sonne wieder etwas schwerer, sich durchzusetzen, erst am Nachmittag hat sie die Wolken verscheucht; wir genießen die Ruhe an unserem Ankerplatz, die nur ab und an von Wanderern oder einem Motorboot mit Ausflüglern unterbrochen wird, die sich aber selten länger als eine Viertelstunde in der Cala aufhalten. Ansonsten haben wir den Ort für uns allein – abgesehen von einer Herde liebreizender Esel, die sich ab und zu am Strand blicken lassen.

Port d’Alcúdia

Am Montagvormittag verlassen wir nach drei Tagen die Cala Murta, denn für die kommende Nacht ist viel Wind und Schwell angesagt. Wir segeln 15 Seemeilen gen Süden bei 8-12 Knoten Wind in die Bucht von Alcúdia – Amwindkurs, endlich eine Gelegenheit, den neuen Code Zero mal zu testen! Tatsächlich macht sich das Leichtwindsegel gut, es steht faltenfrei und verleiht uns immerhin 3 bis 4 Knoten Fahrt – bei solchen Bedingungen kämen wir mit unseren schweren Standardsegeln kaum voran, und der leichte Gennaker ist nur bei achterlichem Wind zu gebrauchen.

In Port d’Alcúdia

Am Nachmittag erreichen wir die Marina von Port d’Alcúdia und nutzen die letzten Sonnenstrahlen für einen Rundgang durch den Ort. Alles etwas größer als in Port de Pollença, aber auch hier eher gepflegte Hotels als entsetzliche Bausünden – wir sind positiv überrascht!

Am Abend zieht es sich zu, und der angekündigte Nordnordost setzt ein; am nächsten Morgen ist es aber auch schon wieder vorbei, die Sonne versucht tapfer, die Wolken zu verdrängen, und wir richten uns darauf ein, die Marina auch schon wieder zu verlassen.

Allzu weit haben wir es aber nicht – gleich um die nächste Ecke gibt es einen netten Ankerplatz vorm Strand von Alcanada, wo wir die kommende Nacht verbringen.

Cala Pi de la Posada

Mittwochmorgen begrüßt uns strahlender Sonnenschein – so muss das! Wir machen uns am späten Vormittag auf den Weg zurück in die Bucht von Pollença; da es nicht weit ist, versuchen wir mit dem wenigen Wind noch zu segeln. Dummerweise kreuzen wir dabei vorm Cap de Pinar weit Richtung Osten heraus, als plötzlich Wind aufkommt – exakt vor vorne, natürlich. So muss dann doch noch der Motor mithelfen, um unser Ziel, die ausgedehnte Bucht Cala Pi de la Posada kurz vor Port de Pollença, noch bei gutem Licht zu erreichen – was wichtig ist, um die Beschaffenheit des Grundes gut beurteilen zu können,  in der gesamten Bucht besteht nämlich eigentlich ein Ankerverbot zum Schutz der Neptungraswiesen (Posidonia oceanica). In der Saison werden (selbstverständlich kostenpflichtige) Muringbojen ausgelegt, so früh im Jahr fehlen diese jedoch noch; umso wichtiger ist es, darauf zu achten, Anker und Kette auf Sandgrund und nicht in die Neptungraswiesen zu legen.

Traum in Blau – Cala Pi de la Posada

Am Ankerplatz genießen wir noch die Stunde um Sonnenuntergang, bevor wir eine ruhige Nacht in der von pinienbewachsenen Berghängen umschlossenen Bucht verbringen. 

Der nächste Tag beginnt schon mit wolkenlos blauem Himmel; wir verbringen den ganzen Tag vor Anker und genießen das schöne Wetter. Die Luft ist mit etwa 16 Grad noch eher kühl, aber in der Sonne ist die  Badehose völlig angemessen. Vom Ankerplatz bietet sich ein herrlicher Panoramablick über die Badia de Pollença mit der Ila de Formentor im Vorder- und dem Bergrücken des Penya des Migdia (354 m) im Hintergrund, das Blau des Himmels und des Wassers strahlen um die Wette – so kann man es aushalten! Gerne verbringen wir auch noch eine weitere Nacht an diesem schönen Ort, bevor wir am folgenden Morgen in den nahegelegenen Hafen von Port de Pollença verholen.

Landgang
Ausblick vom Mirador d’es Colomer

Die nächsten Tage verbleibt die ‘Orion’ im Hafen von Port de Pollença, und wir erkunden das Inselinnere mit dem Mietwagen. Der erste Ausflug führt über die in den 1930er Jahren errichtete Straße zum Cap Formentor; diese führt auf geradezu atemberaubende Weise (für Menschen mit Höhenangst nicht zu empfehlen!) entlang der steilen Bergflanken und bietet hinreißende Panoramablicke über die wilde Gebirgslandschaft und das tiefblaue Meer.

Vom gleichen Straßenbauingenieur, Antonio Paretti, stammt auch die Straße nach Sa Calobra durch die Serra de Tramuntana, welche wir am nächsten Tag bewundern dürfen – eine großartige Leistung, diese Folge von Serpentinen ohne Hilfe von Maschinen in der abweisenden Umgebung zu errichten! Beim Nus de sa Corbata (‘Krawattenknoten’) überquert sich die Straße in einer 270°-Kurve sogar selbst; ein kleiner Parkplatz ermöglicht es die Aussicht zu genießen, die wahrlich unvergesslich ist.

Am Nus de sa Corbata
Cala de Sa Calobra

Am Ende der Straße gelangt man zum winzigen Ort Sa Calobra, welcher bis zur Fertigstellung der Straße 1932 nur auf dem Seeweg oder über steile Bergpfade zu erreichen war; heute ist der Ort das Ziel zahlreicher Touristen und selbst Ende Februar schon gut besucht …

Neben beeindruckenden Berglandschaften bietet Mallorca auch zahlreiche sehenswerte Ortschaften: wir besuchen Selva, Pollença, Artà, Capdepera und Binissalem; überall finden wir schöne alte Häuser, malerische enge Gassen und freundliche Plätze mit regem Straßenleben. Die Mischung aus römischen und maurischen Einflüssen auf Architektur und Stadtplanung hat ihren besonderen Reiz, und dass vielerorts die Zeit stillzustehen scheint, trägt zum Gesamterlebnis bei.

Immer wieder zieht es uns aber in die Serra de Tramuntana, die vom höchsten Berg Mallorcas, dem 1445 Meter hohen Puig Major, gekrönt wird; die Sonne strahlt Tag für Tag, die Temperaturen sind perfekt zum Bergwandern geeignet, und die Luft duftet nach Rosmarin und Pinienwäldern – hier findet man so viel mehr als Pauschalhotels und Badestrände!

Panoramablick vom Castell d’Alaró (825m) über die Serra de Tramuntana
Es geht weiter

Am Mittwoch lassen wir in Port de Pollença noch einen kleinen Sturm durchziehen, aber am Donnerstag verlassen wir dann den sympathischen Hafen und machen uns daran, die Insel zu umrunden. Zunächst weht noch sehr viel weniger Wind als angekündigt, bis in die Bucht von Alcúdia müssen wir motoren; zum Ausgleich kommt dann umso mehr Wind auf, von vorne natürlich: innerhalb einer Stunde bläst es uns mit 6 bis 7 Beaufort ins Gesicht. Wir kreuzen viele Stunden geduldig gegenan, mit dem zweiten Reff im Groß und Kuttersegel kommen wir durchaus noch vorwärts, nur anstrengend ist es natürlich; erst gegen 19 Uhr finden wir nach 37 Seemeilen  vorm Strand von Cala Millor einen Ankerplatz, der halbwegs Schutz vor den inzwischen ganz beachtlichen Wellen aus Südwest bietet.

Vor Anker in der Cala Mitjana

Am frühen Morgen dreht aber der Wind auf Nordost, und es hat sich mit dem Schutz schnell erledigt; wenigstens können wir nun mit raumem Wind bequem segeln, und so erreichen wir schon gegen Mittag den nächsten Ankerplatz, die völlig im Land eingeschlossene Cala Mitjana. Nicht gerade geräumig, wir legen uns zwischen Bug- und Heckanker, aber ein wahrhaft paradiesischer Platz: zerklüftete Felsen, weißer Sandgrund, türkisfarbenes Wasser und an Land ein ausgedehntes Anwesen, für das die gesamte Umgebung zu einem mediterranen Landschaftsgarten wie aus dem Bilderbuch gestaltet wurde. Ja, so könnte man wohl wohnen – nun, wir können es immerhin für eine Nacht 🙂

Malerisch: Cala Figuera

Am Samstag segeln wir noch ein kleines Stück weiter bis Cala Figuera; hier müssen wir erst mal ein paar Tage pausieren, denn der nächste Sturm steht vor der Tür: bei Windvorhersagen von 40 bis 50 Knoten und 4 Meter charakteristischer Wellenhöhe wollen wir lieber nicht auf See sein.

Blütenpracht bei Santanyi

Der kleine Fischerhafen sollte eigentlich auch über einen Supermarkt verfügen, aber der hat noch Winterpause; so laufen wir am Samstagnachmittag ins 6 Kilometer entfernte Santanyí, um Frischvorräte einzukaufen und die Landschaft anzuschauen, welche sich hier eher flach und unspektakulär gibt, aber dafür Blumenwiesen in einer Pracht und Dichte bietet, wie wir sie selten gesehen haben.

Die See brandet in der Einfahrt zur Cala Figuera

Die folgenden Tage zeigen aber auch mal wieder, wie nahe beim Segeln die außergewöhnlich schönen Erlebnisse und die Tage, an denen man ernsthaft über ein anderes Hobby nachdenkt, beieinanderliegen: während wir auf eine Möglichkeit zur Weiterreise warten und der Wind immer mehr zunimmt, wird die Situation im Hafen immer unerträglicher. Mehr und mehr Schwell arbeitet sich in die Cala und lässt die ‘Orion’ wie wild an ihren Festmachern zerren, während der Wind in Sturmstärke im Rigg pfeift. Die erste Nacht ist schon schlaflos und kostet einem Festmacher mit Gummiruckdämpfer das Leben, in der zweiten wird es so schlimm, dass wir uns um 2 Uhr in der Frühe auf die andere Seite der Mole zwischen die Fischerboote verholen – glücklicherweise bestätigt der Hafenmeister am nächsten Morgen wenigstens, dass wir dort bleiben dürfen, von ruhiger Lage kann aber auch hier keine Rede sein … und dafür zahlt man auch noch Geld!

Damit haben wir aber noch nicht das Ende unserer Schwierigkeiten in Cala Figuera erreicht: am Dienstagmorgen schrammt ein ablegendes Fischerboot an unserem Heck vorbei und rasiert den Flaggenstock ab. Der Hafenmeister empfiehlt, auf die Rückkehr des Bootes zu warten und dann die Schadensregulierung mit dem Kapitän zu kläre, warnt aber gleichzeitig, dieser sei nicht so ganz zurechnungsfähig … diese Einschätzung finden wir leider am Nachmittag bestätigt: statt sich zu entschuldigen, erweist sich der Fischer als Psychopath erster Güte und droht damit, noch mehr Schaden anzurichten. Wir haben die Wahl, die Polizei zu rufen oder den Hafen vorm Ablegen der Fischerboote zu verlassen – wir wählen letztere Möglichkeit und legen am Mittwoch um kurz nach 3 Uhr in der Frühe ab, als sich der tagelange Sturm endlich gelegt hat.

Palma
Hafen und Kathedrale von Palma

Die Wellen sind noch ganz schön beachtlich, aber glücklicherweise nicht so kurz, und so kommen wir gut voran und erreichen wir am späten Mittag nach 38 Seemeilen Palma, die Inselhauptstadt. Schon aus der Ferne begrüßt einen die beeindruckende Kathedrale über dem sehr ausgedehnten Hafen – neben den Fähr- und Frachthäfen bieten hier 9 (!) Yachthäfen ihre Dienste an. Für einige davon sind wir mindestens 50 Meter zu kurz, und die meisten wollen wir nicht bezahlen; lediglich eine Marina, die als Heimatbasis für Charterboote errichtet wurde, füllt ihre in der Woche leerstehenden Plätze zu akzeptablen Tarifen mit Gastliegern auf. Da in den folgenden Tagen schon wieder Starkwind von 30 bis 40 Knoten angesagt ist, buchen wir uns für 4 Nächte ein und besuchen in den folgenden Tagen die Stadt.

La Llotja de Palma

Nach der Eroberung durch die Römer 123 v. Chr. war Palma über 5 Jahrhunderte wichtige Hafen- und Handelsstadt, bis die Stadt nach dem Untergang des römischen Reiches mehr und mehr an Bedeutung verlor und schließlich 903 unter maurische Herrschaft geriet. Dies führte zu einer Wiederbelebung unter islamischer Ausrichtung, bis die ganze Insel 1229 zurückerobert wurde. Zunächst ein eigenständiges Königreich, dann zu Aragon und schließlich zu Spanien gehörend, stellt heute – natürlich – der Tourismus das wirtschaftliche Fundament Mallorcas dar.

Kathedrale ‘La Seu’

Neben der Kathedrale gibt es im Stadtbereich 31 weitere Kirchen und unzählige andere historische Bauten, wie den königlichen Palast, das Rathaus und die direkt vor der Marina gelegene, 1447 vollendete Seehandelsbörse Llotja de Palma; aber auch die engen, verwinkelten Gassen der Altstadt sind einen Besuch wert, und die vielen einladenden Restaurants (wir probieren eine köstliche Paella) und Cafés sowieso!

Cala Portals

Am Sonntag hat sich der Wind endlich gelegt, und wir können weiter; leider hat er sich so gründlich gelegt, dass wieder der Motor läuft: es scheint nur noch zu viel Wind oder gar keinen wind zu geben. Zu viel Strecke nehmen wir uns unter diesen Bedingungen nicht vor, nach nur 10 Seemeilen werfen wir in der Cala Portals den Anker.

Cala Portals

Hier ist ganz schön was los: rund ein Dutzend Motor- und Segelboote ankern über die Bucht verteilt, und zahlreiche Sonnenhungrige liegen auf den warmen Felsen rund herum. Ach richtig, es ist Sonntag! Um 17 Uhr verlässt dann auch ein Boot nach dem anderen die Cala, bis wir schließlich allein sind.

In den Höhlen

Da wir auf passendes Wetter für die Überfahrt nach Ibiza warten und es uns in der Cala gut gefällt, bleiben wir gleich drei Nächte. So bleibt auch Zeit, eine kleine Wanderung entlang der Ufer der mehrarmigen Bucht zu unternehmen; dabei erkunden wir beeindruckend große Höhlen, die offenbar seit alter Zeit genutzt und erweitert wurden – ein kleines Abenteuer!

Port d’Andratx
Cap de Cala Figuera

Am Mittwoch den 11. März ziehen wir schließlich weiter zum Hafen von Andratx – bevor wir nach Ibiza übersetzen wäre eine Dusche ganz angenehm. Leider gibt es zwei unangenehme Überraschungen: zunächst weht der angekündigte Wind nicht, so dass wir weitere 12 Seemeilen motoren müssen (okay, das ist eigentlich keine Überraschung mehr), und dann sind die Duschen noch bis Freitag nicht zugänglich wegen Reparatur – dumm gelaufen. Bleibt nur, den Ort anzuschauen und ein paar Einkäufe zu erledigen.

Port d’Andratx

Port d’Andratx wirkt sehr sauber und schick – kein Wunder, wohnt hier doch ein guter Teil der ‘Prominenz’. Man versucht sich deutlich vom Billigtourismus abzuheben, große Hotels sucht man hier vergeblich, dafür finden wir eine Menge Restaurants, Einrichtungsgeschäfte, Boutiquen und nicht zuletzt Immobilienmakler, die ihre Dienste ausschließlich auf Deutsch bewerben … alles klar. Die Lage des Ortes in einer großen, geschützten Bucht, offen zum Sonnenuntergang und mit bewaldeten Bergen im Hintergrund ist aber wirklich ganz reizvoll; wer gerade ein paar Millionen für eine Finca anzulegen hat, sollte Andratx ruhig in Erwägung ziehen.

 

(Fehl-)Start in die neue Saison (13.01. – 09.02.)

Zurück in El Masnou

Am 13. Januar landen wir wieder in Barcelona und erreichen nach kurzer Fahrt mit dem Zug El Masnou; erfreut stellen wir fest, dass es der ‘Orion’ gut ergangen ist, sie liegt da wie vor einem Monat 🙂

Der Dienstagmorgen begrüßt uns mit dem Wetter, welches wir zu Hause vermisst haben: wolkenlos blauer Himmel und in der Mittagssonne T-Shirt-Temperaturen, es fühlt sich an wie Frühling. Wir nutzen in den nächsten Tagen das schöne Wetter für eine ganze Reihe von Arbeiten am Boot: für den Gennaker und den neuen Code Zero muss noch eine Aufnahme am Bugspriet vorbereitet werden, mit dem aus Deutschland importierten Epoxyspachtel (in Spanien kennt man nur Polyester) gilt es einigen kleinen Roststellen beizukommen, und schließlich braucht die Toilette neue Dichtungen. Auch packen wir die Fahrräder aus und unternehmen Einkaufstouren, unter anderem ins benachbarte Premià de Mar, 6 Kilometer immer direkt am Strand lang, ein hinreißender Ausblick!

So vergehen fünf Tage wie im Fluge, und auch das schöne Wetter hält genau bis zum Abschluss der Lackarbeiten; am Sonntag setzt dann wie aus dem Nichts starker Nordostwind ein, und es beginnt zu regnen, ab Montag auch heftig. Vier Tage lang stürmt es, bei sehr konstanten mittleren Windstärken um 6 und Böen bis zu 10 Beaufort (an Bord gemessen). Als der Wind immer östlicher dreht beginnt es im Hafen brenzlig zu werden: das gesamte Päckchen der Seite an Seite liegenden Boote beginnt sich immer mehr zu verschieben, und der ganze Druck kommt schließlich bei der ‘Orion’ an, die ihn an ein Motorboot weitergeben muss, dessen Deck ungefähr anderthalb Meter höher ist als unseres – eine Katastrophe zum Abfendern. Gleichzeitig steigt im ganzen Hafen der Wasserstand immer mehr, die am Heck abgefenderten Boote beginnen gegen die Betonpier zu schlagen, da die Fender herausspringen; bei einem Boot gegenüber ist das Vorstag gebrochen, und die abgerollte Genua knattert waagerecht in der Luft.

Zum Größenvergleich: die Hafenmole ist etwa 6 Meter über Normalnull …

Die Wetterberichte für das angrenzende Seegebiet sprechen von einer charakteristischen Wellenhöhe von 7 Metern; wir trauen uns am Dienstag in einer Regenpause  kurz das Boot zu verlassen und an den angrenzenden Strand zu laufen: der Anblick ist mehr als beeindruckend, die Wellen kommen in einer solchen Höhe angelaufen, dass sie sich schon hunderte Meter vor dem eigentlichen Strand anfangen zu brechen, die See ist ein einziges Inferno.

Wir überstehen den Sturm ohne Schaden, aber nur weil wir an Bord waren; was wenig Begeisterung auslöst ist mitanzusehen, wie das Personal der Marina achtlos an beginnenden Unglücken vorbeiläuft, ohne auch nur eine Hand z.B. zum Verrücken eines Fenders an die richtige Stelle zu rühren – für 450 Euro im Monat darf man wohl nicht zu viel erwarten …

Am Donnerstag ist der Spuk so schnell vorbei wie er begonnen hat: am Morgen regnet es noch etwas, ab 11 Uhr kommt die Sonne durch und es ist sofort wieder warm – bei völliger Flaute. Ein Ausflug mit dem Fahrrad entlang der Strandpromenade zeigt, dass dieser Sturm wohl das Maß des Üblichen deutlich überschritten hat: der Weg, den wir vor 6 Tagen noch so schön fanden, ist auf ganzer Länge verwüstet – überall haben sich tiefe Krater aufgetan, Bäume sind ausgegraben, die viele 100 Kilogramm schweren Betonbänke sind 10 Meter weiter landeinwärts wiederzufinden, vormals mit Holz beplankte Terrassen sind vollständig abgedeckt, und alles ist mit den kopfgroßen Bruchsteinen bedeckt, die einmal die Uferbefestigung bildeten. In Kenntnis des hiesigen Reparaturtempos gehen wir davon aus, dass es so etwas nicht alle Tage gibt … wie war das mit dem Klimawandel?

Ein Blick in die Nachrichten bestätigt dann den Eindruck: Sturm ‘Gloria’ ist die größte Katastrophe, die spanische Mittelmeerküste und die Balearen seit geraumer Zeit heimgesucht hat. Mindestens 9 Tote hat es gegeben, und im Internet kursierende Videos zeigen 14 Meter hohe Wellen, die zweistöckige Gebäude wie Spielzeug aussehen lassen – die 7 Meter charakteristische Wellenhöhe aus dem Seewetterbericht waren also keine bloße Phantasie …

Im Hafen gefangen

Am Wochenende kristallisiert es sich dann immer deutlicher heraus: wir haben ein Problem! In der Hafeneinfahrt hat sich während des Sturms Sand abgelagert, und der Hafen ist komplett gesperrt; während man zunächst noch in Aussicht stellt, das Problem mit eigenen Mitteln beheben zu können, kommt dann am Montag die ernüchternde Wahrheit ans Licht: ein großer Bagger muss herangeschafft werden, und allein das dauert erst einmal … man reißt sich auch nicht gerade Arme und Beine aus, um die Sache zu beschleunigen.

Ehemals die Hafeneinfahrt, jetzt ein neuer Badestrand …

Wir unternehmen eine Wanderung zum Molenkopf und können das ganze Ausmaß der Katastrophe mit eigenen Augen sehen: man kann fast trockenen Fußes quer über die Hafeneinfahrt laufen. Jemals in Aussicht zu stellen, das in absehbarer Zeit mit lokalen Mitteln zu lösen, war von Anfang an absurd – hat aber erst mal einige Tage gekostet. Nun sind wir also bis auf weiteres gefangen in El Masnou – Ende offen …

Alternativprogramm

Besonders ärgerlich für unsere extra aus Norwegen angereiste Crewverstärkung: eigentlich wollten wir zusammen die Costa Brava bereisen, und das Wetter wäre dazu auch perfekt geeignet, aber der Termin für die Öffnung einer Passage rückt in immer weitere Ferne. So bleibt uns nicht anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen: wir genießen die Sonne, trinken Sangría, polieren Edelstahl und Chrom an Deck und lernen das wichtigste spanische Wort: mañana – morgen …

Arc de Triomf, Barcelona

Natürlich fahren wir auch noch zweimal mit dem Zug nach Barcelona: dort gibt es so viel zu sehen, und uns gefällt die Stadt mit jedem Besuch noch besser. Wir verbringen viel Zeit bei herrlichstem Wetter am sehr ausgedehnten Yachthafen und entdecken immer wieder neue Plätze und Straßen in der Altstadt; so stoßen wir mitten im Trubel der Stadt auf den Innenhof des alten Hospital de la Santa Creu aus dem 15. Jahrhundert: hier zwitschern die Vögel in den Orangenbäumen, ein Brunnen plätschert, und ein Straßenmusiker spielt (hinreißend!) Akkordeon – die Zeit steht still, und man mag gar nicht mehr weggehen …

Unseren letzten Besuch beschließen wir mit einem köstlichen Abendessen in einem kleinen Lokal in der Altstadt und freuen uns, die Stadt kennengelernt zu haben!

Mediterrane Natur wie aus dem Bilderbuch

Zwischendurch unternehmen wir auch einen Ausflug in die Natur: wir fahren eine Station mit der Bahn bis Montgat und wandern von dort in einem großen Bogen durch das bergige Hinterland zurück nach El Masnou, etwa 20 Kilometer. Wir sind den ganzen Tag unterwegs, und die Hügel erreichen gut 400 Meter Höhe; von hier bietet sich ein hervorragender Ausblick über Barcelona und Umgebung, und natürlich über das strahlend blaue Meer. Die Vegetation wird von Pinien und Zypressen bestimmt, die Luft duftet nach Harz und Rosmarin, ein leichter Wind macht die Wärme angenehm – obwohl die Lufttemperatur im Schatten ‘nur’ 20 Grad erreicht, ist es in der Nachmittagssonne knackig warm, es fühlt sich an wie Frühsommer in Mitteleuropa.

Baggerarbeiten
Einige unserer gut 1000 Mitgefangenen in Port Masnou

Unterdessen ist endlich ein größerer Saugbagger eingetroffen – gearbeitet hat dieser bislang aber nur wenige Stunden: zunächst entstand am Mittwoch wegen eines nördlicher durchziehenden Starkwindfeldes zu viel Schwell, und das Schiff schaukelte den ganzen Tag in einigem Abstand zum Land vor Anker. Donnerstag war das Meer wieder ruhig – statt aber die Arbeit aufzunehmen, fuhr der Saugbagger wieder weg! Die Nachfrage im Hafenbüro ergab, dass man nun wegen einer fehlenden Genehmigung pausiert: offenbar ist den Verantwortlichen in der Zwischenzeit aufgefallen, dass sie zur Wiederherstellung der Strände große Mengen Sand benötigen, und was liegt da näher, als die Genehmigung zum Baggern mit der Auflage zu Verknüpfen, dass der entfernte Sand am Strand aufgeschüttet wird. Da der weit angereiste Saugbagger dies aber nicht leisten kann (er kann nur seinen Laderaum im tiefen Wasser entleeren), passiert erst mal wieder …. nichts.

Fluchtpläne

Zum Wochenende dann die Überraschung: der Kapitän des kleinen Baggers klopft an und erklärt, dass er bald eine schmale Rinne auf 2 Meter Tiefe gebracht hat! Die Überprüfung der Wettervorhersagen ergibt ein günstiges Wetterfenster für Montag, und auch das Hochwasser wird passenderweise für 9 Uhr erwartet – zwar beträgt der Tidenhub ganze 20 Zentimeter und wird normalerweise nicht berücksichtigt, aber wenn es wie hier um jede Handbreit geht … also, wenn nichts dazwischen kommt und wir tatsächlich durch die Ausfahrt kommen, können wir am Montag, den 10. Februar nach gut 2 Monaten El Masnou verlassen und Kurs auf Mallorca nehmen! 

Unterwegs nach Barcelona (15.11. – 13.12.)

Am Freitag den 15. November soll der Wind soweit nachlassen, dass wir von Dénia aus der Küste weiter Richtung Nordwesten folgen können – heißt es. Praktisch wehen uns noch frische 6 Beaufort genau ins Gesicht, als wir den Hafen verlassen; wir segeln also mal wieder sehr feucht und mit beträchtlicher Lage hoch am Wind. Schnell vorwärts kommen wir dabei natürlich nicht gerade, so dass wir nach 9 Stunden mit einsetzender Dämmerung erst mal einen Ankerstopp für die Nacht vor

Cullera
Die Burg von Cullera – im Hintergrund …

einlegen müssen. Die Küste bieten guten Schutz vorm immer noch kräftigen Westwind, wozu auch die gewaltigen Hotelbauten direkt am Strand beitragen. Der Ankergrund ist hervorragend und die Wassertiefe perfekt, wir verbringen daher eine ruhige Nacht etwa 100 Meter vom Strand entfernt. Erst mit dem Licht des neuen Tages können wir die ganze Pracht der Betonfront von Cullera bewundern – die Burg aus dem 12. Jahrhundert fällt dagegen kaum noch auf.

Mit deutlich weniger Wind machen wir uns am Samstag gleich wieder auf den Weg; die vorbeiziehende Küste trägt den schönen Namen Costa del Azahar, die Küste der Orangenblüte. Nach insgesamt gut 50 Seemeilen ab Dénia erreichen wir am Nachmittag schließlich die Hauptstadt der Region

València

Das Anlegemanöver in der (2007 für den 32. America’s Cup erbauten) Marina Real Juan Carlos I gerät zu einem kleinen Abenteuer: das Ruder verfängt sich in einer der zahlreichen Muringleinen und kommt geraume Zeit nicht mehr frei, während wir mitten in der Boxengasse versuchen, wieder Kontrolle über das Boot zu bekommen; endlich in der Box angekommen kommt dann die Leine auch noch in die Schraube – ein kurzer, aber erfrischender Tauchgang ist die Folge. Später erkennen wir, dass sich die Muringleinen der uns zugewiesenen Box mit denjenigen der Nachbarbox überkreuzen – kaum möglich, da nicht reinzufahren.

Das Rathaus von València

Am Sonntag ist wieder stürmisches und regnerisches Wetter angesagt, wir checken also gleich für drei Nächte ein, um am Montag noch in Ruhe València anschauen zu können. Der Weg ins historische Stadtzentrum ist recht weit, aber mit dem Bordfahrrad in einer halben Stunde zu bewältigen.

In der Kathedrale

Die Sache mit den Orangen nimmt man in der mit etwa 800.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Spaniens recht ernst: schon entlang der – mit guten Fahrradwegen versehenen – Einfallstraßen stehen überall Orangenbäume, die um diese Zeit zwar keine Blüten mehr, aber dafür prächtig orange leuchtende Früchte aufweisen; man kann also tatsächlich vom Fahrrad aus die Orangen vom Baum pflücken 🙂

Damit erschöpfen sich die Sehenswürdigkeiten der Stadt aber keineswegs: wir bewundern die prachtvollen Bauten wie die alte Post und das Rathaus, die Seidenbörse, die Kathedrale und den Mercado Central – sowohl das Gebäude als auch die angebotenen Waren, auf einer gewaltigen Fläche alle erdenklichen Lebensmittel in einer Auswahl und Qualität, von der wir zu Hause nur träumen können …

Unter den Straßen schlummert die Vergangenheit

València weist die  – hierzulande ja quasi üblichen – Epochen der römischen, westgotischen, maurischen und schließlich christlichen Herrschaft auf, die alle ihre Spuren hinterlassen haben. In der Nähe der heutigen Kathedrale, an der Kreuzung der römischen Hauptstraßen, besuchen wir eine archäologische Ausgrabungsstätte: unter dem gegenwärtigen Straßenpflaster hat man in verschiedenen Tiefen die ineinander gebauten Überreste von römischen Tempeln und Thermen, der westgotischen Basilika sowie diversen Brunnen und Gräbern gefunden.

Palau de les Arts Reina Sofía (2005)

Es gibt aber auch moderne Architektur zu bewundern: nach verheerenden Überschwemmungen in den 1950er Jahren hat man den die Altstadt umschließenden Fluss Turia an der Stadt vorbeigeleitet und das nun trockengefallene alte Flussbett in eine riesige Parkanlage verwandelt, in der unter anderem auch das neue Opernhaus Palau de les Arts Reina Sofía einen Platz gefunden hat.

Alles in allem empfinden wir Valéncia als gelungene Mischung aus Geschichte und Moderne, eine einladende Stadt, in der sich sicher leben lässt – allein schon wegen der immer sichergestellten Orangenversorgung 🙂

Burriana

Dienstagmorgen müssen wir Valéncia verlassen – jedenfalls wenn wir den kurzen Augenblick brauchbaren Segelwinds nicht verpassen wollen, der sich zwischen Sturmtief und Totenflaute zu behaupten sucht. Mehr als 8 bis 10 Knoten sind es dann auch nicht, aber unter Gennaker lässt sich damit doch ganz gut Fahrt machen. Die Sonne scheint auch kräftig vom blauen Himmel, gleich ist wieder T-Shirt-Wetter angesagt, und so wird es einer der besseren Segeltage in diesem Monat, bis wir nach 28 Seemeilen unser Ziel erreichen, den Hafen von Burriana.

In Burriana

Der eigentliche Ort liegt etwa zwei Kilometer vom Hafen entfernt, aber da wir nach València die Fahrräder erst gar nicht verstaut haben, ist das kein Problem. Viel zu sehen gibt es aber nicht: ein hübscher Platz vor Rathaus und Kirche, drumherum etwas Fußgängerzone bis zum hiesigen Mercado, und das war es auch schon; in der Umgebung quadratkilometerweise Zitrusfruchtplantagen. Dass wir hier dennoch volle fünf Tage verweilen, hat ganz andere Gründe: zunächst ist für das kommende Wochenende der Durchzug eines Orkantiefs mit bis zu 60 Knoten Wind angesagt, was es angeraten erscheinen lässt, sich in einem sicheren Hafen zu verstecken; und dann ist die Marina Burriananova mit einem Übernachtungspreis von 13 Euro in der Nebensaison wohl der mit Abstand günstigste Hafen im Umkreis von 1000 Seemeilen (oder noch viel mehr), so dass man dafür kaum einen besseren Ort finden kann als diesen (warum das so ist, finden wir nicht heraus: wir haben schon an weniger attraktiven Orten das Dreifache bezahlt; offenbar haben sich tausende Yachttouristen verschworen, an Burriana einfach vorbeizufahren). Wir sitzen also den Sturm aus und warten darauf, Montag weiterfahren zu können …

Playa de Torrenostra

Tatsächlich zeigt sich das Wetter am Montagmorgen freundlich: die Sonne scheint, und ein angenehmer Wind erklärt sich bereit, uns anzuschieben. Ganz klar: mal wieder Gennakerwetter. Gleich nach Verlassen des Hafens von Burriana füllt sich dann auch das bunte Gute-Laune-Segel, und wir machen gute Fahrt … aber die Freude währt nicht lange: nach kaum einer Stunde ertönt ein Knall, und eine Erschütterung fährt durch das Boot. Der erste Blick geht zum Bug, ob wir wohl mit Treibgut kollidiert sind, aber es ist die falsche Richtung, denn gleich darauf gleitet der riesengroße Gennaker von oben herab aufs Wasser – und nun ist größte Eile angesagt, denn wenn sich das empfindliche Tuch erst unter den Rumpf gezogen hat, ist es mit Sicherheit zerrissen. Glücklicherweise gelingt das panische Bergemanöver, und das ganze Deck ist bald von nassem, bunten Tuch bedeckt; wie eine Inspektion zeigt, ist der Schäkel des Umlenkblocks, durch den das Fall am Masttopp läuft, einfach durchgebrochen. Es handelt sich um einen einfachen, gestanzten Schäkel – die Investition von 50 Cent mehr bei der Herstellung konnte man bei einem 50-Euro-Block ja auch nicht erwarten … soweit zur Zuverlässigkeit der Arbeitslast-Angaben von Bootsteilen.

Abendhimmel vor Torrenostra

Nach diesem Abenteuer ist es aussichtslos, das angestrebte Tagesziel noch zu erreichen; wir ankern also auf gut halber Strecke zum Ebro-Delta vorm Strand von Torrenostra, einem kleinen Ort mit flachem Motorboothafen und einigen Hotels dahinter. Leider steht vom stürmischen Wetter des Wochenendes noch ein deutlicher Schwell, so dass die ‘Orion’ mal wieder übel schaukelt; den einzigen Trost an diesem wenig gelungenen Tag bietet der unbeschreibliche Abendhimmel kurz nach Sonnenuntergang …

Vinaròs
Peñíscola

Am nächsten Tag geht es weiter in Richtung des Ebro-Deltas; der Wind weht schwächer, doch mit dem Gennaker könnte man durchaus noch segeln … ach ja, da war ja was … also röhrt auch noch der Motor, während wir bei schönstem Wetter die Küste entlangfahren. Nach gut 10 Seemeilen passieren wir den malerisch gelegenen Fischerort Peñíscola; dessen Altstadt liegt spektakulär auf einem ins Meer ragenden Felsen, gekrönt von einer Templerburg aus dem 13. Jahrhundert. Der Ort zieht unzählige Touristen an uns ist tatsächlich nach der Alhambra von Granada die zweitmeistbesuchte Attraktion Spaniens – und hat mit dieser gemeinsam, dass wir sie nicht zu sehen bekommen, denn der Hafen steht Besuchern nicht offen, und zum längeren Verweilen vor Anker lädt die instabile Wetterlage leider nicht ein.

Das Barockportal der Iglesia de Nuestra Señora de la Asunción in Vinaròs

Wir fahren statt dessen weiter bis Vinaròs, dem letzten Hafen vorm Ebro-Delta; hier haben wir endlich die Möglichkeit, zunächst den immer noch salzwassertriefenden Gennaker auf dem Steg auszulegen, mit Süßwasser zu spülen und halbwegs zu trocknen, und dann auch noch den Mast zu ersteigen und den Block neu anzubringen. Schließlich bleibt auch noch Zeit für einen kurzen Rundgang durch den Ort, der nicht spektakulär ist, aber ganz freundlich wirkt; bemerkenswertestes Bauwerk ist die Kirche aus dem 16. Jahrhundert, welche den kompakten Namen Iglesia de Nuestra Señora de la Asunción trägt: noch als Wehrkirche mit beeindruckend dicken Mauern erbaut und einer Burg ähnlicher als einer Kirche, wurde ein Jahrhundert später ein barockes Portal vorgesetzt, welches in heftigem Kontrast zum Rest des Gebäudes steht. Nun ja, wem’s gefällt …

Cabo Roig

Mittwoch ist es dann endlich soweit, wir wollen die Mündung des Ebro passieren – und das ist nicht so einfach, wie es vielleicht scheinen mag. Der zweitlängste Fluss der iberischen Halbinsel hat ein sich über 40 Seemeilen erstreckendes Delta aus Schwemmland aufgespült, welches weit ins Meer hinausragt und den passierenden Segler mit zahlreichen Sandbänken, Riffen und stark veränderlichen Wassertiefen erfreut – aber das ist ja nichts, was einen Wattenseeanwohner erschrecken könnte, nur die Anzahl der Tageslichtstunden ist einfach etwas knapp für die Entfernung. Wir brechen also früh auf, versuchen zunächst den ja glücklicherweise wieder einsatzbereiten Gennaker einzusetzen, aber der Wind erweist sich als zu launisch in Richtung und Stärke, so dass doch wieder der Motor ran muss. Wenigstens bleibt uns aber Gegenwind erspart, so dass wir nach knapp 10 Stunden beim letzten Licht vorm Cabo Roig im Golf von L’Ampolla den Anker fallen lassen können.

Morgenstimmung am Cabo Roig

Wir haben damit Katalonien, die nordöstlichste Region Spaniens, erreicht; von hier an wird die Küste als Costa Daurada, die goldene Küste, bezeichnet. Tatsächlich leuchten die Felsen vor unserem Ankerplatz rot-golden in der Sonne des nächsten Morgens; auch ansonsten gefällt es uns hier, auf den Klippen wachsen üppig grüne Bäume, die von tausenden zwitschernder Vögel bewohnt werden – da kann man über das Hotel direkt überm Cabo auch mal hinwegsehen. Seinen größten Vorteil hat der Ankerplatz aber dem südlich liegenden Ebro-Delta zu verdanken: es bietet Schutz vorm ewigen Schwell, der ansonsten das Ankern an diesen Küsten bislang zu keinem sehr großen Vergnügen gemacht hat. Das finden wir so toll, dass wir beschließen, hier gleich einen Tag zu verweilen – das Wetter spielt auch mit, die Sonne scheint, und am 100 entfernten Strand traut sich sogar jemand ins 16 Grad kalte Wasser …

Tarragona

Freitag geht es dann aber weiter, und zwar gleich ein ganzes Stück – der sich anschließende Küstenstreifen bietet zwar noch einige attraktive Ankerplätze, von denen aber keiner Schutz vor dem auf die Küste zulaufenden Schwell bietet; die Windverhältnisse sind dabei sehr abwechslungsreich, zwischen 2 und 20 Knoten ist alles dabei. Erst ganz kurz vor Tarragona ragt das Cabo de Salou nach Süden hervor; da wir das Liegegeld für die erste Nacht sparen wollen und es hinter der Landzunge ganz still ist, beschließen wir dort noch einmal zu ankern, bevor wir in den direkt gegenüberliegenden Hafen fahren. Zwei Stunden später ändern sich aber auf einmal die Bedingungen, und langer Schwell läuft quer zum Boot um die Ecke – was dann auch für den Rest der sehr unruhigen Nacht so bleibt.

Das römische Amphiteahter direkt am Meer

Nach dem Einklarieren in der Marina am nächsten Vormittag machen wir uns gleich auf den Weg in die Stadt. Tarragona war nach seiner Vereinnahmung durch die Römer 218 v. Chr. unter dem Namen Tarraco Hauptstadt der römischen Provinz Hispania citerior; aus dieser Periode finden sich zahlreiche Überreste (Amphitheater, Circus, Forum Romanum), die zusammen zum Weltkulturerbe erklärt worden sind – zur nicht ungetrübten Freude der Stadtentwickler, denn wo immer man die Baggerschaufel in den Boden senkt dauert es nicht lange bis zum Baustopp …

Wir finden es aber spannend, überall in tiefe Gruben mit alten Mauern schauen zu können – und vor allem, darin die Kontinuität zwischen der Antike und der Gegenwart zu erkennen, denn nichts, so wird uns klar, ist heute zufällig da wo es ist: die Hauptachse der Altstadt ist exakt die der römischen Tempelanlage; die Kathedrale steht genau dort, wo der einst der Tempel zu Ehren Jupiters stand; der große, lange Platz vor dem Rathaus entspricht der Fläche des römischen Circus, und wo heute an seinem Ende das Rathaus steht, haben die Wagenlenker ihre Gespanne um die jähe Kurve steuern müssen – lebendige Geschichte!

Auf der ‘Rambla’

Aber auch die neueren Aspekte der Stadt sind interessant; so es gibt eine schnurgerade durch die Stadt verlaufende Einkaufsstraße, die Rambla, die sehr großzügig angelegt ist und zum Flanieren einlädt; im breiten Fußgängerbereich in der Mitte der Allee wurde gerade der Weihnachtsmarkt aufgebaut, wobei die Lichterketten mit den Schneeflocken, Sternen und Rentieren mit großer Selbstverständlichkeit in die mit leuchtenden Früchten behängten Orangenbäume gehängt werden – für uns ein ganz schön merkwürdiger Anblick!

Am ‘Balcón del Mediterráneo’

Was uns an dieser kilometerlangen Straße aber am meisten fasziniert hat ist ihr Ende: man stelle sich das vor, man spaziert eine halbe Stunde auf dieser breiten, schönen Allee zwischen Palmen und Orangenbäumen immer leicht bergauf, und auf einmal steht man vor einem Platz mit einem Denkmal und einem kunstvollen schmiedeeisernen Geländer dahinter und dahinter …. schaut man von einer 40 Meter hohen, senkrecht abfallenden Klippe direkt aufs türkisfarbene Mittelmeer, auf dem ganz klein die weißen Segel der Yachten vorbeiziehen! Balcón del Mediterráneo nennt sich das treffenderweise und ist die ungewöhnlichste, bemerkenswerteste und wunderschönste Integration eines gewaltigen Naturpanoramas ins Herz einer großen Stadt, die man sich nur vorstellen kann – wirklich toll!

Weihnachtsstimmung im ‘Mercat Central’

Wir verbringen zwei Tage hier, bestaunen die köstlichen Auslagen im Mercat Central, probieren uns durch 30 Sorten der neuen Olivenölernte auf der an diesem Wochenende stattfindenden Messe Fira de l’Oli (und kaufen natürlich auch eine große Flasche der Delikatesse zum kleinen Preis – hier ist so etwas eben normale Ernährungsgrundlage) und essen im Fischerviertel El Serrallo direkt am Hafen köstliche Paella de Marisco und Fideuà.

Für die zwei Nächte zahlen wir gut 65 € Liegegeld (und das ist der günstige Nebensaisonpreis)  – und kommen doch zu dem Schluss, dass es ein Fehler gewesen wäre, Tarragona auszulassen!

Roda de Barà

Am Montag warten wir mit dem Ablegen noch bis nach 12 Uhr, denn dann soll etwas Wind aufkommen; dem ist auch so, aber bei 2 bis 3 Meter Schwell genügen 8 Knoten Wind einfach nicht, das Boot und den Gennaker zu stabilisieren, so dass wir den Versuch zu segeln aufgeben und die wenigstens mit 12 Seemeilen nicht gerade lange Strecke bis Roda de Barà motoren müssen (wild rollend, versteht sich). Die kleine Marina haben wir ausgewählt, weil sie uns zu bezahlbaren Preisen ermöglicht, ein paar Tage zu verweilen – um das nächste Sturmtief durchziehen zu lassen, was sonst …

Arc de Barà

Am Dienstagvormittag herrscht aber noch die Ruhe vor dem Sturm, die letzten Sonnenstrahlen kämpfen sich durch die Wolken, und wir nutzen die Gelegenheit, um die größte (einzige?) Sehenswürdigkeit des Ortes anzuschauen, den Arc de Barà, einen römischen Triumphbogen aus dem Jahre 13 v. Chr., der damals auf der Via Augusta, der wichtigsten römischen Fernstraße,  stand – und heute mitten auf einer modernen spanischen Schnellstraße, deren Fahrspuren sich dazu teilen. Vor dem Bogen steht zwar eine Infotafel, aber wer glaubt, dass die Straßenplaner eine Möglichkeit vorgesehen hätten, diese (und den Bogen) ohne Einsatz seines Lebens fußläufig zu erreichen, der kennt Spanien nicht 😉

Mittwoch geht es dann richtig zur Sache – bis zu 8 Beaufort messen wir am Liegeplatz in der Marina, und unangenehmer Schwell lässt die ‘Orion’ heftig in die Landleinen rucken. Im Unterschied zu allen Stürmen der letzten 5 Wochen kommt dieser nicht aus Nordwest (Tramontana), sondern aus Nordost; typisch für diesen Levante  sind heftige und andauernde Regenfälle – und tatsächlich schüttet es 36 Stunden lang wie aus Kübeln.

Vallcarca

Erst am Freitag hat sich das Wetter soweit beruhigt, dass wir weiterfahren können; wie üblich gibt es nach dem Sturm nun wieder gar keinen Wind mehr, so dass wir unter Motor die Marina von Roda de Barà verlassen. Ab Mittag können wir sogar noch für zwei Stunden den Gennaker setzen, statt der vorhergesagten 3 Knoten wehen doch auch mal 8 bis 9 …

Kurz vor Vallcarca – von hier sieht’s noch hübsch aus …

Als Übernachtungsstopp haben wir uns Vallcarca ausgesucht; dabei handelt es sich um eine (nicht zuletzt wegen verheerender Umweltverschmutzung) aufgegebene Siedlung um ein altes Zementwerk, gelegen direkt am Naturschutzgebiet des Garraf-Gebirges – eine absurde Kombination und sicher keine landschaftliche Schönheit. Es gibt jedoch eine ausgedehnte, L-förmige Mole, deren Öffnung nach Westen zeigt und die ruhiges Ankern beim aus Nordost anlaufenden Schwell verspricht – doch wie so häufig trügt die Hoffnung, die Wellen werden an der gegenüberliegenden Felsenküste reflektiert und laufen doch in den kleinen Hafen. Aber was tut man sich nicht alles an, um die knapp 40 € Liegegeld des nächstgelegenen Hafens zu sparen …

El Masnou

Am Samstagmorgen hat sich der Schwell gelegt, aber dennoch lädt der Industriehafen nicht zum Verweilen ein; vielmehr zieht es uns auf See, um die letzte Etappe von knapp 30 Seemeilen zum Endpunkt der diesjährigen Reise hinter uns zu bringen. Wind gibt es erst mal praktisch gar keinen, so dass wir zunächst unter Motor fahren; das Wetter ist dabei prächtig, und schon bald können wir die Hafenanlagen von Barcelona sehen. Vor der Hafeneinfahrt ist einiges los, wir schieben uns durch die Lücke zwischen zwei großen Containerschiffen, die von Schleppern begleitet in den Hafen wollen; danach wird es ruhiger, vor der Silhouette der Innenstadt mit ihren markanten Hochhäusern dümpeln Yachten in der Sonne, und selbst eine Flottille Optis übt auf der strahlend blauen See.

Barcelona

Zuletzt kommt auch noch ein Hauch Wind auf, so dass wir noch einmal den Gennaker auspacken und zwei Stunden die Ruhe genießen können, bevor wir kurz vor Sonnenuntergang die Marina von El Masnou erreichen. Die Capitanía ist am Samstagnachmittag nicht mehr geöffnet, und wir werden angewiesen, die erste Nacht am Tankstellenanleger zu verbringen, bevor wir am Sonntagmorgen dann unseren Liegeplatz für die nächsten Wochen zugewiesen bekommen. Der Rest des Sonntags sowie ein Teil des Montags vergeht erst mal mit den anstehenden Bootspflegearbeiten: das Deck wird gewaschen, der Motor bekommt neues Öl, die Ankerkette wird gereinigt, gespült, getrocknet und geölt, die Logge gezogen und von einer ganzen Kolonie Seepocken befreit; für einen kleinen Rundgang durch El Masnou bleibt aber auch noch Zeit.

In El Masnou

Die Kleinstadt ist praktisch ein Vorort von Barcelona und bietet keine spektakulären Sehenswürdigkeiten (von kilometerlangen Traumstränden abgesehen, aber die sind hier ja nichts Besonderes); die hiesige Marina als Winterlager für die ‘Orion’ auszuwählen war im Wesentlichen ein Kompromiss zwischen der Nähe zu Barcelona und dem Flughafen einerseits – und dem Preis andererseits. Um einmal die Verhältnisse etwas zu beleuchten: für einen Monat im Wasser inkl. Strom und Wasser werden hier knapp 450 € fällig; in den Sportboothäfen des kaum 10 Seemeilen entfernten Barcelona ist es etwa dreimal so teuer. Und die mehreren 1000 Liegeplätze, die dort zu Jahrespreisen ab 15.000 € aufwärts vermietet werden, sind auch alle ausgebucht … 

Der Hafen von El Masnou ist gegen Sturm und See sehr gut geschützt, im Ort gibt es alle Versorgungsmöglichkeiten, Barcelona ist mit der direkt vor der Marina haltenden Bahn in weniger als einer halben Stunde zu erreichen, der Flughafen mit Umsteigen in einer Stunde – wir haben das Gefühl, hier nichts verkehrt gemacht zu haben.

Barcelona

Dienstag fahren wir mit der Bahn nach Barcelona, um uns die Stadt anzuschauen; 25 Minuten dauert die Fahrt, kostet etwa 1,50 €, und die Züge fahren alle paar Minuten – mal wieder sind wir begeistert, wieviel besser und günstiger der öffentliche Verkehr hier funktioniert. Die letzten Stationen fährt der Zug unterirdisch, und wir kommen mitten in der Stadt, am Plaça de Catalunya an; südlich erstrecken sich die alten Stadtviertel, nördlich die Neustadt.

Barcelona hat gut 1,6 Millionen Einwohner und bedeckt eine Fläche von über 100 Quadratkilometern – natürlich ist es aussichtslos, an einem Tag die ganze Stadt anschauen zu wollen. Wir steuern erst mal die bekanntesten Sehenswürdigkeiten an – und schon davon gibt es viele! An erster Stelle sind die berühmten Gebäude des Architekten Antoni Gaudí zu nennen – deren größtes, die Basilika Sagrada Família, wird jährlich von rund 2 Millionen Touristen besichtigt. Aber auch die anderen, über die ganzen Stadt verteilten Bauwerke, sind bemerkenswert: der Stil ist schwer in Worte zu fassen, sicher ist jedoch, dass die Entwürfe unverwechselbar sind und in Erinnerung bleiben!

La Catedral de la Santa Creu i Santa Eulàlia

Natürlich gibt es auch aus älterer Zeit viel zu sehen: neben der Kathedrale aus dem 14./15. Jahrhundert finden sich noch Türme der römischen Stadtmauern und Reste des Aquädukts. Überhaupt ist die gesamte Altstadt, das Barri Gòtic, eine einzige Sehenswürdigkeit: enge, verwinkelte Gassen mit jahrhunderte alten Gebäuden, die heute – bestens restauriert – Geschäfte, Cafés, Restaurants, Boutiquen, Galerien und Museen beheimaten.

In der Altdtadt

Auf gut Glück durch die Straßen zu laufen ist ein Erlebnis, überall gibt es wieder etwas zu entdecken; und das nicht nur in dreieinhalb Straßenzügen wie in vielen anderen Städten, hier ist noch so viel alte Bausubstanz erhalten, dass man stundenlang durch die Straßen laufen kann, ohne die Altstadt zu verlassen.

Plaça Reial

Vom Plaça de Catalunya durch die Altstadt bis zum Hafen erstreckt sich die größte Flaniermeile der Stadt, La Rambla: hier kann man entlang prächtiger Gebäude spazieren, die Wahl zwischen unzähligen Restaurants treffen oder wieder links und rechts in die nächste vielversprechende Seitenstraße eintauchen.

Palau de la Generalitat de Catalunya

Zwischen der Stadt und dem Mittelmeer liegen die Häfen: es gibt einen großen Container- und Fährhafen, den für die Olympischen Spiele 1992 gebauten Port Olímpic und – direkt am Ende der Rambla – die Marina Port Vell. Diese ist fast schon ein Stadtviertel für sich: es gibt ein Riesenrad sowie ein gigantisches Einkaufs- und Freizeitzentrum, welches ein großes Meerwasseraquarium (mit einem 80 Meter langen Glastunnel!) beherbergt. Hier liegt man natürlich sehr zentral – aber eben auch sehr teuer, und alles andere als ruhig: denn natürlich versteht es sich von selbst, dass eine so große Stadt auch verkehrsreich und laut ist, und so sind wir ganz froh, nach einem langen Tag ins ruhige El Masnou zurückkehren zu können!

Saisonende

In 7 Monaten sind wir fast 3200 Seemeilen durch den Englischen Kanal, über die Biskaya, entlang der Küsten Galiziens und Portugals, durch die Straße von Gibraltar und an der spanischen Mittelmeerküste gesegelt; am Mittwoch und Donnerstag stehen noch einige Arbeiten am Boot an, und dann hat sich die ‘Orion’ ein paar Wochen Pause in der Marina El Masnou verdient, um im neuen Jahr den Törn mit frischer Energie fortsetzen zu können!

 

 

 

Spaniens Südostküste: Costa Blanca (30.10. – 14.11.)

Am Mittwoch den 30. Oktober verlassen wir Garrucha, und kurz danach übersegeln wir auch die Grenze von Andalusien zur Region Murcia. Die vorüberziehende Küste bleibt weiter felsig und zerklüftet, und bei erneutem Gennakerwind segeln wir 20 Seemeilen, bis wir in der Bucht von

El Hornillo
El Hornillo liegt gut geschützt hinter einem hohen Felsen

in der Nähe von Águilas vor Anker gehen; der Yachthafen von Águilas ist uns mal wieder viel zu teuer. Die Bucht ist relativ gut geschützt gegen den üblichen Schwell aus Südwest, aber sehr klein und durch diverse Fischereieinrichtungen und Absperrungen größtenteils belegt; wir finden aber gerade noch Platz und können nach dem Ankermanöver erst mal ins Wasser springen – mit 23 Grad ist es hier so warm wie bisher noch nie auf dieser Reise, der Costa Cálida (warme Küste) genannte Küstenabschnitt macht seinem Namen alle Ehre!

Am letzten Tag des Oktobers geht es genauso weiter die Küste entlang, nur dass der Wind heute noch mehr schwächelt – bei dieser geringen Welle segeln wir ja mittlerweile mit dem Gennaker bis herunter zu 5-6 Knoten Wind, aber bei einem wahren Wind von 2 Knoten hängt der auch nur noch wie ein Sack ins Wasser … so muss also am Anfang und am Ende der Motor helfen, bis wir nach 25 Seemeilen in der

Cala de la Salitrona
Halloween auf der ‘Orion’

ankern. Diese Bucht wird von der 350 Meter aufragenden Landspitze des Cabo Tiñoso umschlossen und geschützt, die Küste fällt aber steil ab, nur an wenigen Stellen kann man dicht unter Land hinreichend flaches Wasser und einen kleinen Strand zum Anlanden finden. Die Lage ist aber hinreißend: rundherum leuchten die Felsen in allen Farben von Rot über Braun bis Ocker und Gelb, das Wasser lässt auf 6 Metern Tiefe jedes Detail am Meeresgrund erkennen, und es hat immer noch 23 Grad, während die Lufttemperatur am Nachmittag Richtung der 30 Grad geht – und das an Halloween! Für eine herbstliche Kürbissuppe ist es uns viel zu warm, aber ein indisches Dal mit Kürbis und Linsen passt zum Wetter wie zum Anlass …

Am 1. November bleiben wir in der Ankerbucht – schließlich ist Feiertag 🙂 Wir paddeln mit dem Dinghi an den Strand und finden den Einstieg in einen Wanderweg, der durch die Berglandschaft führt. Die ganze Gegend ist unbewohnt und ein Naturschutzgebiet, die Farben und Formen der Felslandschaft vulkanischen Ursprungs beeindruckend; am meisten sind wir aber begeistert vom Duft der in Unmengen wachsenden Wildkräuter: Lavendel, Rosmarin und Thymian säumen unseren Weg. Dieser führt hinaus bis auf die Passhöhe; hier finden wir eine aufgegebene Küstenbatterie des spanischen Militärs, gebaut Anfang des 20. Jahrhunderts zur Verteidigung der Zufahrt nach Cartagena – zwei riesige Geschütze Kaliber 38.1 cm sind noch an Ort und Stelle. Die Aussicht über die Bucht ist grandios, wozu der strahlende Sonnenschein natürlich beiträgt.

Heiß wird es aber auch wieder, und so sind wir froh, früh aufgebrochen und somit noch vor der Nachmittagshitze wieder zurück an Bord zu sein; diese nutzen wir lieber zum Baden, schwimmen an den Strand und sammeln toll gemusterte Steine in bunten Farben – was wohl zu Hause an Allerheiligen für ein Wetter ist?

Cartagena

Am Samstagmorgen lichten wir den Anker und fahren ein paar Seemeilen über die Bucht bis in den Hafen von Cartagena. Dieser liegt – vor Wind, Wetter und feindlich gesinnten Besuchern gut geschützt – tief in einer von Bergen umschlossenen Bucht, was schon im Altertum dazu geführt hat, dass Cartagena zu einem der bedeutendsten Häfen im Mittelmeer geworden ist.

Blick über Cartagena

Bereits die Phönizier handelten Silber mit den ansässigen Iberern, bis sich die Karthager im Jahre 227 v. Chr. hier niederließen und der Stadt ihren Namen gaben: Cartagena leitet sich vom punischen Qart-ḥadašt ab, was ‘Neue Stadt’ bedeutet und ebenso namensgebend für Karthago selbst war.

Das römische Theater …

Alles in dieser Stadt atmet Geschichte: von hier brach Hannibal im Jahre 218 v. Chr. mit seinen Kriegselephanten gen Italien auf, welches er nach seiner spektakulären Alpenquerung ja auch erreichte; da er trotz gewonnener Schlachten letztlich aber den Krieg doch verlor, ging die Stadt mit der gesamten iberischen Provinz an die Römer, für die sie Scipio Africanus 209 v. Chr. als Carthago Nova in Besitz nahm.  Darauf folgten 600 Jahre als bedeutende Stadt im römischen Reich, bis sie mit dessen Zerfall im Jahre 425 n. Chr. von den Vandalen erobert wurde. In den folgenden Jahrhunderten wechselte Cartagena häufiger mal den Besitzer, bis es 756 Teil des Emirats von Córdoba wurde. Erst mit der Reconquista wurde Cartagena im Jahre 1269 nach fast 500 Jahren maurischer Herrschaft wieder christlich; es erübrigt sich wohl anzumerken, dass damit der Ärger noch kein Ende hatte: bis zum spanischen Bürgerkrieg  1936-1939, als Cartagena Hochburg der Republikaner war (und der Ort Spaniens, welcher sich am längsten gegen die Truppen des faschistischen Diktators Franco halten konnte), ist hier eine Menge Blut vergossen worden …

… verschmolzen mit den Ruinen der ‘Santa Maria la Vieja

In der Altstadt hat man das Gefühl, dass man in jenen zweieinhalb Jahrtausenden immer wieder munter über die Reste bzw. Trümmer der Vorgänger gebaut hat. Zahlreiche archäologische Ausgrabungsstätten ziehen sich durch die Innenstadt, und selbst als Laie erkennt man mit einem Blick auf die Mauern, dass man vor Relikten unterschiedlicher Jahrtausende steht, die nahtlos ineinander übergehen: hier haben Römer Tempel auf punische Fundamente gebaut, dort mittelalterliche Bürger ihre Häuser auf maurische Ruinen gegründet. Die Kirche Santa Maria la Vieja hat ihre Wurzeln in die Reste eines riesigen römischen Amphitheaters geschlagen – und ist seit der Bombardierung im Bürgerkrieg selbst eine Ruine. Schwer, da den Überblick zu behalten – aber faszinierend ist es allemal.

Cartagena, Calle Mayor

Abgerundet wird das Bild durch die schön angelegten Einkaufs- und Flaniermeilen der Stadt mit ihren neoklassizistischen Bauwerken, unzähligen Restaurants und Cafés – und natürlich mit dem herrlichen mild-warmen Wetter und der Freundlichkeit der Menschen.

Auch das ist Cartagena: Cala Cortina

Eigentlich wollten wir nur übers Wochenende bleiben und werden dann durch eine vier Tage andauernde Sturmwarnung dazu gezwungen, den Aufenthalt zu verlängern, aber für das bessere Erleben der Stadt war das gut so – hier hätte man auch vier Monate verbringen können (was etliche Segler auch tun, im Hafen hat sich bereits eine umfangreiche Gruppe überwinternder Boote häuslich eingerichtet).

Mar Menor / Tomás Maestre
Cabo de Palos

Am Mittwoch ist es tatsächlich weniger windig – wir verlassen den Hafen von Cartagena und müssen sogar zunächst eine Weile motoren, weil die am Cabo de Palos endende Landspitze mit ihren Bergen den Wind abschirmt. Am Nachmittag runden wir das Kap und ändern den Kurs Richtung Norden; die nächsten 12 Seemeilen geht es entlang einer schmalen Landzunge, die das Mar Menor, die größte Salzwasserlagune Europas, vom Mittelmeer abtrennt. Der schmale Streifen Land ist praktisch auf ganzer Länge mit Hotels bebaut – in starkem Kontrast zur Küste südlich des Cabo de Palos, die völlig naturbelassen wirkt; der auf halber Länge gelegene Sportboothafen Tomás Maestre stellt den einzigen schiffbaren Zugang zur Lagune dar.

Abendhimmel über Tomás Maestre

Wegen der langfristig ungünstigen Wettervorhersagen müssen wir auf einen Abstecher ins Mar Menor verzichten und ankern die Nacht auf Donnerstag im Schutz der Hafenbefestigungen; ein wirklich hinreißender Abendhimmel lässt sogar die Silhouette der Hotelklötze hübsch erscheinen.

Santa Pola
Santa Pola: Fischereihafen …

Donnerstag geht es weiter, zunächst am Mar Menor, dann an der Küste entlang. Zunächst ist der Wind eher noch schwächer und achterlich, so dass wir uns trauen den Gennaker zu setzen; ab Mittag frischt es dann aber auf, so dass wir auf den Klüver wechseln und schließlich gegen 16 Uhr bei um 6 Beaufort den Hafen von Santa Pola erreichen. 55 Seemeilen haben wir in den beiden letzten Tagen geschafft – und jetzt ist erst mal wieder Sturm, für Freitag lautet die Vorhersage NW 7, da bleiben wir lieber im Hafen.

… und Kastell im Stadtzentrum

Von den Römern als Portus Ilicitanus gegründet, ist Santa Pola heute stark touristisch geprägt, die ganze Stadt besteht aus Blöcken von Hotel- und Appartementanlagen, hübsch im Rechteckraster angelegt; mittendrin hat der Bauboom immerhin das alte Kastell verschont, und im Stadtpark stoßen wir auch auf Ausgrabungsarbeiten, die ein paar römische Grundmauern freigelegt haben. Ansonsten ist der Ort eher unspektakulär – und im ganztägig heulenden Wind ist es hier sogar trotz des Sonnenscheins erstmals als etwas frisch zu bezeichnen 🙂

Villajoyosa

Für den Samstag verspricht die Vorhersage eine kleine Pause zwischen zwei Sturmwarnungen – mehr als 15 Knoten Wind sollen in der Bucht von Alicante nicht wehen, also machen wir uns frohen Mutes mit vollen Segeln auf den Weg, schließlich wollen wir ja auch etwas Strecke machen. Zunächst entspricht der Wind auch noch den Vorhersagen, als wir jedoch das Cabo de Santa Pola gerundet haben werden aus den 15 Knoten ganz schnell 25, in Böen auch bis 30 Knoten – vielleicht doch etwas viel für Vollzeug … der Klüver ist ja schnell gegen den Kutter getauscht, aber jetzt das Groß reffen grenzt ja an Arbeit, also pflügt sich die ‘Orion’ auf leichtem Amwindkurs mit gut 7 Knoten und 30 Grad Lage durch die ein bis zwei Meter hohen Wellen. Eine ziemlich feuchte Angelegenheit, aber auch immer wieder eine Freude zu beobachten, wie der scharf geschnittene Bug die Wellen zerteilt und das Wasser bis hinters Heck spritzen lässt, ohne dass irgendein Aufschlag zu vernehmen wäre.

Heißt das hier wegen der endlosen weißen Hotelfronten ‘Costa Blanca’?

 

Villajoyosa: bunte Altstadthäuser …

Am frühen Nachmittag erreichen wir nach 29 Seemeilen den Hafen von Villajoyosa, wo der Club Nautic noch einen Liegeplatz für uns findet – gleich für zwei Nächte, denn Sonntag ist erst mal wieder – Sturm, was sonst. Das Anlegen erfolgt – wie hier meist üblich – mit zwei Heckleinen zur Pier und einer Muringleine vom Bug, welche von achtern durchgeholt werden muss; das Vergnügen, bei 6 Beaufort von vorne mit dem Langkieler rückwärts einzuparken krönt also den windigen Segeltag.

… direkt vorm Traumstrand

Wie angekündigt fliegen am Sonntag die Palmwedel wieder waagerecht – aber natürlich scheint die Sonne, und im Windschutz der engen Altstadtgassen ist es auch gar nicht mehr kühl, im Gegenteil. Anders als in vielen anderen Orten ist Villajoyosa nicht komplett neu überbaut worden; direkt vom wirklich traumhaft schönen Strand (fein, weiß und sauber) ziehen sich die bunt gestrichenen Häuser der Altstadt den Hang hinauf bis zur teilweise erhaltenen Stadtbefestigung aus dem Mittelalter. Natürlich dürfen drumherum die großen Hotels nicht fehlen, aber insgesamt hat man hier eine ausgewogenere Balance zwischen den Notwendigkeiten der touristischen Nutzung und dem Erhalt einer gewissen Ausstrahlung gefunden als in vielen anderen Orten an diesen sonnenverwöhnten Küsten.

Moraira / El Rinconet

Der Montag bringt uns mal wieder die Flaute zwischen zwei Stürmen: angesagt ist noch ein ganz brauchbarer Wind, tatsächlich regt sich aber kaum ein Ĺüftchen. Nach wie vor sehen wir uns unerwarteten Windverhältnissen gegenüber: zur Reiseplanung konsultieren wir wie viele Fahrtensegler die pilot charts, welche für jedes Seegebiet und jeden Monat die statistische Verteilung der Windverhältnisse angeben, und diese geben hier für den November 15 Knoten aus Nordwest an. Nun ja, wenn abwechselnd 30 Knoten und 0 Knoten gibt, sind das im Mittel natürlich auch 15 Knoten … praktisch ist bald der halbe November vorbei, und 15 Knoten hatten wir nie.

Benidorm: na dann schöne Ferien!

So motoren wir also mal wieder; zunächst passieren wir den bekannten Ferienort Benidorm – und staunen nicht schlecht: eine solche Dichte und Höhe der Bettenburgen haben wir bislang noch nicht gesehen, Benidorm – und nicht etwa New York – ist die Stadt mit den meisten Hochhäusern pro Einwohner weltweit. Möchte man da wirklich Urlaub machen?!?

Am frühen Nachmittag erreichen wir Moraira, wo wir direkt neben dem Ort in der Ankerbucht El Rinconet übernachten; hier scheint man auf landschaftsverträglicheren Tourismus zu setzten, am Strand stehen nur normale Ferienhäuser. Die Nacht ist recht ruhig, nur etwas Schwell  kommt um die Landspitze Punta del Moraira – weit draußen, nördlich der Balearen, stürmt es immer noch heftig.

Dénia
Cabo de la Nao

Dienstagmorgen lassen wir uns vom wenigen Wind am Ankerplatz verleiten, früher aufzubrechen, als wir eigentlich wollten – es steht nämlich die Rundung des Cabo de la Nao an, und das wollten wir erst tun, wenn gegen Mittag der angesagte Wind nachgelassen hat. Unser Verdacht, dass dieser gar nicht weht, erweist sich aber schnell als unbegründet: kaum haben wir uns eine halbe Seemeile von der Küste entfernt, sind unsere 30 Knoten wieder da. Wir legen also in Rekordzeit die letzten Meilen bis zum Kap zurück und verstecken uns dann nochmal in einer kleinen Bucht direkt davor – Windstärke 7 von vorne, das muss nicht sein.

Der Plan geht auf: als wir uns gegen Mittag wieder auf den Weg machen, weht kaum noch (Gegen-)Wind, und so runden wir ohne Probleme das Cabo de la Nao – sind aber noch hinreichend beeindruckt von der langen, 3 bis 5 Meter hohen Dünung, die von Norden heranrollt und der wir nun ausgesetzt sind, denn von hier an läuft die Küste bis Valencia in Richtung Nordwesten.

Für den Rest der Strecke muss wieder der Motor ran – Windstärke 1 und 7, das bekommen wir doch auch an ein und demselben Tag hin! Wir freuen uns, nach 21 Seemeilen und einem durch den Zwischenstopp doch langen Tag den Hafen von Dénia zu erreichen. Die Einfahrt wird nochmal spannend, denn die besagte Dünung läuft sich hier zu unglaublichen Höhen auf; wir hängen uns dicht an einen Fischkutter – der wird ja wissen, was er tut – und surfen hoch oben auf einem Wellenberg mit hervorragender Aussicht in die Hafeneinfahrt …

In der Burg von Dénia

Wie nicht anders zu erwarten, ist dann erst mal wieder Pause angesagt: am Mittwoch und Donnerstag weht es mit bis zu 8 Beaufort, und zwar genau aus der Richtung, in die wir wollen. Leider verschlechtert sich auch ansonsten das Wetter, es ist grau und regnerisch, wie wir es seit Monaten nicht mehr erlebt haben. Wir finden kaum eine Wetterlücke, um wenigstens kurz durch Dénia zu laufen – was sich durchaus lohnt, eine umfangreiche Burganlage aus dem 11. Jahrhundert wacht über dem Ort, der schon den Römern als Flottenstützpunkt diente und bei besserem Wetter sicher einiges zu bieten hätte.

 

 

 

 

An der Costa del Sol (17.10. – 29.10.)

Nach dem langen, ausgefüllten Tag in Gibraltar hätten wir gerne noch einen Ruhetag in La Línea eingelegt, aber die Windvorhersagen wollen es anders: während am Donnerstag den 17. wenigstens noch ein wenig Wind in Mittelmeer hineinwehen soll, ist für den folgenden Freitag völlige Flaute angesagt, also raffen wir uns auf um den Wind zu nutzen und den Ruhetag noch etwas herauszuschieben. Erst mal aber steuern wir nochmal mit der ‘Orion’ den Hafen von Gibraltar an, genauer gesagt die steuerfreie Tankstelle: gut 300 Liter Diesel fließen in unseren Tank zum Traumpreis von 64 Pence pro Liter, umgerechnet 74 Cent. Die Menge entspricht unserem Verbrauch seit Alderney: ganz akzeptabel für bald 2000 Seemeilen, jedenfalls erheblich besser als im vergangenen Jahr auf dem Weg in den hohen Norden – der viele Rückenwind vor Spanien und Portugal macht doch eine Menge aus.

Europa Point, Gibraltars Südspitze

Es ist schon Mittag durch als wir Europa Point runden und Kurs ins Mittelmeer setzen – und das empfängt uns in Bestform: die Sonne strahlt, das Wasser blau leuchtend, und 15 Knoten Wind lassen uns unter Gennaker gute Fahrt machen. So ist es noch eine Stunde vor Sonnenuntergang, als wir unser Tagesziel

Estepona
Pico de los Reales, Estepona

erreichen und direkt vorm Strand neben dem Hafen den Anker fallen lassen. Direkt vor uns erhebt sich der beeindruckende Pico de los Reales mit seinen 1452 Metern Höhe und leuchtet im Abendlicht in einem besonders intensiven Rotbraun –  so bergig hatten wir uns die Küste der Costa del Sol gar nicht vorgestellt! Die Nacht vor Anker ist mal wieder recht rollig, spart aber einmal das Liegegeld für den Hafen von Estepona, den wir dann gleich am nächsten Morgen aufsuchen, um hier etwas auszuruhen und Einkäufe zu erledigen.

In der Altstadt von Estepona

Die Marina ist sehr freundlich – es gibt sogar eine Flasche Wein zur Begrüßung – und mit gut 24 € auch noch bezahlbar, wir haben also das Gefühl nichts falsch gemacht zu haben; unmittelbar am Hafen erstrecken sich viele einladende Restaurants, es hat aber eher etwas von entspannter Urlaubsstimmung als von Partymeile. Wir laufen auch in die Stadt und finden hinter den obligatorischen Hotelbauten tatsächlich einen charmanten alten Stadtkern mit hübschen Straßen und Plätzen. Trotz des Massentourismus, für den die Region ja berühmt-berüchtigt ist, finden wir es durchaus nett hier!

Marbella

Daher hätten wir auch nichts gegen einen weiteren Tag Aufenthalt gehabt, aber mal wieder gibt es Wind, den wir nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen – und sogar eine ganze Menge davon: nachdem wir bei den angekündigten 15 Knoten Wind den Gennaker gesetzt haben, frischt es bald auf 20, dann auf 25 Knoten auf. Die ‘Orion’ schießt mit 8 Knoten Fahrt rauschend durchs glitzernde Wasser – ganz toll, aber eigentlich etwas viel für den Gennaker. Also beschließen wir ihn zu bergen – mit einiger Mühe gelingt es noch, den Bergeschlauch übers Segel zu ziehen, aber herunterkommen mag er dann nicht, obwohl das Fall lose ist. Tja, nun ist guter Rat teuer … wir sichern den Schlauch so gut es geht ums Klüverstag, setzen dahinter das Kuttersegel um etwas Windabdeckung zu erzeugen und laufen so die Marina La Bajadilla in Marbella an. Dort offenbart der Aufstieg in den Mast (wie praktisch sind Maststufen!) die Ursache: das Fall hat es irgendwie geschafft, sich zwischen Rolle und Seitenteil des Blocks zu ziehen – wie immer das möglich ist bei einer 12mm-Leine und einem Spaltmaß von ein paar Zehntel Millimetern (jedenfalls vor der Kaltverformung des Blocks durch das Fall)! Nach diesen Abenteuern verschieben wir die Besichtigung von Marbella auf den nächsten Tag – obwohl da wieder guter Wind angesagt ist …

Sonntagvormittag machen wir uns entlang der Seepromenade auf den Weg in die Innenstadt. Von der Marina La Bajadilla ist diese eine Viertelstunde entfernt; es gibt auch einen zentraler gelegenen Hafen, aber der ist teurer (unser Hafen gehört wieder zu den öffentlichen Einrichtungen Andalusiens) und mitten im dicksten Rummel – wir sind ganz froh über unsere Wahl.

Plaza de los Naranjos, Marbella

Marbella ist viel größer als Estepona – viele Kilometer erstrecken sich Strände und Hotels entlang der Küste. In der Hauptsaison müssen sich hier Zehntausende Menschen tummeln; nun sind es deutlich weniger, und es ist immer noch voll genug. Sicher, die Betonburgen sind keine Zierde, aber auch hier finden wir wieder eine Altstadt hinter den Hochhäusern, die durchaus sehenswert ist: an der Plaza de los Naranjos, wo Orangenbäume Schatten spenden, kann man noch etwas vom mittelalterlichen Marbella erahnen, und die verwinkelten, engen Gassen verraten ihren maurischen Ursprung. Im August möchte man hier nicht sein – allein schon wegen der Temperaturen – aber jetzt in der Nachsaison finden wir die Sonnenküste besser als ihren Ruf!

Benalmádena

Am Montag ist es leider mit dem Wind wieder vorbei, es wehen kaum 5 Knoten; Welle gibt es aber auch nicht, das Meer liegt fast glatt vor uns, und so versuchen wir uns im Minimalwindsegeln: tatsächlich steht der Gennaker ab etwa 3 Knoten, und bei 5 Knoten Wind erreichen wir sensationelle 2,5 Knoten Fahrt! Es mag aber sein, dass da ein knapper Knoten Strom, wie er immer ins Mittelmeer hinein setzt, mitgeholfen hat …

Abendhimmel über Benalmádena

Wie auch immer, da wir uns mit etwa 20 Seemeilen keine allzugroße Distanz vorgenommen haben, bewältigen wir den größten Teil der Strecke geduldig unter Segeln und erreichen kurz vor Sonnenuntergang Benalmádena, was quasi ein Vorort von Málaga ist – die vielstöckigen Hotelbauten zeigen jedenfalls von See aus betrachtet keine Unterbrechung. Dort gibt es auch eine Marina, aber da wir nur übernachten wollen, der Ort nicht viel herzugeben scheint und das Meer so ruhig ist, sparen wir und das Liegegeld und ankern hinter der Hafenmole vorm Strand. Belohnt werden wir mit einem tollen Abendhimmel über dem Hafen!

Caleta de Vélez

Am Dienstag gibt es mehr Wind – aber leider auch drohende, dunkle Wolken. Für Mittwoch ist Starkwind angesagt, und der wirft schon seine Schatten voraus: die Wellen werden höher, der Wind erreicht in Böen bereits 6 Beaufort, und über Land sieht man Gewitter. Auch keine idealen Bedingungen, aber wir nutzen den Wind um etwas Strecke zu machen; knapp 25 Seemeilen sind es bis zum Fischerhafen Caleta de Vélez, den wir in kaum 5 Stunden erreichen.

Stürmische See vor Caleta de Vélez

Der Hafen ist wieder öffentlich und somit preiswert, ein guter Platz um den kleinen Sturm am Mittwoch abzuwettern; viel los ist hier nicht, die Fischerei bestimmt noch das Geschehen, aber das gefällt uns gut – Hotelhochhäuser haben wir langsam genug gesehen. Wir nutzen die Zeit, um mal wieder die Vorräte aufzustocken und eine Dusche zu nehmen, während der Wind über den Hafen pfeift und immer mal wieder ein paar Tropfen Regen (!) fallen. Es ist deutlich kühler, gerade noch 20 Grad – zwar immer noch kein Grund von T-Shirt und kurzen Hosen Abstand zu nehmen, aber irgendwie fühlt es sich doch herbstlich an; den Wettervorhersagen nach soll es aber so nicht bleiben, für die kommende Woche sind wieder 26 Grad und blauer Himmel angesagt.

Puerto de Motril

Donnerstag hat sich der Wind etwas gelegt, aber mit um 20 Knoten weht es immerhin noch – doch wir wollen ja auch weiterkommen, also legen wir nach dem Frühstück ab. Die Wettervorhersage stellt ab Mittag deutlich nachlassende Winde in Aussicht, und damit auch weniger Welle, so dass wir uns vornehmen, die folgende Nacht ankernd vor der Küste zu verbringen.

Die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada überragen die Küstenlandschaft

Der Küstenstreifen, an dem wir entlangsegeln, heißt Costa Tropical – direkt im Hinterland liegen die bis zu knapp 3500 Meter hohen Gipfel der Sierra Nevada, welche die Region vor kontinentalen Winden schützen, während sie der Südwind aus Afrika ungehindert erreichen kann, daher lassen sich hier ganzjährig Datteln, Ananas und Bananen ernten. Tatsächlich kann man von See aus die schneebedeckten Höhenzüge sehen – ein skurriler Kontrast zu den herrschenden Temperaturen in der direkten Umgebung!

Als wir am Nachmittag die in Frage kommenden Ankerplätze erreichen – ‘Buchten’ wäre ein zu großes Wort, eigentlich ist hier alles zum Meer hin komplett ungeschützt – hat der Wind eher zu- als abgenommen, und zu 25 Knoten auflandigem Wind rollen anderthalb Meter hohe Seen auf den Strand … Ankern kommt beim besten Willen nicht in Frage. Wir müssen also noch etliche Meilen weiter bis zum nächsten Hafen segeln; soweit nicht schlimm, aber leider haben wir schon im Vorfeld herausgefunden, dass die dortige Marina recht teuer ist und wir diese daher eigentlich vermeiden wollten.

Zufallsbegegnung im Hafen von Motril: die ‘Royal Clipper’, ein Luxuskreuzfahrtschiff und längster Rahsegler der Welt

So bleibt uns aber nichts anderes, wir steuern den großen Fähr- und Industriehafen Puerto de Motril an und dürfen dort für 36 Euro eine Nacht lang unsere Leinen belegen. Die Marina ist eher ein Winterabstellplatz für kleinere Motorboote in Hochregallagern, die Umgebung industriell geprägt – zum reinen Übernachten vollkommen akzeptabel, aber dazu passt einfach der Preis nicht (jedenfalls nicht in der Nebensaison). Wenigstens lässt sich sagen, dass die Mitarbeiter außerordentlich freundlich und hilfsbereit waren – allzuhäufig werden sich auch keine Gastlieger dorthin verirren, wir haben jedenfalls am Abend kein Leben auf der kleinen Steganlage wahrnehmen können.

Ursprünglich hatten wir Motril als Ausgangspunkt für einen Landausflug per Bus nach Granada ausersehen; nachdem wir aber im Internet herausgefunden hatten, dass die Eintrittskarten zur Besichtigung der Alhambra, einer der großartigsten Sehenswürdigkeiten ganz Spaniens, auf Monate im Voraus ausverkauft sind, mussten wir davon Abstand nehmen – schade, wie kann man als Segler schon so lange vorher festlegen, wann man wo sein wird …

La Rábita
Ankern vor La Rábita

Nach einer vom Lärm irgendwelcher Aggregate versüßten Nacht verlassen wir die Marina gleich am Freitagmorgen und machen uns wieder auf den Weg gen Osten. Eigentlich sollte sich schwacher Ostwind eingestellt haben, und wir waren darauf vorbereitet aufzukreuzen; es weht jedoch schlicht gar kein Wind, und so motoren wir gemächlich knapp 20 Seemeilen über das inzwischen spiegelglatte Mittelmeer, bis wir am frühen Nachmittag vorm Strand von La Rábita den Anker fallen lassen. Der Ort ist recht klein, das Fehlen der zwölfstöckigen Hotels finden wir aber sehr sympathisch, und da die totale Flaute noch länger anhalten soll, beschließen wir hier auch den folgenden Samstag vor Anker zu verbringen und bei bestem Grillwetter die Ruhe zu genießen!

Almerimar
‘Marina Village’ Almerimar

Sonntag geht es dann weiter, bei genauso schönem Wetter wie am Tage zuvor – und genauso wenig Wind … das 20 Seemeilen entferne Almerimar an der Costa de Almería ist das Tagesziel, welches wir nach 5 Motorstunden erreichen. Der Ort ist ein reines Produkt der Tourismusindustrie: mitten im Nichts hat man Luxusappartements rund um eine Marina mit 1100 Liegeplätzen hochgezogen, das Umland besteht aus von mit endlosen Plastikgewächshäusern bedeckter Halbwüste. Sehr stimmungsvoll ist das natürlich nicht – aber halbwegs hübsch gemacht, unterm Strich sind die Liegeplätze direkt zwischen den Wohn- und Gastronomieanlagen eher hübscher gelegen als an so mancher Seefront mit ihren Hotelhochhäusern.

Das Liegegeld ist auch sehr günstig – offenbar hat man bei der Planung vor 20 Jahren noch nicht mit der Wirtsschaftskrise gerechnet und ist unterausgelastet. Viele Boote überwintern auch hier, wofür wirklich (für Mittelmeerverhältnisse) sensationelle Tarife angeboten werden – nicht der schlechteste Ort, aber wir wollen ja noch weiter.

Cabo de Gata / Puerto Genovés

Die Weiterreise am Montag beginnt mal wieder unter Motor; ab Mittag ist zwar etwas Wind angesagt, aber da wir mit einem Schlag die Bucht von Almería überqueren und das Cabo de Gata umrunden wollen, können wir darauf nicht warten.

Am Cabo de Gata

Nach 5 Stunden Motorlärm stellt sich auch wirklich vorsichtig der erste Lufthauch ein; bald können wir den Gennaker setzen und mit zunehmender Fahrt auf das Cabo de Gata zuhalten, welches das Ende der in Ost-West-Richtung verlaufenden Südküste Spaniens markiert. Dieses ist landseitig von einem Naturpark umgeben, daher unbebaut und von wilder Schönheit, spektakuläre Felsformationen wohin man schaut; besonders ins Auge fallen die schneeweißen Einschlüsse unter den rotbraunen Felsen an der Abbruchkante. Beim letzten Abendlicht runden wir das Kap und lassen nach 36 Seemeilen in der Bucht Puerto Genovés den Anker fallen.

Morgenstimmung am Ankerplatz

Diese Ankerbucht hat ausnahmsweise mal ihren Namen zu Recht, sie ist wirklich nur nach Osten zum Meer hin offen und auch ansonsten toll: groß genug für 50 Boote (mit uns sind 4 anwesend), perfekter Ankergrund, kristallklares Wasser – selbst im Dämmerlicht kann man noch in 6 Metern Tiefe die Kette auf dem Sand liegen sehen. Hier würden wir gerne einen Tag bleiben – aber gerade für den Dienstag ist günstiger Wind angesagt, und das müssen wir einfach nutzen.

Garrucha

So können wir auch am Dienstagmorgen bereits unter Segeln den Ankerplatz verlassen und tatsächlich den gesamten Tag schönstes Gennakersegeln genießen; die dabei vorüberziehende Südostküste Andalusiens ist viel interessanter als die Südküste, die eigentliche Costa del Sol – und Sonne gibt es auch hier genug!

Tatsächlich kommen wir bei einer Tagesdistanz von 32 Seemeilen auf 15 Minuten Motorlaufzeit, als wir unseren Liegeplatz im Hafen von Garrucha eingenommen haben – nur für das Anlegemanöver haben wir die Maschine gestartet. Was für eine Wohltat nach den vielen Motorstunden in der vergangenen Woche!

Am Hafen von Garrucha

Garrucha ist ein betriebsamer Fischerei- und Industriehafen, der auch eine neue, ausgedehnte Marina unter öffentlicher Verwaltung umfasst; hier funktioniert es aber wohl nicht so richtig, die Anlagen wirken unfertig, und eine einzige Dusche in einer Sperrholzbude ist auch etwas wenig für etliche 100 Liegeplätze. Der Ort selbst gibt auch nicht viel her – es soll eine Burg aus dem 18. Jahrhundert geben, aber die sind wir nicht in der Lage zu finden … wie immer so etwas möglich ist. Aber einen großen Supermarkt gibt es, und das Wasser in der Bruchbude ist heiß – Segler können sich ja in Bescheidenheit üben!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurs Gibraltar: Entlang der Küsten der Algarve und Andalusiens (24.09. – 16.10.)

Ponta de Piedade

Nachdem wir in den frühen Morgenstunden des 24. September das Cabo de São Vicente gerundet haben, folgen wir noch einige Stunden der felsigen Küste (der Wind bleibt dabei sehr launisch, mal frischt er auf, dann verlässt er uns wieder) und runden dabei zuletzt die Ponta de Piedade mit ihren spektakulären Felsformationen, bis wir gegen Mittag nach 80 Seemeilen die Bucht von

Lagos
Ankern vor Lagos

erreichen, unseren ersten Ankerplatz an der Algarve. Die Stadt verfügt auch über eine Marina, welche allerdings – wie alle Häfen an der Algarve – während der Saison fast 50 Euro pro Nacht abruft, weswegen wir dankend verzichten und lieber den Anker vor dem herrlichen, endlos langen Strand fallen lassen. Am Nachmittag kommt nochmal kräftiger Nordwestwind auf (wie jeden Nachmittag, wie wir in den kommenden Tagen noch feststellen werden), aber bei Wassertiefen von 5-6 Metern über kilometerlange Bereiche und einem aus festem Sand bestehenden Ankergrund kann man hier beliebige Winde abwettern, solange sie ablandig kommen. Auch der Schwell hält sich sehr in Grenzen – wir hatten da einige Bedenken, weil man schließlich nach Süden offene See bis zur Küste Afrikas hat, aber die an der Westküste stets rollende Atlantikdünung kommt scheinbar nicht um das Kap. 

Lagos, Seepromenade

Am Donnerstag nutzen wir die Vormittagsflaute, um mit dem Dinghi in die Stadt zu fahren. Lagos war im 15. Jahrhundert Ausgangspunkt zahlreicher Expeditionen entlang der Westküste Afrikas; heute hat es gut 30.000 Einwohner und ist eines der touristischen Zentren an der Algarve. Die gut erhaltene Altstadt, die lange Seepromenade, der viele Kilometer lange Sandstrand längs der Bucht gen Osten sowie die bizarren Felsen der Ponta de Piedade sind die Hauptattraktionen.

Ponta de Piedade: bizarre Felsen …

Freitag wollen wir uns diese Felsen auch aus der Nähe ansehen; nach dem Frühstück fahren wir mit dem Dinghi an der Küste entlang, es weht noch kaum Wind und die See ist recht ruhig. Unzählige Ausflugsboote weisen uns den Weg zu den größten Attraktionen: frei im Wasser stehende Felsentürme, mit dem Boot durchfahrbare Tore und tief in die Felsen eingegrabene Grotten. 

… und traumhafte Strände

Wir bestaunen diese abstrakten Kunstwerke der Natur, kurven um die Felsen und landen – zusammen mit zwei Dutzend Kajakfahrern – an einem kleinen Strand an (was sich als deutlich einfacher erweist als ihn wieder zu verlassen – die Wellen laufen sich ganz ordentlich auf in der engen Bucht). Der ganze Trubel wirkt zwar etwas abschreckend, aber die Attraktivität des Ortes können auch wir nur bestätigen!

Albufeira

Am Freitagvormittag fahren wir nochmal zum Einkaufen in den Ort – vor 14 Uhr gibt es ja eh keinen Wind … dann aber stellt er sich pünktlich ein, und wir lichten den Anker. 

Die Steilküste der Algarve zieht vorbei

Die vorbeiziehende Küste bleibt felsig und steil, Ortschaften liegen eingebettet in kleine Einschnitte in der Landschaft; ihre Häuser leuchten weiß in der Sonne, und anzunehmenderweise handelt es sich bei vielen der größeren Bauten um Hotels. Ansteuerbare Häfen gibt es nicht so viele: Portimão liegt noch zu nahe an Lagos, und der nächste Hafen, Albufeira, ist gleich über 20 Seemeilen entfernt. Da es inzwischen schon um 20 Uhr dunkel wird und der Wind uns auch nicht gerade großzügig mit seiner Anwesenheit beehrt, bricht schon die Nacht herein, als wir vorm Strand von Albufeira den Anker werfen.

Albufeira im Morgenlicht

Da am Samstag der einzige Wind in den Morgenstunden wehen soll, verlassen wir gleich nach Sonnenaufgang den Ankerplatz wieder, ohne den Ort selbst besucht zu haben – auf dem Rückweg kommt man ja auch nochmal hier vorbei; heute sollen es nämlich 25 Seemeilen bis in die Lagune von Faro werden. Die felsige Steilküste weicht dabei mehr und mehr zurück, Sandstrände setzen sich durch. Wieder ist der Wind sehr launisch (was allerdings heute mehr der Vorhersage entspricht als gestern, wo wir mit mehr gerechnet hatten), so dass es früher Nachmittag wird, bis wir nach mehrmaligem Wechsel zwischen diversen Segelkombinationen und Motorbetrieb die Einfahrt in die Lagune ansteuern können.

Ilha da Culatra

Die Lagune wird von vielen Kilometer langen, schmalen Sandinseln gegen das Meer abgegrenzt, zwischen denen sich genau im Süden eine Einfahrt auftut; wir passieren diese kaum eine Stunde vor Hochwasser und staunen nicht schlecht, was für ein Strom da noch steht: das ansonsten flautig-glatte Wasser ist auf einmal aufgewühlt, in großen Strudeln dreht sich gurgelnd die Flut, und wir werden mit fast 8 Knoten über Grund bei langsamer Motorfahrt in die Lagune gespült! Wir folgen der Rückseite der nach Osten verlaufenden Insel, der Ilha da Culatra, und bald beruhigt sich das Wasser, der Strom lässt stark nach. Drei Seemeilen hinter der Einfahrt tut sich ein riesiges Ankerfeld auf, wir zählen weit über 50 Masten – Platz ist aber immer noch, wir bringen zwei Anker aus, um auch bei wechselnder Stromrichtung sicher zu liegen.

Abendstimmung über der Lagune

Während des Nachmittags bringen noch unzählige Ausflugsboote Tagesgäste von Olhão auf die Insel, aber am Abend breitet sich eine Stille geradezu greifbar über der Lagune aus; wir genießen einen magischen Abendhimmel über dem Ankerfeld und verstehen, warum dieser Ort bei den Fahrtenseglern so beliebt ist.

Am nächsten Morgen setzen wir mit dem Dinghi über und erkunden die Insel. Der kleine Ort besteht aus alten Fischerhäusern, in denen heute natürlich etliche Cafés und Restaurants untergebracht sind, aber Fischerei im traditionellen Stil gibt es noch immer; am Hafen sitzen wettergegerbte alte Männer und flicken ihre Netze. Trotz des Zustroms an Tagestouristen gibt es keinerlei große Hotel- und Gastronomiebauten, hier kann man noch einen Rest der vortouristischen Algarve erleben; am sieben Kilometer langen Strand mit sauberem, feinem Sand und türkisblauem Wasser verlaufen sich die paar hundert Badegäste auch schon nach kaum fünf Minuten Laufentfernung vom Ort – hier kann man seinen persönlichen Kilometer Bilderbuchstrand für sich allein haben.

Farol do Cabo de Santa Maria, Ilha da Culatra

Auch am Montag bleiben wir noch am Ankerplatz – es gefällt uns wirklich gut hier, durch die vielen Boote in der Lagune kommt man auch mal mit anderen Seglern ins Gespräch. Wir setzen auch nochmal auf die Insel über, laufen diesmal bis zum Leuchtturm am anderen Ende; den Abend – unseren letzten in Portugal – lassen wir mit einem köstlichen Abendessen in einer kleinen Taverne ausklingen. Wenn wir das nächste Mal vorbeikommen, möchten wir auch gerne mehr Zeit hier verbringen!

Isla Cristina
Unter Gennaker mit Delfinbegleitung nach Osten

Am Dienstag den 1. Oktober verlassen wir die Lagune vor der Ilha da Culatra; wie immer scheint die Sonne, und wenn auch zunächst der Wind etwas zu wünschen übrig lässt, so stellt er sich gegen Mittag doch ein und erlaubt herrliches Segeln unter Gennaker auf einer nach tagelanger Flaute fast glatten See. Auch die Delfine – ziemlich große diesmal, Tümmler vielleicht? – wissen das bunte Segel zu schätzen und springen durch dessen Spiegelbild im Wasser.

Einige Stunden später verlassen wir mit dem Passieren der Mündung des Río Guadiana auch Portugal, wo wir somit den größten Teil des Septembers verbracht haben. Als Segelrevier bot Portugal eher weniger Möglichkeiten als zuvor Galicien – es gibt einfach wenige Häfen (die an der Algarve auch noch sehr teuer sind, weswegen wir dort keinen einzigen angelaufen haben) und kaum geschützte Ankerplätze, aber Land und Leute haben uns außerordentlich gut gefallen, und Porto und Lissabon sind jede Reise wert.

Palmenallee in Isla Cristina

Nun stellen wir aber die Uhr wieder eine Stunde vor, wechseln die Gastlandflagge, und laufen nach gut 35 Seemeilen den kleinen Hafen von Isla Cristina (Stadt und Insel heißen gleich) an. Es ist schon kurz nach Sonnenuntergang, als wir einen Spaziergang durch den Ort machen, aber es ist sommerlich warm, und die Straßen sind voll von Menschen und spielenden Kindern – nach der Nachmittagshitze erwacht man erst jetzt wieder zum Leben. Die Architektur ist deutlich maurisch inspiriert, und die Hauptstraße flankieren zwei Reihen gewaltiger Dattelpalmen, die auch noch voller Früchte hängen – wir fühlen uns nun wirklich wie in Afrika 🙂

Mazagón

Am Mittwoch gibt es sogar durchgängig Wind – wir nutzten die gute Gelegenheit und verlassen Isla Cristina gleich wieder, um 35 Seemeilen gen Osten zu segeln. Tatsächlich können wir die gesamte Strecke unter Gennaker zurücklegen; zum Teil frischt der Wind sogar bis 18 Knoten auf, so dass die ‘Orion’ mit 7,3 Knoten ihrem Ziel entgegeneilt. So macht Segeln Spaß!

Der Leuchtturm von Mazagón

Entsprechend ist es erst Nachmittag, als wir den Hafen von Mazagón an der Mündung der Ría de Huelva erreichen; dieser wird – genau wie Isla Cristina zuvor – von der andalusischen Hafenverwaltung betrieben, was zu einem Einheitspreis von € 17,33 in der Nebensaison für fast alle Häfen der Region führt. Dafür gibt’s eine tadellose Dusche – die erste seit Sines …

Ansonsten hat der Ort nicht viel zu bieten; es gibt nur ca. 4000 echte Einwohner, aber Häuser für dreimal so viele Menschen, alles Ferienvillen für Sommergäste aus Huelva. Da der Sommer (für südspanische Verhältnisse) vorbei ist, wirkt alles recht ausgestorben; lediglich den kleinen Leuchtturm finden wir recht hübsch.

Chipiona

Selbst für den Donnerstag ist noch etwas Wind übrig, so können wir weitestgehend unter Gennaker Chipiona erreichen – dafür ist es aber auch schon so spät, dass es nicht mehr für einen Rundgang durch die Stadt reicht. Wie sich später herausstellen wird, macht das aber nichts …

Wir schlafen also ein paar Stunden und machen uns dann gleich wieder auf den Weg zum Zwischenziel dieser Woche:

Cádiz

Der Wind hat sich nach drei brauchbaren Tagen aber völlig verausgabt, und so erreichen wir den Hafen der Stadt am späten Mittag nach einigen Stunden Motorfahrt. Da der Tagesablauf in Spanien ja deutlich nach hinten verschoben ist, gelingt es uns am frühen Freitagabend noch einen ganz wichtigen Dienstleister aufzutreiben, der ein seit geraumer Zeit nervendes Problem ganz endgültig löst: einen Zahnarzt.

Am Samstag schlafen wir erst mal aus und bringen dann das Boot etwas in Ordnung, denn die ‘Orion’ bekommt für eine gute Woche Crewverstärkung; mit deren Anreise klappt auch alles nach Plan, und so können wir am Abend bei herrlichem Sommerwetter im Cockpit unser Wiedersehen feiern!

Cala del Aceite
Nebel über der Cala del Aceite

Leider kommt in der neuen Woche eine Weiterfahrt Richtung Gibraltar nicht in Frage: zunächst hält die gegenwärtige Flaute noch weiter an, und dann setzt zum Teil sehr kräftiger Ostwind ein: gerade in der Straße von Gibraltar verstärkt sich diese Levante genannte Wetterlage gerne mal auf 8 Windstärken – sinnlos, dagegen anzuwollen. Wir beschließen also etwas Urlaubssegeln rund um Cádiz: am Sonntag segeln wir – das letzte Lüftchen nutzend – gut 20 Seemeilen nach Süden und ankern vorm Strand von Cala del Aceite. Der Ankerplatz ist zwar durch den Schwell etwas unruhig (Weingläser leben gefährlich!), aber die Aussicht entschädigt dafür: eine farbenprächtige Steilküste und ein herrlicher Strand davor laden zum Verweilen ein. Am folgenden Tag tun wir das auch, baden im Meer und in der Sonne – Entspannung pur! Etwas erstaunt sind wir, als plötzlich dichter Nebel aufzieht und die kaum 200 m vorm Strand ankernde ‘Orion’ nicht mehr zu sehen ist – der Spuk verzieht sich aber so schnell wie er gekommen ist, und wir finden glücklicherweise den Rückweg im Dinghi.

Rota
Unser Restaurant in Rota – Lage und Essen hervorragend

Dienstag setzt denn der angekündigte Levante ein: mit frischem Wind im Rücken geht es zurück Richtung Cádiz. Direkt gegenüber in der Bucht liegt Rota, wo wir für die Nacht einkehren und ein hervorragendes Abendessen genießen dürfen.

Der Ort hat eine hübsche Altstadt mit einem maurischen Kastell – und neuere, weniger attraktive Stadtteile, in denen sich die Pubs und Fast-Food-Restaurants für die unzähligen Bediensteten der großen US-Marinebasis direkt nebenan befinden. 

Am nächsten Morgen bleibt noch Zeit für einen Stadtrundgang bei Tageslicht, denn wir haben und keine große Entfernung vorgenommen: gerade 7 Seemeilen geht es über die Bucht von Cádiz bis

Puerto de Santa Maria
Abend in Puerto de Santa Maria

Auch dort machen wir noch einen abendlichen Stadtspaziergang und testen die örtliche Gastronomie – oder sie uns, denn ungewohnte Meeresfrüchte wie frittierte Seeanemonen erweisen sich als ein nicht unumstrittener Genuss. Ansonsten essen wir aber wieder hervorragend und lernen viele neue, leckere Speisen kennen; auch der Ort gefällt, und wie immer können wir die klimatischen Gegebenheiten kaum fassen: auch wenn es auf dem Rückweg zum Boot auf 23 Uhr zugeht, sind kurze Ärmel und Hosenbeine noch absolut angemessen …

Chipiona
Nach Sonnenuntergang in Chipiona

Donnerstag verlassen wir die Bucht von Cádiz und fahren ein Stück zurück nach Norden bis Chipiona, wobei sich endlich auch mal wieder ein paar Delfine blicken lassen. Diesmal sind wir auch früh genug da, um die Stadt noch kennenzulernen – was sich auch durchaus lohnt: die endlose Strandpromenade führt auf den recht dekorativen Leuchtturm zu (der höchste in Spanien übrigens), und in vielen Gärten blühen die prächtigsten Büsche und Bäume – schön, dass wir nochmal hier waren!

Cádiz

Freitag schließlich beenden wir unsere Rundfahrt um Cádiz mit einem letzten Schlag zurück in den Stadthafen; dabei rechnen wir mit kräftigem Gegenwind, der aber eher schwächer ausfällt, so dass wir zuletzt doch noch motoren müssen. Kurz vorm Hafen geht ein Boot des spanischen Zolls längsseits und drei schwarz gekleidete Uniformierte springen an Bord – Routinekontrolle. Man füllt einen Stapel der im Lande heißgeliebten Formulare aus und ist ansonsten sehr freundlich, so dass wir den Besuch als interessante Abwechslung betrachten können.

Am Samstag laufen wir stundenlang durch Cádiz, staunen über prächtige, weit ausladende Bäume in den Parks, hübsche Plätze und enge Straßenzüge – da der Platz für die Jahrtausende alte Stadt durch die Insellage sehr begrenzt ist, musste man halt schon früh in die Höhe bauen. Den anstrengenden aber schönen Tag beschließen wir mit abendlichem Grillen im Cockpit – und leider auch den Besuch unserer Freunde, denn die müssen am folgenden Sonntag wieder ins kalte Deutschland zurückfliegen.

Barbate

Am Montag gibt es endlich wieder Westwind in brauchbarer Stärke – diese Gelegenheit dürfen wir uns nicht entgehen lassen und laufen gleich um 9 Uhr aus dem Puerto América in Cadiz aus – gut 40 Seemeilen sind zu schaffen bis zum nächsten Hafen Barbate. Dabei segeln wir nochmal aus der Ferne an Cala del Aceite vorbei und erinnern uns gerne an unseren Badekurzurlaub dort 🙂

Cabo Trafalgar

Am Nachmittag passieren wir das berühmte Cabo Trafalgar: hier besiegte am 21. Oktober 1805 die britische Flotte unter Admiral Nelson die französisch-spanische Armada vernichtend und legte damit den Grundstein für ein gutes Jahrhundert britischer Vorherrschaft auf den Weltmeeren; Nelson selbst allerdings überlebte den Tag nicht, er erlag einer Schussverletzung.

Als wir Barbate erreichen steht die Sonne schon sehr tief; da wir auch am kommenden Dienstag früh losfahren wollen, beschließen wir die Hafengebühr zu sparen und verbringen die Nacht ankernd vorm Strand – mal wieder recht unruhig, es weht kaum Wind, aber der Schwell lässt die ‘Orion’ schaukeln.

La Línea
Afrika an Steuerbord in Sicht!

Am Dienstag den 15. Oktober gehen wir dann endlich den letzten Schlag durch die Straße von Gibraltar an. Ein leichter Westwind unterstützt unsere Fahrt, und da wir bei Niedrigwasser aufbrechen schiebt auch die Tide über den größeren Teil der Strecke mit – was bei dem zum Teil sehr starken Tidenstrom in der Straße auch dringend nötig ist.

Marina mit Aussicht: Blick von La Línea auf ‘The Rock’

Erstes Erlebnis ist, dass auf einmal an Steuerbord Land in Sicht kommt: wir können die Küste Afrikas sehen! Zunächst schemenhaft, dann immer deutlicher, und ab etwa der Höhe von Tarifa zum Greifen nahe; gleichzeitig legen Wind und Strom immer mehr zu, so dass wir am frühen Nachmittag mit 25 Knoten Wind im Rücken geradezu auf Gibraltar zufliegen. Bald kommt der charakteristische Felsen in Sicht, wir queren noch die Bucht von Gibraltar und laufen schließlich den Hafen von La Línea an, der auf der spanischen Seite direkt an der Grenze zu Gibraltar liegt.

Gibraltar

Mittwoch überqueren wir zu Fuß die direkt hinter der Marina verlaufende Grenze – und laufen nach der Passkontrolle erst mal über die Start- und Landebahn des Flughafens! Ein etwas absurdes Erlebnis, aber Platz ist in Gibraltar eben Mangelware – wenn ein Flugzeug starten oder landen will, wird eben die Rollbahn so lange abgesperrt.

Die gerade mal gut 6 Quadratkilometer große Halbinsel wurde 1704 durch einen englischen Überfall britisches Territorium; seitdem schlugen alle militärischen und diplomatischen Versuche fehl, dies wieder zu ändern. Heutzutage kann man unter europäischen Ländern zwar kaum noch mit strategischen Notwendigkeiten argumentieren, aber als Steueroase ist Gibraltar so bedeutend, dass es beim gegenwärtigen Status wohl bleiben wird.

Der Felsen von Gibraltar und einer seiner Bewohner

Der größte Teil der Fläche wird von einem gut 400 Meter aufragenden Kalksteinfelsen eingenommen, der weithin sichtbar ist und in antiker Zeit als eine der Säulen des Herakles (neben dem Dschebel Musa in Marokko) galt, die das Ende der Welt markieren. Neben dem Felsen selbst und den zahlreichen Verteidigungsbauwerken darauf und darin sind die bekannteste Attraktion die auf dem Berg lebenden Affen, die einzigen auf dem europäischen Kontinent.

Da die gesamte Bergregion zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, muss man zur Besteigung des Felsens Eintrittsgeld bezahlen; diese Klassifizierung steht in merkwürdigem Kontrast zu der nicht enden wollenden Karawane von Mini-Vans, mit denen Touristen auf den Berg gefahren werden – wer außer uns kommt schon auf die verrückte Idee, bei der Hitze die 400 Höhenmeter zu Fuß zu ersteigen? Entsprechend erschöpft sind wir nach einigen Stunden auf dem Felsen, aber die alles andere als scheuen Affen und die spektakuläre Aussicht entlohnen uns für die Mühe!

Aussicht über Gibraltar und La Línea

 

Teil der alten Stadtmauer von Gibraltar

Am Fuße des Felsens drängen sich das alte Zentrum von Gibraltar, der umfangreiche Hafen sowie die zahlreichen Hochhäuser mit all ihren Banken und Finanzdienstleistern. Die Straßenkultur ist eine merkwürdige Mixtur aus spanischen und britischen Elementen: Tapas-Bars und Fish&Chips-Lokale wechseln sich ab. Umgangssprache ist Englisch, bezahlt wird in Pfund Sterling, gefahren aber (soweit das in Gibraltar überhaupt möglich ist) auf der rechten Straßenseite. Wir nutzen noch einen sehr positiven Aspekt des britischen Kulturraums und genießen ein tolles Abendessen in einem kleinen indischen Take-away, bevor wir uns mit letzter Kraft – wieder übers Rollfeld und durch die Passkontrollen natürlich – zurück zur ‘Orion’ schleppen.